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  • 26.06.2012 · IWW-Abrufnummer 122056

    Landesarbeitsgericht Hamburg: Beschluss vom 06.06.2012 – 4 Ta 12/12

    1. Der Gegenstandswert für einen Weiterbeschäftigungsantrag, auch wenn er als unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit Kündigungsschutzanträgen gestellt worden ist, ist gesondert mit nur einer Bruttomonatsvergütung zu bewerten.

    2. Der Gegenstandswert für zwei Weiterbeschäftigungsanträge, die einerseits auf den allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch und andererseits auf den betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruch (§ 102 Abs. 5 BetrVG) gestützt werden, ist jedenfalls dann für beide Anträge einheitlich mit nur einer Bruttomonatsvergütung zu bewerten, wenn im maßgebenden Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung die Kündigungsfrist bereits abgelaufen war.


    Tenor:

    Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 10. April 2012 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. März 2012 - 15 Ca 239/11 - wird zurückgewiesen.

    Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben eine Beschwerdegebühr in Höhe von € 40,00 zu tragen.

    Gegen diesen Beschluss findet kein Rechtsmittel statt.

    Gründe

    I. Die Parteien haben den Kündigungsrechtsstreit, der dem vorliegenden Beschwerdeverfahren zu Grunde liegt, durch Vergleich vom 26. Januar 2012 beendet. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert durch Beschluss vom 21. März 2012, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23. März 2012 zugestellt worden ist, für die Klage vom 06. Juni 2011 auf insgesamt € 40.025,93 festgesetzt, wobei der Klageantrag zu 1) mit drei Bruttomonatsvergütungen der Klägerin, der Antrag zu 2) mit € 0,00, die Klageanträge zu 3) und 4) insgesamt mit einer Bruttomonatsvergütung, d.h. € 8.894,65, und die Klageanträge zu 5) und 6) ebenfalls insgesamt mit einer Bruttomonatsvergütung bewertet worden sind. Der Gegenstandswert für den Vergleich vom 26. Januar 2012 wurde mit € 102.440,17 festgesetzt. Die Gegenstandswertfestsetzung der Klage hinsichtlich der Klageanträge zu 1), 2), 5) und 6) und des Vergleichs vom 26. Januar 2012 wird von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht beanstandet.

    Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin rügen aber die Wertfestsetzung für die Klageanträge zu 3) und 4). Mit ihrer Beschwerde vom 10. April 2012, die am selben Tage beim Arbeitsgericht eingegangen ist, verfolgen sie ihr Begehren, die Klageanträge zu 3) und 4) jeweils mit zwei Bruttomonatsvergütungen zu bewerten, weiter. Sie tragen vor, der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsantrag - Klageantrag zu 3) - sei mit zwei Bruttomonatsvergütungen zu bewerten, da es einen eigenen Wirkungszeitraum für diesen Antrag gebe. Liege der Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils hinter der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung, habe die Klägerin bereits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zu einem erstinstanzlichen Urteil. Diesen begrenzten Zeitraum erfasse der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag nicht.

    Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 13. April 2012 nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Wert der Klageanträge zu 3) und 4) zutreffend mit einer Bruttomonatsvergütung insgesamt berücksichtigt worden sei. Durch Verfügung des Kammervorsitzenden vom 19. April 2012 ist den Parteien und den Prozessbevollmächtigten der Parteien rechtliches Gehör eingeräumt worden. Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben mit Schriftsatz vom 26. April 2012 mitgeteilt, dass eine Stellungnahme nicht beabsichtigt sei. Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2012 haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin an ihrer Auffassung festgehalten, dass die Klageanträge zu 3) und 4) jeweils mit zwei Bruttomonatsvergütungen zu bewerten seien. Die Parteien haben keine Stellungnahme abgegeben.

    II. 1. Die Beschwerde gegen den in der Beschlussformel bezeichneten Beschluss des Arbeitsgerichts ist gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt und der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt € 200,00; der 06. April 2012 war der Karfreitag. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind Antragsberechtigte i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG.

    2. Die Beschwerde ist nicht begründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert für die Klageanträge zu 3) und 4) auf insgesamt eine Bruttomonatsvergütung der Klägerin, mithin € 8.894,65, festgesetzt.

    a) Nach der ständigen Rechtsprechung des LArbG Hamburg ist der Weiterbeschäftigungsantrag mit einer Bruttomonatsvergütung zu bewerten (vgl. nur LArbG Hamburg Beschlüsse vom 02. September 2002 - 7 Ta 21/02 - und 30. Juni 2005 - 8 Ta 5/05 - Juris). Auch wenn neben dem Antrag auf Feststellung, dass eine Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, hilfsweise der Weiterbeschäftigungsantrag nur für den Fall des Obsiegens gestellt wird, so sind beide Klageanträge getrennt zu bewerten und zur Berechnung des Gegenstandswertes zu addieren (Beschluss der Beschwerdekammer vom 12.08.2011 - 4 Ta 17/11 - Juris). Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht nach erneuter Überprüfung kein Anlass, zumal die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Januar 2012 keine neuen Argumente vorgebracht, sondern lediglich auf die abweichende und bekannte Rechtsprechung einiger anderer Landesarbeitsgerichte hingewiesen haben.

    b) Zutreffend haben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf hingewiesen, dass der betriebsverfassungsrechtliche Weiterbeschäftigungsantrag einen eigenen Wirkungszeitraum hat, denn liegt der Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils hinter der Kündigungsfrist der ordentlichen Kündigung, hat die Klägerin bereits einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zu einem erstinstanzlichen Urteil. Mit Recht wird ferner darauf hingewiesen, dass diesen begrenzten Zeitraum der allgemeine Weiterbeschäftigungsantrag nicht erfasst.

    In diesem Zusammenhang ist aber darauf Bedacht zu nehmen, welche rechtlichen Folgen mit den Klageanträgen zu 3) und 4) von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit verlangt worden sind. Sind diese rechtlichen Folgen identisch, ist von einem einheitlichen Wert für beide Klageanträge auszugehen (so bereits LArbG Düsseldorf Beschluss vom 08. Mai 2007 - 6 Ta 99/07 - veröffentlicht in EzA-SD 2007, Nr. 14, 16 und Juris). Mit dem Klageantrag zu 3) hat die Klägerin die Weiterbeschäftigung über den 30. Juni 2011 hinaus zu unveränderten Bedingungen als Direktionsbevollmächtigte für betriebliche Altersversorgung entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 20. Mai 2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1) verlangt. Der Klageantrag zu 4) hat das Begehren der Klägerin, für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen als Direktionsbevollmächtigte für betriebliche Altersversorgung entsprechend dem Arbeitsvertrag vom 20. Mai 2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1) weiterzubeschäftigen, zum Gegenstand. Aus dieser Gegenüberstellung der Klageanträge wird vor dem Hintergrund der Tatsache, dass von der Beklagten die Kündigung vom 16. Mai 2011 zum 30. Juni 2011 erklärt worden ist, die Klage am 14. Juni 2011 zugestellt und damit rechtshängig geworden ist und damit eine Entscheidung über die Klageanträge zu 3) und 4) in jedem Fall nach dem 30. Juni 2011 erfolgt wäre, deutlich, dass die Klägerin mit den vorgenannten Klageanträgen eine identische rechtliche Folge begehrt hat, nämlich die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen, über die in einem erstinstanzlichen Urteil hätte entschieden werden müssen. Über den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zur erstinstanzlichen Entscheidung hätte durch die von der Klägerin avisierten Klageanträge nicht entschieden werden können, denn eine Weiterbeschäftigung für die Vergangenheit ist rechtlich und tatsächlich ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund ist vom Arbeitsgericht mit Recht für beide Klageanträge ein Gegenstandswert insgesamt in Höhe einer Bruttomonatsvergütung angesetzt worden.

    3. Eine Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Parteien war nicht veranlasst (§ 33 Abs. 9 RVG). Allerdings war den Beschwerdeführern eine Gebühr nach Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG aufzuerlegen, denn die Regelung des § 33 Abs. 9 Satz 1 RVG gilt nicht für das Beschwerdeverfahren.

    VorschriftenRVG § 33 Abs. 3, BetrVG § 102 Abs. 5