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  • 02.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141178

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 28.01.2014 – 1 Sa 230/13

    1.Die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung auf einem bei Zugang der Kündigung absehbar frei werdenden Arbeitsplatz ist dem Arbeitgeber regelmäßig auch dann zumutbar, wenn der Arbeitsplatz erst nach Ablauf der Kündigungsfrist frei wird, die Dauer dieses Zeitraums aber die übliche Einarbeitungszeit eines neu eingestellten Mitarbeiters nicht übersteigt (wie BAG v. 15.12.1994 - 2 AZR 327/94).

    2.Auch bei einem Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst konkretisiert sich der Arbeitsort ohne weitere Anhaltspunkte nicht auf sein Vertriebsgebiet. Allein der Umstand, dass er in diesem Vertriebsgebiet bereits 5,5 Jahre tätig war und dort mit seiner Familie wohnt, schränkt das Versetzungsrecht des Arbeitgebers mangels anderweitiger Vereinbarungen im Arbeitsvertrag nicht ein. Bei einer betriebsbedingten Kündigung ist dieser Arbeitnehmer daher mit den weiteren Mitarbeitern im Vertriebsaußendienst, die im selben Geschäftsbereich des Arbeitgebers tätig sind, vergleichbar.


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 28.01.2014 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzenden und d. ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer und d. ehrenamtlichen Richter ...als Beisitzer
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elms-horn vom 06.06.2013 - 3 Ca 2171 d/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer betriebsbedingt begründeten Kündigung der Beklagten.

    Der am ....1968 geborene, seiner Ehefrau und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger, war ab dem 01.04. bis zum 30.06.2007 auf Grundlage eines befristeten Vertrags als selbständiger Handelsvertreter für die Beklagte tätig. § 1 Abs. 1 des Handelsvertretervertrages lautete:

    § 1 Rechtliche Stellung des Handelsvertreters

    (1) Der Handelsvertreter übernimmt als Bezirksvertreter i. S. des § 87 Abs. 2 HGB die Vertretung des Unternehmens im Bundesland Hessen, PLZ 34..., 37....Änderungen des Vertretungsbezirks bedürfen zu ihrer Wirksamkeit eines von beiden Vertragspartnern unterzeichneten Nachtrags zu diesem Vertrag.

    Seit 01.07.2007 ist der Kläger auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags (Anlage B 1, Bl. 44 - 49 d. A.) bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Der Kläger betreute weiter von seinem Wohnsitz aus die ihm bereits während des Handelsvertreterverhältnisses zugeordneten Kunden. Darüber hinaus wurden ihm angrenzende Postleitzahlenbereiche übertragen. Wegen des Vertriebsgebiets des Klägers wird auf die Anlage zur Berufungsbegründung (Bl. 99 d. A.) Bezug genommen. Regelungen über die Berechtigung der Beklagten zur Zuweisung eines anderen Vertriebsgebiets an den Kläger enthält der Arbeitsvertrag nicht.

    Die Beklagte vertreibt in ihrem Geschäftsbereich Automotive Carsystems, für den der Kläger tätig war, Produkte für den Bedarf qualifizierter Autolackierwerkstätten, etwa Spachtelmassen, Abdeckfolien oder Poliersysteme. Der Vertrieb erfolgt sowohl über Großhändler und Partnerunternehmen, wie auch über im Geschäftsbereich Carsystem 8 eigene Vertriebsmitarbeiter, darunter den Kläger. Insgesamt beschäftigt die Beklagte 19 Mitarbeiter im Vertriebsaußendienst.

    Mit Schreiben vom 17.12.2012 kündigte die Beklagte nach Anhörung des Betriebsrats, der der Kündigung widersprach, das Arbeitsverhältnis des Klägers fristgemäß zum 28.02.2013. Zu jenem Zeitpunkt war bei der Beklagten eine Stelle für einen Außendienstmitarbeiter im Geschäftsbereich Handel, Abteilung Vertriebsaußendienst Handel für Süddeutschland und Österreich ausgeschrieben.

    Der Kläger hat gegen die Kündigung fristgemäß Klage erhoben und macht deren fehlende soziale Rechtfertigung geltend.

    Er hat vorgetragen:

    Er könne bei der Beklagten auf dem frei werdenden Arbeitsplatz in Bayern weiterbeschäftigt werden. Die Kündigung sei darüber hinaus rechtswidrig, weil die Beklagte - unstreitig - keine soziale Auswahl vorgenommen habe. Er sei mit den weiteren Außendienstmitarbeitern der Beklagten vergleichbar, weil der Arbeitsvertrag keine Eingrenzung auf ein bestimmtes Vertriebsgebiet enthalte. Die Angaben der Beklagten zur angeblichen Unrentabilität des Vertriebs in seiner Region und die behauptete unternehmerische Entscheidung zur Streichung seiner Stelle bestreite er mit Nichtwissen.

    Der Kläger hat beantragt,

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.12.2012 nicht aufgelöst worden ist, sondern über den 28.02.2013 hinaus auf unbestimmte Zeit fortbesteht.

    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie hat vorgetragen:

    Sie habe festgestellt, dass sich der Direktvertrieb ihrer Produkte in der Region des Klägers nicht lohne. Daher habe sich ihre Geschäftsführung auf einer Sitzung am 21.11.2012 entschlossen, auf dessen Vertriebsbereich zu verzichten. Eine soziale Auswahl habe sie nicht vornehmen müssen, da der Arbeitsvertrag des Klägers keinen Versetzungsvorbehalt enthalte. Eine einseitige Zuweisung eines anderen Vertriebsgebietes sei ihr nicht möglich gewesen. Der vom Kläger angegebene Arbeitsplatz in Bayern, auf den dieser sich nicht beworben habe, werde erst Ende Mai 2013 mit dem Renteneintritt des bisherigen Stelleninhabers frei.

    Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf die Akte Bezug genommen.

    Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kündigung sei unwirksam, weil es an der gebotenen sozialen Auswahl fehle. Der Kläger sei mit den weiteren Vertriebsmitarbeitern der Beklagten vergleichbar, weil er auf deren Arbeitsplätze versetzt werden könne. Eine Konkretisierung seiner Tätigkeit auf das bisherige Vertriebsgebiet liege mangels Vortrags entsprechender Umstände durch die Beklagte nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

    Gegen dieses ihr am 13.06.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.07.2013 Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 13.09.2013 am 09.09.2013 begründet.

    Sie trägt vor:

    Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe sich die Tätigkeit des Klägers auf einen Einsatz in dem ihm zugewiesenen Vertriebsgebiet konkretisiert mit der Folge, dass eine soziale Auswahl vor der Kündigung nicht erforderlich gewesen sei. Während der ganzen Zeit seiner Beschäftigung sei der Kläger in seinem Einsatzgebiet tätig gewesen.

    Der Arbeitsvertrag und der dem Arbeitsverhältnis im Sinne einer Probezeit vorgeschaltete Handelsvertretervertrag müssten zusammen gelesen werden. Nur so ergebe sich eine hinreichend genaue Beschreibung der Aufgaben des Klägers. Nur der Handelsvertretervertrag enthalte eine Regelung über das Einsatzgebiet des Klägers, allein auf Basis des Arbeitsvertrages habe der Kläger gar nicht gewusst, wo er habe arbeiten sollen. Die in § 1 des Handelsvertretervertrags vorgesehene Beschränkung des Tätigkeitsortes gelte daher auch im Arbeitsverhältnis. Der Arbeitsvertrag enthalte nicht etwa deshalb keine Regelung zum Einsatzgebiet des Klägers, weil sie diesen habe beliebig anderweitig einsetzen wollen, sondern weil wegen der Regelung im vorgeschalteten Handelsvertretervertrag kein Regelungsbedarf bestanden habe. Ein Einsatz an einem anderen Ort sei zu keiner Zeit vorgesehen gewesen. Der Kläger sei auch von seinem Wohnort aus eingesetzt worden. Gerade wegen seines Wohnsitzes sei der Kläger als Außendienstmitarbeiter eingestellt worden. Schließlich sei der Kläger auch im Vertriebskatalog mit einer Auflage von jährlich 5.200 Exemplaren aufgeführt und den Kunden als fester Ansprechpartner vorgestellt worden.

    Die Beklagte beantragt,

    unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.06.2013 (Az 3 Ca 2171 d/12) die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung der Beklagten vom 04.07.2013 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn - 3 Ca 2171 d/12 -, verkündet am 06.06.2013 und dem Kläger zugestellt am 13.06.2013, zurückzuweisen.

    Er verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts und trägt ergänzend vor:

    Beim Handelsvertretervertrag habe es sich nicht um einen "Probezeitvertrag" gehandelt. Darüber sei nicht gesprochen worden. Vielmehr habe ihm die Beklagte einen Arbeitsvertrag angeboten, weil er so außerordentlich erfolgreich gewesen sei. Demzufolge gelte die Aufgabenzuweisung in § 1 des Handelsvertretervertrages auch nicht für das Arbeitsverhältnis. Als Angestellter habe er auch tatsächlich zusätzliche Verkaufsgebiete betreut und neue Kollegen in anderen Vertriebsgebieten eingearbeitet. Das lasse sich auch der von der Beklagten vorgelegten Gebietskarte entnehmen.

    Er habe zuhause auch kein "Homeoffice" gehabt, sondern die tagsüber generierten Aufträge auf Formulare übertragen und entweder von zuhause oder vom Hotel aus der Beklagten übersandt.

    Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die gemäß § 64 Abs. 2 c ArbGG statthafte, form- und fristgemäß eingelegte und begründete und damit zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben. Die vom Kläger ausschließlich als Feststellungsklage nach § 4 KSchG erhobene Klage ist begründet, da die Kündigung der Beklagten vom 17.12.2012 mangels sozialer Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam ist.

    Die Kündigung ist nicht durch dringende betrieblicher Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen sozialen Auswahl im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG. Im Einzelnen gilt Folgendes:

    I.
    Die Kündigung der Beklagten vom 17.12.2012 ist bereits nach § 1 Abs. 2 S.1 KSchG sozial ungerechtfertigt. Sie ist insbesondere nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstehen, bedingt.

    1. Eine betriebsbedingte Kündigung setzt voraus, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer in dem bisher wahrgenommenen Aufgabenbereich auf Dauer entfällt und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann (Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 15. Auflage, § 134, Rn 1).

    2. Es kann offen bleiben, ob der Beschäftigungsbedarf für den Kläger entfallen ist. Die Beklagte trägt insoweit vor, ihre Geschäftsführung habe am 21.11.2012 entschieden, den Vertrieb im Vertriebsgebiet des Klägers nicht mehr durch eigene Mit-arbeiter durchzuführen, sondern ihre Partnerunternehmen, die als freie Handelsvertreter tätig sind, damit zu beauftragen. Träfe dieser vom Kläger bestrittene Sachvortrag zu, wäre allerdings das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger auf seinem bisherigen Arbeitsplatz entfallen.

    3. Hierauf kommt es jedoch nicht an, da der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf dem freien Arbeitsplatz für einen Außendienstmitarbeiter im Geschäftsbereich Handel möglich und zumutbar gewesen wäre.

    a) Grundsätzlich muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Beendigungskündigung dem Arbeitnehmer die Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz zuweisen, ggfs. ist der Ausspruch einer Änderungskündigung erforderlich, nämlich dann, wenn eine Weiterbeschäftigung nicht vom bisherigen Inhalt des Arbeitsvertrags gedeckt ist.

    Ein solcher freier Arbeitsplatz war bei der Beklagten vorhanden. Unstreitig war bereits bei Zugang der Kündigung die Stelle zum Außendienstmitarbeiter im Geschäftsbereich Handel für Süddeutschland und Österreich ausgeschrieben.

    b) Die Zuweisung dieser Stelle an den Kläger, sei es im Wege der Ausübung des Direktionsrechts, sei es per Änderungskündigung, war der Beklagten auch zumutbar. Dies gilt auch dann, wenn zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, dass die Stelle erst zum 01.06.2013 wegen des Ausscheidens des bisherigen Stelleninhabers zu Ende Mai 2013 besetzt werden sollte.

    aa) Die fachliche Eignung des Klägers für diese ausgeschriebene Stelle ist zwischen den Parteien nicht umstritten. Es handelt sich um eine Tätigkeit als Vertriebsmitarbeiter im Außendienst. Als solcher war der Kläger bei Zugang der Kündigung mehr als 5 Jahre bei der Beklagten bereits tätig gewesen. Soweit sich die Produktpalette von der bisher vom Kläger betreuten Produkten unterscheidet, ist von keiner Seite vorgetragen, dass dies einer Beschäftigung des Klägers auf dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz im Wege gestanden hätte.

    bb) Es war der Beklagten auch zumutbar, den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum Freiwerden der Stelle zu überbrücken.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind bei der Frage, ob eine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz für den Arbeitgeber möglich ist, auch solche Arbeitsplätze mit in die Beurteilung einzubeziehen, bei denen im Zeitpunkt der Kündigung bereits feststeht, dass sie in absehbarer Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist frei werden, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zur Überbrückung bis zum Freiwerden einer geeigneten Stelle ist dabei mindestens der Zeitraum zumutbar, den ein anderer Stellenbewerber zur Ein-arbeitung benötigen würde, wobei je nach den Umständen eine Probezeitvereinbarung als Anhaltspunkt für die Bemessung einer Einarbeitungszeit herangezogen werden könnte (BAG, Urteil vom 15.12.1994 - 2 AZR 327/94 -; [...], Rn 36).

    Danach war der Beklagten die Überbrückung des Zeitraums vom 01.03. - 31.05.2013 zumutbar. Der Geschäftsführer der Beklagten hat im Termin vor der Berufungskammer angegeben, dass je nach Person auf einer Stelle im Vertriebsaußenhandel mit einer Einarbeitungszeit von 3 bis 6 Monaten zu rechnen sei. Die Überbrückungszeit für den Kläger liegt bei 3 Monaten, also an der unteren Grenze der Zeit für die Einarbeitung eines neu eingestellten Mitarbeiters. Dieser Zeitraum ist der Beklagten nach den dargestellten Grundsätzen zumutbar.

    II.
    Daneben ist die Kündigung auch gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG wegen der unterlassenen sozialen Auswahl sozial nicht gerechtfertigt. Die Beklagte beschäftigt nach ihrem eigenen Vortrag einschließlich des Klägers 8 Außendienstmitarbeiter im Geschäftsbereich Carsystem. Wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, war die Beklagte verpflichtet, vor Kündigung eines dieser Mitarbeiter eine soziale Auswahl vorzunehmen, da die weiteren Außendienstmitarbeiter jedenfalls im Geschäftsbereich Carsystem mit dem Kläger vergleichbar sind.

    1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimmt sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden vergleichbaren Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Dies gilt nicht nur bei einer Identität der Arbeitsplätze, sondern auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit und Ausbildung eine anders-artige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht einer Vergleichbarkeit nicht entgegen. An einer Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund des zugrunde liegenden Arbeitsvertrags nicht einseitig auf den anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (arbeitsvertragliche Austauschbarkeit) (BAG, Urteil vom 05.06.2008 - 2 AZR 907/06 - [...], Rn 18).

    2. Danach hätte die Beklagte vor der Kündigung eine soziale Auswahl mit den weiteren 7 Außendienstmitarbeitern im Geschäftsbereich Carsystem vornehmen müssen.

    a) Nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen ist der Kläger mit den weiteren 7 Außendienstmitarbeitern im Geschäftsbereich Carsystem vergleichbar. Die Kollegen des Klägers führen identische Aufgaben nur für ein anderes Vertriebsgebiet durch. Einwände hiergegen sind auch von der Beklagten nicht erhoben worden.

    b) Es liegt auch die erforderliche arbeitsvertragliche Austauschbarkeit vor. Diese würde dann fehlen, wenn, wie die Beklagte meint, sie dem Kläger kein anderes Vertriebsgebiet eines der anderen Außendienstmitarbeiter im Wege der Ausübung des Direktionsrechts zuweisen könnte. Das ist indes nicht der Fall.

    Die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes richtet sich nach der Reichweite des Direktionsrechts des Arbeitgebers. § 106, S. 1 der Gewerbeordnung bestimmt insoweit, dass der Arbeitgeber unter anderem den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit dieser nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist.

    Die Vorschrift enthält grundsätzlich auch das Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer einen anderen Einsatzort zuzuweisen (zuletzt: BAG vom 28.08.2013 - 10 AZR 569/12 - [...], Rn 17).

    Einschränkungen dieses Direktionsrechts der Beklagten infolge einer schriftlichen Vereinbarung im Arbeitsvertrag finden sich nicht. Der Arbeitsvertrag enthält zum Direktionsrecht der Beklagten oder dessen Beschränkung keine Vorgaben. Anders als im Handelsvertretervertrag ist dem Kläger im Arbeitsvertrag auch kein konkretes Vertragsgebiet mit der Maßgabe zugewiesen, dass Änderungen nur einvernehmlich vorgenommen werden können. Tatsächlich enthält der Arbeitsvertrag überhaupt keine schriftliche Zuweisung eines Vertriebsgebiets.

    Einschränkungen durch mündliche Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien sind von der Beklagten nicht behauptet worden.

    Die von der Beklagten angenommene Einschränkung ihres Direktionsrechts durch eine stillschweigende Konkretisierung des Arbeitsvertrags auf das bisherige Einsatzgebiet des Klägers vermag die Kammer nicht zu erkennen.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass Arbeitspflichten sich nach längerer Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Die Nichtausübung des Direktionsrechts über einen längeren Zeitraum schafft regelmäßig aber keinen Vertrauenstatbestand, dass der Arbeitgeber von diesem vertraglich und/oder gesetzlich eingeräumten Recht keinen Gebrauch mehr machen will. Die Nichtausübung des Direktionsrechts hat keinen Erklärungswert. Nur beim Hinzutreten besonderer Umstände, aufgrund derer der Arbeitnehmer darauf vertrauen darf, dass er nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll, kann es durch konkludentes Verhalten zu einer vertraglichen Beschränkung der Ausübung des Direktionsrechts kommen (zuletzt BAG, Urteil vom 17.08.2011 - 10 AZR 202/10, [...], Rn 19).

    Danach ist vorliegend nicht von einer Konkretisierung des Arbeitsortes des Klägers auf sein bisheriges Vertriebsgebiet auszugehen.

    aa) Es ist schon äußerst fraglich, ob bei einem Vertriebsmitarbeiter, der typischerweise zunächst über einen längeren Zeitraum Kontakt zu den Kunden herstellen und sich in seinem Vertriebsgebiet bekannt machen muss und deswegen in der Regel nicht häufiger oder nach kurzer Zeit sein Aufgabengebiet wechselt, bei einem Zeitraum von 5 1/2 Jahren, in denen der Kläger in seinem Vertriebsgebiet tätig war, ein längerer Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorliegt. 5 1/2 Jahre Tätigkeit auf einem Arbeitsplatz mögen ausreichen, wenn dieser typischerweise häufig mit wechselnden Mitarbeitern besetzt ist. Das ist bei einem Außendienstmitarbeiter aus den gerade angeführten Gründen allerdings regelmäßig nicht der Fall.

    bb) Jedenfalls fehlt es aber am Hinzutreten besonderer sonstiger Umstände, aufgrund derer der Kläger darauf vertrauen durfte, dass er nicht an einem anderen Ort eingesetzt werde, als bisher.

    Der insoweit von der Beklagten für ihre Argumentation herangezogene Handelsvertretervertrag spricht eher gegen die Bildung eines entsprechenden Vertrauens. Im Handelsvertretervertrag ist dem Kläger gerade ein festes Vertragsgebiet zugewiesen, das nur einvernehmlich von den Vertragsparteien geändert werden konnte. Der Arbeitsvertrag enthält demgegenüber keine Einschränkungen in der Zuweisung anderer Vertriebsgebiete. Ein verständiger Erklärungsempfänger muss das zunächst einmal so verstehen, dass entgegen den bisherigen Vereinbarungen es nunmehr bei den gesetzlichen Regelungen, hier also beim Direktionsrecht des Arbeitgebers verbleiben soll.

    Anders als die Beklagte vorträgt, ist der Arbeitsvertrag auch ohne den vorgeschalteten Handelsvertretervertrag zu verstehen und in der Praxis lebbar. So ist es keinesfalls so - das wurde im Berufungstermin auch unstreitig gestellt - dass der Kläger im identischen Vertriebsgebiet weiter tätig war wie zuvor, so dass es keiner mündlichen Zuweisung eines Vertriebsgebietes bedurfte. Vielmehr ist das Vertriebsgebiet des Klägers erweitert worden etwa um den Großraum H. oder Bereiche T. Der Kläger war nach den Ausführungen beider Parteien unter anderem auch in E. tätig. Das belegt, dass die Beklagte das Vertriebsgebiet erweitert hat. Dass hierüber eine vertragliche Vereinbarung mit dem Kläger getroffen wurde, ist substantiiert nicht dargelegt und auch nicht erkennbar. Einer solchen Vereinbarung bedurfte es im Hinblick darauf, dass es keinen Vorbehalt hinsichtlich der Zuweisung weiterer Vertriebsgebiete im Arbeitsvertrag gibt, auch nicht.

    Ob, wie die Beklagte weiter vorträgt, ein anderweitiger Einsatz des Klägers nicht vorgesehen war, ist unerheblich. Entscheidend ist, ob dieser durch den Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist. Das ist nicht erkennbar. Das Direktionsrecht sieht dann die Möglichkeit der Versetzung kraft gesetzlicher Regelung vor. Dass der Kläger in diesem Fall seinen Wohnort hätte wechseln müssen, wenn er nicht mit erheblichem Reiseaufwand tätig sein will, liegt in seinem Risikobereich.

    Soweit die Beklagte schließlich auf den Außenauftritt ihres Vertriebs abstellt, belegt das, dass jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt ein Wechsel des Klägers in ein anderes Vertriebsgebiet nicht beabsichtigt war. Entscheidend ist aber, dass er nicht vertraglich ausgeschlossen war.

    3. Da der Kläger somit in andere Vertriebsgebiete versetzt werden kann, ist auch die arbeitsvertragliche Austauschbarkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gegeben. Danach musste die Beklagte vor der Kündigung eine soziale Auswahl vornehmen. Da sie dies unterlassen hat, spricht eine Vermutung dafür, dass die soziale Auswahl fehlerhaft war (BAG vom 31.05.2007 - 2 AZR 276/06 - [...], Rn 34). Zur Widerlegung dieser Vermutung hat die Beklagte nichts dargelegt.

    III.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

    Verkündet am 28.01.2014

    Vorschriften§ 87 Abs. 2 HGB, § 64 Abs. 2 c ArbGG, § 4 KSchG, § 1 Abs. 1 KSchG, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, § 1 Abs. 2 S.1 KSchG, § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG, § 106, S. 1 der Gewerbeordnung, § 97 Abs. 1 ZPO