16.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123487
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 08.08.2012 – 15 Sa 1002/12
1.Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG sind alle befristeten Arbeitsverhältnisse auf die Beschäftigungshöchstdauer von sechs Jahren anzurechnen. Dies betrifft somit auch Arbeitsverträge als studentische Hilfskraft.
2.Es kann offen bleiben, ob die Auffassung in der Literatur zutrifft, dass Tätigkeiten, die in keinem Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Qualifikation stehen (z.B. Hochschulverwaltung) nach Sinn und Zweck der Regelung auszunehmen sind. Für das Vorliegen dieser Ausnahmevorschrift ist nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der einstellende Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.
Tenor:
I. | Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.03.2012 - 60 Ca 16398/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. |
II. | Die Revision wird nicht zugelassen. |
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer vereinbarten Befristung mit dem 11. Oktober 2011 geendet hat. Streitentscheidend ist insofern, ob auf die höchstzulässige Befristung von sechs Jahren die Zeit vom 18. Dezember 2002 bis 31. Oktober 2004 anzurechnen ist. In dieser Zeit hatte der Kläger einen Privatdienstvertrag als "studentische Hilfskraft" mit Prof. S. geschlossen.
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Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger in dieser Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter eingesetzt wurde.
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Hinsichtlich des übrigen unstreitigen Sachverhaltes und des Vorbringens der Parteien in der I. Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Das Arbeitsgericht Berlin hat im Urteil vom 21. März 2012 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 13. Februar 2009 mit Ablauf des 11. Oktober 2011 geendet hat. Es hat weiterhin die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt. Das Arbeitsgericht hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die beiden Privatarbeitsverträge mitzurechnen seien, da sich die Tätigkeit des Klägers auf ein wissenschaftliches Forschungsprojekt bezogen habe. Zudem sei der Kläger tatsächlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig geworden. Unerheblich sei, dass der Kläger ab Frühjahr 2003 für ein Zweitstudium im Fach Physik eingeschrieben gewesen sei. Die Anrechnung der Privatarbeitsverträge stehe auch nicht § 6 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG entgegen. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg
darauf berufen, dass der Kläger seit dem 7. Juli 2002 Vater sei, denn dies betreffe Umstände nach Abschluss des Arbeitsvertrages. Der Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung sei ebenfalls begründet. Wegen der vorzunehmenden Anrechnung sei die Höchstbefristungsdauer von 6 Jahren überschritten.
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Die beklagte Universität ist im Rahmen des Berufungsverfahren weiterhin der Ansicht, dass die hier streitige Zeit nicht mitzurechnen sei. Studentische Mitarbeiter seien keine wissenschaftlichen Mitarbeiter. Für eine Hochschulverwaltung müsse allein anhand des Vertrages feststellbar sein, ob ein Arbeitnehmer vertragsgemäß mit wissenschaftsspezifischen Aufgaben zu betrauen war.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. März 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger behauptet erneut, er sei im Rahmen des angegebenen Forschungsprojektes tätig gewesen. Er habe nicht Sekretariats- oder Bibliotheksaufgaben wahrgenommen.
Entscheidungsgründe
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Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Befristungsabrede für unwirksam gehalten und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verurteilt. Hierauf wird Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
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Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ist folgendes zu ergänzen:
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Es ist unerheblich, ob der Kläger als studentische Hilfskraft oder im Gegensatz zum Vertragswortlaut als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der hier streitigen Zeit eingesetzt wurde. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 WissZeitVG sind "alle befristeten Arbeitsverhältnisse" auf die Befristungshöchstdauer von sechs Jahren anzurechnen. Dies betrifft somit auch Arbeitsverträge als studentische Hilfskraft. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch darauf hingewiesen, dass insofern nunmehr eine andere Regelung getroffen wurde als zuvor im HRG.
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Es kann offen bleiben, ob die Auffassung in der Literatur zutrifft, dass Tätigkeiten, die in keinem Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Qualifikation stehen (z.B. Hochschulverwaltung) nach Sinn und Zweck der Regelung auszunehmen sind. Für das Vorliegen dieser Ausnahmevorschrift ist nach allgemeiner zivilprozessualen Grundsätzen der einstellende Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Die Beklagte ist dieser Darlegungslast nicht nachgekommen. Sie verweist nur darauf, dass sich aus dem abgeschlossenen Arbeitsverträgen ihrer Ansicht nach nicht erkennen lasse, welche konkrete Tätigkeit der Kläger ausgeübt habe. Sie ist weiterhin der Ansicht, dass eine Hochschulverwaltung allein anhand des Vertrages überprüfen können müsse, welche Zeiten anzurechnen sind. Diese Ansicht ist nicht zutreffend. Die gesetzlichen Regelungen sehen keinerlei Zitiergebot vor. Es ist Sache der einstellenden Hochschulkörperschaft, sich darüber zu informieren, welche Vorbeschäftigungszeiten auf die Befristungshöchstdauer anzurechnen sind. Derartige Überlegungen muss auch die Beklagte angestellt haben, denn sie hat im Vertrag vom 13.07.2009 in § 1 Abs. 3 auch die Zeit vom 13. Dezember 2002 bis 31. Oktober 2004 als Beschäftigungszeit nach § 2 Abs. 3 WissZeitVG ausgewiesen.
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Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO).
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insofern ist gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben.