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  • · Fachbeitrag · Betriebsrat

    Keine Mitbestimmung bei „Raucherpausen nur in festgelegten Pausen“

    | Die Anordnung eines ArbG, dass Rauchen nur in den festgelegten Pausen gestattet ist, unterliegt regelmäßig nicht dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats (BR) aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, da die Anordnung die Einhaltung der Arbeitszeit sicherstellen soll und somit nicht das Ordnungsverhalten, sondern das Arbeitsverhalten betrifft. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbG erbringt Logistikdienstleistungen in einem Seehafen. Umgeschlagen werden insbesondere große Mengen von Holz und Holzprodukten. Für das gesamte Betriebsgelände besteht generelles Rauchverbot. Das Rauchen ist ausdrücklich nur auf den dafür ausgewiesenen Plätzen (Raucherinseln) gestattet. Auf dem Gelände des Seehafens sind fünf Raucherinseln eingerichtet. Im Jahr 2020 kam es bei mehreren holzverarbeitenden Unternehmen in der Nachbarschaft des Seehafens zu Bränden. Im November 2020 gab der ArbG Verhaltensmaßregeln für das Betriebsgelände des Seehafens heraus.

     

    Dabei forderte der ArbG seine ArbN auf, die Kenntnisnahme dieser Anordnung durch ihre Unterschrift zu bestätigen. Für den Fall einer Unterschriftsverweigerung wurden Konsequenzen angedroht. Der BR verlangte, die Anordnung wegen der unterbliebenen Beteiligung zurückzuziehen und die Mitarbeiter entsprechend zu informieren. Er vertritt die Ansicht, dass die Regelung zum Rauchen in der Verhaltensordnung nicht hinreichend rechtssicher sei. Ein ArbN könne daraus nicht entnehmen, wann er sich in den Raucherinseln aufhalten dürfe und ob er zuvor ausstempeln müsse. Nach der bisherigen Betriebsordnung seien ungeplante, eingeschobene Arbeitsunterbrechungen, in denen geraucht werden konnte, grundsätzlich möglich gewesen, was nicht zu zusätzlichen Pausenzeiten geführt habe.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach dem LAG Mecklenburg-Vorpommern (29.3.22, 5 TaBV 12/21, Abruf-Nr. 228540) verletzt die Anordnung des ArbG „Somit ist das Rauchen ausschließlich auf den gem. Anlage 1 aufgeführten ‚Raucherinseln‘ und ausschließlich in der tariflich vorgesehenen Pause gestattet“ nicht das Mitbestimmungsrecht des BR. Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich weder aus § 87 BetrVG noch aus § 23 Abs. 3 BetrVG.

     

    Das Rauchverbot auf dem Hafengelände außerhalb der fünf Raucherinseln ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Es ist ‒ unabhängig von Brandschutzvorschriften ‒ bereits in der Betriebsordnung 2011 geregelt. Im Streit ist lediglich der Halbsatz :„... und ausschließlich in der tariflich vorgesehenen Pause gestattet“.

     

    Die Anordnung des ArbG, dass Rauchen nur in den Pausen gestattet sei, betrifft ausschließlich das Arbeitsverhalten. Die Regelung dient nicht der Koordinierung des Zusammenlebens und -wirkens der ArbN. Sie ist ausschließlich auf die Einhaltung der Arbeitszeiten gerichtet. Während des Rauchens können die ArbN grundsätzlich keine Arbeitsleistung erbringen.

     

    Rauchen außerhalb der vorgesehenen Pausen unterbricht die Arbeitstätigkeit. Der ArbG muss solche Arbeitsunterbrechungen nicht dulden. Vielmehr haben die ArbN während der festgelegten Arbeitszeiten ihre Arbeitsleistung zu erbringen. Zumindest müssen sie sich bereithalten, um jederzeit die Arbeit nach Anweisung des ArbG aufnehmen zu können. Dem ArbG ist es nicht verwehrt, die Arbeitsleistungen in vollem Zeitumfang abzufordern.

     

    Zwar mag es vorkommen, dass es wegen eines schwankenden Arbeitsanfalls nicht immer möglich ist, alle ArbN durchgängig zu beschäftigen. Das berechtigt jedoch weder die Raucher, ihren Arbeitsplatz zu verlassen und eine Raucherinsel aufzusuchen, noch andere ArbN, privaten Angelegenheiten welcher Art auch immer nachzugehen. Während der festgelegten Arbeitszeiten besteht Arbeitspflicht. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der ArbG von sich aus im Einzelfall freiwillig eine zusätzliche bezahlte oder unbezahlte Pause gestattet.

     

    Relevanz für die Praxis

    Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, in Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der ArbN im Betrieb mitzubestimmen.

     

    Checkliste / Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats

    Ordnungsverhalten

    Gegenstand des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der ArbN. Dieses kann der ArbG kraft seiner Leitungsmacht durch Verhaltensregeln oder sonstige Maßnahmen beeinflussen und koordinieren. Zweck des Mitbestimmungsrechts ist es, die ArbN hieran gleichberechtigt zu beteiligen (BAG 11.12.18, 1 ABR 13/17).

    Arbeits-

    verhalten

    Anders dagegen das Arbeitsverhalten: Regelungen und Weisungen, die die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisieren, sind nicht mitbestimmungspflichtig (BAG 22.8.17, 1 ABR 52/14; LAG Nürnberg, 2.3.21, 7 TaBV 5/20). Das sind solche Maßnahmen, mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird (BAG 25.9.12, 1 ABR 50/11).

    Mischform?

    Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, kommt es darauf an, welcher Regelungszweck überwiegt. Ob das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen ist, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen, die den ArbG zu einer Maßnahme bewogen haben. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens (BAG 23.8.18, 2 AZR 235/18).

     

    Weiterführender Hinweis

    • Mitbestimmung des BR bei Veränderung des Dienstortes im Homeoffice: LAG Hessen in AA 22, 6
    Quelle: Ausgabe 05 / 2022 | Seite 80 | ID 48209896