· Fachbeitrag · Arbeitsunfähigkeit
Beweiswert einer AU ist nicht erschüttert, weil sie kurz nach einer Abmahnung erstellt wurde
| Die bloße Tatsache, dass eine Arbeitsunfähigkeit kurze Zeit nach Erteilung einer Abmahnung begonnen hat, ist nicht geeignet, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern. |
Diese Klarstellung traf das LAG Köln (25.6.20, 6 Sa 664/19, Abruf-Nr. 219256). In entsprechenden Fällen können Sie die nachstehende Musterformulierung verwenden, die die Argumente des LAG aufnimmt.
Musterformulierung / Beweiswert der AU ist nicht erschüttert |
In Sachen x ./. y wird beantragt,
Begründung Der Kläger war in der Zeit vom ... bis ... arbeitsunfähig. Ein Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde vorgelegt.
Beweis: Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom xxx , ausgestellt von Dr. Y
Die Beklagte verweigert eine Entgeltfortzahlung für diesen Zeitraum. Sie hält den Beweiswert der Arbeisunfähigkeitsbescheinigung für erschüttert, weil sie den Kläger wenige Tage zuvor wegen ... abgemahnt hatte.
Der vertragliche Entgeltanspruch des Klägers folgt aus § 3 EFZG. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann von einer Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Rede sein.
In der Regel ist der Beweis krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit geführt, wenn eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i. S. d. § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG vorgelegt wird. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Ihr kommt ein hoher Beweiswert zu. Das Gericht kann normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen, wenn der Arbeitnehmer im Rechtsstreit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt (BAG 26.10.16, 5 AZR 167/16 = NJW 17, 1129).
Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist nur im Ausnahmefall erschüttert. Voraussetzung ist, dass die vom Arbeitgeber vorgetragenen Tatsachen zu ernsthaften Zweifeln an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Anlass geben. Hiernach kommen als Tatsachen, die eine Erschütterung des Beweiswertes begründen können, zum Beispiel in Betracht (vgl. Griese in: Küttner Personalbuch 2020 Nr. 54 Rn. 6 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung): |
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Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, dann kann er gemäß § 275 Abs. 1a SGB V den medizinischen Dienst einschalten. Das hat die Beklagte vorliegend nicht getan.
Auch im Übrigen gibt es keinen objektiven Anlass, an der Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu zweifeln. Keine der üblichen Beispiele für eine Erschütterung des Beweiswerts oben genannten Beispiele liegt hier vor. Nicht ohne Grund fehlt in den Beispielsfällen eine dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbare Sachverhaltsgestaltung. Nur die zeitliche Nähe des Beginns einer Arbeitsunfähigkeit zu einer Abmahnung reicht als Indiz gegen die Richtigkeit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht aus. Wäre es anders, so verlöre die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als solche gänzlich ihren Beweiswert. Das folgt daraus, dass eine den Arbeitnehmer belastende Maßnahme ‒ und sei es nur die nicht ganz wunschgemäße Bestimmung der Pausenzeit an einem konkreten Tag ‒ in den meisten Fällen im zeitlichen Umfeld des Beginns der Arbeitsunfähigkeit liegt. In diesem Sinne „belastende Maßnahmen“ sind im Arbeitsverhältnis, im Rahmen dessen der Arbeitnehmer dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterliegt, alltäglich.
Ist die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aber nicth erschüttert, ist der Beklagte zur Entgeltfortzahlung verpflichtet.
Der Klagebetrag errechnet sich wie folgt: ...
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