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  • 26.06.2012 · IWW-Abrufnummer 122053

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 20.04.2012 – 5 SaGa 1/12

    Es fehlt am Verfügungsgrund, wenn der Arbeitnehmer seinen vertraglichen Beschäftigungsanspruch im einstweiligen Verfügungsverfahren nur deshalb durchsetzen will, weil der Bezug von Krankengeld endet.


    In dem Rechtsstreit

    pp.

    hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 20.04.2012 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende

    beschlossen:

    Tenor:

    Das einstweilige Verfügungsverfahren hat sich durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten erledigt.

    Damit ist das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn, Az. 51 Ga 4 d/12, wirkungslos.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Verfügungskläger.

    Gründe

    I. Die Beteiligten haben nach Erledigung des Berufungsverfahrens wechselseitige Kostenanträge gestellt.

    Im Hauptsacheverfahren hatte der Verfügungskläger vor dem Arbeitsgericht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die Weiterbeschäftigung im Rahmen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Der Verfügungskläger ist bei der Verfügungsbeklagten seit dem 01.01.2000 als Diätassistent zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von € 2.500,00 beschäftigt. Nachdem es mehrfache Um- bzw. Versetzungen des Verfügungsklägers gab, war er aus gesundheitlichen Gründen ab dem 28.04.2011 in der Diätküche eingesetzt. Ab dem 12.12.2011 ist der Verfügungskläger durchgehend arbeitsunfähig krank. Ende 2011 sprach der den Verfügungskläger behandelnde Arzt gegenüber der Verfügungsbeklagten mit Schreiben vom 29.12.2011 die Empfehlung aus, den Verfügungskläger auf einen anderen, leidensgerechten Arbeitsplatz umzusetzen, wo das Heben schwererer Lasten und insbesondere Überkopfarbeiten vermieden würden. Anfang 2012 beantragte der Verfügungskläger die Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes, beispielsweise in der Poststelle, in der kalten Küche, in der Diätberatung sowie im Büro. Am 31.01.2012 wurden die diversen Möglichkeiten eines leidensgerechten Einsatzes mit dem Verfügungskläger erörtert. Eine Einigung erzielten die Beteiligten nicht.

    Am 13.02.2012 hat der Verfügungskläger vor dem Arbeitsgericht im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens die Zuweisung des Arbeitsplatzes der C. B. (kalte Küche) verlangt, hilfsweise den ausgeschriebenen Arbeitsplatz in der Sterilgutzentrale.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands in erster Instanz, insbesondere des weiteren streitigen Parteivorbringens, sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

    Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.02.2012 die Anträge zurückgewiesen. Weder für den Hauptantrag noch für den Hilfsantrag bestehe ein Verfügungsanspruch. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass ein Verfügungsgrund vorliege. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht gegeben. Soweit der Verfügungskläger darauf abstellt, dass er durch den Bezug von Krankengeld nach Auslaufen der Entgeltfortzahlung einen monatlichen Schaden von ca. € 160,00 erleide, sei darauf zu verweisen, dass der Verfügungskläger den Ersatz dieses behaupteten Schadens durchaus in einem normalen Klageverfahren geltend machen könnte. Zur Sicherung seiner insoweit von der Verfügungsbeklagten bestrittenen Ansprüche bedürfe es keines einstweiligen Verfügungsverfahrens.

    Gegen dieses Urteil hat der Verfügungskläger frist- und formgerecht Berufung eingelegt und diese auch frist- und formgerecht begründet.

    Der Verfügungskläger hat - soweit für die Kostenentscheidung von Belang - vorgetragen, dass entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts die erforderliche Eilbedürftigkeit gegeben sei. Er habe nicht nur durch den Krankengeldbezug eine Einkommenseinbuße von € 160,00 monatlich, sondern stehe ab dem 18.03.2012 ohne jegliche Einkünfte da. Die Krankenkasse habe ihm mit Schreiben vom 09.03.2012 mitgeteilt, dass eine "Begutachtung nach Aktenlage durch den medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) vom 08.03.2012" ergeben habe, dass seine Arbeitsunfähigkeit am 18.03.2012 ende und dass er nur bis zu diesem Zeitpunkt Krankengeld erhalte.

    Die Beteiligten haben in dem Hauptsacheverfahren das hier anhängige Berufungsverfahren durch Prozessvergleich vom 22.03.2012, ArbG Elmshorn: 51 Ca 252 d/12, mitverglichen und das Berufungsverfahren für erledigt erklärt.

    Sie stellen nunmehr wechselseitige Kostenanträge.

    II. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren dem Verfügungskläger aufzuerlegen.

    1. Im Falle der beidseitigen Erledigungserklärung und widerstreitenden Kostenanträge ist die Kostenentscheidung gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu treffen. Dafür ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits maßgebend. Eine Entscheidung nach dieser Vorschrift kann nach summarischer Prüfung ergehen. Soweit schwierige und bisher höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden sind, reicht dabei eine lediglich summarische Prüfung aus. Sie kann zur Folge haben, dass die Kosten des Rechtsstreits zu teilen sind (BAG, Beschl. v. 27.05.1997 - 9 AZR 325/96 -, zit. n. Juris). Aus prozessökonomischen Gründen ist das Gericht ebenso wenig veranlasst, Tatsachenfragen zu klären (BGH, Beschl. v. 19.10.2004 - VIII ZR 327/03 -, zit. n. Juris). Das gilt jedenfalls dann, wenn den Parteien in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt worden ist, eine zeitraubende Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme notwendig wäre (LAG Düsseldorf, Beschl. v. 30.01.2006 - 12 Sa 1765/03 -, zit. n. Juris) und der damit verbundene Verfahrens- und Kostenaufwand außer Verhältnis zu der durch § 91 a ZPO bezweckten prozessökonomischen Streitbeendigung steht.

    2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Verfügungskläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zu Recht zurückgewiesen. Die von dem Verfügungskläger hiergegen erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Verfügungskläger einen Verfügungsanspruch hatte, denn für das auf die tatsächliche Beschäftigung gerichtete einstweilige Rechtsschutzverfahren fehlte es an einem Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

    a) Mit der einstweiligen Verfügung auf tatsächliche Beschäftigung wird keine Sicherungsverfügung, sondern eine Leistungsverfügung (Befriedigungsverfügung) begehrt. Diese ist zwar nach ganz herrschender Auffassung ausnahmsweise zulässig, indessen sind an den Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Nach §§ 935, 940 ZPO müssen dem Antragsteller "wesentliche Nachteile" drohen.

    Nach der herrschenden und zutreffender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur genügt der Gesichtspunkt der Rechtsvereitelung bei einem im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemachten Beschäftigungsanspruch nicht aus, um einen Verfügungsgrund zu bejahen. Denn der Rechtsverlust allein muss noch nicht zwingend ein wesentlicher, nicht hinnehmbarer Nachteil sein, auch wenn der Beschäftigungsanspruch letzten Endes seine Wurzeln im Grundsatz der Menschenwürde gemäß Art. 1 GG und im Persönlichkeitsgrundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG hat. Entscheidend ist für den "wesentlichen Nachteil" nicht der bloße Umstand, dass ein Rechtsverlust eintritt, sondern welche Auswirkungen bzw. Folgen dieser Verlust für den Arbeitnehmer hat. Solche nicht hinnehmbaren Folgen können sich aus etwaigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Folge der Nichtbeschäftigung ergeben - z. B. drohende Erkrankungen des depressiven Formenkreises - oder auch aus dem drohenden Verlust beruflicher Qualifikationen (LAG München, Urt. v. 25.02.2010 - 3 SaGa 4/10 -, zit. n. Juris; LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2010 - 12 SaGa 19/10 -, zit. n. Juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16.03.2011 - 4 SaGa 2600/11 -, zit. n. Juris ; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 30.03.2011 - 4 SaGa 432/11 -, zit. n. Juris; GMP/Germelmann, ArbGG, 7. Aufl., Rn. 105 zu § 62).

    b) Einen solchen Verfügungsgrund hat der Verfügungskläger weder substantiiert vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Er beruft sich vorliegend gerade nicht darauf, er werde infolge des drohenden Zeitablaufs durch die Nichtbeschäftigung einen unersetzlichen Nachteil erleiden. Er macht insbesondere kein besonderes ideelles oder berufliches Beschäftigungsinteresse geltend. Es ist auch nicht ersichtlich, dass er durch den Nichterlass der beantragten Verfügung und der daraus resultierenden tatsächlichen Nichtbeschäftigung bis zur Entscheidung in dem Hauptverfahren (ArbG Elmshorn, 51 Ca 252 d/12) seine Fähigkeiten zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeit verloren hätte. Ebenso wenig hat der Kläger dargelegt, dass er durch die Nichtbeschäftigung in seinem Ansehen herabgewürdigt worden wäre oder sonst wie mit Nachteilen hätte rechnen müssen. Vielmehr begründet er sein dringliches Beschäftigungsinteresse ausschließlich damit, dass der Entgeltfortzahlungszeitraum auslaufe und er durch Zahlung von Krankengeld eine finanzielle Einbuße von € 140,00 hinzunehmen habe. Das im Synallagma zur Beschäftigung stehende Vergütungsinteresse wird im Allgemeinen ausreichend durch § 615 BGB gesichert (vgl. BAG GS, Beschl. v. 27.02.1985 - GS 1/84 -, zit. n. Juris, Rn. 92).

    Insofern hat das Arbeitsgericht auch völlig zutreffend darauf hingewiesen, dass der Verfügungskläger die Einkommenseinbuße durch den Bezug von Krankengeld von monatlich € 140,00 im Nachhinein durch eine Verzugslohnklage hätte geltend machen können. Dieser Anspruch wäre mithin durch Zeitablauf gerade nicht untergegangen. Der Verfügungskläger hat auch weder behauptet noch im Ansatz näher dargelegt, dass er auf diese Mehreinkünfte im Sinne eines sogenannten Notbedarfs dringlich angewiesen war.

    Es kann zudem dahingestellt bleiben, ob der Verfügungskläger im Berufungsverfahren noch damit gehört werden konnte, dass die Krankenkasse ihm mit Schreiben vom 09.03.2012, d. h. erst nach Verkündigung des erstinstanzlichen Urteils und kurz vor dem Kammertermin im Hauptsacheverfahren (ArbG Elmshorn: 51 Ca 252 d/12), angekündigt hatte, die Krankengeldzahlungen zum 18.03.2012 einstellen zu wollen. Denn das wirtschaftliche Interesse an der Erzielung von Lohneinkünften kann keine Beschäftigungsverfügung rechtfertigen, weil ein entsprechender Weiterbeschäftigungstitel überhaupt keine Verurteilung zur Lohnzahlung enthielte und daher ungeeignet wäre, die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers zu sichern (LAG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.2010 - 12 SaGa 19/10, zit. n. Juris; LAG Köln, Beschl. v. 10.09.2004 - 4 Ta 298/04 -, zit. n. Juris).

    3. Nach alledem hat der Verfügungskläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Seine Berufung war von vornherein unbegründet.

    Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

    VorschriftenZPO § 91a, ZPO § 935, ZPO § 940