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  • · Fachbeitrag · Zeiterfassung

    Zurück zur Stechuhr?

    | Der Arbeitgeber ist verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Das ist die Kernaussage einer aktuellen Entscheidung des Bundearbeitsgerichts (BAG). Aber wie kam es dazu, worum ging es und vor allem: Wie geht es jetzt weiter? |

    1. Der Ausgangsfall: Betriebsrat fordert Initiativrecht bei Zeiterfassung

    Der Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eigentlich ein ganz anderer. Geklagt hatte der Betriebsrat einer vollstationären Wohneinrichtung. Er hatte mit dem Arbeitgeber 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit geschlossen. Zeitgleich wurde über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung verhandelt. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem der Arbeitgeber deren Zuständigkeit gerügt hatten, reichte der Betriebsrat die vorliegenden Klage ein. Er möchte festgestellt wissen, dass er ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems hat.

    2. Die Entscheidung: Kein Anspruch des Betriebsrats

    Das Landesarbeitsgericht hatte dem Antrag des Betriebsrats noch stattgegeben. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hatte vor dem Ersten Senat des BAG Erfolg. Dort wurde die Klage abgewiesen. Das BAG stellte klar, dass der Betriebsrat hier kein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems hat.

    3. Die Begründung: Es besteht bereits eine gesetzliche Regelung

    Das BAG begründet seine Entscheidung folgendermaßen: Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG in sozialen Angelegenheiten nur mitzubestimmen, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen. Dies schließt ein ‒ ggfs. mithilfe der Einigungsstelle durchsetzbares ‒ Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Systems der Arbeitszeiterfassung aus.

     

    Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen.

    4. Die Kernaussage: Pflicht zur Arbeitszeiterfassung

    Die Sprengkraft der Entscheidung liegt im Mittelteil der Begründung, in der das BAG eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aus dem ArbSchG herleitet.

     

    Diese Entscheidung kommt auch nicht überraschend. Sie zeichnete sich nach der sog. Stechuhr-Entscheidung des EuGH (14.5.19, C-5/18) ab. Der EuGH hat dort schon etntschieden, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber dazu verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzurichten, mit dem die täglich geleistete Arbeitszeit der Beschäftigten gemessen werden kann. Nur so könnten die Rechte aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie umgesetzt werden, also die wöchentliche Höchstarbeitszeit sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten.

     

    Diese Vorgabe hat das BAG nun umgesetzt und die bestehende Gesetzeslage im Lichte dieser Entscheidung ausgelegt.

    5. Die Folgen: Wie es weitergeht

    Da das BAG keine Gesetzgebungskompetenz hat, ergibt sich daraus zunächst kein sofortiger Handlungsbedarf der Arbeitgeber. Hier muss auf eine gesetzliche Vorgabe gewartet werden. Bisher hat der deutsche Gesetzgeber auf die Vorgabe des EuGH noch nicht reagiert. Dies wird er aber tun müssen. Fraglich ist dabei, wie dies umgesetzt werden kann. So sollen auch künftig flexible Arbeitszeitmodelle (z.B. Vertrauensarbeitszeit) möglich sein. Auch darf der bürokratische Aufwand nicht zu hoch werden, um die Produktivität der Arbeitnehmer nicht einzuschränken. Fragen von Homeoffice, Überstunden, etc. sind zu beantworten. Das Bundesarbeitsministerium teilte dazu mit, dass die weitere Vorgehensweise geprüft werde. Mit schnellen Ergebnissen ist wohl vorerst nicht zu rechnen. Gleichwohl sollte sich jeder Arbeitgeber bereits jetzt Gedanken daüber machen, wie er eine entsprechende Dokumentation vornehmen könnte.

    (St)

    Quelle |

    • BAG, Pressemitteilung zum Beschluss vom 13.9.22, 1 ABR 22/21
    Quelle: ID 48580247