05.03.2014 · IWW-Abrufnummer 141182
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 29.11.2013 – 4 Sa 710/13
1.Besagt die Zustellungsurkunde, das Schriftstück sei in den Briefkasten eingelegt worden, weil seine Übergabe an den Adressat nicht möglich gewesen sei, so muss der Adressat vollen Gegenbeweis führen, dass dieses nicht der Fall gewesen sei.
2.Die Partei muss im Rahmen ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründeten Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Der Antragsteller muss sich auf einen Sachverhalt festlegen. Er kann nicht alternativ vortragen oder den tatsächlichen Geschehensablauf offen lassen, wenn dabei die Möglichkeit der verschuldeten Versäumung offen bleibt.
3.Ein Blick in den Briefkasten gehört zu den selbstverständlichen Obliegenheiten einer Person, die nach einer tagelangen Abwesenheit in die Wohnung zurückkehrt. Jedenfalls dieses auch bis zum übernächsten Tag nach der Rückkehr nicht zu tun, ist im Sinne des § 233 ZPO als schuldhaft anzusehen.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 12.08.2013 - 1 Ca 2875/13 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache darum, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Zahlungsanspruch zusteht. Nachdem ein klagestattgebendes Versäumnisurteil im Gütetermin erlassen worden ist und der Kläger Einspruch und Wiedereinsetzungsantrag eingelegt hat, hat das Arbeitsgericht mit dem in der Berufung angefochtenen Urteil den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bezüglich der Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 03.06.2013 zurückgewiesen und die am 11.07.2013 und am 12.07.2013 eingegangen Einsprüche des Beklagten gegen das am 19.06.2013 zugestellte Versäumnisurteil vom 03.06.2013 als unzulässig verworfen.
Im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 13.08.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 04.09.2013 Berufung eingelegt und diese am selben Tag begründet. Hinsichtlich der Berufungsgründe wird auf die Berufungsbegründung(Bl. 58/59 d. A.) Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
in Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln dem Beklagten die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bezüglich der Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil vom 03.06.2013 zu gewähren;
festzustellen, dass der am 11.07.2013 vor dem Arbeitsgericht Köln und am 12.07.2013 vorher per Telefax beim Arbeitsgericht Köln eingegangene Einspruch des Beklagten vom 07.07.2013 und am 12.07.2013 gegen das am 19.06.2013 zugestellten Versäumnisurteils vom 03.06.2013 zulässig ist.
Die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Insoweit wird auf die Berufungserwiderung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
I. Das erstinstanzliche Urteil geht zunächst zu Recht davon aus, dass die Zustellung des Versäumnisurteils vom 03.06.2013 an den Beklagten am 19.06.2013 gemäß § 180 ZPO wirksam erfolgt ist. Das Arbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass dann, wenn die Zustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht ausführbar ist, das Schriftstück gemäß § 180 S. 1 ZPO in einen zu der Wohnung oder dem Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt werden kann, die der Adressat für den Postempfang eingerichtet hat und die in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet ist.
Ausweislich der Zustellungsurkunde hat der Zusteller das Versäumnisurteil in den zur Wohnung des Beklagten gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt, weil die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung bzw. im Geschäftsraum nicht möglich war.
Damit ist zugleich bewiesen, dass der Postzusteller das Versäumnisurteil nicht in den Gartenzaun gesteckt hat, sondern in den Briefkasten eingelegt hat. Denn die Zustellungsurkunde ist eine öffentliche Urkunde, die den vollen Beweis der hier bezeugten Tatsachen begründet. Besagt die Zustellungsurkunde, das Schriftstück sei in den Briefkasten eingelegt worden, weil seine Übergabe an den Adressat nicht möglich gewesen sei, so muss der Adressat vollen Gegenbeweis führen, dass dieses nicht der Fall gewesen sein (vgl. z.B. BFH 10.07.2013 - VII B 11/13; BFH 14.08.2012 - VII B 108/12). Dieses folgt aus § 182 Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. § 418 ZPO. Der Gegenbeweis kann gemäß § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden.
Der Beklagte hat weder in der ersten Instanz noch in der zweiten Instanz Gegenbeweis angetreten. Das Schreiben des Beklagten persönlich vom 07.07.2013 (Bl. 18 d. A.) enthält insoweit nichts. Auch die Einspruchsschrift des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 12.07.2013 enthält insoweit keinen Gegenbeweisantritt. In diesem Schriftsatz wird ausgeführt, der Beklagte sei vom 17.06.2013 bis zum 22.06.2013 von seinem Wohnort abwesend gewesen. Weiter heißt es:
"Während der Abwesenheit ist ein LKW leicht in das Wohnhaus des Beklagten eingefahren und hat den Briefkasten abgerissen. Die Lebensgefährtin des Beklagten, die Zeugin A , stellte am 22.06.2013 fest, dass die Post auf der Straße und im Garten verteilt war, da der Briefkasten abgefahren war und der Postbote die Post ungeschützt zwischen den Gartenzaun gesteckt hatte."
Dass die Sendung mit dem Versäumnisurteil sich nicht in dem Briefkasten befunden habe, wird nicht, nicht einmal allgemein und nicht einmal für den 22.06.2013 behauptet. Insbesondere wird nicht behauptet, dass die Zeugin A in irgendeiner Weise bemerkt habe, dass am 19.06.2013 der Postbote die Sendung nicht in den Briefkasten geworfen habe.
Schließlich findet sich ein entsprechender Beweisantritt auch nicht in der Berufungsbegründung des Beklagten. Es wird auch hier nicht einmal allgemein behauptet, dass sich die Sendung nicht in dem Briefkasten befunden habe. Es wird nur behauptet, dass der Beklagte davon ausgegangen sei, dass ein Versäumnisurteil ihm persönlich zugestellt werde und er nicht davon ausgegangen sei, dass eine Zustellung in den Briefkasten erfolgen könne.
Es steht damit aufgrund des Beweiswertes der Zustellungsurkunde fest, dass am 19.06.2013 die Sendung in den Briefkasten eingeworfen wurde. Das Versäumnisurteil gilt daher gemäß § 180 S. 2 ZPO als zu diesem Zeitpunkt zugestellt.
II. Dem Kläger war auch Wiedereinsetzung nicht zu gewähren.
Die Partei muss im Rahmen ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht. Der Antragsteller muss sich auf einen Sachverhalt festlegen. Er kann nicht alternativ vortragen oder den tatsächlichen Geschehensablauf offen lassen, wenn dabei die Möglichkeit der verschuldeten Versäumung offen bleibt (vgl. z. B. BGH 03.07.2008 - IX ZB 169/07).
Die Wiedereinsetzungsfrist beträgt gemäß § 234 Abs. 1 S. 1 ZPO in Fällen wie dem vorliegenden zwei Wochen. Die Frist beginnt nach§ 234 Abs. 1 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
Das Urteil ist am 19.06.2013 zugestellt worden. Der Schriftsatz vom 12.07.2013 ging am selben Tage zu.
1. Selbst wenn man unterstellt, dass der Beklagte innerhalb der von diesem Tag zurückzurechnenden Fist von zwei Wochen noch keine Kenntnis von dem Versäumnisurteil hatte, so sind die in dem Schriftsatz vom 12.07.2013 angegebenen Gründe keine aus sich heraus verständliche geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergäbe, dass der Beklagte innerhalb der einwöchigen Einspruchsfrist, die bis zum 26.06.2013 lief, schuldlos nicht in der Lage gewesen wäre, von dem Versäumnisurteil Kenntnis zu nehmen:
Der Beklagte teilt zunächst mit, dass er bis zum 22.06.2013 von seinem Wohnort abwesend gewesen sei. Mithin ist dementsprechend davon auszugehen, dass er spätestens am 23.06.2013 zurückkehrte.
Sodann wird mitgeteilt, dass in seiner Abwesenheit ein LKW leicht das Wohnhaus angefahren und den Briefkasten abgerissen habe und die Lebensgef ährtin am 22.06.2013 festgestellt habe, dass die Post auf der Straße und im Garten verteilt gewesen sei, da der Briefkasten abgefahren gewesen sei und der Postbote die Post ungeschützt zwischen den Gartenzaun gesteckt gehabt habe.
Es fehlt jedoch irgendein Vorbringen dazu, dass und wann der Beklagte kontrolliert habe, welche Post sich - aus der Zeit vor dem Unfall - noch in den Briefkasten befand. Es wird auch nicht - nicht einmal in pauschaler Form - behauptet, dass der Briefkasten zerstört gewesen sei und dass die Post aus diesen hätte herausgefallen wäre. Aus der Feststellung, dass am 22.06.2013 Post auf der Straße und im Garten verteilt gewesen sei, ergibt sich nicht schlüssig (in geschlossener Schilderung), dass Post, die am 19.06.2013 in den Briefkasten eingeworfen war, sich auf der Straße befand. Vielmehr wird insoweit darauf verwiesen, dass der Postbote die Post ungeschützt zwischen den Gartenzaun gesteckt gehabt habe.
Soweit in der Einspruchsschrift im Weiteren mitgeteilt wird, der Beklagte habe das Versäumnisurteil zu keinem Zeitpunkt "auf postalischem Weg" erhalten, da, wovon auszugehen sei, die Sendung verloren gegangen sei durch den Verlust der Post aufgrund des Unfalles, so wird diese im Übrigen völlig pauschale und nicht substantiierte Behauptung nicht glaubhaft gemacht. Die Behauptung ist auch ohnhin unschlüssig, als auch hieraus sich nicht ergibt, dass der Beklagte in den Briefkasten geschaut habe.
Es ist daher nach diesen Schilderungen des Beklagten nicht ausgeschlossen, dass das Versäumnisurteil sich noch im Briefkasten befand und dass der Beklage nach seiner Rückkehr, spätestens am 23.06.2013, durch einen Blick in seinen Briefkasten davon hätte Kenntnis nehmen und die Einspruchsfrist hätte wahren können.
Ein Blick in den Briefkasten aber gehört zu den selbstverständlichen Obliegenheiten einer Person, die nach einer tagelangen Abwesenheit in die Wohnung zurückkehrt. Jedenfalls dieses auch bis zum übernächsten Tag nach der Rückkehr nicht zu tun, ist im Sinne des § 233 ZPO als schuldhaft anzusehen.
Unabhängig davon kann aus den gleichen Gründen nicht festgestellt werden, dass die Wiedereinsetzungsfrist später als am 23.06.2013 begonnen hätte, sodass auch ihre Einhaltung mit dem am 12.07.2013 eingegangenen Antrag nicht festgestellt werden kann.
2. In der Berufungsbegründung will der Kläger sich offenbar noch auf einen davon unabhängigen Entschuldigungsgrund berufen, wenn es dort heißt:
"Der Berufungskläger ist selbstständiger Gartenbauer und juristisch nicht vorgebildet.
Insofern konnte er gar nicht auf die Idee kommen, beim Arbeitsgericht anzurufen und sich nach dem Versäumnisurteil zu erkundigen, da er davon ausging, dass etwas persönlich zugestellt wird.
Er ging nicht davon aus, dass eine Zustellung in den Briefkasten erfolgen könnte."
Abgesehen davon, dass die durch nichts begründete Vorstellung nicht entschuldigend ist, "dass etwas persönlich zugestellt wird" (wobei offenbar gemeint ist die Vorstellung, dass Gerichtsurteile durch Übergabe an den Adressaten persönlich zugestellt würden), ist dieser Vortrag verspätet.
Die Begründung des Wiedereinsetzungsantrages muss nämlich innerhalb der Frist des § 234 ZPO erfolgen. Ein Nachschieben neuer Gründe ist nicht möglich (vgl. statt vieler Zöller/Greger § 236 ZPO Rn. 6a mit Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Dieser in der Berufungsbegründung genannte Grund ist völlig neu. Es handelt sich nicht lediglich um eine Klarstellung oder Ergänzung zu bereits innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist gebrachten Gründen.
Unabhängig von allem aber fehlt es schließlich an jeglicher Glaubhaftmachung dieser behaupteten Vorstellung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf§ 72a ArbGG verwiesen.