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  • 04.12.2012 · IWW-Abrufnummer 123815

    Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 09.08.2012 – 13 Sa 41/12

    1.Der Annahmeverzugslohnanspruch ist nach § 12 Satz 4 KSchG nur dann auf die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis beschränkt, wenn der Arbeitnehmer eine Erklärung nach § 12 Satz 1 KSchG gegenüber dem Arbeitgeber abgibt, dass er wegen eines neuen Arbeitsverhältnisses keine Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses will.

    2.Eine arbeitnehmerseitige ordentliche Kündigung lässt sich wegen der für den Arbeitnehmer nachteiligen Folgen des § 12 Satz 4 KSchG nicht in eine solche Nichtfortsetzungserklärung umdeuten.


    Tenor:

    1.

    Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 08.11.2011 - 5 Ca 1647/11 a - werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

    2.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über Annahmeverzugslohn.

    Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, einschließlich der Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Monate Januar bis März und Mai 2011 in Höhe der im Einzelnen bezifferten Vergütung von jeweils 2.509,22 € brutto abzüglich der vom Kläger anderweitig erzielten Vergütung sowie des Arbeitslosengeldes für den Monat Januar in Höhe von 77,88 € stattgegeben und den Annahmeverzugslohn für den Monat Juni 2011 abgewiesen. Auf das Urteil (Bl. 65 - 74 d. A.) wird verwiesen. Gegen diese Entscheidung richten sich die Berufungen des Klägers und der Beklagten.

    Der Kläger ist weiter der Auffassung, ihm stehe auch für Juni 2011 Annahmeverzugslohn in Höhe von 2.509,22 € brutto abzüglich anderweitig erzielter 1.164,93 € zu. Er habe das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 01.06. zum 30.06.2011 gekündigt. Eine Erklärung nach § 12 KSchG könne darin nicht gesehen werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Arbeitsaufforderung vom 12.04.2011 zum 13.04.2011. Durch die noch nicht rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts in dem Kündigungsschutzrechtsstreit habe er auch unter Berücksichtigung seines vom Arbeitsgericht zurückgewiesenen Auflösungsantrags dem Arbeitsangebot der Beklagten nicht nachkommen müssen. Da der ausgeurteilte Annahmeverzugslohn erst zur Hälfte im Januar 2012 bezahlt worden sei, sei er auch zur Zurückhaltung seiner Arbeitskraft berechtigt gewesen. Im Übrigen sei das Arbeitsangebot der Beklagten nicht ernsthaft gemeint gewesen, sonst hätte die Beklagte im Kammertermin ihre Kündigung zurückgezogen anstatt darüber urteilen zu lassen, um dann sofort ein Rechtskraftverzicht und Arbeitsangebot zu unterbreiten.

    Der Kläger beantragt,

    das Urteil insoweit abzuändern, als das Arbeitsgericht den Antrag zu 5 (Annahmeverzugslohn für den Monat Juni 2011) abgewiesen hat.

    Die Beklagte beantragt,

    die Zurückweisung der Berufung und beantragt, das Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die Eigenkündigung des Klägers sei in eine Nichtfortsetzungserklärung nach § 12 Satz 4 KSchG umzudeuten. Jedenfalls hätte der Kläger nach der Aufforderung der Beklagten vom 12.04.2011 das Arbeitsverhältnis mit der sich aus § 2 Ziffer 2.2 des Tarifvertrags DGB/IGZ ergebenden Kündigungsfrist von 2 Wochen kündigen können, so dass ihm spätestens seit dem 23.04.2011 kein Annahmeverzugslohn mehr zustände. Schließlich habe sie - die Beklagte - sich seit spätestens 01.03.2011 sich nicht mehr im Annahmeverzug befunden, da der Kläger im Kammertermin des Kündigungsschutzprozesses am 08.04.2011 die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragt und damit konkludent erklärt habe, dass er spätestens seit dem 01.03.2011 nicht mehr bereit gewesen sei, bei der Beklagten weiter zu arbeiten.

    Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    I. Die Berufungen sind zulässig, haben jedoch beide in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger den für die Monate Januar bis März und Mai 2011 ausgeurteilten Annahmeverzugslohn zu Recht zugesprochen und den Annahmeverzugslohn für den Monat Juni 2011 abgewiesen. Das Berufungsgericht schließt sich im vollen Umfang der zutreffenden und sorgfältigen Begründung des Arbeitsgerichts an. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten enthalten keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigt.

    1. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Beklagte durch ihre unwirksame fristlose Kündigung vom 19.11.2010 gegenüber dem Kläger in Annahmeverzug geraten ist, ohne dass es dafür eines tatsächlichen oder wörtlichen Angebots der Arbeitsleistung durch den Kläger bedurfte (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. etwa Urteil vom 05.11.2003 - 5 AZR 562/02 m.w.N.). Der Annahmeverzugslohnanspruch beginnt im Streitfall mit Zugang der außerordentlichen Kündigung, also am 19.11.2010.

    2. Dieser Annahmeverzugslohnanspruch ist nicht nach § 12 Satz 4 KSchG auf die Zeit zwischen der Entlassung und dem Tag des Eintritts in das neue Arbeitsverhältnis, also den Zeitraum 19.11.2010 bis 03.01.2011 beschränkt. Denn es fehlt eine Erklärung des Klägers gegenüber der Beklagten, dass er die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei dieser wegen des neuen Arbeitsverhältnisses verweigern will (§ 12 Satz 1 KSchG). Eine solche Erklärung hat der Kläger unstreitig nicht abgegeben.

    a. Die von ihm mit Schreiben vom 01.06. zum 30.06.2011 ausgesprochene ordentliche Kündigung lässt sich nicht in eine Nichtfortsetzungserklärung umdeuten. Zwar wird vertreten, dass eine verfristete Nichtfortsetzungserklärung nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers umgedeutet werden kann (LAG Niedersachsen 02.05.2006 - 13 Sa 1585/05; vom BAG 25.10.2007 - 6 AZR 662/06 - nicht beanstandet). Die Umdeutung einer ordentlichen Kündigung in eine Nichtfortsetzungserklärung kommt jedoch bereits wegen der für den Arbeitnehmer nachteiligen Folgen des § 12 Satz 4 KSchG nicht in Betracht (vgl. dazu APS/Biebl 4. Auflage § 12 KSchG Rn 17). Dies muss erst Recht gelten, wenn die Kündigungserklärung nicht wie § 12 Satz 1 KSchG vorsieht binnen einer Woche nach der Rechtskraft des Urteils, sondern - wie hier - vor Rechtskraft ausgesprochen wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts verwiesen.

    b. Der Auflösungsantrag des Klägers, den das Arbeitsgericht im Vorprozess mit Urteil vom 08.04.2011 zurückgewiesen hat, kann gleichfalls aus den unter Ziffer 2. genannten Gründen nicht in eine Nichtfortsetzungserklärung im Sinne des § 12 Satz 1 KSchG umgedeutet werden.

    3. Entgegen der Auffassung der Beklagten führt der vom Kläger im Kündigungsschutzprozess gestellte Auflösungsantrag auch nicht zur Beendigung des Annahmeverzugs der Beklagten. Dabei handelt es sich um einen nach §§ 9, 10 KSchG zulässigen Antrag. Nur im Fall der Begründetheit im Sinne des § 9 Abs. 1. Satz 1 KSchG (Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer) hätte das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis antragsgemäß bei Zahlung einer vom Gericht festgesetzten Abfindung aufzulösen und damit auch den Annahmeverzug zum Auflösungszeitpunkt beendet. Im Streitfall hat das Arbeitsgericht jedoch der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Auflösungsantrag zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis bestand mithin fort.

    4. Dem Annahmeverzugslohnanspruch steht auch nicht die Aufnahme der neuen Tätigkeit des Klägers am 03.01.2011 entgegen. Der Arbeitgeber gerät, wie bereits ausgeführt, auf Grund einer von ihm ausgesprochenen unwirksamen Kündigung in den Verzug mit der Annahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers und muss nach § 615 Satz 1 BGB die vereinbarte Vergütung für die in Folge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zahlen. Der Arbeitnehmer muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Arbeitsleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt (§§ 615 Satz 2 BGB, 11 KSchG). Die Aufnahme einer neuen Arbeit während des Kündigungsschutzprozesses beendet damit nicht den Annahmeverzug, sondern führt lediglich zu einer Anrechnung des Zwischenverdienstes.

    5. Der Annahmeverzug der Beklagten ist schließlich nicht durch die Aufforderung der Beklagten vom 12.04., der Kläger solle am 13.04. um 7:00 Uhr morgens zur Arbeit erscheinen, zum 13.04.2011 beendet worden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht dazu festgestellt, dass dem Kläger ein Arbeitsbeginn wegen des zulässig begründeten neuen Arbeitsverhältnisses - das im Übrigen im Interesse der Beklagten zu einer Verminderung des Annahmeverzugsrisikos geführt hat - zum 13.04.2011 nicht zumutbar war.

    6. Die Arbeitsaufforderung der Beklagten vom 12.04. ist jedoch mit Ablauf einer angemessenen Frist, die das Arbeitsgericht in Anlehnung an die gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs.1 BGB bemessen hat, geeignet, den Annahmeverzugslohnanspruch für den Monat Juni 2011 zu beseitigen.

    a. Der Kläger durfte dieses Arbeitsangebot und die nochmalige Aufforderung der Beklagten mit Schreiben vom 18.04., mitzuteilen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen wolle, jedoch nicht - wie geschehen - bis zum Ausspruch der ordentlichen Kündigung am 01.06.2011 ignorieren. Dies umso mehr, als die Beklagte mit der Erklärung des Rechtsmittelverzichts vom 12.04.2011 unmissverständlich klargestellt hat, dass sie aus der erstinstanzlich für unwirksam erklärten Kündigung vom 19.11.2010 keine Rechts mehr herleiten will und somit von dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ausgegangen ist.

    b. Spätestens bis zum Ablauf dieser Frist hätte der Kläger kündigen können bzw. der Beklagten seine Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme und damit Leistungswilligkeit im Sinne des § 297 BGB mitteilen können und müssen. Die Arbeitsaufnahme wäre ihm, entgegen der Auffassung des Klägers, auch nicht deshalb unzumutbar gewesen, weil noch Annahmeverzugslohnansprüche ausgestanden hätten.

    II. Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis des Obsiegens und des Unterliegens der Parteien im gesamten Rechtsstreit (§ 92 Abs. 1 ZPO).

    III. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen.

    Vorschriften§ 12 KSchG, § 615 BGB