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  • 17.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234295

    Landesarbeitsgericht Nürnberg: Beschluss vom 20.02.2023 – 2 Ta 10/23


    Tenor:
    1. Auf die Beschwerde des Klägervertreters und von Amts wegen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 06.12.2022 (Az. 2 Ca 556/22) in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 16.01.2023 abgeändert.


    2. Der Gegenstandswert wird für das Verfahren auf 18.102,11 € und für den Vergleich auf 17.161,05 € festgesetzt.


    3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.



    Gründe



    A.



    Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 08.12.2020 im eigenen Namen Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts vom 06.12.2022 (Bl. 78 d.A.) eingelegt. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:



    In der Klage vom 06.09.2022 hat der Kläger folgende Klageanträge gestellt:



    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 8.656,67 brutto abzüglich € 4.340,35 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 8.656,67 seit 01.08.2022 bis 06.09.2022 und aus € 4.316,32 seit 07.09.2022 zu bezahlen.



    2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 503,53 netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 29.07.2022 zu bezahlen.



    3. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis, das sich auf Art, Dauer, Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt, zu erteilen.



    4. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die elektronische Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2022 herauszugeben.



    5. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung für das Jahr 2022 herauszugeben.



    6. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger € 1.781,27 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01.03.2022 zu bezahlen.



    Der Kläger hat in der Klageschrift angegeben, dass er ein Bruttomonatsgehalt iHv 9.000 € bezogen und ihm ein Dienstwagen zur Privatnutzung zur Verfügung gestellt worden sei, wobei er den geldwerten Vorteil später mit 584,17 € beziffert hat.



    Mit Schriftsatz vom 18.10.2022 hat der Kläger die Klage hinsichtlich der Anträge zu 1, 3, 4 und 5 wegen zwischenzeitlicher Erfüllung für erledigt erklärt. Den bisherigen Klageantrag zu 2. hat er als Klageantrag zu 1., den bisherigen Klageantrag zu 6 als Klageantrag zu 3 aufrechterhalten, als Klageantrag zu 2. hat er einen im Einzelnen ausformulierten Zeugnisberichtigungsantrag gestellt. (vgl. Bl. 40 - 42 d.A.).



    Mit Beschluss vom 06.12.2022 hat das Gericht das Zustandekommen eines Vergleiches mit folgendem Inhalt festgestellt (vgl. Bl. 74 ff d.A.):



    1. Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Abgeltung der streitgegenständlichen Klageforderung 502,53 € netto.



    2. Die Beklagte erteilt dem Kläger Zug um Zug gegen Rückgabe des unter dem Datum des 28.07.2022 erteilten Arbeitszeugnisses im Original auf dem Briefkopf der Beklagten mit den Unterschriften der beiden Geschäftsführer G... W... und F... W... ein Arbeitszeugnis nach dem als Anlage 1 anliegenden Zeugnisentwurf und übersendet dieses zu Händen der Prozessbevollmächtigten des Klägers.



    3. Der Kläger bestätigt nochmals, sämtliche Gegenstände, Unterlagen und Daten, die im Eigentum der Beklagten stehen oder dem Kläger im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis überlassen wurden, an die Beklagte bereits herausgegeben zu haben und dass sich solche weder in seinem Besitz befinden noch an Dritte weitergegeben wurden.



    4. Der Kläger ist auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, die Pflichten nach dem Geschäftsgeheimnisschutzgesetz einzuhalten.



    5. Die Parteien sind sich einig, dass über die hier geregelten Ansprüche hinaus weitere Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht mehr gegeneinander bestehen. Insbesondere bestehen keine weiteren Vergütungsansprüche des Klägers für den Monat Juli 2022 und keine Schadensersatzansprüche des Klägers im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion des Klägers im Februar 2022.



    6. Damit ist der Rechtsstreit erledigt.



    Mit Beschluss vom 06.12.2022 (Bl. 78 d.A.) hat das Arbeitsgericht den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren und für den Vergleich auf 15.781,12 € festgesetzt. Dabei hat es für die Zeugnisanträge einheitlich 9.000,00 € und für die ursprünglichen Anträge über Herausgabe der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung und Meldebescheinigung jeweils 90,00 € angesetzt.



    Mit Schriftsatz vom 08.12.2022 hat der Klägervertreter im eigenen Namen Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss eingelegt und beantragt, den Gegenstandswert für das Verfahren auf 27.686,27 € und für den Vergleich auf insgesamt 46.854,62 € festzusetzen. Wegen der Beschwerdebegründung wird auf die Schriftsätze des Klägervertreters vom 08.12.2022 (Blatt 82 ff der Akten) und vom 09.01.2023 (Blatt 95 ff der Akten) Bezug genommen.



    Die Beklagte hielt einen Gegenstandswert von 16.275,29 € für angemessen. Ein überschießender Vergleichswert sei nicht festzusetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 29.12.2022 Bezug genommen (Blatt 91 ff der Akten).



    Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 16.01.2023 teilweise abgeholfen und den Gegenstandswert auf 17.143,50 € festgesetzt und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. Der Beschwerde sei teilweise abzuhelfen gewesen, als das Gericht für die ursprünglichen Klageanträge auf Erteilung der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung und der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung jeweils einen Betrag i.H.v. 90,- € angesetzt habe. Dies habe auf einem Rechenfehler beruht. Das Gericht habe insoweit einen Betrag in Höhe von jeweils 10 % eines Bruttomonatslohns ansetzen wollen. Dieser sei unter Berücksichtigung des dem Kläger zu Privatzwecken zur Verfügung gestellten Dienstwagens mit 9.584,17 € anzunehmen. Dementsprechend seien auch die Anträge auf Erteilung des Zeugnisses/des berichtigten Zeugnisses zu bewerten. Hierbei sei der ursprüngliche Zeugnisantrag und der später gestellte Zeugnisberichtigungsantrag mit insgesamt einem Bruttomonatsgehalt anzusetzen. Ein überschießender Vergleichswert sei nicht festzusetzen. Hinsichtlich der Vereinbarungen in Ziffer 3 und 4 des Vergleichs handele es sich lediglich um klarstellende Regelungen ohne werterhöhenden Charakter. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nichtabhilfebeschluss vom 16.01.2023 (Bl. 100 ff. der Akten) verwiesen.



    Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten mit Schreiben vom 18.01.2023 (Blatt 105 der Akten) und 25.01.2023 (Blatt 106 der Akten) Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss.



    Mit Schriftsatz vom 20.01.2023 macht der Klägervertreter zunächst geltend, dass für die Klageanträge zu 4 und 5 jeweils ein Betrag von 958,41 nach den Ausführungen des Arbeitsgerichts zugrundezulegen sei. Dass dies nur einmal geschehen sei, sei ein offensichtlicher Rechenfehler. Der Klägervertreter hält weiter daran fest, dass sowohl für den ursprünglichen Zeugniserteilungsantrag als auch für den später gestellten Zeugnisberichtigungsantrag jeweils ein Monatsgehalt in Höhe von 9.584,17 € anzusetzen sei. Beide seien unterschiedliche Streitgegenstände mit unterschiedlichen Anträgen und völlig unterschiedlichen Lebenssachverhalten. Bezüglich der weiteren Streitpunkte zum von der Beklagten behaupteten Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie dem Umfang der nachvertraglichen Verschwiegenheitspflicht lägen eigene Streitpunkte vor, die mit dem Vergleich geregelt worden seien. Unerheblich sei, ob sich das Nachgeben gerade auf den ursprünglichen Streitgegenstand oder auch auf andere Gegenstände beziehe, solange nur ein gegenseitiges Nachgeben vorliege. Als Vergleichsmehrwert sei für die Ziffern 3. und 4. des Vergleichs ein Betrag in Höhe von jeweils einem Bruttomonatsgehalt festzusetzen, so dass der Vergleichsmehrwert insgesamt 19.186,34 € betrage. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 01.09.2022 (Anlage K8 und Anlage 1 der Beschwerdeschrift, Blatt 85 der Akten) die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bezüglich der erfolgten vollständigen Herausgabe von Gegenständen verlangt, was von Seiten des Klägers zurückgewiesen worden sei. Mit Schreiben vom 09.11.2022 (Anlage 2 zur Beschwerde, Blatt 87 der Akten) habe die Beklagte im Entwurf des Vergleichstextes eine umfassende nachvertragliche Verschwiegenheitspflicht des Klägers gefordert. Dies habe der Kläger zurückgewiesen. Man habe sich auf die Einhaltung des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes geeinigt.



    Die Beklagte schließt sich der Streitwertfestsetzung im Nichtabhilfebeschluss an und hält unter Berücksichtigung des offensichtlich aufgetretenen Rechenfehlers eine Festsetzung des Verfahrensstreitwerts auf 18.102,11 € für richtig. Die Geltendmachung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses und die Durchsetzung von Zeugnisberichtigungsansprüchen stellten ein und dieselbe Angelegenheit dar. Ein zusätzlicher eigenständiger Anspruch auf Berichtigung des Arbeitszeugnisses existiere daneben nicht. Ein Vergleichsmehrwert sei nicht festzusetzen. Der Kläger habe im Verfahren behauptet, bereits vorprozessual alle Informationen und Unterlagen der Beklagten herausgegeben zu haben bzw. Datenträger gelöscht zu haben und insoweit entsprechende Erklärungen abgegeben zu haben. Im Gütetermin vom 21.10 2022 habe der Kläger erklärt, keine Daten der Beklagten mehr zu haben. Entsprechendes sei dann lediglich deklaratorisch im Vergleich festgehalten und lediglich nochmals bestätigt worden. Gleiches gelte hinsichtlich Ziff. 4 des Vergleichs. Es sei lediglich deklaratorisch die Geltung des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes festgehalten worden.



    Mit Schriftsatz vom 15.02.2023 hält der Klägervertreter unter weiterer Vertiefung an seiner Argumentation fest. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 119 ff. der Akten Bezug genommen.



    B.



    I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.



    II. Die Beschwerde ist hinsichtlich des Gegenstandswert für das Verfahren nur zu einem geringen Teil begründet. Der Gegenstandswert für den Vergleich war von Amts wegen herabzusetzen.



    Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.



    1. Der Gegenstandswert für das Verfahren war auf 18.102,11 € festzusetzen.



    a. Die Klageanträge zu 1, 2 und 6 vom 06.09.2022 waren in Höhe der eingeklagten Zahlbeträge zu bewerten. Dass der Antrag zu 1 im Laufe des Verfahrens durch Zahlung erfüllt wurde und der Kläger den Antrag daher für erledigt erklärte, spielt für den Verfahrenswert keine Rolle (§ 40 GKG).



    b. Die Klageanträge zu 4 und 5 vom 06.09.2020 (Lohnsteuerbescheinigung und Meldebescheinigung zur Sozialversicherung) waren jeweils mit 10 % des Monatsgehalts 9.584,17 € des Klägers, also mit jeweils 958,41 € zu bewerten (vgl. auch I.7.1 Streitwertkatalog 2018). Das Arbeitsgericht hat hier entgegen seiner eigenen Begründung offensichtlich versehentlich nur einmal 958,41 € festgesetzt. Insoweit war die Festsetzung des Gegenstandswerts zu korrigieren. Dass die Anträge zu 4 und 5 im Laufe des Verfahrens erfüllt wurden und der Kläger die Anträge daher für erledigt erklärte, spielt für den Verfahrenswert keine Rolle (§ 40 GKG).



    c. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag zu 3 aus dem Schriftsatz vom 06.09.2022 (Zeugniserteilung) und den nach dessen Erfüllung gestellten Antrag zu 2 aus dem Schriftsatz vom 18.10.2022 (Zeugnisberichtigung) mit insgesamt einem Monatsgehalt bewertet.



    aa. In I Nr. 29.2 des aktuellen Streitwertkatalogs ist für die Erteilung oder Berichtigung eines qualifizierten Zeugnisses die Festsetzung eines Streitwerts von einem Monatsgehalt empfohlen und zwar "unabhängig von Art und Inhalt eines Berichtigungsverlangens, auch bei kurzem Arbeitsverhältnis". Streitgegenstand des Zeugnisberichtigungsanspruchs ist ebenso wie beim Anspruch auf Zeugniserteilung, ob der Arbeitgeber den Zeugnisanspruch ordnungsgemäß erfüllt hat. Nur in diesem Fall erlischt der Anspruch (BAG 15.11.2011 - 9 AZR 386/10, Rn 9). Deshalb hält es die erkennende Kammer für richtig, wie im Streitwertkatalog vorgeschlagen, den Anspruch auf Erteilung und den Anspruch auf Berichtigung eines Zeugnisses gleich zu bewerten und zwar unabhängig von der jeweils im Einzelfall beantragten Berichtigung (Meier/Oberthür, Gebühren, Streitwerte und Rechtsschutzversicherung im Arbeitsrecht, 4. Aufl., Rn 233). Die Höhe ist mit einem Monatsgehalt nach der ständigen Rechtsprechung des LAG Nürnberg gem. § 48 GKG iVm § 3 ZPO richtig in typisierender Betrachtungsweise (Meier/Oberthür, a.a.O, Rn 230, Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl., § 12 ArbGG, Rn 314) und in Übereinstimmung mit dem aktuellen Streitwertkatalog ermittelt.



    bb. Die Bewertung mit einem Monatsgehalt für Erteilung und Berichtigung ist jedoch nicht kumulativ zu verstehen dahin, dass die Erteilung und anschließende Berichtigung im Zeugnisrechtsstreit gesondert zu bewerten wären. Denn der Zeugniserteilungsanspruch als solcher und ein Zeugnisberichtigungsanspruch bzw. eine darüber vereinbarte Zeugnisgestaltungsregelung betreffen den Zeugnisanspruch aus § 109 Abs. 1 S. 3 GewO und dessen Erfüllung. Ein neben dem Erfüllungsanspruch bestehender gesonderter Berichtigungsanspruch ist dem Gesetz fremd (BAG 27.04.2021 - 9 AZR 262/20 Rn 14; BAG 15.11.2011 - 9 AZR 386/10 Rn 9; TZA/Ziemann, Streitwert und Kosten im Arbeitsrecht, Teil 1 A Rn 604 m.w.N.). Vielmehr erfüllt ein mit inhaltlichen Mängeln behaftetes Zeugnis den Zeugnisanspruch als solchen bereits nicht (BAG a.a.O., st. Rspr.). Der Übergang von einem Anspruch auf Zeugniserteilung zu einem Anspruch auf Zeugnisberichtigung im laufenden Prozess betrifft danach allein den Streitgegenstand des Zeugnisbegehrens selbst und geht nicht darüber hinaus.



    cc. Selbst wenn man - wie der Kläger - beim Anspruch auf Zeugniserteilung und dem Anspruch auf Zeugnisberichtigung von zwei Streitgegenständen ausginge, wären diese nicht nach § 39 Abs. 1 GKG zu addieren. Denn beide Anträge sind wirtschaftlich identisch. Eine wirtschaftliche Werthäufung liegt nicht vor. Eine solche wirtschaftliche Identität wird angenommen, wenn ein Anspruch aus dem anderen folgt oder auf dasselbe Interesse ausgerichtet ist, sodass die klagende Partei mit den Ansprüchen letztlich jeweils nur dasselbe Ziel verfolgt oder der Kläger die Klageforderung nur einmal verlangen kann (Toissant/Elzer 52. Aufl. 2022, GKG § 39 Rn. 17 mwN). Das Interesse des Klägers ist darauf gerichtet, nicht nur irgendein Zeugnis zu erhalten, sondern ein wahrheitsgemäßes und dabei wohlwollendes Zeugnis. Denn nur in einem solchen Zeugnis ist der wirtschaftliche Wert etwa für weitere Bewerbungen verkörpert. Bei wirtschaftlicher Identität ist in Anlehnung an § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG aber nur der höchste Einzelwert maßgebend (Toissant/Elzer 52. Aufl. 2022, GKG § 39 Rn. 17 mwN).



    dd. Der gesamte Zeugniskomplex ist daher auch in dieser Konstellation mit der Festsetzung eines Streitwerts in Höhe eines Bruttomonatseinkommens ausreichend und umfassend bewertet (vgl. LAG Nürnberg 23.12.2020 - 2 Ta 145/20; LAG Hamm 02.04.2019 - 8 Ta 396/18 - Rn 14 juris; LAG Hessen 20.11.2018 - 2 Ta 66/18 - juris; a.A. Schäder/Weber Streitwertkatalog Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, Rn 568: zwei Monatsgehälter).



    2. Der Wert des Vergleichs war von Amts wegen auf 17.161,05 € festzusetzen. Das Gericht hat auf die Möglichkeit der Herabsetzung des Gegenstandswerts nach § 63 Abs. 3 Nr. 1 GKG mit Schreiben vom 25.01.2023 an die anwaltlichen Vertreter der Parteien hingewiesen (Blatt 106 der Akten).



    a. Eine Einigungsgebühr für die anwaltliche Tätigkeit fällt gem. Nr. 1000 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages an, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis oder einen Rechtsanspruch beseitigt wird. Dem tragen die Regelungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Ziffer I Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit Rechnung, wonach ein Vergleichsmehrwert nur festzusetzen ist, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dabei muss gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Abzustellen ist auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses.



    b. Bei Vergleichsschluss waren von den Klageanträgen nur noch Anträge im Wert von 11.868,97 € streitig (Zahlungsanträge zu 2 und 6 iHv 503,53 € bzw. 1.781,27 € sowie Zeugnisberichtigungsanspruch iHv 9.584,17 €). Denn zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses waren die Anträge zu 1 (Wert: 4.316,32 €), zu 4 (Wert 958,41 €) und zu 5 (Wert: 958,41 €) bereits erfüllt. Der Kläger hatte deshalb die Klage insoweit für erledigt erklärt. Diese bereits erfüllten Ansprüche waren daher nicht Gegenstand des Vergleichs.



    c. Die Einigung über die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist mit 500,- € zu bewerten. Im Vergleich haben die Parteien auch den von der Beklagten vorgerichtlich im Schreiben vom 01.09.2022 geltend gemachten und mit der Antwort-E-Mail (Anlage K9) bestrittenen Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich der Herausgabe bzw. Löschung von Unterlagen geregelt. Zwar wiederholt Ziffer 3 des Vergleiches bereits vom Kläger zuvor abgegebene Erklärungen. Durch die Abgeltungsklausel in Ziffer 5 des Vergleichs wird aber klargestellt, dass eine eidesstattliche Versicherung, wie sie zuvor gefordert worden war, nicht mehr verlangt werden kann. Der Wert ist mangels anderweitiger Bestimmungen im GKG gem. §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Das Gericht hält es grundsätzlich für angemessen den (isolierten) Anspruch auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung mit 10 % des Hauptsachewertes zu bemessen (vgl. I.10.2 Streitwertkatalog 2018). Der Hauptsachewert ist hier der Wert der Gegenstände, auf die sich die eidesstattliche Versicherung bezieht, also die Geschäfts- und Arbeitsunterlagen, soweit sie mutmaßlich noch nicht herausgegeben oder vernichtet wurden. Mangels anderer Anhaltspunkte schätzt das Gericht diesen Wert in Anlehnung an § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG auf 5.000,- €. 10 % hiervon sind 500,- €.



    d. Die Regelung in Ziffer 4 des Vergleichs ist im vorliegenden Fall nach Auffassung der Beschwerdekammer mit einem halben Monatsgehalt (= 4.792,08 €) zu bewerten. Den Formulierungsvorschlag der Beklagten im Schreiben vom 09.11.2022 (Anlage 2 zum Schriftsatz vom 08.12.2022, Blatt 87 f der Akten) hat der Klägervertreter mit Verweis auf die Regelungen des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes abgelehnt. Die Regelung in Ziffer 4 des Vergleichs mag dann zwar nur die Geltung des Geschäftsgeheimnisschutzgesetzes deklaratorisch widergeben. Dennoch ist im Hinblick auf die von der Beklagten außergerichtlich geäußerten Befürchtungen, dass der Kläger noch Arbeitsunterlagen in seinem Besitz haben könnte, eine Ungewissheit über den Umfang der nachvertraglichen Geheimhaltungspflichten beseitigt worden und daher eine Bewertung veranlasst. Die Höhe des Gegenstandswerts richtet sich nach §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO. Hier hält das Gericht grundsätzlich eine Orientierung am Einkommen für richtig; denn in der Regel werden Mitarbeiter mit höherem Einkommen auch eher tiefere Kenntnisse von Geschäftsgeheimnissen haben. Die Bewertung mit einem halben Monatseinkommen erscheint in hier angemessen. Umstände, die eine höhere oder niedrige Bewertung veranlassen könnten, liegen nicht vor. Die Parteien haben das Bestehen nachvertraglicher Geheimhaltungspflichten nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Dass etwa konkret die Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gedroht hätte, ist ebenfalls nicht ersichtlich.



    C.



    Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.



    Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei ist und eine Kostenerstattung nicht stattfindet, § 68 Abs. 3 GKG.

    Vorschriften§ 68 Abs. 1 GKG, § 63 Abs. 2 GKG, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG, § 32 Abs. 2 RVG, § 40 GKG, § 48 GKG, § 3 ZPO, § 109 Abs. 1 S. 3 GewO, § 39 Abs. 1 GKG, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG, § 63 Abs. 3 Nr. 1 GKG, Nr. 1000 VV RVG, § 2 Abs. 2 RVG, §§ 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3 ZPO, § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, § 78 Satz 3 ArbGG, § 68 Abs. 3 GKG