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  • 05.10.2012 · IWW-Abrufnummer 123812

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Beschluss vom 06.09.2012 – 1 Ta 142/12

    1.Ein Titel, mit dem der Arbeitgeber zur vorläufigen Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers verurteilt wird, ist hinreichend bestimmt und damit vollstreckbar, wenn erdie Art der ausgeurteilten Beschäftigung benennt.

    2.Weitere Bedingungen der Beschäftigung sind nur dann im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens durchsetzbar, wenn sie sich dem Titel selbst oder den zur Auslegung des Titels heranzuziehenden Unterlagen (bei Urteilen: Entscheidungsgründe, u. U. Akteninhalt) entnehmen lassen.

    3.Bestand über den Ort der Arbeitsleistung und die Frage eines Versetzungsrechts des Arbeitgebers in eine Betriebsstätte an einem anderen Ort im Erkenntnisverfahren kein Streit, dann ist die Wirksamkeit einer Versetzung nicht im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens inzident zu überprüfen.


    In der Rechtssache
    ...
    hat die I. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein am 06.09.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden
    beschlossen:

    Tenor:

    Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.07.2012 - 4 Ca 3182/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

    Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten über die Durchführung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme.

    Der Kläger war zuletzt als Produktmanager aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 31.01.2012 gekündigt. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 19.04.2012 die Unwirksamkeit dieser Kündigung festgestellt. In Ziffer 3 des Tenors hat es entschieden:

    "Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu den bis zum Ausspruch der Kündigung bestandenen Bedingungen als Produktmanager weiterzubeschäftigen.

    Der Kläger hat am 29.06.2012 seine Arbeitsleistung bei der Beklagten angeboten und von einem zuvor geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht Abstand genommen. Mit Schreiben vom 11.07.2012 hat die Beklagte den bisher in B. eingesetzten Kläger nach B. versetzt und ihn aufgefordert, dort seine Arbeit anzutreten. Mit am 12.07.2012 eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO gestellt.

    Er beantragt,

    gegen den Schuldner zur Erzwingung der in dem vorgenannten Titel erfolgten Verurteilung, nämlich den Gläubiger als Produktmanager zu un-veränderten Arbeits- und Gehaltsbedingungen weiterzubeschäftigen, ein Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft festzusetzen.

    Er hat vorgetragen, die Beklagte komme der Verurteilung aus dem Weiterbeschäftigungstitel nicht nach. Die Beklagte hat eingewandt, der Vollstreckungsantrag sei unzulässig, weil etwas anderes beantragt werde, als vom Arbeitsgericht ausgeurteilt worden sei. Mit dieser Begründung hat auch das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 25.07.2012 den Antrag zurückgewiesen.

    Gegen diesen ihm am 27.07.2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 10.08.2012 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht ersichtlich, inwiefern sich Antrag und Tenorierung nicht entsprächen. Die beantragte Formulierung bedeute dasselbe wie die ausgeurteilte Formulierung. Notfalls müsse das Gericht inzident prüfen, ob der Arbeitsvertrag einen Versetzungsvorbehalt vorsehe.

    Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 13.08.2012 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Die vom Kläger beantragte Formulierung weiche nicht bloß im Wortlaut, sondern auch in seinen rechtlichen Wirkungen, insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung nach Urteilsverkündigung, ab.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

    II.

    Die gemäß § 793 ZPO statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und damit zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Vollstreckungsantrag zurückgewiesen.

    1.
    Allerdings ist der Vollstreckungsantrag nicht bereits deswegen unzulässig, weil im Antrag nicht der Wortlaut aus der Tenorierung wiederholt wird. Die Auslegung des Vollstreckungsantrags ergibt vielmehr, dass der Kläger die in Ziffer 3 des Tenors ausgeurteilte Verpflichtung vollstrecken will.

    a)
    Vollstreckungsanträge sind wie jede andere Prozesshandlung der Auslegung zugänglich (vergleiche allgemein Zöller, § 128 ZPO, Rn 25). Dabei bezieht sich die

    Auslegung nicht nur darauf, welcher Art der Prozesshandlung abgegeben werden soll, sondern auch welchen Inhalt diese hat. Demnach wird regelmäßig etwa bei inhaltlich zu unbestimmten Anträgen durch Auslegung ein anderes Wortverständnis dem Antrag zugrundegelegt (vergleiche etwa die umfangreiche Entscheidungspraxis des I. Senats des Bundesarbeitsgerichts bei Anträgen im Beschlussverfahren).

    b)
    Danach ist der vom Kläger nicht entsprechend dem Wortlaut des Tenors gefasste Vollstreckungsantrag dahingehend auszulegen, dass der Kläger die Verhängung eines Zwangsgeldes begehrt zur Erzwingung der durch das Arbeitsgericht tenorierten Verpflichtung der Beklagten, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu den bis zum Ausspruch der Kündigung bestandenen Bedingungen als Produktmanager weiterzubeschäftigen.

    Dass es dem Kläger mit seinem Vollstreckungsantrag nicht um etwas anderes geht, als um den bereits ausgeurteilten Titel, lässt sich aus seinem gesamten Vorbringen entnehmen. So heißt es bereits im Antrag selbst, dass dieser "zur Erzwingung der in dem vorgenannten Titel erfolgten Verurteilung" gestellt werde. Ferner nimmt die Antragsschrift auf dem im Antrag näher bezeichneten Titel und die dort festgelegte Verpflichtung Bezug. Ganz deutlich wird das Begehren des Klägers dann in der Begründung der sofortigen Beschwerde, in der ausgeführt wird, dass nicht ersichtlich sei, inwiefern sich Antrag und Tenorierung nicht entsprächen. Auch im letzten Absatz der Beschwerdebegründung formuliert der Kläger, die Formulierung seines Antrags entspreche dem Sinn nach genau dem Tenor des Urteils.

    Damit hat der Kläger hinreichend deutlich sein Begehren klargestellt. Ob und wie er den Zwangsvollstreckungsantrag seinem Wortlaut nach formuliert, kommt angesichts dieser Erklärung zum Inhalt des Antrags keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

    2.
    Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Das Urteil des Arbeitsgerichts stellt kraft Gesetzes einen vorläufig vollstreckbaren Titel dar.

    Eine vollstreckbare Ausfertigung ist erteilt. Die Zustellung ist erfolgt.

    3.
    Der Tenor der arbeitsgerichtlichen Entscheidung ist im Hinblick auf die Verpflichtung der Beklagten zur Weiterbeschäftigung allerdings nur teilweise hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

    Diese Vorschrift verlangt, dass die Klagschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthält. Damit wird zum einen der Streitgegenstand abgegrenzt, zum anderen wird eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Gemessen an diesen Zielen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt und das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeiten auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren ins Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber worin diese besteht (BAG, zuletzt Beschluss vom 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - [...], Rn 16). Demnach ist es in einem Zwangsvollstreckungsverfahren nicht möglich zu klären, zu welchen Arbeitsbedingungen eine Weiterbeschäftigung zu erfolgen hat, wenn diese Bedingungen nicht ausdrücklich tituliert sind (Germelmann u. a., Arbeitsgerichtsgesetz, 7. Auflage, § 62 - Weiterbeschäftigungsanspruch).

    Danach ist der Tenor der Weiterbeschäftigungsverpflichtung der Beklagten insoweit zu unbestimmt, als die Beklagte zur Beschäftigung " zu den bis zum Ausspruch der Kündigung bestandenen Bedingungen" verurteilt worden ist. Der Inhalt dieser Bedingungen im Einzelnen lässt sich weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen noch dem Akteninhalt, auf den ergänzend zur Auslegung des Titels Bezug genommen werden kann (BAG aaO, Rn 18), mit hinreichender Sicherheit entnehmen. So ist der Kläger zwar in der Vergangenheit unstreitig in B. beschäftigt worden, ob es sich hierbei aber um einen vertraglich vereinbarten Arbeitsort handelt, ist im Erkenntnisverfahren zu keinem Zeitpunkt streitig erörtert worden.

    Demzufolge ist hinreichend bestimmt nur die Verurteilung zur Beschäftigung als Produktmanager.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist in Fällen, in denen es um die Titulierung des einem Arbeitnehmer zustehenden Weiterbeschäftigungsanspruchs geht, im Vollstreckungstitel zu verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht. Dabei ist es erforderlich aber auch ausreichend, wenn die Art der ausgeurteilten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Titel ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder sonstige Arbeitsbedingungen muss der Titel demgegenüber nicht enthalten.

    Nach diesen Grundsätzen ist im Tenor des Gerichts die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung als Produktmanager hinreichend bestimmt.

    4.
    Der Zwangsvollstreckungsantrag ist unbegründet, weil die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung als Produktmanager erfüllt. Sie hat dem Kläger mit Schreiben vom 11.07.2012 in Ausübung ihres Direktionsrechts nach Bielefeld versetzt und ihn aufgefordert, dort seine Arbeit anzubieten. Damit ist sie ihren Verpflichtungen zunächst nachgekommen.

    Ob der Kläger vertraglich verpflichtet ist in B. zu arbeiten und damit letztlich die Frage der Wirksamkeit der Versetzung, ist nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären (vergl. auch LAG Hessen, Beschluss vom 04.05.2012 - 12 Ta 293/11 - [...]).

    Hierdurch wird nämlich nicht geklärt, ob die Beklagte einer festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, sondern worin diese besteht (vergl. BAG, aaO, Rn 16 am Ende).

    5.
    Entsprechend § 97 Abs. 1 ZPO trägt der Kläger die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.