· Fachbeitrag · Außerordentliche Kündigung
Wann beginnt die Ausschlussfrist nach § 626Abs. 2 BGB bei krankheitsbedingter Kündigung?
Die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB für den Ausspruch einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung beginnt nicht bereits mit dem Ende der letzten Arbeitsunfähigkeit zu laufen, sondern erst dann, wenn der Zeitpunkt erreicht ist, zu dem von einer negativen Gesundheitsprognose, die den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit zulässt, sicher auszugehen ist (BAG 23.1.14, 2 AZR 582/13, Abruf-Nr. 150678). |
Sachverhalt
Die ArbN war seit dem Jahr 2000 wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt für einzelne Zeitabschnitte arbeitsunfähig krank. Diese lagen jeweils insgesamt deutlich über sechs Wochen pro Jahr. Die letzte der krankheitsbedingten Fehlzeiten betraf den Zeitraum zwischen dem 16.11.11 und dem 19.12.11.
Unter dem 28.3.12 kündigte der ArbG das, wegen anwendbarer tarifvertraglicher Vorschriften ordentlich nicht mehr kündbare, Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist, die der ordentlichen Kündigungsfrist der Länge nach entsprach.
Nach dem 19.12.11 bis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist war die ArbN nicht mehr arbeitsunfähig krank.
Im Rahmen der Kündigungsschutzklage berief sich die ArbN unter anderem darauf, dass der ArbG die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB für eine außerordentliche Kündigung nicht eingehalten habe. Das BAG hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das allerdings mit der Begründung, die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung seien nicht ausreichend dargelegt und nicht wegen Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB.
Entscheidungsgründe
Wie der 2. Senat des BAG betont, ist die Kündigung nicht bereits nach § 626 Abs. 2 BGB wegen Versäumens der zweiwöchigen Ausschlussfrist für eine außerordentliche Kündigung durch den ArbG unwirksam. Zwar sei grundsätzlich auch im Fall der krankheitsbedingten außerordentlichen Kündigung die Frist des § 626 Abs. 2 BGB einzuhalten. Bei Dauertatbeständen, wie den hier zu beurteilenden krankheitsbedingten Fehlzeiten, bei denen sich der Kündigungssachverhalt fortwährend neu verwirkliche, reiche es hingegen zur Fristwahrung aus, wenn die Kündigung auf Umstände gestützt sei, die noch bis mindestens zwei Wochen vor Zugang der Kündigung gegeben gewesen sei.
Bei einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen liege der Kündigungsgrund nicht in der einzelnen Erkrankung, sondern in einer negativen Gesundheitsprognose. Diese beziehe sich darauf, dass verschiedene Erkrankungen den Schluss auf eine dauerhafte Krankheitsanfälligkeit des ArbN zuließen. Ein solcher Dauertatbestand ende erst, wenn ein Zeitpunkt erreicht sei, in dem davon auszugehen sei, dass die generelle Krankheitsanfälligkeit nicht (mehr) bestehe. Erst zu diesem Zeitpunkt beginne damit die Zweiwochenfrist nach § 626 Abs. 2 BGB.
Eine solche Prognose könne naturgemäß erst nach Ablauf einer geraumen Zeit nach der letzten eingetretenen Erkrankung getroffen werden. Es fehle in dem zu entscheidenden Rechtsstreit an Anhaltspunkten dafür, dass die negative Prognose zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 28.3.12 allein aufgrund des Endes der letzten Kurzerkrankung am 19.12.11 nicht mehr gegeben sei.
Gleichwohl war die Kündigungsschutzklage der ArbN auch in letzter Instanz erfolgreich, da nach Auffassung des 2. Senats die (weiteren) Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung durch den ArbG nicht ausreichend dargelegt worden sein.
Praxishinweis
Will der ArbG bei Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung im Kündigungsschutzrechtsstreit auf der sicheren Seite stehen, sollte er trotz der für ihn positiven Entscheidung des BAG die Zweiwochenfrist ausgehend vom Ablauf der letzten bekannten Erkrankung berechnen.
Zwar muss der ArbN nach der neuen Rechtsprechung des BAG nachweisen, dass die Krankheitsanfälligkeit länger als zwei Wochen vor Ausspruch der Kündigung nicht mehr bestand. Dies wird ihm rein praktisch in den meisten Fällen nicht gelingen, sodass allein wegen Nichteinhaltung der Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB, die nur bei der außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung eine Rolle spielt, in der Regel der Kündigungsschutzklage nicht stattzugeben sein wird.
Der Zeitpunkt der Erschütterung der negativen Zukunftsprognose ist durch die erkennende Kammer äußerst schwer festzustellen. Da hingegen Zweifel bestehen, ob und in welcher Form die Rechtsprechung des 2. Senats Bestand hat und von den Instanzgerichten umgesetzt wird, sollte der ArbG bei Berechnung der Frist in den genannten Fällen auf einen konkreten und greifbaren Zeitpunkt, nämlich den des Endes der letzten bekannten Erkrankung, abstellen.
Weiterführende Hinweise
- Wann beginnt die Ausschlussfrist nach § 626 Abs. 2 BGB bei der Verdachtskündigung: BAG in AA 14, 168
- Fristlose Kündigung wegen Löschens von Daten in der Verfügungsmacht des ArbG: Hessisches LAG in AA 14, 132
- Umfang der Unterrichtungspflicht gegenüber dem Betriebsrat bei krankheitsbedingter Kündigung: Arbeitsgericht Berlin in AA 14, 123
- Personenbedingte Kündigung bei Alkoholerkrankung ohne hohe Fehlzeiten: BAG in AA 14, 147