08.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241397
Landesarbeitsgericht Saarland: Urteil vom 29.11.2023 – 2 Sa 82/21
1. Arbeiten während festgelegter Pausenzeiten können Über- bzw. Mehrarbeitsstunden darstellen.
2. Für diese und deren Anordnung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast.
3. § 14 S. 2 TV Ärzte/VKA idF ab 1. Juli 2019, wonach die gesamte Anwesenheit der Ärztinnen und Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit gilt, ist arbeitszeitrechtlich zu verstehen und ändert nicht die Darlegungs- und Beweislast für Vergütungsansprüche.
4. Auch nach der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 Az. C - 55/18 CCOO ist ein in einer Betriebsvereinbarung geregelter automatischer Pausenabzug bei Verwendung eines elektronischen Systems zur Arbeitszeiterfassung wirksam.
In dem Rechtsstreit
der FrauA., A-Straße, A-Stadt,
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
B., B-Straße, A-Stadt,
gegen
dieKlinikum A-Stadt gEufach0000000002, vertr. d. d. Geschäftsführer , C-Straße, A-Stadt,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
D., , D-Straße, A-Stadt,
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts des Saarlandes auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2023 durch die Vizepräsidentin des Landesarbeitsgerichts Saarland Frau Herrmann sowie die ehrenamtlichen Richter Frau Dr. Weyerich-Gerhardt und Herrn Dühr
für Recht erkannt:
Tenor: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Saarland vom 02.09.2021 - 7 Ca 2490/20 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin als Berufungsklägerin. 3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Vergütung vermeintlich nicht genommener Pausen als Arbeitszeit.
Die am 19.4.1978 geborene Klägerin ist approbierte Ärztin und war in der Zeit vom 1.9.2017 bis zum 31.8.2019 als Assistenzärztin bei dem beklagten Klinikum, der Beklagten, in der Abteilung Neurochirurgie in Teilzeit mit 75 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beschäftigt. Die Klägerin arbeitete dienstplanmäßig regelmäßig 30 Stunden in der Woche und dabei jeweils 6 Stunden an 5 Arbeitstagen (Montag bis Freitag). Kraft beiderseitiger Tarifbindung fand der TV-Ärzte/VKA (Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Arbeitgeberverbände) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Klägerin war nach § 18 TV Ärzte/VKA in die Entgeltgruppe 1, Stufe 2 eingruppiert. Das monatliche Grundgehalt der Klägerin betrug bis zum 31.12.2018 4.651,95 € und ab dem 1.1.2019 4.768,25 €. Dies ergab einen Stundenlohn von 26,75 € bzw. 27,42 €.
Der TV Ärzte/VKA lautet auszugsweise:
"Abschnitt II Arbeitszeit § 7 Regelmäßige Arbeitszeit (1) Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich. Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden. (2) Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von einem Jahr zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 kann bei Ärztinnen und Ärzten, die ständig Wechselschicht- oder Schichtarbeit zu leisten haben, ein längerer Zeitraum zugrunde gelegt werden. ... (6) Ärztinnen und Ärzte sind im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Schichtarbeit sowie - bei Teilzeitbeschäftigung aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung - zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet. ... § 9 Sonderformen der Arbeit ... (4) Mehrarbeit sind die Arbeitsstunden, die teilzeitbeschäftigte Ärztinnen und Ärzte über die vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von vollbeschäftigten Ärztinnen und Ärzten (§ 7 Abs. 1 Satz 1) leisten. (5) Überstunden sind die auf Anordnung des Arbeitgebers geleisteten Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von vollbeschäftigten Ärztinnen und Ärzten (§ 7 Abs. 1 Satz 1) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. ... § 11 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit (1) Die Ärztin/Der Arzt erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Die Zeitzuschläge betragen - auch bei teilzeitbeschäftigten Ärztinnen und Ärzten - je Stunde a) für Überstunden 15 v.H., ... des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der Stufe 3 der jeweiligen Entgeltgruppe, bei Ärztinnen und Ärzten gemäß § 16 Buchstabe c und d der höchsten tariflichen Stufe. Protokollerklärung zu Absatz 1 Satz 1: Bei Überstunden richtet sich das Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung nach der individuellen Stufe der jeweiligen Entgeltgruppe, höchstens jedoch nach der Stufe 4. ... (2) Für Arbeitsstunden, die keine Überstunden sind und die ausbetrieblichen/dienstlichen Gründen nicht innerhalb des nach § 7 Abs. 2 Satz 1 oder 2 festgelegten Zeitraums mit Freizeit ausgeglichen werden, erhält die Ärztin/der Arzt je Stunde 100 v.H. des auf eine Stunde entfallenden Anteils des Tabellenentgelts der jeweiligen Entgeltgruppe und Stufe. § 14 Arbeitszeitdokumentation Die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte sind durch elektronische Verfahren oder auf andere Art in geeigneter Weise objektiv zu erfassen und zu dokumentieren. Fassung des § 14 ab dem 1. Juli 2019: Die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte sind durch elektronische Verfahren oder auf andere Art mit gleicher Genauigkeit so zu erfassen, dass die gesamte Anwesenheit am Arbeitsplatz dokumentiert ist. Dabei gilt die gesamte Anwesenheit der Ärztinnen und Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit. Eine abweichende Bewertung ist nur bei Nebentätigkeiten zulässig die keine Dienstaufgaben sind, und bei privaten Tätigkeiten des Arztes/der Ärztin. Die Ärztin/Der Arzt hat insbesondere zur Überprüfung der dokumentierten Anwesenheitszeiten nach Satz 1 ein persönliches Einsichtsrecht in die Arbeitszeitdokumentation. Die Einsicht ist unverzüglich zu gewähren. Protokollerklärungen: 1. Bei einer außerplanmäßigen Überschreitung der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden haben die Ärztinnen und Ärzte dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen den Grund der Überschreitung mitzuteilen. 2. Für die private Veranlassung gemäß Satz 3 trägt der Arbeitgeber nach den allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts die Darlegungs- und Beweislast. ... Abschnitt III Eingruppierung und Entgelt § 15 Allgemeine Eingruppierungsregelungen (1) (1) Die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen des § 16. (2) Die Ärztin/ Der Arzt erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/ er eingruppiert ist. § 18 Tabellenentgelt (1) (1) Die Ärztin/ Der Arzt erhält monatlich ein Tabellenentgelt nach der Anlage. (2) Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die sie/ er eingruppiert ist, und nach der für sie/ ihn geltenden Stufe. § 37 Ausschlussfrist (1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der Ärztin/dem Arzt oder vom Arbeitgeber schriftlich gelten gemacht werden.Die Arbeitsstunden werden bei der Beklagten auf einem Arbeitszeitkonto erfasst. Dazu wird das Zeiterfassungs- und Dienstplansystem ATOSS genutzt. Dieses Zeiterfassungssystem führt einen automatischen Pausenabzug durch, wenn die jeweilige Arbeitszeit 6 bzw. 9 Stunden überschreitet. Die Zeiterfassungsterminals befinden sich am Haupteingang oder am Seiteneingang des Klinikums. Hierzu gab es eine Rahmenvereinbarung "Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeiten", Bl. 52ff. d. A. Die Veröffentlichung erfolgte am 19.12.2016 im Intranet. Die Klägerin erhielt am 11.8.2017 eine Auflistung der im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen, Bl. 283 ff. Die Rahmenvereinbarung wurde zum 31.12.2018 gekündigt. Eine andere Vereinbarung wurde nicht getroffen.
Die Betriebsvereinbarung lautet auszugsweise:
"Präambel Ziel der Betriebsvereinbarung ist es, Rahmenbedingungen für die Handhabung flexibler Arbeitszeiten und der Dienstplangestaltung festzulegen. Dabei soll ein einheitlicher Handlungsrahmen für alle Beschäftigten geschaffen werden. § 1 Geltungsbereich Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Beschäftigten und Auszubildenden der Klinikum A-Stadt, soweit sie keine leitenden Angestellten sind. § 2 Definitionen Zeitkonto: Die gesamte Arbeitszeit wird im Zeitkonto erfasst. Über - und Unterschreitungen der täglichen Sollzeit werden addiert. Taris - Rahmenzeit ist die Spannweite, innerhalb derer Anwesenheitszeiten als Arbeitszeiten anerkannt werden. Dies sind keine Rahmenzeiten im Sinne der Tarifverträge. Arbeitszeiten, die außerhalb der Rahmenzeit liegen und nicht angeordnet sind, werden bei der Anwesenheitszeit nicht berücksichtigt. Ausnahmsweise erfolgt die Anrechnung von außerhalb der definierten TARIS - Rahmenzeit geleisteten Stunden nach entsprechender Begründung des/der Beschäftigten und Bestätigung der/des Vorgesetzten. Gleiches gilt für Überschreitungen der 10 - Stunden - Grenze. Taris - Pausenrahmen ist die Zeitspanne, in der der oder die Beschäftigte die gesetzlich vorgeschriebene Pause in Anspruch nehmen muss. Für Beschäftigte, die nach einem Dienstplan arbeiten, ist die TARIS - Normalarbeitszeit die dort festgelegte individuelle Arbeitszeit. § 3 Zeiterfassung 1. Alle Beschäftigten haben Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Pausen, sowie bei Teilnahme am Bereitschaftsdienst die Einsätze zu dokumentieren. Hierzu sind die vorhandenen Erfassungsterminals zu benutzen. Die zu verwendenden Erfassungsterminals ergeben sich aus den Anlagen. 2. Andere Terminals dürfen nur dann benutzt werden, wenn der/die Beschäftigte die Arbeitszeit oder Pause nicht am regulären Arbeitsplatz beginnt oder beendet. 3. Pausendokumentation Die Benutzung der Erfassungsterminals ist nicht erforderlich, wenn - damit ein unverhältnismäßig hoher Zeitaufwand mit dem Aufsuchen eines Erfassungsterminals verbunden wäre und die Pause am Arbeitsplatz genommen wird, sowie die gesetzlich vorgeschriebene Mindestpausenzeit nicht überschritten wird. - Der/die Beschäftigte die Pause innerhalb einer bereichsweise definierten "Festpausenzeit" am Arbeitsplatz nimmt. Diese Festpausenzeit und der TARIS-Pausenrahmen ergeben sich aus den bereichsbezogenen Anlagen zu den Arbeitszeiten dieser Betriebsvereinbarung. Festpausenzeit ist die Zeit von 12 Uhr bis 12.30 Uhr. Abweichende Regelungen können in den Anlagen vereinbart werden. Durch die im Zeiterfassungssystem hinterlegten Schwellenwerte für die Mindestpause wird die erbrachte Arbeitszeit bei - mehr als 6 Stunden Arbeitszeit um 30 Minuten Pause - mehr als 9 Stunden Arbeitszeit um 45 Minuten Pause verringert, wenn der/die Beschäftigte Beginn und Ende der Pause nicht dokumentiert hat oder die dokumentierte Pause den Wert von 30 bzw. 45 Minuten unterschreitet. Die genannten Werte werden bei gesetzlichen Änderungen automatisch angepasst. Können Pausen aus nicht vorhersehbaren dienstlichen Umständen nicht genom men werden, erfolgt eine Anrechnung nach entsprechender Begründung der/des Beschäftigten und Bestätigung der/des Vorgesetzten. ... 5. Missbräuchliche Benutzung der Zeiterfassung stellt ein arbeitsrechtliches Vergehen dar und zieht entsprechende arbeitsrechtliche Maßnahmen nach sich. § 5 Flexibilisierung der Arbeitszeit ... 2. Überstunden und Mehrarbeit Die Feststellung von Überstunden richtet sich nach den jeweiligen tariflichen Bestimmungen. Die Betriebspartner vereinbaren in Auslegung von § 7 TVöD-K, § 9 TV - Ärzte/VKA sowie § 10 MTV der Klinikservice GmbH folgendes: Überstunden sind die Stunden, die in der Summe bei Schicht - und WechselschichtarbeitnehmerInnen im Schichtplanturnus bzw. bei den übrigen Beschäftigten am Ende des Ausgleichszeitraumes über die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 6 TVöD, § 7 TV - Ärzte/VKA bzw. § 7 MTV Klinikservice hinaus erbracht wurden. Dies gilt unabhängig davon, ob die entsprechenden Stunden bereits als Überstunden geplant waren oder als Planabweichung zustande kamen. Für Beschäftigte mit Dienstplanung im Sinne von § 5 Punkt 3 gilt: Überstundenzuschläge: Soweit Beschäftigte innerhalb des Schichtplanturnus die tarifvertraglich definierte regelmäßige Arbeitszeit überschritten haben (S 6 TVÖD, § 7 TV-Arzte/VKA bzw. § 7 Manteltarifvertrag Klinikservice), erfolgt die Auszahlung der Überstundenzuschläge. Auszahlung von Stundenguthaben: Stundenguthaben oberhalb von 20 Stunden (Stichtag 31.12.) werden am 28.02. mit der Stundenvergütung zur Auszahlung gebracht. Davon abweichend werden bei Ärzten und Ärztinnen im Klinikum Stundenguthaben oberhalb von 20 Stunden (Stichtag 30.06. und 31.12.) am 31.08. bzw. 28.02. mit der Stundenvergütung zur Auszahlung gebracht. ... § 9 Informationsrechte Alle Beschäftigten erhalten einmal pro Monat von dem/der Zeitbeauftragten eine persönliche Monatsübersicht, aus der die einzelnen Buchungen auf Tagesebene und der Zeitsaldo ersichtlich ist. § 10 Arbeitsschutzgesetze Jeder Beschäftigte ebenso wie der/die Vorgesetzte haben darüber hinaus darauf zu achten, dass die Bestimmungen der einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften, wie Arbeitszeitgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Schwerbehindertengesetz und Ähnliches eingehalten werden. Insbesondere ist darauf zu achten, dass die maximal zulässige werktägliche Arbeitszeit eingehalten wird und die Bestimmungen bezüglich Ruhepausen und Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz beachtet werden. Verstöße können die Beschäftigten im Rahmen ihrer Schadensabwendungspflicht der Stationsleitung/Abteilungsleitung anzeigen. Im Rahmen der Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beschäftigten im entsprechenden Maß vor Schadenshaftung zu schützen. § 11 Einhaltung der Betriebsvereinbarung Personalabteilung und Betriebsrat sind berechtigt und verpflichtet, die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung zu überwachen. Der Betriebsrat erhält ein Leserecht in TARIS. § 12 Beendigung des Arbeitsverhältnisses und unbezahlte Beurlaubung Scheiden Beschäftigte aus oder ist ihnen eine unbezahlte Beurlaubung von mehr als sechs Monaten bewilligt worden, sind sie verpflichtet, ihr Zeitkonto bis zum letzten Arbeitstag auszugleichen. Sollte ein Ausgleich aus betrieblichen Gründen nicht möglich sein, werden Zeitguthaben vergütet. Zeitdefizite werden als unbezahlte Abwesenheit be handelt und von dem Entgelt einbehalten, soweit dies mit der aktuellen Rechtsprechung vereinbar ist. § 15 Inkrafttreten/Kündigung ... Diese Betriebsvereinbarung kann mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Änderungen und Ergänzungen der Betriebsvereinbarung können mit beiderseitiger Zustimmung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist erfolgen. Sie wirkt nach, bis eine nee Betriebsvereinbarung zwischen den Beteiligten abgeschlossen wird.Die Klägerin arbeitete im streitgegenständlichen Zeitraum regelmäßig, d. h. fast an jedem Arbeitstag weitaus länger als die dienstplanmäßig vorgesehenen 6 Stunden. Die Monatsübersichten der Klägerin wiesen im Einzelnen die Anwesenheitszeiten aus, Bl. 3, 28 ff. d.A. Dabei wurde ihr von dem Zeiterfassungssystem die über die sechsstündige Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit als Pause in Höhe von maximal 30 Minuten und maximal 45 Minuten bei Überschreitung einer achtstündigen Arbeitszeit abgezogen. Das Kürzel PA_D in der Arbeitszeitdokumentation wies die tatsächlich genommene Pause aus, die die Klägerin regelmäßig zwischen 12 und 13 Uhr genommen hatte. Meist jedoch wurde der automatische Pausenabzug durchgeführt, der mit dem Kürzel PA_A bezeichnet war. So wurden in der Zeit von September 2018 bis August 2019 automatisch Pausen von insgesamt 59 Stunden und 03 Minuten in Abzug gebracht. Eine von der in der Betriebsvereinbarung festgelegten Festpausenzeit abweichende Regelung existierte in der Abteilung Neurochirurgie nicht.
Nachdem das Landesarbeitsgericht Niedersachsen mit Urteil vom 13. November 2018 entscheiden hat, dass ein Oberarzt bei ungeplanten Überstunden keine berücksichtigungsfähige Ruhepause erhalten hat und auf eine eigenverantwortliche Pausennahme nicht abgestellt werden könne, weil das beklagte Land hierfür keine Vorkehrungen getroffen habe, und ihm Überstundenvergütung hierfür nebst Zuschlägen zugesprochen hat (LAG Niedersachsen, Urteil vom 13. November 2018 - 10 Sa 1244/17 -), bat die Klägerin mit email vom 28. Februar 2019 die Beklagte um eine Rückführung der abgezogenen Pausen in der Zeit vom 1.9.2018 bis zum 28.2.2019, Bl. 66 d. A. Wörtlich schrieb sie:
"Sehr geehrte Frau F., hiermit mache ich den Abzug von sog. Ruhepausen im Zeitraum vom 1.9.2018 bis 28.2.2019 geltend. Meine Arbeitszeit beträgt 6 Stunden am Tag. Eine Pause ist daher nicht vorgesehen. Regelmäßig muss ich betriebsbedingt länger als 6 Stunden arbeiten. Ausweislich der Arbeitszeitdokumentation werden mir für diese Tage 30 Minuten abgezogen, obwohl ich diese nicht regelmäßig mache. ..."Die Klägerin erhielt eine Rückmeldung unter dem 10.7.2019. Hiernach ergaben sich im Zeitraum vom 1.9.2018 bis 28.2.2019 automatisch als Pause abgezogene 26:30 Stunden. Die Klägerin wurde aufgefordert, ihren Antrag zu konkretisieren, eine Begründung zur Nichtvornahme der Pause anzugeben und von ihrer Vorgesetzten abzeichnen zu lassen. Die Beklagte verwies auf das Korrekturformular. Einen entsprechenden Korrekturantrag legte die Klägerin dennoch nicht vor. Mit email vom 23.8.2019 stimmte sie der Stundenberechnung von 26:30 Stunden zu und machte für den Zeitraum vom 1.3.2019 bis 31.7.2019 weitere 21:50 Stunden geltend, Bl. 242 d. A. Die Beklagte lehnte die Forderung als zu pauschal ab und verlangte weiterhin eine Begründung zur Nichtvornahme einer Pause.
Mit ihrer am 30.09.2021 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt die Klägerin die Bezahlung der streitgegenständlichen Pausenabzüge.
Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass sie eine Pause von 30 Minuten nicht in vollem Umfang habe in Anspruch nehmen können. Es sei unrealistisch anzunehmen, dass sie in der Zeit, in welcher sie länger in der Klinik geblieben sei, um die Patienten zu versorgen, eine Pause habe einlegen können. Es sei nicht von planmäßiger Mehrarbeit, sondern von unplanmäßigen Überstunden auszugehen. Es habe sich in den meisten Fällen erst am Arbeitsende ergeben, dass sie habe weiterarbeiten müssen. Eine Ruhepause habe daher nicht von vornherein eingeplant werden können, erst recht habe der in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Pausenkorridor von 12:00 bis 12:30 Uhr nicht eingehalten werden können. Nur wenn sich frühzeitig abgezeichnet habe, dass die Klägerin mit einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden rechnen könne, habe sie eine Pause eingeplant und diese genommen. Die Beklagte habe die Überstunden im Rahmen der elektronischen Zeiterfassung auch gekannt und geduldet. Mangels ausreichender Vorkehrungen im Rahmen der besonderen Arbeitsorganisation bei der Beklagten habe die Klägerin keine von vornherein festgelegten Zeiträume für ihre Erholung gehabt. Ein automatischer Pausenabzug sei unrechtmäßig.
Die Betriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeiten gelte hier nicht, da sie eine Pausenregelung für Teilzeitkräfte mit einer täglichen Arbeitszeit von 6 Stunden nicht enthalte. Auf das Formular des Gleitzeitkorrekturantrags sei sie erstmals mit der Email vom 10.7.2019 aufmerksam geworden. Bei einer Kollegin habe auch dessen Nutzung nicht zur Korrektur des Pausenabzugs geführt. In Höhe von 26:30 Stunden habe die Beklagte ihre Forderung in ihren Emails im Übrigen anerkannt. Die Beklagte treffe die auch Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Gewährung einer Pause, da eine Pausenregelung für die Klägerin nicht bestanden habe. Dies gehe aus dem Urteil des LAG Niedersachsen vom 13.11.2018, Az. 10 Sa 1244/17, hervor. Auch § 14 TV Ärzte/VKA in der Fassung zum 1.7.2019 bestätige, dass die Beweislast bei der Beklagten hinsichtlich der Gewährung von Pausen liege. Dies sei der Hintergrund der Neuregelung gewesen. Mit einer Änderung sei zu rechnen gewesen. Die Beklagte könne sich diesbezüglich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Nach § 14 TV Ärzte/VKA gelte die gesamte Anwesenheit der Ärzte als Arbeitszeit. Die Betriebsvereinbarung habe im Widerspruch zur geltenden tarifvertraglichen Regelung gestanden, auch nach der bis zum 30.6.2019 geltenden Fassung. Nach § 14 TV-Ärzte/VKA aF habe eine objektive Erfassung der Arbeitszeit erfolgen müssen. Die tarifvertragliche Neuregelung enthalte lediglich eine Schärfung. Der Zeiterfassung bei der Beklagten fehle die die in § 14 TV-Ärzte/VKA geforderte Genauigkeit. Mit der Regelung in § 3 Ziffer 3 der Rahmenvereinbarung hätten sich die Betriebsparteien über den Regelungsrahmen des Tarifvertrages hinweggesetzt. Eine Tariföffnung sei nicht gegeben.
Hinsichtlich der Höhe der Überstundenvergütung ist die Klägerin der Ansicht, dass nach § 11 TV-Ärzte/VKA ein Zeitzuschlag von 15 % hinzuzurechnen sei, sodass sich eine Überstundenvergütung in Höhe von 30,92 € bzw. von 31,69 € pro Stunde ergebe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.861,96 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.Die Beklagte hat erstinstanzlich mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin im Zeitraum von September 2018 bis einschließlich August 2019 59:03 aufgrund nicht genommener, aber vom System automatisch abgezogener Pausen zusätzliche Arbeitsstunden geleistet habe. Die Klage sei bereits unschlüssig. Die Klägerin selbst habe in ihrer ersten Email geschrieben, dass sie nicht regelmäßig Pausen mache. Dies bedeute, dass sie welche gemacht habe. Mit der Email vom 28. Februar 2019 habe sie auch die sechsmonatige Ausschlussfrist von § 37 TV Ärzte/VKA nicht eingehalten, denn die Beklagte habe zu diesem Zeitpunkt nicht erkennen können, was genau von ihr gefordert werde. Dies sei aber Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Geltendmachung einer Forderung. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, warum die Pausen nicht hätten genommen werden können. Sie habe das dazu nach § 3 der Betriebsvereinbarung erforderliche Korrekturformular nicht benutzt. Wenn kein Korrekturantrag gestellt sei, gehe sie davon aus, dass der Mitarbeiter die Pause genommen habe. Auch nach ihrem eigenen Vortrag sei es für die Klägerin durchaus möglich gewesen, die in der Betriebsvereinbarung festgelegten Festpausen zu machen. Schließlich sei die Arbeit über die sechs Stunden pro Tag der Regelfall gewesen. Die Beklagte habe auch keine entsprechenden Überstunden im Rahmen des Email-Verkehrs mit der Klägerin zugestanden. Der Sachverhalt sei wegen der hier geltenden Betriebsvereinbarung auch nicht mit dem dem Urteil des LAG Niedersachsen zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar. Die Änderung von § 14 TV-Ärzte/VKA sei erst am 26.9.2019 in Kraft getreten. Ein rückwirkendes Inkrafttreten sei wegen eines Verstoßes gegen das Verbot echter Rückwirkung unzulässig. Im September 2019 sei das Arbeitsverhältnis aber bereits beendet gewesen. Die Betriebsvereinbarung verstoße aber auch nicht gegen § 14 TV-Ärzte/VKA alte oder neue Fassung, weil sie nicht im Widerspruch zu diesem stehe. Die Arbeitszeit sei "genau" erfasst worden. Die Vorschrift in ihrer neuen Fassung bedeute auch keine Umkehr der Beweislast dahingehend, dass der Arbeitgeber beweisen müsse, dass der Arbeitnehmer eine Pause genommen habe. Die Beklagte sei nur insoweit beweisbelastet, ob die Anwesenheit der Ärztin oder des Arztes privat veranlasst gewesen sei oder nicht. Die Pause sei explizit ausgenommen. Eine andere Interpretation der Vorschrift hebele das Direktionsrecht des Arbeitgebers aus und hätte zur Folge, dass eine Festlegung von Arbeitszeiten sowie Dienstplänen obsolet würden.
Hinsichtlich der Höhe sei ein Zuschlag von 15 % nicht zu gewähren, weil die Klägerin nicht mehr als 40 Stunden pro Woche (Maßstab sei eine Vollzeitbeschäftigung) gearbeitet habe. Vielmehr habe es sich um Mehrarbeit gehandelt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es war der Ansicht, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung bzw. Überstundenvergütung in begehrtem Umfang für nicht genommene Pausenzeiten nach §§ 611, 611a Abs. 2 BGB i. V. m. § 11 Abs. 1, 2 TV-Ärzte VKA.
Die Klägerin habe nicht in ausreichender Weise dargelegt und unter Beweis gestellt, an welchen Tagen sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet habe und es ihr tatsächlich verwehrt gewesen sei, eine Pause zu nehmen. Wenn die Klägerin ihre Pause tatsächlich abgestempelt habe, sei dies immer zwischen 12:00 und 13:00 Uhr gewesen. Eine Pause in dieser Zeit zu nehmen sei ihr folglich nicht unmöglich gewesen. Die vermeintlich geleisteten Überstunden seien auch nicht etwa von der Beklagten zugestanden worden. Die Entscheidung des LAG Niedersachsen, Az. 10 Sa 1244/17, könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. Im Rahmen dieser Entscheidung habe kein Streit zwischen den Parteien darüber bestanden, ob es sich um ungeplante Überstunden gehandelt habe. Zudem habe das dort beklagte Land keine Vorkehrungen im Rahmen der Arbeitsorganisation getroffen, um zu gewährleisten, dass von vornherein festgelegte Zeiträume zur Erholung zur Verfügung standen. Im Gegensatz dazu seien die Überstunden hier planbar gewesen, da sie der Regelfall gewesen seien. Zudem habe die Beklagte Vorkehrungen im Rahmen der Arbeitsorganisation getroffen. Sie habe gemeinsam mit dem Betriebsrat in der Betriebsvereinbarung, die auch auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin anwendbar sei, eine Festpausenzeit von 12:00 bis 12:30 Uhr festgelegt. Soweit eine Pause aus nicht vorhersehbaren dienstlichen Umständen nicht habe genommen werden können, hätten die Betriebsparteien die Möglichkeit einer Korrektur vorgesehen. Die Betriebsvereinbarung sei auch wirksam. Sie wirke nach § 77 Abs. 6 BetrVG nach und verstoße nicht gegen den geltenden Tarifvertrag. Pausenzeiten und Arbeitszeiten könnten prinzipiell in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Dies ergebe sich bereits aus § 87 Abs. 1 BetrVG. Etwas anderes gelte nur, wenn eine abschließende Regelung durch den Tarifvertrag vorliege. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der geltende Tarifvertrag regele weder Pausenzeiten noch regele er deren Erfassung. Dies gelte sowohl für § 14 in alter alsauch in neuer Fassung. Beide Fassungen beträfen nur die Arbeitszeiterfassung, wobei die tarifliche Vorschrift hinsichtlich der Dokumentation von Pausen betriebsvereinbarungsoffen sei. Die Beweislast hinsichtlich der Gewährung von Pausen liege grundsätzlich bei der Beklagten. Vorliegend habe die Beklagte eine Pause in der Zeit von 12:00 bis 12:30 gewährt. Sie sei ihrer Pflicht nach § 4 ArbZG damit nachgekommen. Nach Ansicht der Kammer sei es deshalb im Rahmen der sekundären Darlegungslast von der Klägerin zu erwarten gewesen, dass sie im Einzelnen vorträgt, warum es ihr entgegen den erfassten Pausenzeiten nicht möglich gewesen sei, die gewährte Pause in der Zeit von 12:00 bis 12:30 Uhr zu nehmen. Eine ausdrückliche oder konkludente Anordnung oder Billigung habe die Klägerin nicht im Einzelnen vorgetragen. Die Korrekturmöglichkeit wie von der Betriebsvereinbarung vorgesehen habe die Klägerin nicht genutzt. Das Urteil des Arbeitsgerichts ging der Klägerin am 19.11.2021 zu. Am 13.12.2021 legte sie Berufung hiergegen ein, die unter dem 14.1.2022 begründet wurde.
Die Klägerin trägt in der Berufungsinstanz erstmals vor, dass eine Schichtübergabe während der Arbeitszeit nicht vorgesehen sei. Hieraus ergebe sich, dass eine geordnete Übergabe innerhalb der Arbeitszeit unmöglich gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht rügt die Klägerin, das Arbeitsgericht habe die §§ 4 ArbZG, 77 Abs. 6 BetrVG sowie die Vorschriften des TV-Ärzte/VKA einschließlich der daraus folgenden Beweislastverteilung sowie die Rechtsprechung des EuGH vom 14.5.2019 (Az.: C-55/18) und des LAG Niedersachsen vom 13.11.2018 (Az.: 10 Sa 1244/17) falsch angewandt. § 14 TV Ärzte/VKA habe vergütungsrechtliche Bedeutung und nicht bloß arbeitszeitrechtliche. Dies erkenne man daran, dass zur Arbeitszeit nicht die "tatsächlich genommene Pause" zählen soll. Die Änderung des Tarifvertrags sei gerade deswegen erfolgt. Auch finde sich die Vorschrift im 2. Abschnitt des Tarifvertrages. Hier fänden sich die Regelungen zur Arbeitszeit, u.a. auch Höhe und Berechnung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit. Diese seien ebenso wie die Regelungen zur Sonn- und Feiertagsarbeit sowie zu Wochenenden, Sonderformen der Arbeit, Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaft und zum Ausgleich bzw. Entgelt hierfür ebenso wie die Regelung zur Teilzeitarbeit sämtlich vergütungsrelevant. Damit besage die Vorschrift, dass nur tatsächlich genommene Pausen nicht zur zu vergütenden Arbeitszeit gehörten und die Darlegungs- und Beweislast diesbezüglich bei der Beklagten liege. Im Hinblick auf den Überstundenzuschlag an Teilzeitbeschäftigte verweist sie auf die Entscheidung des EuGH vom 19.10.2023 - C - 660/20.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Saarland vom 02.09.2021, Aktenzeichen - 7 Ca 2490/20 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 1.861,96 € brutto zu zahlen zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 02.09.2021 - 7 Ca 2490/20 - kostenpflichtig zurückzuweisen.Die Beklagte ist der Ansicht, die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe keinen Anspruch auf Mehrarbeits- bzw. Überstundenvergütung wegen durchgearbeiteter Pausen. Die Klage sei bereits unschlüssig. Die Klägerin habe schon in keiner Weise aufgezeigt, überhaupt Mehrarbeit geleistet zu haben. Denn es gälten hier die Darlegungs- und Beweislastregeln wie bei Überstundenklagen. Auch die Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019 - C 55/18 - ändere hieran nichts. Dem EuGH fehle die Kompetenz, die nationale Rechtsordnung in der vorliegenden Fragestellung zu ändern. Die Richtlinie 2003/88/EG regele - mit Ausnahme des in ihrem Art. 7 Abs. 1 geregelten besonderen Fall des bezahlten Jahresurlaubs - nicht Fragen des Arbeitsentgelts für Arbeitnehmer. Auch die Tarifvertragsparteien unterschieden zwischen Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne und Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne. Diese gingen von einer differenzierenden Betrachtung aus: §§ 7 ff TV - Ärzte/VKA regele das Ob und Wie der Vergütung von Zeit und Leistung, während § 14 TV- Ärzte/VKA nur die Arbeitszeitdokumentation regele wie dessen Überschrift schon zu entnehmen sei. So habe es entgegen dem Arbeitsgericht München in seiner Entscheidung vom 12. Juni 2023 - 38 Ca 3945/22 auch das Arbeitsgericht Hannover in seiner Entscheidung vom 22.3.2023 - 7 Ca 289/21- gesehen. Die Klägerin sei ihrer Darlegungslast aber nicht nachgekommen. Sie habe nicht vorgetragen, an welchen Tagen sie über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet habe und welche Tätigkeit sie ausgeführt habe. Sie habe auch nicht vorgetragen, wer wann auf welche Weise Überstunden angeordnet habe. Auch eine Billigung oder Duldung von Überstunden sei nicht vorgetragen, auch nicht, dass sie zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen seien wie § 9 Abs. 5 TV - Ärzte/VKA und § 7 Abs. 6 dies vorsähen. Der Arbeitgeber brauche sich keine über die vertragliche Vereinbarung hinausgehenden Leistungen aufdrängen zu lassen. Sie habe von den Überstunden auch nicht gewusst. Denn die Klägerin habe das Formular auf Gleitzeitkorrektur nach § 3 der Betriebsvereinbarung nicht genutzt. Hierzu sei sie aber verpflichtet gewesen. Sie habe die Pausenzeit wirksam in § 3 Nr. 3 der Betriebsvereinbarung auf eine Festpausenzeit von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr festgelegt und damit entsprechend § 4 ArbZG die Arbeitszeit unterbrochen. Die Klägerin unterfalle als Teilzeitbeschäftigte auch dieser Regelung, während die Betriebsvereinbarung auch nach dem 31.12.2018 nachgewirkt habe. Die Klägerin sei auch nach § 10 der Betriebsvereinbarung, worin die Treuepflicht des Arbeitnehmers nach § 242 Abs. 2 BGB konkretisiert werde, verpflichtet gewesen, die Beklagte auf die Nichteinhaltung der Vorschriften des ArbZG hinzuweisen. Da sich auch Ausbuchungen zur Festpausenzeit auf dem Arbeitszeitkonto befunden haben, habe die Beklagte nicht daran zweifeln müssen, dass die Klägerin die Pausen genommen habe. Im Übrigen sei ein Zuschlag nach § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 lit. a TV- Ärzte/VKA wegen § 9 Abs. 4 TV - Ärzte/VKA bei Teilzeitbeschäftigten auch nicht geschuldet, da die Arbeitszeit insgesamt nicht diejenige regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten habe. Wenn überhaupt hätten hier nach der Definition der Tarifvertragsparteien in § 9 Abs. 5 TV- Ärzte/VKA Mehrarbeit und keine Überstunden vorgelegen. Für die Teilzeitbeschäftigten bestehe für den Ausgleich von Mehrarbeit ein eigenständiges Freizeitregime, das sich von dem für den Ausgleich von Überstunden deutlich unterscheide und den Ausgleich von Mehrarbeit durch Freizeit statt durch Vergütung in den Vordergrund stelle. Erst, wenn der Ausgleich mit Freizeit nicht möglich sei, sehe § 11 Abs. 2 TV Ärzte/VKA eine Auszahlung vor. So verpflichte § 12 der Betriebsvereinbarung in Übereinstimmung mit § 7 TV Ärzte/VKA auch die Beschäftigten, im Falle ihres Ausscheidens ihr Arbeitszeitkonto bis zum letzten Tag auszugleichen. Nur wenn ein Ausgleich aus betrieblichen Gründen nicht möglich sei, werde das Zeitguthaben vergütet. Eine Vergütungspflicht ergäbe sich aber bei Nichtgewährung einer Pause ohnehin nicht, da es sich dabei um einen immateriellen Schaden handele.
Das elektronische Verfahren zur Arbeitszeitdokumentation, das die Beklagte seit Jahren nutze, entspreche auch den Vorgaben aus der Entscheidung des EuGH vom 14.5.2019 - 55/18. Diese enthalte nur die Aussage, dass die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die tägliche Arbeitszeit erfasst werden kann. Der Begriff "Arbeitszeit" betreffe aber weder nach europäischem, noch nationalem, noch tarifvertraglichem Verständnis die Ruhepausen. Das System entspreche auch § 14 TV Ärzte/VKA. Dass die Vorschrift nicht die Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen, sondern im arbeitsschutzrechtlichen Sinne meine, zeige auch ihre systematische Stellung. Im Abschnitt II., soweit in diesem Abschnitt gesonderte Vergütungstatbestände für Sonderformen der Arbeit normiert seien, seien hierfür die abschließenden Regelungen der §§ 10 und 12 TV - Ärzte/VKA ausschließlich maßgebend. Die Vergütung für die grundsätzlich geschuldete Leistung sei dagegen in Abschnitt III "Entgelt und Eingruppierung" geregelt. Insoweit verwendeten die Tarifvertragsparteien unterschiedliche Begriffe für die Arbeitszeit i. S. d. ArbZG und vergütungsrelevante Arbeitsleistung. Auch die europäischen und nationalen Regelungen verwendeten unterschiedliche Arbeitszeitbegriffe nach jeweiliger Schutzrichtung, so Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003, deren Arbeitszeitbegriff in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG umgesetzt worden sei. Zweckrichtung sei vornehmlich der Gesundheitsschutz. § 14 TV - Ärzte/VKA habe den arbeitsschutzrechtliche Begriff der Richtlinie und des ArbZG verwendet. Die Vorschrift füge sich in die Rechtsprechung des BAG ein und berücksichtige das Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 - C - 55/18. Hätten die Tarifvertragsparteien von der Unterscheidung der Arbeitszeitbegriffe abrücken wollen, hätten sie dies deutlich zum Ausdruck bringen müssen. Mit einer Auslegung der Vorschrift, dass mit ihrer Fiktion der Arbeitszeit auch "verbotene" Arbeitszeit vergütet werden sollte, würde die Regelung den Arbeitsschutzgedanken gerade konterkarieren, denn sie wäre geeignet, die einzelnen Ärzte zu verleiten, Schutzzeiten zu ignorieren, um eine höhere Vergütung zu erreichen. Die Vorschrift verstieße dann gegen den arbeitsschutzrechtlichen Gedanken des ArbZG und der Richtlinie und somit gegen ein gesetzliches Verbot. Damit wäre die Norm insoweit nach § 134 StGB nichtig. Sinn und Zweck der Regelung sei es hingegen gewesen, die Ruhezeit einzuhalten und damit Sicherheit und Gesundheit zu gewährleisten.
Es liege auch ein anderer Fall als der vom LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 13.11.2018 - 10 Sa 1244/17 - zugrunde gelegte vor. Hier habe die Beklagte gemeinsam mit dem Betriebsrat ein ausgeglichenes System geschaffen, welches einen geordneten Betrieb gewährleiste, auf individuelle Belange der Beschäftigten trotz Schichtbetriebs Rücksicht nehme und die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen berücksichtige.
Eine Überstundenvergütung ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des EuGH vom 19. Oktober 2023 - C - 660/20. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Mehrarbeits- und der Überstundenvergütung im Entgeltsystem des TV-Ärzte/VKA führe dazu, dass die Überstundenvergütung auch einschließlich des Überstundenzuschlags nicht zwangsläufig ein höheres Entgelt als die Mehrarbeitsvergütung sei. Bei einem differenzierten und differenzierenden Entgeltsystem wie dem des TV Ärzte/VKA oder des gleichlautenden TVöD-K könne die Frage, ob Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollbeschäftigten ungleich behandelt würden, daher nicht durch den bloßen Blick auf den den Teilzeitbeschäftigten nicht gezahlten Überstundenzuschlag beantwortet werden (unter Bezugnahme auf BAG, Urteil vom 15.10.2021- 6 AZR 253/19 - BAGE 176, 79 - 94).
Wegen des Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle beider Instanzen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Berufung der Klägerin gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist statthaft. Sie wurde gemäß §§ 64 Abs. 1, 2 lit. b), 66 Abs. 1 ArbGG form - und fristgerecht eingelegt und wenn auch knapp, aber dennoch ausreichend innerhalb der hierfür geltenden Frist begründet.
1. Das Arbeitsgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf Rechtsfehlen noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 64 Abs. 6 ArbGG, § 513 Abs. 1 ZPO).
2. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Mehrarbeits- bzw. Überstundenvergütung aus §§ 611 Abs. 1, 611 a Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 1, 2 TV-Ärzte/ VKA. Die Klägerin hat die geltend gemachten Mehrarbeits - bzw. Überstunden bereits nicht hinreichend dargelegt.
a) Da Pausenzeiten keine Arbeitszeiten darstellen (BAG 28. September 1972 - 5 AZR 198/72 - Rn. 21, juris), die elektronische Arbeitszeiterfassung der Beklagten für den streitgegenständlichen Zeitraum jedoch gerade 59:03 Stunden als Pausenzeiten ausgewiesen hat, ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet für die Erbringung von Überstunden in Form von Arbeiten während der abgezogenen Pausen. Denn Pausen sind im Voraus feststehende Unterbrechungen der Arbeit, in denen der Arbeitnehmer weder Arbeit zu leisten, noch sich dafür bereitzuhalten hat und frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann (BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 - 5 AZR 886/12 Rn. 21, juris; Urteil vom 23. September 1992 - 4 AZR 562/91 Rn. 20, juris; Urteil vom 16. Dezember 2009 - 5 AZR 157/09 - Rn. 10, juris). Weil sie keine Arbeit, sondern eine Unterbrechung der Arbeit sind (§ 4 Satz 1 ArbZG), zählen sie nicht zur Arbeitszeit, § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG (BAG, Urteil vom 18. November 2009 - 5 AZR 774/08 - Rn. 13, juris) und müssen nicht nach § 611 a Abs. 2 BGB vergütet werden (vgl. zu § 611 BGB BAG, Urteil vom 20. April 2011 -5 AZR 200/10 - Rn. 21, juris).
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte ihr diese Pausen innerhalb der Festpausenzeit von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr arbeitstäglich gewährt, wenn die ursprünglich 6-stündige Schicht auf eine Arbeitszeit von über 6 Stunden verlängert wurde.
aa. Eine Ruhepause ist durch den Arbeitgeber tatsächlich gewährt, wenn die zeitliche Lage und Dauer der Pause vor deren Beginn feststeht, die Pause die Arbeitszeit auch unterbricht und der Arbeitnehmer während der Pause keinerlei Arbeitspflicht - auch nicht in Form von Arbeitsbereitschaft - unterliegt (BAG, Urteil vom 25. Februar 2015 - 1 AZR 642/13 - Rn. 28, juris). Denn erfüllt eine Regelung des Arbeitgebers dieses Erfordernis, hat er im Sinne des § 362 BGB alles Erforderliche getan, um seine Verpflichtung, eine Pause zu gewähren, zu erfüllen. Nunmehr liegt es beim Arbeitnehmer die Leistung anzunehmen.
bb. Die Pausenzeit wurde in § Nr. 3 der wirksamen und nachwir kenden Rahmenbetriebsvereinbarung über flexible Arbeitszeiten vom 14.12.2016 festgelegt. Soweit eine Pause aus nicht vorhersehbaren dienstlichen Gründen nicht genommen wer den konnte, hatten die Betriebsparteien darin eine Korrekturmöglichkeit vorgesehen, wonach eine Anrechnung nach Begründung des nicht vorhersehba ren dienstlichen Umstandes und der Bestätigung der/des Vorgesetz ten erfolgen konnte.
(1) Auch die Klägerin unterfiel dem persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung, denn diese unterscheidet - wie auch das ArbZG - nicht zwischen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten, sondern sie galt nach § 1 für alle Beschäftigten der Beklagten.
(2) Die Betriebsvereinbarung wirkte auch über den 31.12.2018 fort und galt somit für den streitgegenständlichen Zeitraum. Nach § 77 Abs. 6 BetrVG gelten nach Ablauf einer Betriebsvereinbarung ihre Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dies betrifft die Angelegenheiten der zwingenden Mit bestimmung, zu denen auch das Mitbestimmungsrecht zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage (87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) gehört. Die Beklagte hat auch - unabhängig von der Festpausenzeit - angeordnet, dass die Klägerin bei einem Arbeiten über 6 Stunden täglich eine Pause zu nehmen hat. Dies ergibt sich schon aus dem automatischen Pausenabzug nach § 3 der Rahmenbetriebsvereinbarung. Der automatische Pausenabzug ist auch wirksam. Er zwingt die Arbeitnehmer damit zu nichts anderem als zur Einhaltung der Vorgaben von § 4 ArbZG und § 10 der Betriebsvereinbarung, nämlich der Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Pausenzeiten.
(3) Die Klägerin hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass es ihr unmöglich gewesen sei die Pause zu nehmen. Für die Klägerin war stets absehbar, dass sie länger als die eingeplanten 6 Stunden arbeiten wird, da dies der Regel- und nicht der Ausnahmefall war. Dies erkennt man an der Dokumentation ihrer Arbeitszeit. Aber auch bei erst zum Arbeitsende erkennbarer Notwendigkeit von Überstunden wäre die Klägerin nach § 4 Satz 3 ArbZG verpflichtet gewesen, zunächst eine halbe Stunde Pause zu machen. Das Arbeitszeitgesetz verpflichtet insofern auch den Arbeitnehmer.
c) Die Klägerin hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass sie auf Veranlassung der Beklagten die Pausen nicht genommen und stattdessen durchgearbeitet hat. Denn für eine Vergütung derselben reichen das Erscheinen oder Verbleiben am Arbeitsplatz und die Arbeitsaufnahme als solche nicht aus (vgl. BAG, Urteil vom 25. April 2007 -5 AZR 504/06 - Rn. 20, juris). Daraus wird für den Arbeitgeber nicht deutlich, dass der Arbeitnehmer auch dann arbeiten möchte, wenn er die angeordnete Pause nehmen soll.
aa) Die Darlegungs- und Beweislast für überobligatorische Arbeitsleistung beurteilt sich nach den für die Vergütung von Überstunden entwickelten Grundsätzen (BAG, Urteil vom 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 Rn. 34, juris). Denn die Klägerin macht geltend, sie habe über die Normalleistung hinaus Leistungen erbracht und hierfür vom Arbeitgeber keine Vergütung erhalten. Die der Klägerin obliegende Darlegungs- und Beweislast besteht auch nach der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 - C - 55/18 - Ccoo fort (vgl. BAG 4.5.2022 - 5 AZR 359/21 - NZA 2022, 1267 - 1271). Die Pflicht zur Messung der Arbeitszeit hat keine Auswirkung auf die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess (vgl. ausführlich dazu BAG, Urteil vom 04.05.2022 - 5 AZR 359/21 - aaO Rn. 22 ff). Denn zwischen arbeitsschutzrechtlicher und vergütungsrechtlicher Einordnung als Arbeitszeit ist zu unterscheiden. Unionsrechtliche Regelungen aus der Arbeitszeitrichtlinie finden grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung von Arbeitnehmern. Zwischen dem durch das Unionsrecht verbürgten Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und der Überstundenvergütung besteht auch kein funktionaler Zusammenhang in Gestalt eines Abhängigkeitsverhältnisses (vgl. BAG, Urteil vom 04.04.2022 - 5 AZR 359/21 - aaO Rn. 22 ff). Die vergütungsrechtliche Arbeitszeit bestimmt sich unabhängig davon, ob es sich um Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne handelt (BAG, Urteil vom 04.05.2022 - a.a.O. Rn. 27; BAG 10. November 2021 -10 AZR 261/20 - Rn.24).
bb) Besonderheiten bestehen auch nicht für in kommunalen Krankenhäusern beschäftigte Ärzte/Ärztinnen. Die Darlegungs- und Beweislast für genommene Pausen wurde nicht durch § 14 Satz 2 TV- Ärzte/VKA i.d.F. ab dem 1.7.2019 auf den Arbeitgeber übertragen. Zwar gilt danach die gesamte Anwesenheit der Ärztinnen und Ärzte abzüglich der tatsächlich gewährten Pausen als Arbeitszeit. Diese Vorschrift hat aber ebenso wenig wie die Arbeitszeitrichtlinie oder das Arbeitszeitgesetz Auswirkungen auf die Vergütungspflicht von Arbeitszeit und ihre Darlegungs- und Beweislast. Denn die Vorschrift ist so auszulegen, dass es sich um eine arbeitszeitrechtliche und nicht um eine vergütungsrechtliche Regelung handelt.
(1) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der die Berufungskammer folgt, den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt. Außerdem sind Tarifnormen, soweit sie dies zulassen, grundsätzlich so auszulegen, dass sie nicht im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehen und damit Bestand haben. Gesetze sind wiederum - soweit Unionsrecht umgesetzt wird - unionsrechtskonform auszulegen, wenn dies möglich ist. Die richtlinienkonforme Auslegung eines nationalen Gesetzes kann sich demnach auf die Auslegung eines Tarifvertrags auswirken (vgl. BAG 28.03.2023 - 9 AZR 219/22 - Rn. 12 mwN, juris).
(2) Wie bereits die Überschrift von § 14 TV - Ärzte/VKA belegt, regelt die Vorschrift die Arbeitszeitdokumentation. Es handelt sich also um eine arbeitsschutzrechtliche Vorschrift. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist auch eine Trennung von arbeitsschutzrechtlichen und vergütungsrechtlichen Ansprüchen möglich. Sie haben eine unterschiedliche Zweckrichtung. Arbeitszeit nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) ist jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt. Dieser Begriff findet sich entsprechend in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG. Sinn und Zweck der Richtlinie und des ArbZG ist die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer. In diesem Zusammenhang steht auch die Pflicht nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Sinne des §§ 2 Abs. 1 ArbZG der Arbeitnehmer zu erfassen (BAG, Beschluss vom 13. September 2022 - 1 ABR 22/21 -NZA 2022, 2561-2567). So ist auch § 14 TV-Ärzte/VKA zu verstehen. Die Tarifvertragsparteien verwenden den arbeitsschutzrechtlichen Begriff der Richtlinie und des ArbZG. Die Formulierung berücksichtigt die Rechtsprechung des BAG und das Urteil des EuGH vom 14. Mai 2019 - C-55/, wonach die Arbeitgeber verpflichtet sind, ein System einzurichten, mit dem von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie gemessen werden kann. Hätten die Tarifvertragsparteien von der Unterscheidung des arbeitszeitrechtlichen Arbeitszeitbegriffs und dem vergütungsrechtlichen abweichen wollen, hätten sie dies deutlich machen müssen (vgl. BAG, Urteil vom 19. Februar 2019 - 9 AZR 321/16, NZA 2019, 1043-1046). Sinn und Zweck der Vorschrift kann es auch nicht gewesen sein, den einzelnen Arzt/die einzelne Ärztin zu verleiten die Schutzzeiten zu ignorieren, um eine höhere Vergütung zu erreichen. Denn dies würde arbeitszeitrechtliche Verstöße fördern und dem Schutzzweck des ArbZG und der Arbeitszeitrichtlinie zuwiderlaufen.
bb) Die Klägerin hat auch nicht dargelegt, dass die Überstundenleistung durch die Beklagte veranlasst war.
(a) Neben der objektiven Vergütungserwartung setzt der Anspruch auf Überstundenvergütung voraus, dass der Arbeitnehmer Arbeit in einem die vereinbarte Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang erbracht und der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden veranlasst hat oder sie ihm zumindest zuzurechnen ist (BAG 10.April 2013 -5 AZR 122/12-Rn.9, 13ff.; 21.Dezember 2016 -5AZR 362/16-Rn.21, BAGE157, 347- jeweils mwN). Eine solche Veranlassung ist aber erforderlich. Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen und seines Direktionsrechts nach § 106 GewO dem Arbeitnehmer in qualitativer und quantitativer Hinsicht die zu erbringende Arbeitsleistung zuzuweisen. Der Arbeitnehmer kann sich nicht über die vertraglichen Vereinbarungen hinaus selbst Arbeit "geben" und seinen Arbeitsumfang erhöhen (vgl. BAG 17.06.2023 - 5 AZR 359/21- NZA 2022, 1267 - 1271 Rn. 18 m.w.N.). Für die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung als -neben der Überstundenleistung- weitere Voraussetzung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung müssen Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig gewesen sein (st. Rspr., vgl. nur BAG 10.April 2013 -5 AZR 122/12-Rn.14 m.w.N.). Auch für diese Voraussetzung trägt der Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG 25.März 2015 -5 AZR 602/13 - Rn.18, BAGE 151, 180; 10.April 2013 - 5 AZR 122/12 -Rn.15 ff.); An dieser Rechtsprechung hat der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts zuletzt festgehalten (BAG 17.06.2023 - 5 AZR 359/21- Rn. 20 m.w.N.). Denn einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede (Mehr-)Leistung zu vergüten ist, gibt es nicht (vgl. zur Vergütung von Mehrarbeit BAG 15.November 2018 -6 AZR 385/17-Rn.25; 23.September 2015 -5AZR 626/13-Rn.21). Entscheidet sich der Arbeitnehmer aus freien Stücken ohne jede arbeitgeberseitige Veranlassung zu einer überobligatorischen Leistung, entspricht dies nicht dem vertraglich Vereinbarten und dem Konzept des Arbeitgebers, der den Betriebsablauf gestaltet, weshalb der Arbeitnehmer für eine solche Leistung keine zusätzliche Vergütung erwarten kann (vgl. BAG 15. November 2018 - 6 AZR 385/17 - Rn. 34).
Das Erfordernis der Anordnung der geleisteten Überstunden sieht auch der Tarifvertrag vor, vgl. § 9 Abs. 5 TV-Ärzte/VKA "auf Anordnung des Arbeitgebers" und § 7 Abs. 6 TV-Ärzte VKA "begründete betriebliche / dienstliche Notwendigkeit".
(b) Zunächst hatte die Klägerin in ihrer ersten Email an die Beklagte nur vorgetragen, "nicht regelmäßig eine Pause gemacht zu haben". An welchen Tagen sie tatsächlich keine Pause gemacht hat, ließ sie dabei offen, bis ihr Vortrag - spätestens im Rahmen der Klage - dahingehend lautete, dass sie nie eine Mittagspause gemacht habe außer an den Tagen, an denen sie sich für eine solche ausgestempelt hat. Die Klägerin hat allerdings nicht dargelegt, welche Arbeiten sie genau zu den Pausenzeiten gemacht haben will. Sie hat auch nicht vorgetragen, dass die durch die nicht genommenen Pausen entstandenen Überstunden durch das beklagte Klinikum veranlasst worden seien. Sie hat nicht vorgetragen, wer überhaupt angeordnet haben will, dass sie die Pause nicht nimmt und damit Überstunden leistet. Auch zur Notwendigkeit der Arbeitsüberschreitung überhaupt (über die Pause hinaus) hat sie nichts vorgetragen, was im Prozess auch nicht erforderlich war, weil die Beklagte die von der Klägerin bei der Beklagten verbrachte Zeit - wie aus der Zeitdokumentation ersichtlich - als vergütungspflichtige Arbeitszeit anerkannt und bezahlt hat. Lediglich für die Pause erfolgte keine Vergütung. Allein die Anwesenheit des Arbeitnehmers am Arbeitsort begründet aber allgemein nicht die Ver mutung, die Überstunden seien notwendig gewesen. Die Klägerin hat nicht einmal substantiiert vorgetragen, dass die Überstunden betrieblich notwendig waren, was voraussetzt, dass die Arbeit nur unter Ableistung der Überstunden zu bewältigen ist und somit konkludent angeordnet wurde (vgl. BAG, Urteil vom 15. Juni 1961 - 2 AZR 436/60 juris, Urteil vom 17. April 2002 - 5 AZR 644/00, Urteil vom 29. Mai 2002-5 AZR 370/01 -, juris; Urteil vom 28. Januar 2004 - 5 AZR 530/02 juris; Urteil vom 25. Mai 2005 - 5 AZR 319/04 -, juris). Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass in Krankenhäusern tätige Ärzte die Pausen durcharbeiten müssen, gibt es nicht; dies gilt auch für die Abteilung der Neurochirurgie. Dies würde auch gegen § 4 ArbZG verstoßen. Auch eine Billigung oder Duldung dieser Überstunden ist nicht erkennbar. Eine Billigung beinhaltet die Anerkennung vorher geleisteter Überstunden, der Arbeitgeber muss dabei zu erkennen geben, er sei mit diesen Überstunden einverstanden gewesen (vgl. BAG 04.05.2022 - 5 AZR 359/21 - NZA 2022, 1267 - 1271 Rn. 34). Unter Duldung ist zu verstehen, dass der Arbeitgeber von den Überstunden weiß und keine Vorkehrungen trifft, sie zu unterbinden (vgl. BAG 04.05.2022 - 5 AZR 359/21 - aaO Rn. 36). Da die Beklagte nichts davon wusste, dass die Klägerin keine Pause machte, u. a. weil sie nie ein Korrekturformular ausfüllte, kann sie entsprechende Überstunden aber weder gebilligt noch geduldet haben. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte über entsprechende Anordnungen informiert gewesen wäre. Auch wenn eine ordnungsgemäße Übergabe an den nächsten Arzt/die nächste Ärztin nach Schichtende von dem Klinikum nicht gewährleistet gewesen sein sollte, reicht ein solcher Vortrag nicht aus, ein Durcharbeiten einer Pause zu begründen, gerade weil die Pause auch nicht am Ende der Arbeitszeit liegen soll, weil sie dann keine Unterbrechung der Arbeitszeit mehr darstellen würde.
dd) Diese Pausenzeit konnte auch durch das System der Arbeitszeiterfassung von der täglichen durch "Kommen" und "Gehen" gebuchten Zeit (Arbeitszeit) automatisch abgezogen werden. Hierin liegt kein Verstoß gegen den Tarifvertrag. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Allerdings regelte der TV-Ärzte/VKA weder in seiner bis zum 30.06.2019 noch in seiner danach geltenden Fassung, mit welchem System die Arbeitszeit erfasst werden soll. Bis zum 30.06.2019 enthielt die Regelung die Verpflichtung, die Arbeitszeiten der Ärzte durch elektronische Verfahren oder auf andere Art in geeigneter Weise objektiv zu erfassen und zu dokumentieren. Dies wurde mit Wirkung ab dem 01.07.2017 auf ein elektronisches oder gleich genaues Verfahren präzisiert, so dass die gesamte Anwesenheit dokumentiert ist. Ein solches System nutzt die Beklagte. Das Erfordernis der "objektiven" Erfassung der Arbeitszeit lässt auch weiterhin einen automatischen Pausenabzug wie in § 4 ArbZG vorgesehenen zu. Es handelt sich bei der Dokumentation der Arbeitszeit auch um eine "positive" Arbeitszeiterfassung, da die Erfassung mit "Kommen" beginnt und mit "Gehen" endet und somit die gesamte Anwesenheit erfasst wird. Die gewährten Pausen müssen auch nicht jeweils positiv bei jedem Arbeitnehmer erfasst werden, sondern die Betriebsvereinbarung hat wirksam ein objektives System der Pausengewährung geschaffen. Der Betriebsrat hat im Rahmen seiner Befugnisse nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG die gesetzlichen Pflichten der Beklagten im Gesundheitsschutz konkretisiert und allgemeine Grundsätze über die Gewährung der Pausen festgelegt.
Damit steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Dass bei Teilzeitbeschäftigten Mehrarbeit i.S.d.§ 9 Abs. 4 TV-Ärzte/VKA nach § 11 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA i.V.m. § 7 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA vorrangig mit Freizeit auszugleichen ist und erst, wenn das aus betrieblichen/dienstlichen Gründen nicht möglich ist, nach § 11 Abs. 2 TV-Ärzte/VKA eine Auszahlung in Betracht kommt, ist vorliegend ebenso wenig von Belang wie die Verpflichtung des Ausgleichs bis zum Ausscheiden der Klägerin nach § 12 der Betriebsvereinbarung, weil die streitgegenständlichen Stunden gerade nicht von der Beklagten als Mehrarbeit oder Überstunden im bestehenden Arbeitsverhältnis anerkannt worden waren und die Klägerin somit keine Möglichkeit für diesen Ausgleich hatte.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
C. Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Rechtsfragen, ob § 14 TV Ärzte/VKA die Darlegungs- und Beweislast im Überstundenprozess ändert und ob ein automatischer Pausenabzug auch nach der Entscheidung des EuGH vom 14. Mai 2019 - C - 55/18 - zulässig ist, haben grundsätzliche Bedeutung.
HerrmannDr. Weyerich-GerhardtDührverkündet am 29.11.2023