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  • 07.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122579

    Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 29.02.2012 – 10 Sa 99/11

    Wird das Personal eines betriebsmittelarmen Betriebs oder Betriebsteils zum wesentlichen Teil von einem Unternehmen zur Arbeitnehmerüberlassung eingestellt, so liegt auch dann kein Betriebsübergang auf dieses Unternehmen vor, wenn die Arbeitnehmer anschließend an ein Tochterunternehmen überlassen werden und von diesem im Rahmen eines Werkvertrages bei Einsatz der bisherigen Betriebsmittel im bisherigen Bereich beim früheren Auftraggeber des bisherigen Arbeitgebers eingesetzt werden. Es liegt auch kein Umgehungstatbestand vor, da von einem Betriebsübergang auf das Tochterunternehmen auszugehen ist.


    Tenor:

    1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm, Kammern Ravensburg vom 19.07.2011, Az. 8 Ca 324/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

    2. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klägerin begehrt mit ihrer bei Gericht am 29.07.2010 eingereichten Klage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Monate April 2010 und anteilig Mai 2010 von der Beklagten auf Grund eines behaupteten Betriebsüberganges von der D. Ltd. & Co. KG (künftig D.) zum 01.04.2010 auf die Beklagte.

    Die Beklagte ist ein bundesweit tätiger Personaldienstleister. Ihr Geschäftszweck ist neben der Installation von Geräten und Anlagen der Informationstechnik sowie des Brandschutzes die Überlassung von gewerblichen und kaufmännischen Arbeitskräften sowie die private Arbeitsvermittlung. Sie ist mit 14 Standorten im Bundesgebiet tätig. Sie verfügt über eine unbefristet erteilte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit.

    Zwischen den Parteien steht im Streit, ob ein von der Klägerin behauptetes Arbeitsverhältnis mit der D. Ltd. & Co. KG nach Beendigung des Werkvertrages mit der Firma S. AG und behauptetem Neuabschluss eines Werkvertrages zwischen der Beklagten bzw. der T. GmbH (vormals N. GmbH) und der S. AG durch Betriebsübergang bei der Beklagten fortbesteht.

    Mit Schreiben vom 23. April 2010 unterrichtete die D. Ltd. & Co. KG über den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte.

    Die T. GmbH (vormals N.) erbringt gegenüber der S. GmbH im Rahmen von Werkverträgen Werkleistungen, wobei sie nicht auf eigenes Personal, sondern auf Personal der Beklagten zurückgreift. Im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung stellt die Beklagte der T. GmbH Personal zur Verfügung. Dieses setzt die Firma T. GmbH im Rahmen ihrer Werksvertragsleistungen ein. Von Beginn der Verhandlung an bot die T. GmbH ihre Leistungen im Rahmen eines Werkvertrages an und stellte klar, dass sie nicht auf eigenes Personal, sondern auf Personal der Beklagten zurückgreife. Die S. AG äußerte ferner den Wunsch, auch unmittelbar Personal im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zu erhalten. Gegenüber der S. AG hat die T. GmbH klargestellt, dass diese eigene Werkverträge abschließe, aber kein Personal zur Verfügung stellen würde. Für die Personalüberlassung sollte allein die Beklagte zur Verfügung stehen.

    Die N. GmbH wurde ursprünglich im Jahr 2006 mit Sitz in D. gegründet und dort im Handelsregister eingetragen. Im Jahr 2007 hat die Gesellschaft ihren Sitz nach B. verlegt. Die Gesellschafter sind Herr H. und Frau B.. Herr F. war langjähriger Mitarbeiter der P. GmbH, bei der er im Jahr 2005 eintrat. Zum 01.03.2010 wurde Herr F. bei der N. GmbH als Leiter Projektmanagement Outsourcing angestellt.

    Die Beklagte hat mit allen bei ihr eingestellten Mitarbeitern, die sie in W. beschäftigt, Arbeitsverträge abgeschlossen, die die Arbeitnehmerüberlassung an Dritte vorsehen.

    Die Klägerin wird ab 17.05.2010 auf Grund eines neu abgeschlossenen Arbeitsvertrages bei der Beklagten beschäftigt.

    Mit einer vorangegangenen Klage hatte die Klägerin von der D. Ltd. & Co. KG die Zahlung der streitgegenständlichen Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 01.04.2010 bis einschließlich 14.05.2010 begehrt. Diese Klage wurde rechtskräftig abgewiesen.

    Die Klägerin hat hierauf Klage gegen die jetzige Beklagte erhoben. Sie sei zunächst ab 17.09.2003 bei der D. GmbH und ab 2005 bei der D. Ltd. & Co. KG als Innenreinigerin in der Niederlassung W. bei der Firma S. AG zuletzt mit einem Bruttostundenlohn von 8,40 EUR bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 37,5 Stunden in der Woche beschäftigt gewesen. Der Betrieb Firma D. Ltd. & Co. KG, Niederlassung W., werde von der Beklagten seit dem 01.04.2010 gem. § 613a BGB fortgeführt. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die Beklagte keinerlei Werkverträge zur Erbringung von Werkdienstleistungen abgeschlossen habe. Da die T. GmbH Werkverträge mit S. AG abgeschlossen habe, zu deren Durchführung sie Mitarbeiter der Beklagten, wie auch die Klägerin eingesetzt habe, liege ein Umgehungsgeschäft vor. Die T. GmbH werde zwischen die Beklagte und S. geschaltet, um einen Betriebsübergang zu vermeiden. Dies könne jedoch keinen Erfolg haben. Richtigerweise genüge es für den Übergang, dass dies im Rahmen vertraglicher Beziehungen erfolge, seien es auch nur indirekte, wie es vorliegend der Fall sei. Von einem Betriebsübergang sei somit vorliegend auszugehen. Eine wirtschaftliche Einheit könne in bestimmten Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankomme, aus einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern bestehen. Durch die Übernahme einer organisierten Gesamtheit von Arbeitnehmern sei es vorliegend zu einem Betriebsübergang auf die Beklagte gekommen.

    Im Übrigen habe das Arbeitsgericht bei der Abweisung ihrer Klage gegen D. einen Betriebsübergang angenommen.

    Die Klägerin hat beantragt:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, 1.260,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.05.2010 an die Klägerin zu zahlen.

    2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, 630,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.06.2010 an die Klägern zu zahlen.

    Die Beklagte hat beantragt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Es werde bestritten, dass die Klägerin noch im März 2010 in einem Arbeitsverhältnis mit der D. Ltd. & Co. KG als Innenreinigerin beschäftigt gewesen sei.

    Die Klägerin sei ihren Anzeige- und Nachweispflichten gem. § 5 EFZG nicht nachgekommen.

    Sie habe auch keinen Betriebsteil der D. übernommen. Vielmehr habe Sie einige Arbeitnehmer als Leiharbeitnehmer eingestellt, die vormals in der Unternehmensgruppe der D. tätig gewesen seien. Diese Mitarbeiter hätten sich bei der Beklagten beworben und sodann Arbeitsverträge abgeschlossen. Die Beklagte sei auf dem Gebiet der Arbeitnehmerüberlassung tätig, sie erbringe keine Werkleistungen, insbesondere keine Leistung, wie sie die D. laut dem "Unterrichtungsschreiben" beschrieben habe. Die Beklagte überlasse Personal an die Firma S. AG in den Bereichen Qualitätsprüfung sowie an die Firma T. GmbH.

    Bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Betriebsüberganges müsse insbesondere berücksichtigt werden, dass die Beklagte keine Werkverträge mit der Firma S. AG abgeschlossen habe, sondern lediglich Arbeitnehmer im Wege der Übernehmerüberlassung überlasse. Im Ergebnis liege bei der Tätigkeit der Beklagten ein geänderter Zweck "Arbeitnehmerüberlassung" vor, weil bei der Beklagten die Arbeitnehmerüberlassung im Vordergrund der unternehmerischen Tätigkeit stehe.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe die Voraussetzungen eines Betriebsüberganges nicht hinreichend dargelegt. So fehle eine substantiierte Darlegung dazu, dass die Beklagte unmittelbar Leistungen im Rahmen eines Werkvertrages mit den "übernommenen" Arbeitnehmern gegenüber der S. AG erbringe. Tatsächlich habe die Klägerin im Schriftsatz vom 28.01.2011 selbst ausgeführt, dass die T. GmbH die Werkverträge mit S. AG abgeschlossen habe. Unabhängig davon, ob es sich bei den Tätigkeiten um Betriebsmittel, geprägte oder betriebsmittelarme Tätigkeiten gehandelt habe, könnten diese nicht ohne entsprechenden Werkvertrag gegenüber der S. AG erfüllt werden. Im Übrigen habe die Klägerin nicht dezidiert dargetan, welche Mitarbeiter, die zum 01.04.2010 noch bei der D. beschäftigt worden seien, in welcher Funktion von der Beklagten "übernommen" worden seien. Hinzu komme, dass durch die Neuvergabe des Werkvertrags an die T. GmbH der für die Wertschöpfung wesentlichen Funktionszusammenhang der eingesetzten Faktoren zerrissen worden sei.

    Gegen das der Klägerin am 10.08.2011 zugestellte Urteil hat diese am 06.09.2011 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.11.2011 am 10.11.22011 begründet.

    Wie sich aus den Arbeitsverträgen und den Abrechnungen ergebe, sei sie bis März 2010 bei der D. tätig gewesen. Dieses Arbeitsverhältnis sei auf die Beklagte übergegangen. Wie sich aus dem eigenen Vortrag der Beklagten ergebe, hatte diese der D. am 27.04.2010 geschrieben, dass sie den Kunden S. AG als ihren Kunden habe gewinnen können. Die T. GmbH (vormals N. GmbH) habe bereits vom 03.03.2010 gegenüber der Beklagten den erforderlichen Arbeitnehmerüberlassungsauftrag bestätigt und am 05.03.2010 einen Sammel-Arbeitnehmerüberlassungsauftrag, für bis zu 70 Mitarbeiter vereinbart. Die von der D. im Werk genutzten Betriebsmittel habe die Beklagte am 31.03.2010 von S. AG gekauft und weitere Betriebsmittel gemietet. Da die T. GmbH außer einem Projekt-Manager und den von der Beklagten ausgeliehenen Arbeitnehmer über kein weiteres Personal verfügt habe, werde der Betrieb tatsächlich von der Beklagten weitergeführt. Die Beklagte habe die zuvor bei D. beschäftigten Mitarbeiter ausschließlich zur unveränderten Weiterarbeit im Werk von S. AG eingestellt, mit der vertraglichen Variante, wonach die Beklagte die Arbeitnehmer an die T. GmbH verleihe. Von insgesamt 72 Beschäftigten der D. im Betriebsteil seien mindestens 52 Arbeitnehmer auf das Angebot der Beklagten eingegangen und hätten eine Beschäftigung bei der Beklagten aufgenommen. Diese würden wie bisher im Betriebsteil bei S. AG eingesetzt. Im Übrigen sei weiterhin die bei D. als Werkleiterin angestellte J. unter der Berufsbezeichnung "Disponentin" bei unveränderten Organisationsstrukturen tätig.

    Wie sich aus dem Organigramm der D. aus dem November 2009 zeige, habe es sich bei dem Objekt beim Kunden S. AG um einen organisatorisch finanziell und räumlich selbständig geführten und damit eigenständigen Betriebsteil gehandelt, der so unter Zwischenschaltung der jetzigen T. von der Beklagten geführt werde. Es gehe, was unstreitig ist, um die Tätigkeiten in Arbeitsbereichen Nachsortierung, Logistik, Industriereinigung und Unterhaltsreinigung. Die Beklagte erbringe daher unmittelbar Leistungen im Rahmen des von der T. (vormals N. GmbH) vereinbarten Werksvertrages mit den von der D. übernommenen Arbeitnehmern gegenüber der S. AG. Auf die Beklagte sei daher eine wirtschaftliche Einheit übergegangen. Die Zwischenschaltung der T. GmbH habe die Beklagte konstruiert, um einen Betriebsübergang und die gesetzlichen Folgen des § 613 a BGB rechtswidrig zu umgehen. Der für die Werkschöpfung bei der D. bestehende Funktionszusammenhang sei daher nicht zerrissen. Dass der Werkvertrag nicht mit der Beklagten abgeschlossen sei, sei nicht das ausschlaggebende Kriterium. Bei dem übergegangenen Betriebsteil handelt es sich um einen betriebsmittelarmen Betrieb. Im Übrigen habe die Beklagte Maschinenbetriebsmittel von der Vorgängerfirma D. gekauft und gemietet und das eingearbeitete Team mit Leitungsstruktur übernommen.

    Die Klägerin beantragt:

    1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm - Kammern Ravensburg vom 19.07.2011, Az. 8 Ca 324/10 aufgehoben.

    2. Die Beklagte wird verurteilt, 1.260,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 15.05.2010 an die Klägerin zu zahlen.

    3. Die Beklagte wird weiter verurteilt, 630,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 15.06.2010 an die Klägerin zu zahlen.

    4. Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Das Arbeitsgericht habe zu Recht darauf abgestellt, dass der Werkvertrag mit der S. AG nicht mit ihr, vielmehr der T. GmbH abgeschlossen worden sei. Gegen einen Betriebsübergang spreche, dass es an der erforderlichen funktionalen Verknüpfung der Produktionsfaktoren fehle. Im Übrigen verknüpfe die Klägerin zu Unrecht die Anschaffung von Betriebsmitteln und die Übernahme von Beschäftigten. Die weit überwiegende Anzahl der Mitarbeiter im Rahmen des Werkvertrages mit S. AG werde ohne Nutzung von übernommenen Betriebsmitteln beschäftigt. Im Übrigen habe sie bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass, soweit zunächst formhalber von ihr Betriebsmittel von D. übernommen worden seien, diese bereits zum 01.04.2010 an die damalige N.-GmbH weiter veräußerst bzw. vermietet worden seien. Letztendlich seien die von ihr eingestellten Arbeitnehmer nicht ausschließlich zur Arbeitnehmerüberlassung an die T. GmbH eingestellt worden. In dem Vertrag zwischen S. AG und T. GmbH sei geregelt, dass die Entscheidung, welche Mitarbeiter wann an den jeweiligen Arbeitsplätzen Leistungen erbringen würden, allein von T. GmbH bestimmt würden. Sie habe auch kein allgemeines Angebot auf eine Beschäftigung bei ihr abgegeben, vielmehr in der von ihr durchgeführten Veranstaltung am 23.02.2010 den Mitarbeitern des alten Arbeitgebers D. zur Kenntnis gegeben, dass sie sich bei ihr bewerben könnten. Aus den von der Beklagten vorgelegten Organigrammen und dem Vortrag ergebe sich bereits nicht, dass bei der D. ein eigenständiger Betriebsteil bestanden habe. Bei der D. sei die Klägerin nach ihrem Vortrag als Reinigerin im Innendienst tätig gewesen. Im Rahmen der Überlassung an die T. GmbH werde die Klägerin in der Nachsortierung an einer ganz anderen Stelle eingesetzt. Sie habe allein im Rahmen einer Überlassungsvereinbarung Arbeitnehmer an die T. GmbH überlassen, dies stehe einem Betriebsübergang entgegen. Es sei auch nicht erkennbar, dass darin ein Umgehungsgeschäft liegen solle. Infolge der neuen Struktur sei die für einen Betriebsübergang funktionelle Verknüpfung zwischen den Produktionsfaktoren aufgelöst, so dass im Übrigen auch ein Betriebsübergang auf die N./T. GmbH ausscheide.

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Ein Betriebsübergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Beklagte steht nicht fest.

    I. Die nach § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit den §§ 517, 519 Abs. 1,2 ZPO fristgerecht eingelegt und begründet worden.

    II. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Monate April 2010 und anteilig Mai 2010 gegen die Beklagte ist bereits deswegen nicht begründet, weil ein Betriebsübergang auf die Beklagte nicht feststeht und das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten erst aufgrund eines zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen Arbeitsvertrages begründet wurde.

    1. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Vorschrift setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Erforderlich ist für den Übergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich hierbei auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen, wie z.B. ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden oder den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr., vgl.z.B. BAG 21. Mai 2008 - 8 AZR 481/07- AP BGB § 613a Nr. 354).

    Bei betriebsmittelarmen und dienstleistungsorientierten Branchen und Arbeitszwecken, bei denen es wesentlich auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch ihre gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden ist, eine wirtschaftliche Einheit in diesem Sinne darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hat. Die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) stellt hingegen keinen Betriebsübergang dar. In betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (BAG 21. Mai 2008 - 8 AZR 481/07 - AP BGB § 613a Nr. 354).

    2. Auch beim Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität wahrt. Die Teileinheit des Betriebs muss bereits beim früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils gehabt haben. Schon beim bisherigen Betriebsinhaber muss eine selbständig abtrennbare organisatorische Einheit gegeben sein, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Das Merkmal des Teilzwecks dient zur Abgrenzung der organisatorischen Einheit; im Teilbetrieb müssen aber nicht andersartige Zwecke als im übrigen Betrieb verfolgt werden. Ergibt die Gesamtbetrachtung eine identifizierbare wirtschaftliche und organisatorische Teileinheit, so muss diese beim Erwerber im Wesentlichen unverändert fortbestehen. Der Arbeitnehmer muss diesem Betriebsteil zuzuordnen sein. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung können wesentliche Änderungen in der Organisation, der Struktur und im Konzept einer identitätswahrenden Betriebsfortführung entgegenstehen. Allerdings muss der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbständigkeit beim Betriebserwerber nicht vollständig bewahren, es genügt, dass dieser die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehält und es ihm derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Slg. 2009, I-803; in Folge BAG v. 7.4.2011 - 8 AZR 730/09 - NZA 2011, 1231 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).

    3. Bei Zugrundelegung des Prüfungsmaßstabes steht unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislast, die für das Vorliegen der Betriebsübergangsvoraussetzungen bei demjenigen liegt, der die Rechtsfolgen des § 613 a BGB für sich in Anspruch nimmt, ein Betriebsübergang auf die Beklagte nicht fest. Es fehlt bei der Beklagten an der erforderlichen Beibehaltung des Funktions- und Zweckzusammenhangs.

    Es ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass es sich bei den Arbeitnehmern, die für die D. beim Kunden S. AG im Bereich der Industriereinigung und der Logistik tätig waren, zumindest um einen Betriebsteil der D. gehandelt hat, der als selbstständig abtretbare organisatorische Einheit bestand. Damit kommt grundsätzlich der Übergang als Betrieb oder als Teilbetrieb in Betracht.

    Ausgangspunkt der Prüfung ist dabei die wirtschaftliche Tätigkeit von D. beim Kunden S. AG. Die D. war im Rahmen eines Werkvertrages tätig im Bereich der Industriereinigung im gesamten Werksgelände. Arbeitsmittel wurden insoweit nicht vom Kunden gestellt. Soweit spezielle Reinigungsmaschinen erforderlich waren, waren diese im Eigentum von D.. Eine weitere Tätigkeit war im Rahmen des Werkvertrages die Logistik einschließlich Verpackung und Sortierung. Hier waren die Arbeitnehmer in abgrenzbaren Räumlichkeiten des Kunden an Maschinen tätig, die vom Kunden gestellt waren. Dies gilt nach den Erörterungen in der Berufungsverhandlung wohl auch für Gabelstapler, die für den Transport erforderlich waren. Neben diesen Tätigkeiten im Rahmen eines Werkvertrages gab es den Einsatz von Leiharbeitnehmern beim Kunden S. AG in anderen Tätigkeitsbereichen auf Grund von Verträgen, die entweder von der D. oder einem anderen Unternehmen der D. Gruppe mit S. AG abgeschlossen wurden.

    Losgelöst davon, ob es sich um betriebsmittelgeprägte oder betriebsmittelarme Tätigkeiten handelt, wobei hier möglicherweise zwischen der Tätigkeit im Bereich Versandarbeiten Logistik und der Industriereinigung zu trennen wäre, hat das Arbeitsgericht zu Recht angenommen, dass der wesentliche Funktionszusammenhang der eingesetzten Faktoren, worauf auch die Beklagte abgestellt hat, zerrissen sind. Die Beklagte hat keine bei der D. bestehende wirtschaftliche Einheit im Wesentlichen unverändert fortgeführt und auch nicht ihre wirtschaftliche Einheit gewahrt. Es ist auch nach dem Vortrag des Klägers nicht feststellbar, dass die Beklagte die wirtschaftliche Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgeführt hat. Auch wenn man, wofür alles spricht, davon ausgeht, dass die Beklagte früher bei der D. beschäftigte und bei dem Kunden S. AG eingesetzte Arbeitnehmer zum wesentlichen Teil eingestellt hat und insbesondere auch die Objektleiterin (wenn auch unter anderer Bezeichnung), ist entscheidend, dass die Beklagte diese Arbeitnehmer zur Arbeitnehmerüberlassung eingestellt hat.

    Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 21.05.2008 (8 AZR 481/07 - NZA 2009, 144) ausgeführt, dass eine übernommene wirtschaftliche Einheit nicht im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird und die wirtschaftliche Einheit nicht gewahrt ist, wenn übernommene Arbeitnehmer mit dem Ziel eingestellt werden, nicht nur im Rahmen der früheren Tätigkeit eingesetzt, vielmehr auch zur Überlassung an andere Unternehmen (Entleiher) vorgesehen sind. In dem zu entscheidenden Fall hatte das Bundesarbeitsgericht jedoch für die Annahme der wirtschaftlichen Einheit entscheidend darauf abgestellt, dass nach dem Gesellschaftsvertrag des Verleihunternehmens alleiniger Betriebszweck war, Serviceleistungen für den früheren Arbeitgeber der Arbeitnehmer oder dessen Tochterunternehmen zu erbringen. In diesem Fall hat das Bundesarbeitsgericht einen Betriebsübergang bejaht, weil sowohl die tatsächliche als auch die vertragliche Ausgestaltung der Beziehungen dergestalt war, dass mit den gleichen Reinigungskräften Reinigungsarbeiten wie bisher fortgeführt wurden. Vorliegend mag bei Aufnahme der Tätigkeit für die Beklagte tatsächlich davon auszugehen sein, dass die Niederlassung W. zunächst allein wegen der Möglichkeit gegründet wurde, um den Bedarf an Arbeitnehmern durch Arbeitnehmerüberlassung zu decken, der durch den Abschluss des Werksvertrages mit dem Kunden S. von der T. GmbH benötigt werden. Der Unterschied zu dem vom Bundesarbeitsgericht angezogenen Falles ist jedoch, dass eine vertragliche Bindung und Beschränkung auf diesen Einsatz nicht bestand und nicht besteht, und im Rahmen unternehmerischer Tätigkeit in der Niederlassung W. die Beklagte weitere Kunden gewinnen kann.

    In einem weiteren Fall vom 28.04.2011 (8 AZR 709/09) hat das Bundesarbeitsgericht bei Insolvenz eines betriebsmittelgeprägten Betriebes festgestellt, dass ein Arbeitnehmerüberlasser nicht Betriebsübernehmer im Sinne des § 613 a BGB ist, wenn er das Personal eines Produktionsbetriebes übernimmt und andere Unternehmen, die die Produktionsmittel übernommen haben, die Geschäftstätigkeit mit diesem Personal fortführen. Dabei hat das Bundesarbeitsgericht auch darauf abgestellt, dass kein identitätswahrender Übergang vorliege, da Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin der betriebsmittelgeprägte Herstellung und Vertrieb von Maschinen und Maschinenteilen gewesen sei, der Unternehmensgegenstand der Arbeitnehmerüberlassung jedoch Personaldienstleistung sei. Nicht zu prüfen hatte dabei das Bundesarbeitsgericht die Frage, ob ein Betriebsübergang auf eines der neu gegründeten Produktionsunternehmen vorlag (vgl. hierzu Hamann juris PR-ArbR 1/2010 Anmerkung 3).

    Hierauf kommt es vorliegend an. Die Beklagte hat die früher von der D. eingestellten Arbeitnehmer im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung der Firma T. GmbH überlassen. Auch die Reinigungsmaschinen, die die Beklagte von D. gekauft hat, werden im Rahmen des Einsatzes von T. GmbH rechtsgeschäftlich genutzt, wobei es keine Rolle spielt, ob der Nutzung ein Miet- oder ein Kaufvertrag zu Grunde liegt.

    Betrachtet man den Bereich Reinigung/Logistik bei dem Kunden S. zum 31.03.2010, so bleibt, geht man vom Vortrag der Klägerin aus, festzuhalten, dass sich tatsächlich mit dem 01.04.2010 nichts geändert hat. Arbeitnehmer, die bisher dort tätig waren, machen im Rahmen des Werksvertrages von T. GmbH die gleichen Tätigkeiten wie zuvor bei D.. Der einzige Unterschied ist, dass die Arbeitnehmer nicht unmittelbar bei dem Unternehmen des Werkvertrages eingestellt sind, vielmehr im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung von der Beklagten gestellt wurden und einen Arbeitsvertrag mit der Beklagten haben. Auch die verantwortliche Objektleiterin, die für die Organisation des Arbeitseinsatzes zuständig war, ist weiterhin tätig. Dies spricht für die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit. Entscheidend ist nach Auffassung der Kammer jedoch, dass diese wirtschaftliche Einheit nicht von der Beklagten als neuem Betriebsinhaber geführt wird, vielmehr von der T. GmbH. Die Klägerin meint zu Unrecht, dies laufe auf eine Umgehung von § 613 a BGB hinaus. Richtig ist, dass eine vertragliche Gestaltung die beabsichtigte Wirkung nicht entfalten kann, wenn sich diese als objektive Umgehung der Rechtsnormen darstellt. Dies ist der Fall, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, dass andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten missbraucht, d. h. ohne im Gefüge der einschlägigen Rechtsnorm sachlich rechtfertigenden Grund verwendet werden. Unwirksam ist dann auch ein Geschäft, das einen verbotenen Erfolg der Verwendung von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu erreichen sucht, die scheinbar von einer Rechtsverbotsnorm nicht erfasst werden (vgl. zuletzt BAG v. 18.03.2009, 5 AZR 355/08, NJW 2009, 2554). Gegen ein Umgehungsgeschäft spricht vorliegend jedoch, dass zwar kein Betriebsübergang auf die Beklagte vorliegt, jedoch ausgehend vom Vortrag der Klägerin auf die T. GmbH. Im Rahmen des Werkvertrages hat T. GmbH im Rahmen der Reinigung und Logistik die Aufgaben übernommen, die vorher von D. ausgeführt wurden. Die Tätigkeit wird am gleichen Objekt ausgeführt mit und an den bisher von D. benutzten Maschinen und mit zumindest einem Großteil der bisher bei D. in dem Objekt beschäftigten Arbeitnehmer. Dass die T. GmbH die Arbeitnehmer nicht unmittelbar eingestellt hat, vielmehr im Wege der Arbeitnehmerüberlassung einsetzt, steht dem nicht entgegen. Die Mitarbeiter werden mit dem der Arbeitnehmerüberlassung immanenten Direktionsrechts von T. GmbH eingesetzt. Dass der Einsatz der Mitarbeiter nicht auf der Grundlage eines eigenen Arbeitsvertrages, vielmehr auf der Grundlage eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages erfolgt, spielt genauso wenig eine Rolle wie beispielsweise die Frage, ob Betriebsmittel, die eingesetzt werden, gemietet oder gekauft sind. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden von der Klägerin vorgetragenen Sachverhalt hat die Beklagte die anzunehmende selbstständige wirtschaftliche Einheit nicht identitätswahrend fortgeführt, auch nicht zeitweise, vielmehr unmittelbar ab 01.04.2010 die T. GmbH.

    Soweit die Klägerin in einem nachgelassenen Schriftsatz die Auffassung vertritt, die Beklagte und die T. GmbH würden eine Betriebseinheit darstellen, da die Beklagte die anderen Unternehmen beherrsche, wird verkannt, dass die Rechtsfigur des gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen dann vorliegt, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel mehrere Unternehmen für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden (BAG v. 28.04.2011 - 8 AZR 709/09). Dies liegt nicht allein deswegen vor, weil ein Unternehmen ein anderes beherrscht. Auch wenn die T. GmbH neben dem Geschäftsführer nur einen Arbeitnehmer hat, belegt dies nicht, dass der Betrieb oder Betriebsteil beim Kunden S. AG gemeinsam geführt wird.

    III. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt nach § 97 ZPO die Klägerin. Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

    Hinweise

    Rechtsmittel wurde eingelegt - Az. beim BAG: 8 AZR 586/12