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  • · Fachbeitrag · Zustimmungsersetzungsverfahren

    Ohne ausreichenden Verdachtsgrad wird die Zustimmung des Betriebsrats nicht ersetzt!

    | Eine außerordentliche Verdachtskündigung kommt nur in Betracht, wenn aufgrund objektiver Tatsachen der dringende Verdacht einer gravierenden Pflichtverletzung besteht. Dabei ist erforderlich, dass der ArbG alle Mittel ausschöpft, um den Sachverhalt aufzuklären und dann der notwendige hohe Verdachtsgrad erweislich ist. |

     

    Sachverhalt

    Der ArbG stützte seine Kündigungsabsicht auf den dringenden Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit der ArbN, die Betriebsrätin in dem Seniorenzentrum war. Diese soll einer Wohnbereichsleiterin, die ihr Arbeitsverhältnis wenig später beendete, eine Trauerkarte mit dem handschriftlichen Zusatz „Für Dich (bist die nächste)“ in das Dienstpostfach eingelegt haben, was streitig blieb.

     

    Ein vom ArbG außergerichtlich eingeholtes Schriftgutachten ergab, dass der handschriftliche Zusatz mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ (3 von 8 Übereinstimmungsgraden) von der Betriebsrätin stammte. Die höheren Übereinstimmungsgrade „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“ und „sehr hohe Wahrscheinlichkeit“ vermochte der Sachverständige hingegen nicht festzustellen. Der Prozessbevollmächtigte des ArbG betonte im Zusammenhang mit der Kündigungsabsicht, dass man insbesondere zum Schutz der weiteren Beschäftigten des Seniorenzentrums tätig werden wolle.

     

    Das Arbeitsgericht Bochum hatte den Zustimmungsersetzungsantrag des ArbG mit Beschluss abgewiesen (16.2.16, 2 BV 36/15). Dagegen richtete sich die vom ArbG eingelegte Beschwerde.

     

    Entscheidungsgründe

    Schon in der mündlichen Verhandlung machte der Kammervorsitzende deutlich, dass eine Verdachtskündigung und damit die beantragte Zustimmungsersetzung nach der Rechtsprechung des BAG nur unter engen Voraussetzungen in Betracht komme (LAG Hamm 30.8.16, 7 TaBV 45/16, Abruf-Nr. 188769). So müsse aufgrund objektiver Tatsachen der dringende Verdacht einer gravierenden Pflichtwidrigkeit bestehen. Der ArbG müsse alle ihm möglichen und zumutbaren Mittel der Sachverhaltsaufklärung ausgeschöpft und insbesondere den betroffenen ArbN zu den konkreten Verdachtsmomenten angehört haben. Zudem müsse aufgrund der Verdachtslage die zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauensbasis zerstört sein.

     

    Die Beschwerdekammer wies mit am Ende der Sitzung verkündeter Entscheidung das Rechtsmittel des ArbG zurück und ließ weitere Rechtsmittel nicht zu. Sie ließ bereits im Termin - insbesondere bezogen auf den zur Kündigung erforderlichen Verdachtsgrad - Bedenken an der Begründetheit des Antrags erkennen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Im Zustimmungsersetzungsverfahren wie auch bei der Kündigungsschutzklage von ArbN, die keine Betriebsratsmitglieder sind, ist die Rechtsstellung des ArbG relativ unsicher. Zum einen muss der ArbG alle Mittel zur Sachverhaltsaufklärung ausschöpfen, die ihm zur Verfügung stehen. Dies gilt insbesondere bei der Anforderung, zwingend den betroffenen ArbN vor dem Kündigungsausspruch anzuhören. Zum anderen ist auch dann unsicher, ob vor Gericht der erforderliche Verdachtsgrad als erreicht angesehen wird. Hier hat die jeweilige Kammer einen Beurteilungsspielraum. Das erschwert eine Prognose in der Praxis.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • „Bei Anruf Mord“-Drohung: Fristlose Kündigung gerechtfertigt! Arbeitsgericht Düsseldorf in AA 16, 158
    • Private E-Mail-Korrespondenz des ArbN im Prozess verwerten: In einem Fall geht es! LAG Hamm in AA 16, 79
    • Vorwurf der Vorteilsnahme reicht für ordentliche Verdachtskündigung: Arbeitsgericht Krefeld in AA 15, 199
    • Verdachtskündigung des Ausbildungsverhältnisses: BAG in AA 15, 78
    Quelle: Ausgabe 10 / 2016 | Seite 165 | ID 44275528