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  • 16.05.2012 · IWW-Abrufnummer 122049

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 21.03.2012 – 3 Sa 440/11

    1. Nach dem allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk vom 04.10.2003 ist die zwischen dem Ende der Reinigung des einen Objekts und dem Beginn der Reinigung im Folgeobjekt liegende arbeitsfreie Zeit - sogenannte Zwischenzeit - regelmäßig nicht zu vergüten.

    2. Zu den Voraussetzungen, unter denen in der Zwischenzeit zurückgelegte Wegezeiten wie Arbeitszeit zu vergüten sind.


    In dem Rechtsstreit

    pp.

    hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 21.03.2012 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts ... als Vorsitzende und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.09.2011 - 3 Ca 1329/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten darüber, ob alle Zeiträume zwischen Arbeitseinsätzen an unterschiedlichen Arbeitsstellen als Arbeitszeit zu vergüten sind und ob der Klägerin für Fahrten von der letzten Arbeitsstelle vormittags nach Hause und von zu Hause zu der ersten Arbeitsstelle nachmittags Zahlungsansprüche zustehen.

    Die Klägerin ist seit Juni 2008 als Innenreinigerin bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte setzt sie arbeitstäglich zur Reinigung verschiedener Objekte ein. Der Rythmus ist beispielhaft im Einzelnen der Aufstellung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 07.06.2011, Seite 1 und 2 (Blatt 22, 23 d. Akte) zu entnehmen. Die verschiedenen Arbeitseinsätze reihen sich nicht nahtlos aneinander. Die Klägerin hat diverse unterschiedlich lange Leerlaufzeiten Zwischen den Einsätzen der Klägerin liegen diverse unterschiedlich lange Leerlaufzeiten, die nicht vergütet werden. In der Mittagszeit ist die Reinigungstätigkeit oftmals annähernd vier Stunden unterbrochen. Die Klägerin fährt dann nach Hause.

    Die Klägerin benutzt für die Wege von zu Hause zur Arbeit und zurück und für die Wege zwischen den einzelnen Einsatzstellen ihr Privatfahrzeug. Die Beklagte vergütet ihr die zwischen den einzelnen Reinigungsobjekten zurückgelegten Strecken mit 0,30 EUR/km. Weiter vergütet sie die anfallende Fahrtzeit wie Arbeitszeit. Weitere arbeitsfreie Zwischenzeiträume vergütet sie nicht. Für die Fahrten von dem zuletzt am Vormittag gereinigten Objekt nach Hause und von zu Hause zu dem zuerst am Nachmittag zu reinigenden Objekt vergütet die Beklagte der Klägerin weder die Fahrtzeit noch zahlt sie Kilometergeld. Um die Vergütung der Zwischenzeiten und die Zahlung von Kilometergeld auch für diese Fahrten streitet die Klägerin, und zwar vorliegend exemplarisch für die Monate Januar bis März 2011.

    Ziffer 17 des Arbeitsvertrages der Klägerin vom 21. März 2011 lautet wie folgt:

    ....Der Arbeitgeber ist darüber hinaus berechtigt, den Arbeitnehmer unter Einhaltung der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten in mehreren Reinigungsobjekten einzusetzen. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf, dass die Ein- sätze in den unterschiedlichen Reinigungsobjekten unmittelbar aufeinander folgen. (Bl. 57R d.A.)

    Auf das Arbeitsverhältnis findet der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: RTV) Anwendung.

    § 3 Ziffer 2.1 und 2.2 Satz 1 RTV in der Fassung vom 04.10.2003 lauten wie folgt:

    "2.1 Die Arbeitszeit beginnt und endet an der betrieblichen Sammelstelle oder an der Arbeitsstelle, je nach Vereinbarung.

    2.2 Die zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit aufgewendete Wegezeit gilt als Arbeitszeit. ...."

    Die Tarifvertragsparteien trafen dazu unter dem 29.10.2009 folgende Vereinbarung:

    "Die Tarifvertragsparteien des Gebäudereiniger-Handwerks sind sich einig, § 3 Nr. 2 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 4. Oktober 2003 (RTV Gebäudereinigung) wie folgt auszulegen:

    "Beginn und Ende der Arbeitszeit

    Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle. Hat der Arbeitnehmer vor und nach Aufsuchen der Arbeitsstelle eine betriebliche Sammelstelle (Aufenthalts-, Umkleide- oder Putzraum) aufzusuchen, beginnt und endet die Arbeitszeit dort.

    Die Wegezeit zwischen mehreren aufzusuchenden Arbeitsstellen ist wie Arbeitszeit zu vergüten, wenn die Zeit zwischen dem Ende der ersten und dem Beginn der nächsten Arbeitsstelle (Zwischenzeit) bis zu drei Stunden beträgt. Wird die Zwischenzeit ausschließlich zur Bewältigung des Weges zwischen den Arbeitsstellen benötigt, so ist diese Wegezeit auch über drei Stunden hinaus wie Arbeitszeit zu vergüten."

    Die vorstehende Bestimmung wird bei nächster Gelegenheit an Stelle der derzeit gültigen o. g. Vorschrift des RTV Gebäudereinigung in den RTV Gebäudereinigung aufgenommen."

    Zwischen den Instanzen haben die Tarifvertragsparteien mit Wirkung ab 01.01.2012 unter § 3 2.2 RTV folgende neue Regelung zur Vergütung der Fahrtzeiten getroffen:

    "Die direkte Wegezeit zwischen mehreren aufzusuchenden Arbeitsstellen ist wie Arbeitszeit zu vergüten, wenn die Zeit zwischen dem Ende der ersten und dem Beginn der nächsten Arbeitsstelle (Zwischenzeit) bis zu 3 Stunden beträgt. Wird für die direkte Wegezeit mehr als die Hälfte dieser Zwischenzeit benötigt, so ist die gesamte Zwischenzeit als Arbeitszeit zu vergüten. Wird die Zwischenzeit ausschließlich zur Bewältigung des Weges zwischen den Arbeitsstellen benötigt, so ist diese Wegezeit auch über 3 Stunden hinaus wie Arbeitszeit zu vergüten."

    Die Klägerin hat stets die Auffassung vertreten, aus der Regelung des § 3 2.2 RTV ergebe sich ein Anspruch auf die Vergütung der gesamten Zeit, die zwischen dem Ende der Reinigung im ersten Objekt und dem Beginn der Reinigung im Folgeobjekt liegt. Die Beklagte habe ihr deswegen für die Monate Januar bis März 2011 die Differenz zwischen der Vergütung für diese Gesamtzeiten zu den tatsächlich erstatteten Fahrtzeiten zu zahlen. Die Beklagte schulde ihr darüber hinaus für die mittags zusätzlich anfallenden Heim- und anschließenden Rückfahrten zum ersten Objekt nachmittags ein Kilometergeld und die Arbeitsvergütung entsprechend dem Zeitaufwand für diese Fahrten. Das folge daraus, dass die Klägerin mit ihrem Fahrzeug auch Arbeitsmittel transportiere und diese zusätzlichen Heimfahrten allein wegen der Arbeitseinteilung durch die Beklagte erforderlich seien.

    Die der Klagforderung zugrunde liegenden Berechnungen der Klägerin (Bl. 5 und Bl. 90 d.A.) sind unstreitig. Sie wurden rechtzeitig innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist geltend gemacht.

    Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, EUR 1.608,98 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2011 an die Klägerin zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie war stets der Ansicht, aus der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 29.10.2009 ergebe sich, dass der Klägerin ausschließlich die Fahrtzeiten zwischen den einzelnen Arbeitseinsätzen wie Arbeitszeit zu vergüten seien, aber nicht die gesamte Zeit, die zwischen diesen Einsätzen liege. Diese Vergütungspflicht bestehe auch nur, wenn die Zeit zwischen zwei Arbeitseinsätzen maximal drei Stunden betrage, es sei denn, es handele sich um reine Wegezeit. Für Fahrten von der Wohnung zur Arbeit und zurück schulde sie weder die Kilometerpauschale noch eine Wegezeitvergütung.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es im Wesentlichen der Begründung der Beklagten gefolgt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil vom 29.09.2011 verwiesen.

    Gegen diese der Klägerin am 13.10.2011 zugestellte Entscheidung hat sie am 11.11.2011 Berufung eingelegt, die am 9.12.2011 begründet wurde.

    Sie ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und beruft sich vor allem auch auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts Lingen vom 09.06.2011 - Az. 1Ca 188/11.

    Die Klägerin beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.9.2011 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.608,98 € brutto nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2011 zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

    II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf Vergütung der arbeitsfreien Zeiten, die zwischen Arbeitseinsätzen an unterschiedlichen Arbeitsstellen liegen und wegen ihrer zeitlichen Lage nicht bereits als Wegezeit vergütet worden sind, besteht für den streitbefangenen Zeitraum Januar bis März 2011 nicht. Zudem ist für Fahrten von der Wohnung zur Arbeit und zurück zur nächsten Arbeitsstelle weder die Kilometerpauschale noch eine Wegezeitvergütung geschuldet. Das ergibt sich aus § 3 Ziffer 2.1 und 2.2 RTV-Gebäudereinigung vom 04.10.2003 unter Heranziehung der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien zu dieser Regelung vom 29.10.2009.

    1.) Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 611 BGB i. V. m. § 3 Ziffer 2.1 und Ziffer 2.2 RTV-Gebäudereinigung auf Vergütung der insgesamt zwischen den einzelnen Einsätzen liegenden Zeiten. Das ergibt die Auslegung dieser Tarifvorschriften i. V. m. der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 29.10.2009 zur Auslegung dieser Regelungen.

    a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 24.09.2008 - 10 AZR 140/08 - zitiert nach Juris, Rz. 14 m. w. N.).

    b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze findet das Begehren der Klägerin keine rechtliche Grundlage in den für sie maßgeblichen tariflichen Vorschriften.

    aa) Der Wortlaut des § 3 Ziffer 2.1 legt als Regelfall für wechselnde Arbeitsstellen fest, dass die Arbeitszeit an der Arbeitsstelle beginnt und endet. Ergänzend hierzu ergibt sich aus dem Wortlaut des § 3 Ziffer 2.2 RTV vom 04.10.2003, dass zusätzlich die zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit aufgewendete Wegezeit als Arbeitszeit gilt. Aus diesem Wortlaut ergibt sich bereits, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur "Wegezeit" und nicht andere Zwischenzeiten als Arbeitszeit zu vergüten ist. Andernfalls hätten sie nicht ausdrücklich das Wort "Wegezeit" gewählt.

    Auch der Wortlaut der klarstellenden Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 29.10.2009 bestätigt das. Danach ist die Wegezeit zwischen mehreren aufzusuchenden Arbeitsstellen wie Arbeitszeit zu vergüten, wenn die Zeit zwischen dem Ende der ersten und dem Beginn der nächsten Arbeitsstelle (Zwischenzeit) bis zu drei Stunden beträgt. Auch dieser gewählte Wortlaut belegt, dass nicht der gesamte Zwischenzeitraum zwischen zwei Arbeitsstellen, vielmehr nur - unter festgelegten Voraussetzungen - die zur Aufsuchung der nächsten Arbeitsstelle aufgewendete "Wegezeit" zu vergüten ist. Bereits die sich aus dem Wortlaut ergebende Differenzierung zwischen "Wegezeit" und "Zwischenzeit" ergibt, dass beides in Bezug auf die Bewertung als Arbeitszeit ein unterschiedliches Schicksal haben soll. Andernfalls wäre die gewählte differenzierte Formulierung überflüssig.

    bb) Auch aus der Systematik ergibt sich nichts anderes. Dass die Tarifvertragsparteien unter § 3 Ziffer 2.2 RTV Gebäudereinigung vom 04.10.2003 i. V. m. der Vereinbarung vom 29.10.2009 die Vergütung der reinen Wegezeit und keinesfalls die der gesamten Zwischenzeit haben normieren wollen, wird auch deutlich aus dem Zusammenspiel der beiden Sätze dieser Regelung. In Satz 2 der Auslegungsvereinbarung vom 29.10.2009 haben die Tarifvertragsparteien ausgeführt: "Wird die Zwischenzeit ausschließlich zur Bewältigung des Weges zwischen den Arbeitsstellen benötigt, so ist diese Wegezeit auch über drei Stunden hinaus wie Arbeitszeit zu vergüten". Hieraus ergibt sich, dass Zwischenzeit und Wegezeit nur dann gleichzusetzen sind, wenn und soweit sie sich zeitlich überlappen. Aus dem Zusammenspiel der beiden Satzhälften wird deutlich, dass die Tarifvertragsparteien als Wegezeit diejenige Zeit ansehen, die "zur Bewältigung des Weges zwischen den Arbeitsstellen benötigt (wird)". Diese von den Tarifvertragsparteien niedergelegte Differenzierung würde ignoriert, wenn Zwischenzeit und Wegezeit pauschal gleichgesetzt würden. Das haben die Tarifvertragsparteien ausweislich der in der Ergänzungsvereinbarung vom 29.10.2009 in Absatz 2 Satz 1 und 2 festgelegten Unterscheidung zwischen "Wegezeit" und "Zwischenzeit" aber gerade nicht gewollt. Aus § 3 Ziffer 2.2 Satz 2 RTV Gebäudereinigung i. d. F. der Vereinbarung vom 29.10.2009 ergibt sich im Umkehrschluss eindeutig und zwingend die Regelung: Wird nur ein Teil der "Zwischenzeit" für die Bewältigung des Weges benötigt, so ist auch nur dieser Teil, nämlich die reine Wegezeit (Fahrzeit) zwischen den Arbeitsstellen wie Arbeitszeit zu vergüten.

    Für dieses Ergebnis der Auslegung spricht auch der in § 4 Ziffer 1 RTV Gebäudereinigung niedergelegte Grundsatz, dass nämlich das Entgelt nur für die wirklich geleistete Arbeitszeit gezahlt werden soll. Es erscheint noch nachvollziehbar und sachgerecht, dass die Tarifvertragsparteien auch die für den Arbeitgeber für Fahrten zwischen verschiedenen Einsatzstellen zwingend aufgewendete Zeit der Arbeitszeit gleichgestellt haben. Nicht mehr sachgerecht und auch nicht mit § 4 Ziffer 1 RTV Gebäudereinigung vereinbar wäre es jedoch, ohne entsprechende ausdrückliche Regelung auch die übrigen "Zwischenzeiten", in denen die Reinigungskraft über ihre Zeit selbst verfügen kann, als zu vergütende Arbeitszeit zu interpretieren, obgleich nur die wirklich geleistete Arbeitszeit bezahlt werden soll.

    cc) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis auch mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Tarifvorschrift, vor allen Dingen der Auslegungsvereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 29.10.2009. Ausgangspunkt der Tarifvertragsparteien war, dass die im Gebäudereinigung eingesetzten Arbeitskräfte aufgrund der Spezifika der Tätigkeit in sogenannten geteilten Diensten arbeiten, weil sich die Einsätze in den unterschiedlichen Reinigungsobjekten nicht immer unmittelbar aufeinanderfolgend zuweisen lassen. Gleichwohl strebten die Tarifvertragsparteien der Gebäudereinigungsbranche an, möglichst nicht mit sogenannten 400-Euro-Jobs, vielmehr mit sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen im Gebäudereinigung zu arbeiten. Um das zu sichern, haben die Tarifvertragsparteien im Nachgang zur Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 03.07.2007 - 11 Sa 402/07 - mit der Auslegungsvereinbarung vom 29.10.2009 die Definition der Wegezeit als Arbeitszeit im Falle von sogenannten geteilten Diensten konkretisiert. Sie haben sich insoweit auf den Grundsatz verständigt, dass bei einem zeitlichen Abstand bis zu drei Stunden die Fahrtzeit zum nächsten Reinigungsobjekt wie Arbeitszeit zu vergüten ist, nicht jedoch der reine zeitliche Abstand zwischen dem Ende der Arbeitszeit in dem einen und dem Beginn der Arbeitszeit in dem anderen Objekt.

    dd) Dieser Regelungswille der Tarifvertragsparteien wird bestätigt durch einen Blick in die Zukunft. Die Tarifvertragsparteien des Gebäudereinigung haben in dem neuen, ab dem 01.01.2012 geltenden RTV Gebäudereinigung unter § 3 Ziffer 2.2 die Differenzierung zwischen "Wegezeit" und "Zwischenzeit" beibehalten und nach wie vor festgeschrieben, dass die direkte Wegezeit zwischen mehreren aufzusuchenden Arbeitsstellen bei einem zeitlichen Abstand bis zum Einsatz auf der nächsten Arbeitsstelle von bis zu drei Stunden als Arbeitszeit zu vergüten ist. Dass die Tarifvertragsparteien die Problematik der Entstehung einer vergütungsfreien Zwischenzeit gesehen haben, ergibt sich aus dem neu hinzugefügten Folgesatz. Mit Wirkung ab 01.01.2012 wird gemäß § 3 Ziffer 2.2 Satz 2 RTV Gebäudereinigung die gesamte Zwischenzeit als Arbeitszeit vergütet, wenn für die direkte Wegezeit mehr als die Hälfte dieser Zwischenzeit benötigt wird". Damit haben sich die Tarifvertragsparteien entschieden, die Folgen der Tatsache, dass Einsätze in unterschiedlichen Reinigungsobjekten häufig nicht unmittelbar aufeinanderfolgen (können), teilweise abzumildern und je nach Länge der nicht zur Wegezeit gehörenden Zwischenzeiten als vergütungsfrei oder vergütungspflichtig einzuordnen. Sie haben auch die gleichen Begriffe "Wegezeit" und "Zwischenzeit" wieder benutzt und erneut insoweit differenziert. Auch durch diese Neuregelung wurde indirekt erneut bestätigt, dass vor dem 01.01.2012 die allgemeine Zwischenzeit nicht generell wie Arbeitszeit zu behandeln ist.

    2.) Aus dem Umkehrschluss zu § 3 Ziffer 2.2 RTV Gebäudereinigung vom 04.10.2003 i. d. F. der Ergänzungsvereinbarung vom 29.10.2009 ergibt sich, dass Zwischenzeiten, die mehr als drei Stunden betragen, generell nicht zu vergüten sind, es sei denn, die reine Wegezeit beträgt mehr als drei Stunden. Daraus folgt, dass dann auch keine Wegezeiten zu vergüten sind, wenn die Zeit zwischen dem Ende der ersten und dem Beginn der nächsten Arbeitsstelle mehr als drei Stunden beträgt. Diese zeitliche Zäsur ist von den Tarifvertragsparteien im Rahmen der ihnen gebührenden Tarifautonomie vorgegeben. Die Klägerin hat daher auch keinen Anspruch auf Vergütung der Fahrten als Wegezeit vom letzten Objekt vormittags - gegen 11.45 Uhr - nach Hause und von dort zum ersten Objekt nachmittags mit Arbeitsbeginn 16.00 Uhr. Die Zwischenzeit zwischen dem letzten Arbeitseinsatz der Klägerin vormittags und dem ersten Arbeitseinsatz nachmittags beträgt mehr als drei Stunden.

    3.) Es sind auch keine rechtlichen Ansatzpunkte ersichtlich, die diese tarifvertragliche Regelung rechtswidrig erscheinen lassen.

    a) Auch wenn die Regelung für die Klägerin "ungerecht" erscheinen mag und die individuelle Planbarkeit ihres Alltags durch "nutzlose ", kaum individuell gestaltbare Leerlaufzeiten zwischen zwei Arbeitseinsätzen eingeschränkt ist, ist von den Gerichten die Tarifautonomie und der Wille der Tarifvertragsparteien zu beachten. Ein Tarifvertrag ist immer ein ausgehandeltes Gesamtergebnis, für dessen Erzielung beide Tarifvertragsparteien Kompromisse eingehen mussten. Vor diesem Hintergrund sind der Wortlaut und der im Tarifvertrag zum Ausdruck gebrachte Wille der Tarifvertragsparteien für das Auslegungsergebnis maßgeblich.

    b) Da der allgemeinverbindliche Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung findet, sie zudem auch gemäß Ziffer 17 ihres Arbeitsvertrages ausdrücklich arbeitsvertraglich keinen Anspruch darauf hat, dass die Einsätze in den unterschiedlichen Reinigungsobjekten unmittelbar aufeinander folgen, ist auch für Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 BGB) kein Raum.

    4.) Letztendlich hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Kilometerpauschale für die Fahrten von der letzten Arbeitsstelle vormittags nach Hause und von zu Hause zu der ersten Arbeitsstelle nachmittags. Hierbei handelt es sich angesichts der von den Tarifvertragsparteien in § 3 Ziffer 2.2 RTV Gebäudereinigung i. V. m. der Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 29.10.2009 gewählten zeitlichen Zäsur um private Fahrten. Diese Fahrten erfolgen nicht im Interesse der Beklagten. Sie beinhalten keine Arbeitsleistung der Klägerin, die im geteilten Dienst eingesetzt ist. Für diese Fahrten schuldet der Arbeitgeber nach dem RTV Gebäudereinigung keine Kilometerpauschale.

    5.) Nach alledem war die Zahlungsklage unbegründet. Sie ist zu Recht abgewiesen worden, so dass die Berufung zurückzuweisen war.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

    Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Es besteht Streit um die Auslegung eines bundesweit geltenden allgemeinverbindlichen Tarifvertrages. Hierzu werden Rechtsstreitigkeiten in mehreren Bundesländern geführt.

    VorschriftenBGb § 611, BGB § 615, Rahmentarifvertrag Gebäudereinigerhandwerk (vom 04.10.2003) § 3 Nr. 2.1, 2.2