· Fachbeitrag · Klagefrist
Beginn der Klagefrist bei Kündigung durch vollmachtlosen Vertreter
von DirArbG Dr. Guido Mareck, Siegen
Bei einer Kündigung durch einen vollmachtlosen Vertreter des ArbG, die aber der Schriftform der § 623, § 126 Abs. 1 BGB genügt, beginnt die Klagefrist nach § 4 KSchG erst mit Zugang der Genehmigung der Kündigung durch den ArbG beim betroffenen ArbN (BAG 6.9.12, 2 AZR 858/11, Abruf-Nr. 130899). |
Sachverhalt
Der ArbN ist beim ArbG, der eine Spedition mit etwa 100 Mitarbeitern betreibt, seit 2007 als Lagerarbeiter tätig. Am 15.12.09 ging ihm ein Kündigungsschreiben gleichen Datums zu, das am Anfang die Angabe „Unsere Ref.: P. D./sk“ enthält und am Ende nach Angabe der vollständigen Firmenbezeichnung der ArbG mit zwei handschriftlichen Unterzeichnungen endet.
Die erste Unterzeichnung beginnt mit „ppa.“ und dem folgt der Schriftzug des Prokuristen V. Die zweite Unterschrift lautet „i.V.“ und folgend die Unterschrift des Personalverantwortlichen und Handlungsbevollmächtigten P. D.
Gegen diese Kündigung erhob der ArbN am 2.2.10 Klage. Mit Schriftsatz seines Parteibevollmächtigten vom 28.5.10 wies er darüber hinaus die Kündigung wegen fehlender Vollmacht der Unterzeichner zurück und forderte den ArbG zur Genehmigung der Kündigung auf. Mit Schreiben vom 1.6.10, dem ArbN zugegangen am 2.6.10, genehmigte die ArbG vorsorglich die ausgesprochene Kündigung.
Die gegen die Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage des ArbN wurde vom Arbeitsgericht und vom LAG Hamburg (7 Sa 66/10) wegen Versäumung der Klagefrist des § 4 KSchG abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Revision des ArbN führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LAG.
Entscheidungsgründe
Das BAG stellt klar, dass die dreiwöchige Klagefrist nach § 4 KSchG mit Zugang des Kündigungsschreibens beim ArbN am 15.12.09 nur dann in Gang gesetzt worden sei, wenn die unterzeichnenden Personen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zur Kündigung bevollmächtigt gewesen seien.
Entgegen der Auffassung des LAG reiche allein der Rechtsschein einer solchen Bevollmächtigung in Form der sogenannten Anscheinsvollmacht nicht aus. Diese Rechtsfigur diene nämlich dem Schutz des Erklärungsempfängers, also im vorliegenden Fall des ArbN. Dessen Interessen nutze hingegen eine Zurechnung der Kündigung zum ArbG gerade nicht. Der ArbG sei bei Vorliegen eines bloßen Rechtsscheins auch nicht schutzbedürftig.
Die Erweiterung der Norm des § 4 S. 1 KSchG auf „sonstige Unwirksamkeitsgründe“ diene zwar dem Schutz des ArbG, der nach Ablauf von drei Wochen nach Zugang seiner Kündigung darauf vertrauen dürfe, dass seine Kündigung das Arbeitsverhältnis aufgelöst habe. Die Klagefrist werde aber nur durch eine dem ArbG bzw. dessen ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertretern zurechenbare Kündigung in Gang gesetzt. Eine Kündigung durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht sei aber nicht durch den Willen des ArbG getragen.
Die erforderliche Zurechenbarkeit werde erst durch die nachträgliche Genehmigung nach § 180 S. 2, § 177 Abs. 1 BGB hergestellt. Diese sei hier auch möglich gewesen sei, da der ArbN die Vertretungsmacht nicht „bei Vornahme“ unverzüglich beanstandet habe.
Die materiell-rechtliche Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als Willenserklärung sei für den Lauf der Klagefrist gem. § 4 S. 1 KSchG ohne Bedeutung. Diese beginne erst mit Zugang der Genehmigung beim ArbN. Erst ab dann sei ein Interesse des ArbG an der raschen Klärung der Frage, ob die Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe, anzuerkennen.
Die Schriftform der Kündigung nach § 623, § 126 Abs. 1 BGB sei hingegen durch das dem ArbN zugegangene Kündigungsschreiben eingehalten. Der Aussteller der Erklärung sei identifizierbar, dies sei unabhängig von der Lesbarkeit des Namenszugs und der tatsächlichen Bevollmächtigung. Da diese nicht vom Senat selbst geklärt werden konnte, hat das BAG den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen.
Praxishinweis
Das Rechtsinstitut der Anscheinsvollmacht hilft dem ArbG nicht weiter, wenn die Vollmacht der oder des kündigenden Repräsentanten seitens des gekündigten ArbN bestritten wird. Wird eine Vollmacht unverzüglich nach Zugang der Kündigung gem. § 174 Abs. 1 S. 1 BGB bestritten, ist die Kündigung unwirksam. Eine „rettende“ Genehmigung ist nicht möglich.
Dem ArbG ist in solchen Fällen zu raten, sofort eine weitere hilfsweise Kündigung auszusprechen, die von klar vertretungsberechtigten Personen (z.B. Geschäftsführer) unterzeichnet ist. Um das Problem im Vorfeld zu vermeiden, kann eine Kündigungsberechtigung z.B. des Personalleiters auch in geeigneter Weise im Betrieb bekannt gegeben werden. Es ist dabei stets darauf zu achten, dass diese Bekanntgabe im Zweifelsfalle auch gerichtsfest darlegbar und beweisbar ist. In jedem Fall empfiehlt es sich, für die Kündigungsberechtigung im Betrieb klare Regeln zu schaffen und diese transparent zu machen.
Weiterführende Hinweise
- Der Klageantrag im Kündigungsschutzverfahren: Mareck, AA 12, 155
- Verzugslohn und Geltendmachung durch Bestandsschutzklage: BAG AA 13, 56