06.03.2019 · IWW-Abrufnummer 207559
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 03.12.2018 – 3 Sa 253/18
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13.06.2018, Az.: 12 Ca 3598/17 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten im weiterhin zwischen den Parteien fortbestehenden Arbeitsverhältnis noch Ansprüche auf restliche Vergütung nach dem zwischen den Parteien nur modifiziert anwendbaren Entgelttarifvertrag für die Chemische Industrie verlangen kann. Des Weiteren macht der Kläger pauschalen Verzugsschadensersatz geltend.
Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und Hersteller von Verpackungen für Lebensmittel sowie von Folien.
Am 05.02.2014 haben sich die Tarifvertragsparteien Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und die IG BCE auf eine Erhöhung der Tarifentgelte um 3,7 % geeinigt. Die Tariflohnerhöhung für den Tarifbezirk Rheinland-Pfalz soll rückwirkend zum 01.02.2014 erfolgen. Am 10.06.2014 haben der Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. und der D. einerseits und die IG BCE sowie die IG BCE, Landesbezirk Rheinland-Pfalz/Saarland einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag (FVTV) für die Beklagte vereinbart. Gemäß § 6 FVTV gilt dieser rückwirkend ab dem 15.12.2013. Der FVTV enthält u. a. folgende Regelung:
Am gleichen Tag haben die Beklagte und die IG BCE zur weiteren Ergänzung einen Überleitungstarifvertrag (Ü-TV) mit Wirkung vom 15.12.2013 vereinbart. Dieser Ü-TV enthält u. a. folgende Regelung:
Der Kläger wurde mit Wirkung zum 01.06.2014 zunächst in die Entgeltgruppe E 06 eingruppiert und nach dem BETV i. V. m. den sich aus dem FVTV und dem Ü-TV ergebenden Modifikationen bezahlt. Nachdem sich sein tarifliches Gesamtentgelt im Mai 2014 auf 3.370,00 € belief, betrug es ab Juni 2014 nur noch 3.220,00 €, zusammengesetzt aus seinem Tarifentgelt von 2.868,00 € und einer Besitzstandszulage in Höhe von 352,00 €. In den Folgemonaten hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis auf der Basis der zuvor genannten Entgeltgruppe mit den Modifikationen durch den firmenbezogenen Verbands- und Überleitungstarifvertrag unter Berücksichtigung der weiteren Abschmelzung der Besitzstandszulage einerseits und der Tariflohnerhöhungen andererseits abgerechnet und bezahlt.
Durch Urteil vom 29.03.2017 hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz - 7 Sa 325/16 - rechtskräftig festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach der Entgeltgruppe E 08 - Endstufe - des firmenbezogenen Verbandstarifvertrages i. V. m. dem Überleitungstarifvertrag sowie der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie und die Überleitung auf die neue Entgeltstruktur zu vergüten. Daraufhin hat die Beklagte den Kläger rückwirkend ab dem 01.06.2014 in die Entgeltgruppe E 08 - Endstufe - eingruppiert. Mit der Gehaltsabrechnung Mai 2017 hat die Beklagte daraufhin unter anderem für den Zeitraum von Juni 2014 bis Dezember 2016 einen Differenzbetrag in Höhe von 4.601,00 € unter der Bezeichnung "Sonderzahlung Diff. Eingruppier" abgerechnet und zudem die sich aus den Nachberechnungen ab Januar 2017 bis einschließlich April 2017 ergebenden Nettobeträge an den Kläger ausgezahlt.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Zahlung weiterer Differenzbeträge geltend.
Der Kläger hat vorgetragen,
die durchgeführte Nachberechnung seines Arbeitsentgelts sei durchgehend fehlerhaft erfolgt. So habe die Beklagte für den Zeitraum ab Juni 2014 immer nur ein im Vergleich zum Tarifentgelt um 9 % abgesenktes Grundentgelt in die Berechnung einbezogen, was dem Wortlaut des § 4 Abs. 1, 3 des FVTV i. V. m. § 2 Abs. 3 Ü-TV zuwiderlaufe. Denn nach Maßgabe dieser Regelung habe eine Absenkung des tariflichen Grundentgelts um 9 % dadurch erfolgen sollen, dass tarifliche Entgelterhöhungen solange nicht berücksichtigt werden sollte, bis dadurch insgesamt eine Absenkung des Grundtarifniveaus um 9 % erreicht sei. Nach diesen tarifvertraglichen Regelungen habe das bis Mai 2014 geltende tarifliche Grundentgelt nicht abgesenkt werden sollen, sondern sei vielmehr lediglich solange von Tariflohnerhöhungen ausgeschlossen, bis durch diese Verrechnung mit den jeweiligen Tariflohnerhöhungen das aktuelle Tarifniveau um 9 % abgesenkt sei. Nur bei diesem Verständnis mache es Sinn, dass die Tarifvertragsparteien ausdrücklich in § 2 Abs. 3 Ü-TV vereinbart hätten, dass die bereits seit dem 01.02.2014 grundsätzlich umzusetzende Tarifsteigerung um 3,7 % angerechnet werden solle und dass danach aus zukünftigen Tarifsteigerungen nur noch maximal 5,3 % nicht zur Anwendung kommen sollten.
Folglich habe die Beklagte für Juni 2014 statt 3.337,00 € lediglich ein um 150,00 € vermindertes Entgelt in Höhe von 3.220,00 € gezahlt, was für diesen Monat unter Berücksichtigung des sich aus dem höheren Tarifentgelt zu berechnenden Nachtarbeits-, Schicht-, Sonntagszuschlags usw. insgesamt eine Entgeltnachforderung in Höhe von 211,70 € ergebe. Der Kläger verweist insoweit im Übrigen für die einzelnen Folgemonate auf die in der Klageschrift tabellarisch dargestellten Restentgeltforderungen für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ab Juni 2014 unter Berücksichtigung der monatlich angefallenen Zinsen und erfolgten Nachzahlungen, die er zunächst auf die Zinsen und sodann auf die Hauptforderungen, beginnend mit der ältesten, angerechnet hat, mit der Folge, dass sich die aktuellen Restentgeltforderungen seinen Berechnungen aus Differenzbeträgen ab November 2015 ergeben; insoweit wird zur weiteren Darstellung auf Seite 4, 5 der Klageschrift vom 04.12.2017 (= Bl. 4, 5 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
Die Beklagte hat beantragt,
Die Beklagte hat vorgetragen,
dem Kläger stehe kein weiterer Anspruch auf Entgeltzahlung zu. Die Neuberechnung sei korrekt erfolgt und zudem habe der Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Die vorgenommene Berechnung sei unzutreffend und nicht nachvollziehbar. Zum Ausgleich des Effekts der Abschmelzung der variablen Zulagen seien vielmehr weiterhin monatlich ab Juni 2014 pauschal 16,50 € und ab April 2015 bis März 2016 pauschal 37,50 € gezahlt worden. Die Absenkung des Tarifniveaus um 9 % habe sofort erfolgen sollen; dies folge aus § 4 Abs. 1 VTV. Wäre demgegenüber, wie vom Kläger unzutreffend angenommen, eine stufenweise Absenkung des Tarifgehalts gewollt gewesen, so hätten die Tarifvertragsparteien dies in dem firmenbezogenen Verbandstarifvertrag eindeutig vereinbart. Auch der abgeschlossene Überleitungstarifvertrag enthalte keine dem Verständnis des Klägers entsprechende Regelung, sondern sehe für die betroffenen Arbeitnehmer demgegenüber die Bildung einer nicht tarifdynamisierten Besitzstandszulage vor, die sich aus dem Abschmelzungsbetrag I und dem Abschmelzungsbetrag II ergebe. § 2 Ü-TV, auf den sich der Kläger beziehe, regele demgegenüber lediglich die Bildung, Zusammensetzung und Abschmelzung dieser Besitzstandszulage.
Im Übrigen seien vorliegend die tarifvertraglichen Ausschlussfristen im Manteltarifvertrag vom Kläger weder mit seinen der Klage vorhergehenden Schreiben, noch mit seinen früheren Klagen eingehalten worden. Denn dort sei es stets um die Vergütung des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrags für die Chemische Industrie gegangen und nicht um die nach dem firmenbezogenen Verbandstarifvertrag i. V. m. dem Überleitungstarifvertrag sowie der Betriebsvereinbarung über eine Eingruppierungsrichtlinie maßgebliche Bezahlung.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 13.06.2018 - 12 Ca 3598/17 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Blatt 219 bis 231 d. A. Bezug genommen.
Gegen das ihm am 28.06.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 4.07.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 28.08.2018 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, nach zutreffender Anwendung der neuen tarifvertraglichen Regelungen habe er gegen die Beklagte unter anderem einen Anspruch auf ungekürzte Zahlung des Grundentgelts gehabt, wie es zuletzt bis einschließlich Mai 2014 gezahlt worden sei. Einen Anspruch auf vereinbarte tarifliche Erhöhungen des Grundentgelts habe er dagegen erst ab dem Zeitpunkt gehabt, in dem durch die Verrechnung der ersten tariflichen Entgeltsteigerung 3,7 % und nachfolgender tariflicher Steigerungen von maximal 5,3 % die vereinbarte Absenkung des Tarifniveaus um 9 % erreicht gewesen sei.
Des Weiteren habe der Kläger gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Verzugsschadensersatz, u. a. auf die Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren betrifft die Berufungsbegründungsschrift vom 28.08.2018 (Bl. 250 - 252 d. A.) sowie sein Schriftsatz vom 19.11.2018 (Bl. 290, 291 d. A.) Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte beantragt,
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, Hintergrund der vorliegenden firmenspezifischen tariflichen Lösung sei die wirtschaftliche Notwendigkeit gewesen, das Tarifentgelt abzusenken. Dabei räume der BETV den Tarifvertragsparteien grundsätzlich die Möglichkeit ein, das Tarifentgelt unter bestimmten Voraussetzungen um bis zu 10 % abzusenken (§ 10 BETV). In einem ersten Schritt würden Arbeitnehmer, die zu hoch im Sinne des BETV eingruppiert gewesen seien, nach den Regelungen des BETV und der Betriebsvereinbarung umgruppiert. In einem zweiten Schritt folge die Absenkung des Tarifentgelts um 9 %. Nachdem die Eingruppierung des Klägers nunmehr unstreitig sei, bestehe noch hinsichtlich der Höhe der Absenkung der Nachberechnung Streit.
Vorliegend bestünden bereits Bedenken, ob die Berufung des Klägers mit der Berufungsschrift überhaupt ausreichend begründet worden sei, weil eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil nicht erfolge.
Im Übrigen bestehe kein Anspruch des Klägers auf weitere Zahlung gegenüber der Beklagten. Insoweit sei das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass ein um 9 % abgesenktes Tarifentgelt maßgeblich sei. Dies folge aus der zutreffenden Auslegung des § 4 FVTV und des § 2 Ü-TV. Die Absenkung des Tarifs nach dem FVTV um 9 % werde durch § 2 Ü-TV weder revidiert noch vorübergehend ausgesetzt. Genau das ergebe sich gerade aus der Präambel des Ü-TV. Zudem seien die Berechnungen des Klägers aufgrund einer anfänglich falschen Ausgangslage bzw. aufgrund anfänglicher und somit fortgesetzter und durchgehender Rechenfehler insgesamt unschlüssig.
Ein Anspruch auf Verzugspauschale bestehe schließlich nicht; dem stehe § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 28.09.2018 (Bl. 273 - 281 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 282 - 289 d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 03.12.2018.
Entscheidungsgründe
I.
Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
Die Kammer teilt insoweit die Bedenken der Beklagten hinsichtlich der hinreichenden Begründung der Berufung mit der Berufungsschrift ausdrücklich nicht. Zwar muss eine Berufungsbegründung gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Die Berufungsbegründung muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Der Berufungskläger hat die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält. Insoweit wird zwar eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung nicht verlangt; es reicht für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung aber nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 19.07.2016 - 2 AZR 637/15 - NZA 2017, 116; 15.11.2016 - 9 AZR 125/16 - NZA 2017, 140).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gerade noch erfüllt.
Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Parteien im erstinstanzlichen Rechtszug die möglichen Auslegungsvarianten hinsichtlich der streitgegenständlichen Tarifnorm umfassend aufgezeigt haben, mit der Maßgabe, dass das Arbeitsgericht sich in der angefochtenen Entscheidung für eine dieser Auslegungsmöglichkeiten als näherliegend entschieden hat. Vor diesem Hintergrund kann dem Kläger vernünftigerweise nicht verwehrt werden, deutlich zu machen, dass er unbeschadet der Ausführungen des Arbeitsgerichts an der von ihm im erstinstanzlichen Rechtszug näher begründeten Auslegung mit den von ihm angeführten Argumenten festhält. Damit wird hinreichend deutlich, inwieweit und warum das erstinstanzliche Gericht aus seiner Sicht die Rechtslage falsch beurteilt hat.
Hinsichtlich der Verzugskostenpauschale enthält die Berufungsbegründung des Klägers vom 28.08.2018 (S. 3 = Bl. 265 d. A.) im Übrigen eine nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung.
II.
Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Denn das Arbeitsgericht ist sowohl im Ergebnis als in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage des Klägers vollumfänglich unbegründet ist.
Denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Nachzahlung weiterer Vergütung ab dem 01.06.2014 nach der Entgeltgruppe E 08 - Endstufe - des jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrags für die Chemische Industrie i. V. m. der für das Land Rheinland-Pfalz geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag mit den sich aus den firmenbezogenen Verbandstarifvertrag i. V. m. dem Überleitungstarifvertrag ergebenden Modifikationen.
Mit dem Arbeitsgericht ist nämlich davon auszugehen, dass die Klage für die einzelnen Monate bereits deshalb unschlüssig ist, weil der Kläger unzutreffend bei seinen Nachberechnungen ab Juni 2014 nicht von einem um 9 % abgesenkten Tarifentgelt, sondern von dem bisherigen bis Mai 2014 tatsächlich bezogenen Tarifentgelt ausgegangen ist. Er hat dies zwar damit begründet, dass die tarifvertraglich vorgesehene Absenkung um 9 % des Tarifentgelts stufenweise allein durch Verrechnung mit bereits erfolgten und zukünftigen Tariflohnerhöhungen habe erfolgen sollen. Dieser Berechnungsansatz ist aber, worauf das Arbeitsgericht zutreffend hingewiesen hat, nach Maßgabe der Auslegung der einschlägigen tarifvertraglichen Normen unzutreffend.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages erfolgt nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (BAG 14.07.2015 NZA 2015, 1152). Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (BAG 14.07.2015 a. a. O.; 11.12.2014 NZA-RR 2015, 141). Bleiben nach der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden (BAG 17.06.2015 EZA § 4 TVG Überwachungsgewerbe Nr. 6; 02.11.2016 BB 2017, 371). Lässt sich ein eindeutiges Auslegungsergebnis auch anhand der danach anerkannten Auslegungsgesichtspunkte (Wortlaut - BAG 13.11.2013 - NZA-RR 2014, 392; Sinn und Zweck der Regelung unter Berücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs - BAG 11.12.2014 - NZA-RR 2015, 141), der Praktikabilität der einen oder anderen Auslegung, der Entstehungsgeschichte und des dabei zum Ausdruck gekommenen Willens der Tarifvertragsparteien nicht gewinnen, so gebietet es der Gesichtspunkt der Normenklarheit, letztlich der Auslegung den Vorzug zu geben, die bei einem unbefangenen Durchlesen der Regelung, d. h. ohne Rückgriff auf die anerkannten Auslegungsmethoden und Auslegungsgesichtspunkte, als näherliegend erscheint und folglich von den Normadressaten typischerweise als maßgeblich empfunden wird (BAG 22.04.2010 NZA 2011, 1293; 24.05.2012 NZA-RR 2013, 81; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Auflage 2018, Kapitel 1 Rdnr. 301 ff.).
In Anwendung dieser Grundsätze ist das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Wortlaut von FVTV und Ü-TV sowie deren systematische Auslegung gegen die Auslegung sprechen, von der der Kläger ausgeht. Das Arbeitsgericht hat insoweit zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Diesen zutreffenden Ausführungen folgt die Kammer vollinhaltlich, nimmt darauf ausdrücklich Bezug und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest.
Hinsichtlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis und die von der Beklagten dem Kläger gegenüber geschuldete Vergütung hat das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung folgendes ausführt:
Auch diesen Ausführungen folgt die Kammer vollinhaltlich und stellt dies hiermit gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest.
Des Weiteren hat der Kläger auch keinen Anspruch auf die Verzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB. Denn dies folgt inzwischen unabhängig von der ausführlichen Begründung durch das Arbeitsgericht, die keiner weiteren Erörterung mehr bedarf, aus dem Urteil des BAG vom 25.09.2018 - 8 AZR 26/18 -; danach findet § 288 Abs. 5 BGB zwar grundsätzlich auch bei den Fällen Anwendung, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Entgelt in Verzug befindet. Allerdings schließt § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Betreibungskosten, sondern auch einen entsprechenden materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus.
Auch das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Denn es enthält keinerlei neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachenbehauptungen, die zu einem anderen Ergebnis führen könnten; gleiches gilt für etwaige Rechtsbehauptungen. Es macht vielmehr lediglich - wenn auch aus der Sicht des Klägers heraus verständlich-deutlich, dass der Kläger mit der tatsächlichen und rechtlichen Würdigung des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien durch das Arbeitsgericht, der die Kammer vollinhaltlich folgt, nicht einverstanden ist. Der Kläger hat insoweit lediglich darauf hingewiesen, dass er die Auslegung der maßgeblichen tariflichen Norm durch das Arbeitsgericht für unzutreffend hält und auf sein erstinstanzliches Vorbringen verwiesen; er hat dies im Schriftsatz vom 19.11.2018 abschließend nochmals verdeutlicht. Da das Arbeitsgericht sich mit den insoweit vom Kläger angeführten Argumenten bereits ausführlich und überzeugend gegenteilig auseinandergesetzt hat, und die Kammer diese Begründung für zutreffend hält, sind weitere Ausführungen nicht veranlasst.
Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.
Verkündet am 03.12.2018