28.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132970
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 16.08.2012 – 7 Sa 78/12
Es stellte einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar, ein Schriftsachverständigengutachten einzuholen, wenn ein Arbeitgeber zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs behauptet, die Arbeitnehmerin habe zu 15 verschiedenen Zeitpunkten wahrscheinlich von ihm blanko unterzeichnete Überweisungsformulare abredewidrig ausgefüllt, möglicherweise habe sie aber auch die eine oder andere - nicht näher bezeichnete - Unterschrift gefälscht.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.11.2011 in Sachen1 Ca 1302/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Rückzahlungsforderung des Klägers an die Beklagte.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 18.11.2011 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt. Der Kläger hat gegen dieses Urteil am 17.01.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist bis zum 16.03.2012 am 15.03.2012 begründen lassen.
Der Kläger und Berufungskläger bleibt bei seiner Behauptung, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Überweisungen in einer Gesamthöhe von 13.376,60 € ohne seine Kenntnis und Zustimmung eigenmächtig veranlasst habe. Sie habe dabei bereits vom Kläger blanko unterschriebene Überweisungsformulare verwendet oder auch Unterschriften des Klägers gefälscht.
Der Kläger und Berufungskläger räumt ein, dass er der Beklagten vertraut und seine Kontoauszüge nicht mit der erforderlichen Genauigkeit überprüft habe. Aufgrund der hohen Anzahl von Kontobewegungen handele es sich jedoch um eine Vielzahl von Kontoauszügen, so dass nicht jede einzelne Überweisung habe überprüft werden können. Die von der Beklagten eigenmächtig ausgeführten Überweisungen seien auch der Höhe nach nicht auffällig gewesen. Ihm, dem Kläger, würden regelmäßig Rechnungen gestellt, z. B. Handwerkerrechnungen, welche sich der Höhe nach in dem Rahmen der hier streitgegenständlichen Beträge hielten.
In rechtlicher Hinsicht ist der Kl äger der Auffassung, dass ein etwaiges fahrlässiges Mitverschulden seinen Zahlungsanspruch nicht schmälern könne, da die Beklagte ihn vorsätzlich und in sittenwidriger Weise geschädigt habe.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt nunmehr,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.11.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 13.376,60 € nebst Zinsen in Höhe von5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.10.2010 aus 11.541,48 € sowie seit Zustellung des Schriftsatzes vom 25.11.2010 aus weiteren 1.835,12 € zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte bleibt bei ihrer Behauptung, dass sie neben ihrem Arbeitsverhältnis mit der Arztpraxis des Klägers im selben Umfang noch in einem zweiten Arbeitsverhältnis zu dessen Immobilienfirma T gestanden habe. Die streitgegenständlichen Überweisungen habe sie daher nicht eigenmächtig, sondern absprachegemäß veranlasst. Es habe sich um die (Netto-)Vergütung ihrer Tätigkeit für die Immobilienfirma des Klägers gehandelt. Die Beklagte bestreitet dementsprechend weiterhin, blanko unterschriebene Überweisungsträger absprachewidrig ausgefüllt zu haben oder gar Unterschriften des Klägers auf den Überweisungsträgern gefälscht zu haben.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht haben beide Parteien umfassend von der ihnen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, persönlich zur Sache Stellung zu nehmen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.11.2011 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Berufung und Berufungsbegründung sind auch fristgemäß im Sinne von§ 66 Abs. 1 ArbGG beim Berufungsgericht eingegangen.
II. Die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts Köln konnte jedoch keinen Erfolg haben. Die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz rechtfertigt keine andere Entscheidung.
1. Zwar vermag das Berufungsgericht die Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils nicht zu teilen, wonach die Klage jedenfalls wegen eines mit 100 % zu veranschlagenden Mitverschuldens des Klägers am Schadenseintritt abzuweisen sei. Gesetzt den Fall, die Beklagte hätte den Kläger tatsächlich - wie von diesem behauptet - in strafrechtlich relevanter Weise vorsätzlich geschädigt, so könnte ein hierauf zu stützender Schadensersatz- bzw. Bereicherungsanspruch zur Überzeugung des Berufungsgerichts nicht zu 100 % daran scheitern, dass der Kläger leichtfertig, aber eben fahrlässig seine Kontrollobliegenheiten nicht wahrgenommen hat.
2. Die Zahlungsforderung des Klägers muss aber daran scheitern, dass er für die von ihm zur Begründung seiner Ansprüche aufgestellten Tatsachenbehauptungen weder erst- noch zweitinstanzlich geeigneten Beweis hat anbieten können. Ebenso wenig hat er es vermocht, ausreichende, aussagekräftige Indiztatsachen substantiiert darzulegen und unter Beweis zu stellen. Der Kläger als Anspruchsteller ist für die anspruchsbegründenden Tatsachen jedoch in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig. Nach dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz hat zur Überzeugung des Berufungsgerichts der klagebegründende Sachvortrag des Klägers keine höhere Wahrscheinlichkeit für sich als das Verteidigungsvorbringen der Beklagten.
Im Einzelnen:
a. Der Kläger behauptet, die Beklagte habe ihn zwischen dem 25.07.2007 und dem 24.09.2008 durch 15 zu ihren eigenen Gunsten vorgenommene unberechtigte Einzelüberweisungen in Höhe von insgesamt 13.376,60 € geschädigt. Dies will er erst einige Zeit nach der zum 31.07.2009 erfolgten Beendigung des Arbeitsverhältnisses bemerkt haben.
aa. Unstreitig sind die betreffenden 15 Überweisungsträger von der Beklagten ausgefüllt worden. Unstreitig hat die Beklagte diese Zahlungen an sich selbst somit "veranlasst". Ebenso unstreitig tragen die Überweisungsträger allerdings den Unterschriftszug des Klägers.
bb. Letzteren Umstand will der Kläger dadurch erklären, dass er behauptet, die Beklagte habe entweder blanko unterschriebene Überweisungsträger abredewidrig ausgefüllt oder aber auch die eine oder andere Unterschrift des Klägers gefälscht. Seinem eigenen Vortrag zufolge kann der Kläger allerdings nicht angeben, welche Unterschriften gefälscht sein sollen und welche Überweisungsträger lediglich abredewidrig ausgefüllt worden seien.
cc. Darin wird das spekulative Element im klägerischen Sachvortrag deutlich, wobei der Kläger nach dem Duktus seines schriftsätzlichen Vorbringens in erster Linie auf ein abredewidriges Ausfüllen von Überweisungen abstellt und das Fälschen einzelner Unterschriften lediglich als weitere Möglichkeit in den Raum stellt. Ein derartiger Sachvortrag ist nach den Regeln des Zivilprozesses aus verschiedenen Gründen einer Beweisaufnahme nicht zugänglich: Wenn dem Gericht nicht gesagt wird, welche Unterschrift auf welchem Überweisungsträger gefälscht sein soll, ist es nicht in der Lage, gezielt dadurch Beweis zu erheben, dass es das Gutachten eines Schriftsachverständigen beauftragt. Die quasi vorsorgliche Begutachtung aller 15 Unterschriften durch einen Schriftsachverständigen darauf hin, ob vielleicht die eine oder andere Unterschrift gefälscht sein könnte, stellte ein typisches Beispiel eines im Zivilprozess verbotenen sog. Ausforschungsbeweises dar.
dd. Ein hinreichend substantiierter Sachvortrag von Indiztatsachen, die überhaupt für ein abredewidriges Ausfüllen der einen oder anderen Überweisung sprechen könnten, fehlt ebenfalls.
b. Darüber hinaus stellt aber auch das Angebot einer Parteivernehmung des beweisbelasteten Klägers selbst außerhalb der §§ 447, 448 ZPO kein im Zivilprozess zugelassenes Beweismittel dar. Die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO liegen ersichtlich nicht vor.
c. Ungeachtet dessen hat das Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 16.08.2012 beiden Parteien ausgiebig Gelegenheit gegeben, zum Sach- und Streitstand Stellung zu nehmen. Das Ergebnis dieser Anhörung hat keineswegs zu der Überzeugung des Berufungsgerichts geführt, dass den klagebegründenden Behauptungen des Klägers, soweit sie denjenigen der Beklagten widersprechen, eine höhere Glaubhaftigkeit zukäme als dem Verteidigungsvorbringen der Beklagten.
aa. So hat der Kläger eingeräumt, dass er selbst regelmäßig seine Kontoauszüge von der Bank geholt und sich auch damit befasst habe, zugleich allerdings auch auf die Vielzahl der Kontobewegungen hingewiesen. Dennoch erscheint es dem Berufungsgericht ungewöhnlich, dass dem Kläger in einem Zeitraum von 14 Monaten zu 15 verschiedenen Zeitpunkten unberechtigte Abbuchungen in der Größenordnung von zwischen 500,00 € und - zumeist - knapp unter 1.000,00 € nicht aufgefallen sein sollen.
bb. Dabei trifft es auch nicht zu, dass die Höhe der jeweiligen Abbuchungsbeträge "unauffällig" gewesen sei, entsprach sie doch in den meisten Fällen exakt der Höhe des monatlichen Nettoeinkommens der Beklagten aus ihrem "offiziellen" Arbeitsverhältnis und enthielten alle 15 Überweisungen eine arbeitsvertragliche Zweckbestimmung. Dabei war doch auch dem Kläger geläufig, dass das reguläre laufende Gehalt der Beklagten per Dauerauftrag beglichen wurde, hierzu also Zahlungen per Überweisungsträger nicht erforderlich waren. Zudem muss in den Monaten, in denen sich die Beklagte ein weiteres Nettogehalt überwiesen hat, derselbe Betrag zweimal vom Konto des Klägers abgebucht worden sein. Auf der anderen Seite wäre die die Beklagte "sehenden Auges" ein hohes Entdeckungsrisiko eingegangen, wenn sie mit den streitigen Überweisungen tatsächlich unlautere Absichten verfolgt hätte. Wenn die Beklagte solche Absichten hegte und darauf vertraut hätte, aufgrund mangelhafter Kontrollen durch den Kläger unentdeckt zu bleiben, fragt sich aber auch, warum sie sich dann die Mühe gemacht hat, sich stets nur an arbeitsvertraglichen Rechnungsgrößen orientierte "krumme" Beträge zu überweisen.
d. Das Verteidigungsvorbringen der Beklagten geht dahin, bei den streitigen Überweisungen habe es sich um mündlich vereinbarte Vergütungszahlungen für ihre Tätigkeit zugunsten der Immobilienfirma T GmbH des Klägers und seiner Familie gehandelt.
aa. Unstreitig hat die Beklagte in erheblichem Umfang Arbeiten für T verrichtet. Dabei hat die Beklagte schon erstinstanzlich belegen können, dass sie zumindest einen größeren Teil dieser Arbeiten von zu Hause aus erledigt hat, weil nur dort für bestimmte Aufgaben die geeignete EDV-Ausstattung vorhanden gewesen sei. Andererseits hat die Beklagte geschildert, dass sie in Anbetracht der Personalfluktuation in der Arztpraxis zeitweise auch dort nur als einzige Arzthelferin zur Verfügung gestanden habe, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten.
bb. Sodann erscheint auff ällig, dass der Kläger, als er im Sommer 2009 die arbeitsvertragliche Zusammenarbeit der Parteien beenden wollte, der Beklagten zwei unterschiedliche Kündigungsschreiben zukommen ließ, einmal als Kündigungsschreiben der Arztpraxis mit Datum vom 26.06.2009, sodann nochmals unter dem Datum des 29.06.2009 auf dem Briefbogen der T GmbH. Das Kündigungsschreiben der T GmbH nimmt auch inhaltlich nicht auf das erste Kündigungsschreiben Bezug und lässt ebenso wenig erkennen, dass diese Kündigung nur "vorsorglich" ausgesprochen worden wäre.
cc. Auf diese Ungereimtheit angesprochen, erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, die Beklagte habe ursprünglich einen Arbeitsvertrag mit der Firma T gehabt. Da er, der Kläger, im Zeitpunkt des Ausspruchs der ersten Kündigung die Personalakte der Beklagten nicht zur Hand gehabt habe, habe er den Arbeitsvertrag nicht einsehen können und daher irrtümlich namens der Arztpraxis gekündigt. Nachdem er dann eine Kopie des Arbeitsvertrages mit der T GmbH gefunden habe, habe er das Arbeitsverhältnis nochmals gekündigt. Zur Gerichtsakte gereicht wurde allerdings nur - schon in erster Instanz - ein von beiden Parteien unterschriebener schriftlicher Arbeitsvertrag vom 30.01.2007, welcher als Arbeitgeber die "Praxis H " ausweist und der sich auf eine Teilzeittätigkeit der Klägerin mit 24 Wochenstunden als "Kaufmännische Angestellte/Arzthelferin" bezieht (Bl. 152 f. d. A.).
e. In Anbetracht dieser Umstände und Ungereimtheiten liegt es nach Überzeugung des Berufungsgerichts ebenso gut im Bereich des Möglichen, dass die streitigen Überweisungen aufgrund mündlicher Vereinbarung der Parteien einer zusätzlichen Vergütung der Tätigkeiten der Klägerin für die T GmbH dienen sollten. Ob sich dabei ein insoweit gleichgelagertes Interesse beider Parteien zu einer sog. Schwarzgeldabrede verdichtete, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben, läge allerdings keineswegs außerhalb der Lebenserfahrung.
3. Dem Kläger ist es somit nicht gelungen darzulegen und insbesondere nachzuweisen, dass die Beklagte die streitigen Überweisungen unrechtmäßig veranlasst hat und sich damit ohne rechtlichen Grund auf Kosten des Klägers bereichert hat. Insoweit verbleibende nicht unerhebliche Zweifel müssen zu Lasten des beweisbelasteten Klägers gehen. Demnach hat das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen und konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben. Die Entscheidung beruht auf den Umständen des vorliegenden Einzelfalls.