30.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242922
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 15.05.2024 – 14 SLa 81/24
1. Eine Arbeit ist nicht zumutbar iSv. § 11 Nr. 2 KSchG, wenn der Nettoverdienst nur geringfügig höher als das Arbeitslosengeld I ist, Kosten für die Arbeitswege mit dem Pkw anfallen, zu befürchten ist, dass der gekündigte Arbeitnehmer seine Expertise bei der anderen Tätigkeit verliert, sowie Probleme bei der Kinderbetreuung bestehen.
2. Bei einer in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebenen Zielvorgabe ist der Arbeitgeber in gleicher Weise wie bei einer pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossenen Zielvereinbarung zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, allerdings ohne dass ein Mitverschulden des Arbeitnehmers in Betracht kommt.
Tenor: I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.01.2024 - 5 Ca 1720/23 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, 1. an die Klägerin für den Monat Juli 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.408,70 € netto und abzüglich weiterer 450,00 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2022 zu zahlen; 2. an die Klägerin für den Monat August 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.408,70 € netto und abzüglich weiterer 450,00 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2022 zu zahlen; 3. an die Klägerin für den Monat September 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.408,70 € netto und abzüglich weiterer 450,00 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2022 zu zahlen; 4. an die Klägerin für den Monat Oktober 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.609,90 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2022 zu zahlen; 5. an die Klägerin für den Monat November 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.609,90 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2022 zu zahlen; 6. an die Klägerin für den Monat Dezember 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.609,90 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2023 zu zahlen; 7. an die Klägerin für den Monat Januar 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.606,10 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2023 zu zahlen; 8. an die Klägerin für den Monat Februar 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.606,10 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2023 zu zahlen; 9. an die Klägerin für den Monat März 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.606,10 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2023 zu zahlen; 10. an die Klägerin für das Jahr 2022 einen Bonus (Target Incentive) iHv. 12.755,70 € brutto zu zahlen; 11. an die Klägerin für das Jahr 2023 einen anteiligen Bonus (Target Incentive) iHv. 15.994,62 € brutto zu zahlen; 12. an die CC. AG, Niederlassung für Deutschland, BAV-Nr.: 97XX, KVV-Nr.: 7113XX-3, EV-Nr.: 90692XX-7, die rückständigen Zahlungen der betrieblichen Altersversorgung für den Zeitraum von Juli 2022 bis März 2023 iHv. insgesamt 1.116,00 € zu zahlen; 13. an die CC. AG, Niederlassung für Deutschland, BAV-Nr. 97XX, KVV-Nr. 7113XX-2, EV-Nr. 90677XX-A, die rückständigen Zahlungen der betrieblichen Altersversorgung für Januar 2023 iHv. 1.800,00 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 37 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 21 % und die Beklagte zu 79 %. Vorab hat die Beklagte jedoch die Kosten der Beweisaufnahme zu tragen. III. Die Revision wird hinsichtlich der Berufungsanträge zu 10. und 11. für die Beklagte zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs sowie über Schadensersatz wegen der Unterlassung einer Zielvorgabe.
Die am 13.02.1977 geborene Klägerin war seit dem 01.02.2013 bei der Beklagten tätig, zuletzt als Key Account Manager bei einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung iHv. 10.250,00 €. Die Klägerin ist Textilbetriebswirtin und war ausschließlich im Bereich Mode beschäftigt. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die im Mai 2022 drei und zwölf Jahre alt waren.
Die Beklagte betrieb unter der Marke F. einen Online-Shop, über den sie Produkte an registrierte Kunden verkaufte.
Das monatliche Festgehalt der Klägerin betrug 7.592,48 € brutto und war gemäß Nr. 3.1 des Arbeitsvertrags vom 21.12.2012 zum Ende des laufenden Monats fällig (vgl. Anlage K1 zur Klageschrift vom 12.04.2023). Die Beklagte zahlte an die Klägerin für eine betriebliche Altersversorgung in Form einer Direktversicherung bei der CC. AG monatlich einen Zuschuss iHv. 124,00 € zur BAV-Nr. 97XX, KVV-Nr. 7113XX-2 und EV-Nr. 90677XX-A und jährlich mit dem Gehalt für Januar einen Zuschuss iHv. 1.800,00 € zur BAV-Nr. 97XX, KVV-Nr. 7113XX-3 und EV-Nr. 90692XX-7 und führte diese Beiträge unmittelbar an die CC. AG ab (vgl. Anlagen B5 und B15 zur Berufungsbegründung vom 27.03.2024).
Die jährliche variable Vergütung betrug für die Klägerin 31.889,24 € brutto und wurde mit dem Gehalt für Dezember ausbezahlt. Die Beklagte gab der Klägerin zu erreichende persönliche und unternehmensbezogene Ziele einseitig vor. Für das Jahr 2016 erhielt die Klägerin die volle variable Vergütung. Im Jahr 2017 bezog die Klägerin ab dem 18.10.2017 Krankengeld und erhielt aus diesem Grund nur einen Teil der variablen Vergütung. In den Jahren 2018 bis 2021 zahlte die Beklagte an die Klägerin wegen ihres Mutterschutzes bzw. ihrer Elternzeit keine variable Vergütung. Bis 2020 erzielte die Beklagte Verluste. 2021 erzielte sie erstmals ein positives Ergebnis. Herr N. von der Beklagten übersandte der Klägerin am 22.02.2022 die Zielvorgaben für das Jahr 2022 (vgl. Anlage B8 zur Berufungsbegründung vom 27.03.2024). Die variable Vergütung war im Umfang von 60 % an das Erreichen von Unternehmenszielen und im Umfang von 40 % an das Erreichen persönlicher Ziele gekoppelt. Zur Erreichung des Unternehmensziels war es erforderlich, dass die Beklagte im Geschäftsjahr 2022 ein EBITDA iHv. mehr als 502.000,00 € erzielt.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 18.03.2022 zum 30.06.2022. Die Klägerin erhob eine Kündigungsschutzklage. Für den Zeitraum von Juli 2022 bis März 2023 zahlte die Beklagte der Klägerin keine Vergütung und führte keine Zahlungen für die betriebliche Altersversorgung der Klägerin ab.
Am 03.05.2022 unterbreitete Herr I. von der Agentur für Arbeit der Klägerin einen Vermittlungsvorschlag der U. GmbH für eine Stelle Sachbearbeiterin Einkauf. Die U. GmbH beschäftigt sich mit der Produktion und dem Vertrieb von Serviceverpackungen. Nach Rücksprache mit Frau J. von der Agentur für Arbeit bewarb sich die Klägerin nicht auf diese Stelle. Am 30.05.2022 erhielt die Klägerin einen Vermittlungsvorschlag vom Jobcenter Duisburg für eine Stelle Key Account Manager bei der T. GmbH & Co. KG (vgl. Anlage B19 zum Schriftsatz der Klägerin vom 03.05.2024). Die T. GmbH & Co. KG vermietet Arbeitskleidung für Handwerk, Gesundheitswesen und Industrie. Die Klägerin bewarb sich nach Rücksprache mit Frau B. von der Agentur für Arbeit nicht auf diese Stelle.
Die Klägerin bewarb sich bei der Firma D. und erhielt eine Absage. Sie unterstützte die türkische Firma V. dabei, eine deutsche Firma zu gründen und Verträge mit der Verkaufsplattform M. abzuschließen. Ein Jobangebot der Firma V. erhielt sie nicht. Sie traf sich mit Frau L. von der H., um Bewerbungen außerhalb der Modebranche zu versuchen. Sie ging vom 01.07.2022 bis zum 30.09.2022 einer geringfügigen Beschäftigung bei der P. GmbH & Co. KG nach, für die sie 450,00 € brutto im Monat erhielt.
Die Klägerin bezog für die Monate Juli 2022 bis März 2023 Arbeitslosengeld. In den Monaten Juli 2022 bis September 2022 erhielt sie jeweils 2.408,70 € netto, weil ihr Nebenverdienst bei der P. GmbH & Co. KG zu einer Kürzung von monatlich 193,20 € netto führte. In den Monaten Oktober 2022 bis Dezember 2022 bekam sie jeweils 2.609,90 € netto und ab Januar 2023 jeweils 2.609,10 € netto.
Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 26.08.2022 - 7 Ca 1844/22 - fest, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet habe. Das Landesarbeitsgericht wies mit Urteil vom 22.02.2023 - 4 Sa 651/22 - die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurück.
Im Jahr 2022 erwirtschaftete die Beklagte einen Jahresfehlbetrag iHv. mehr als 5.000.000,00 €. In den ersten Monaten des Jahres 2023 erzielte die Beklagte Fehlbeträge iHv. 330.000,00 € im Januar, iHv. 450.000,00 € im Februar und iHv. 417.000,00 € im März.
Mit Schreiben vom 28.03.2023, das der Klägerin am 29.03.2023 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2023. Zum 30.06.2023 stellte die Beklagte ihren Geschäftsbetrieb ein. Die Beklagte zahlte für das Jahr 2023 an keinen Mitarbeiter einen Bonus aus.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beklagte ihr Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum von Juli 2022 bis März 2023 schulde. Sie hat bestritten, dass sie ein Entgelt von der Firma V. erhalten oder Erwerbsmöglichkeiten böswillig unterlassen habe. Die Stellen bei der U. GmbH und der T. GmbH & Co. KG seien ihr nicht zumutbar gewesen, weil beide Unternehmen nicht in der Modebranche tätig seien und die Vergütung weniger als 50 % der Vergütung bei der Beklagten betragen habe.
Die Klägerin hat beantragt, wobei der Kündigungsschutzantrag am 12.04.2023 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 20.04.2023 zugestellt worden ist,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 28.03.2023 nicht zum 30.06.2023 aufgelöst ist; 2. die Beklagte zu verurteilen, sie zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Key Account Managerin weiter zu beschäftigen; 3. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Juli 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 4. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat August 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 5. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat September 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 6. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Oktober 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 7. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat November 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 8. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Dezember 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 9. die Beklagte zu verurteilen, für das Jahr 2022 einen Bonus (Target Incentive) iHv. 31.889,24 € brutto zu zahlen; 10. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Januar 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 11. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Februar 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 12. die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat März 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01. des Folgemonats abzüglich etwaiger auf die Agentur für Arbeit übergegangener Ansprüche zu zahlen; 13. die Beklagte zu verurteilen, für das Jahr 2023 einen anteiligen Bonus (Target Incentive) iHv. 15.994,62 € brutto zu zahlen; 14. die Beklagte zu verurteilen, ihr rückständige Zahlungen der betrieblichen Altersversorgung für die Zeit von Juli 2022 bis März 2023 iHv. insgesamt 1.188,00 € nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 132,00 € seit dem 01.08.2022, 01.09.2022, 01.10.2022, 01.11.2022, 01.12.2022, 01.01.2023, 01.02.2023, 01.03.2023, 01.04.2023 zu zahlen; 15. die Beklagte zu verurteilen, ihr die anteiligen Kosten für die Risikolebensversicherung für das Jahr 2023 iHv. 1.800,00 € nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2023 zu zahlen; 16. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Abschlusszeugnis mit der Note "sehr gut" zu erteilen.Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung habe, weil sie anderweitigen Verdienst böswillig unterlassen habe. Dies betreffe auch den geltend gemachten Bonusanspruch.
Mit Urteil vom 25.01.2024 hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kündigungsschutzantrag und der Weiterbeschäftigungsantrag seien unbegründet, weil die Kündigung wirksam sei. Sie sei durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und des substantiierten Vortrags der Beklagten sei von einer Betriebsschließung auszugehen. Die auf Zahlung von Annahmeverzugslohn gerichteten Klageanträge zu 3. bis 8 und 10. bis 12. seien unzulässig, weil die Klägerin die auf die Agentur für Arbeit übergegangenen Beträge nicht beziffert habe. Die auf die Zahlung von Boni gerichteten Anträge zu 9. und 13. sowie die Anträge zu 14. und 15. seien unbegründet. Nach dem Vortrag der Klägerin seien Zahlungsansprüche nicht nachzuvollziehen. Auf den Antrag zu 16. sei die Beklagte zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses zu verurteilen. Der Antrag sei aber insoweit abzuweisen, als die Klägerin eine konkrete Note beantragt habe. Eine Endnote könne erst im Rahmen der Berichtigung verlangt werden.
Gegen das ihr am 29.01.2024 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 06.02.2024 Berufung eingelegt und diese am 27.03.2024 begründet. Sie bringt in ihren geänderten Anträgen auf Annahmeverzugsvergütung das erhaltene Arbeitslosengeld in Abzug. Sie ist der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf eine variable Vergütung iHv. 31.889,24 € für das Jahr 2022 habe. Die Nichterreichung der Ziele sei darauf zurückzuführen, dass die Beklagte ihr eine unwirksame Kündigung ausgesprochen habe. Sie habe einen Anspruch auf einen anteiligen Bonus iHv. 15.994,62 € brutto für den Zeitraum von Januar 2023 bis Juni 2023 aus § 280 Abs. 1 und 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB. Die Beklagte müsse die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung iHv. 124,00 € monatlich für den Zeitraum von Juli 2022 bis März 2023 und iHv. 1.800,00 € für Januar 2023 zahlen.
Nachdem sie ihre Berufungsanträge für die Monate Juli bis August 2022 um jeweils 450,00 € netto reduziert und ihre Anträge auf Zinszahlungen teilweise zurückgenommen hat, beantragt die Klägerin zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 25.01.2024 - 5 Ca 1720/23 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie für den Monat Juli 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.408,70 € netto und abzüglich weiterer 450,00 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2022 zu zahlen; 2. an sie für den Monat August 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.408,70 € netto und abzüglich weiterer 450,00 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen; 3. an sie für den Monat September 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.408,70 € netto und abzüglich weiterer 450,00 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen; 4. an sie für den Monat Oktober 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.609,90 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen; 5. an sie für den Monat November 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.609,90 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen; 6. an sie für den Monat Dezember 2022 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.609,90 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.01.2023 zu zahlen; 7. an sie für den Monat Januar 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.606,10 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen; 8. an sie für den Monat Februar 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.606,10 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen; 9. an sie für den Monat März 2023 Annahmeverzugslohn iHv. 7.592,48 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. 2.606,10 € netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. des Folgemonats zu zahlen; 10. an sie für das Jahr 2022 einen Bonus (Target Incentive) iHv. 31.889,24 € brutto zu zahlen; 11. an sie für das Jahr 2023 einen anteiligen Bonus (Target Incentive) iHv. 15.994,62 € brutto zu zahlen; 12. an die CC. AG, Niederlassung für Deutschland, BAV-Nr.: 97XX, KVV-Nr.: 7113XX-3, EV-Nr.: 90692XX-7, die rückständigen Zahlungen der betrieblichen Altersversorgung für den Zeitraum von Juli 2022 bis März 2023 in Höhe von insgesamt 1.116,00 € zu zahlen; 13. an die CC. AG, Niederlassung für Deutschland, BAV-Nr. 97XX, KVV-Nr. 7113XX-2, EV-Nr. 90677XX-A, die rückständigen Zahlungen der betrieblichen Altersversorgung für Januar 2023 iHv. 1.800,00 € zu zahlen.Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.Sie ist der Auffassung, dass die von der Klägerin bei der Firma V. sowie bei der P. GmbH & Co. KG erzielten Verdienste auf die geltend gemachten Annahmevergütungsansprüche anzurechnen seien. Sie behauptet, dass die Klägerin es böswillig unterlassen habe, eine ihr zumutbare Arbeit anzunehmen und dadurch einen Zwischenverdienst zu erzielen. Die Agentur für Arbeit und das Jobcenter hätten der Klägerin nicht lediglich die beiden Vermittlungsvorschläge bei der U. GmbH und bei der T. GmbH & Co. KG unterbreitet. Für diese Stelle bei der U. GmbH sei nicht eine jährliche Vergütung iHv. 40.000,00 € bis 45.000,00 € und für die Stelle bei der T. GmbH & Co. KG nicht eine jährliche Vergütung iHv. 50.000,00 € bis 55.000,00 € vorgesehen gewesen. Sie ist der Ansicht, dass selbst bei Unterstellung dieser Angaben als zutreffend die Aufnahme der Tätigkeit für die Klägerin zumutbar gewesen sei. Bei der bisherigen Vergütung der Klägerin sei nur das Fixgehalt als sichere Einkommensquelle zu betrachten. Eine Gehaltssenkung um mehr als ein Drittel sei nach der Entscheidung des BAG vom 26.09.2007 - 5 AZR 870/06 - zumutbar. Bei nur zwei Bewerbungen in zwölf Monaten habe sich die Klägerin nicht ausreichend selbst um eine anderweitige Tätigkeit bemüht. Sie hätte im Umfang einer Vollzeitstelle Bewerbungsbemühungen entfalten können.
Der Anspruch auf einen Bonus für 2022 sei wegen des böswilligen Unterlassens der Annahme einer anderweitigen Tätigkeit ebenfalls ausgeschlossen. Außerdem seien die Unternehmensziele nicht erfüllt. Für 2023 stehe der Klägerin kein Bonus zu, weil es der Beklagten in ihrer wirtschaftlichen Situation nicht mehr zumutbar gewesen sei, noch Bonuszahlungen zu leisten. Zudem trage die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden, weil sie die Beklagte nicht aufgefordert habe, ihr bonusrelevante Ziele mitzuteilen.
Die Kammer hat Beweis durch Vernehmung der Zeugen B und I. erhoben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle in beiden Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet, weil die zulässigen Berufungsanträge teilweise begründet sind.
A. Die zulässigen Berufungsanträge zu 1. bis 9. sind begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf die geltend gemachte Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum von Juli 2022 bis März 2023 aus § 615 Satz 1 BGB iVm. ihrem Arbeitsvertrag.
I. Die Beklagte war zur Zahlung von Annahmeverzugsvergütung gemäß § 615 Satz 1 BGB verpflichtet. Die Beklagte hat die Klägerin in diesem Zeitraum nicht beschäftigt und befand sich aufgrund ihrer unwirksamen Arbeitgeberkündigung im Annahmeverzug (§§ 293 ff. BGB), ohne dass ein Angebot der Arbeitsleistung erforderlich gewesen wäre (vgl. BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 12; 29.03.2023 - 5 AZR 255/22 - Rn. 13). Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat wegen der Unwirksamkeit der Kündigung vom 18.03.2022 über den 30.06.2022 hinaus fortbestanden. Monatlich war eine feste Vergütung iHv. 7.592,48 € brutto geschuldet.
II. Da im Streitzeitraum nach der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts vom 22.02.2023 - 4 Sa 651/22 - das Arbeitsverhältnis fortbestanden hat, richtet sich die Anrechnung anderweitigen Verdienstes nach § 11 Nr. 1 und Nr. 2 KSchG und nicht nach dem weitgehend inhaltsgleichen § 615 Satz 2 BGB (vgl. BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 13; 08.09.2021 - 5 AZR 205/21 - Rn. 12).
III. Der Klägerin hat im Rahmen ihrer Antragstellung den nach § 11 Nr. 1 KSchG anzurechnenden tatsächlich erzielten anderweitigen Verdienst bei der P. GmbH & Co. KG berücksichtigt. Ein Verdienst bei der Firma V. ist nicht anzurechnen. Die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat nicht erklärt, dass die Klägerin bei dieser Firma ein Entgelt erhalten hat (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast APS/Biebl 24. Aufl. KSchG § 11 Rn. 20; KR/Spilger 13. Aufl. KSchG § 11 Rn. 65). Die Klägerin hat auch die von ihr im Streitzeitraum bezogenen öffentlich-rechtlichen Leistungen berücksichtigt, hinsichtlich derer sie mit Blick auf den kraft Gesetzes eintretenden Anspruchsübergang (§ 115 Abs. 1 SGB X) nicht mehr aktivlegitimiert war.
IV. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen habe.
1. § 11 Nr. 2 KSchG bestimmt, dass sich der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit nach der Entlassung schuldet, das anrechnen lassen muss, was er hätte verdienen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen.
a) Ein Arbeitnehmer unterlässt böswillig iSd. § 11 Nr. 2 KSchG anderweitigen Verdienst, wenn ihm ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt und eine ihm nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl nach Art. 12 GG zumutbare anderweitige Arbeit nicht aufnimmt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert. Der Arbeitnehmer darf auch nicht vorsätzlich verhindern, dass ihm eine zumutbare Arbeit überhaupt angeboten wird (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 17; 12.10.2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 22). Böswilligkeit setzt dabei nicht voraus, dass der Arbeitnehmer in der Absicht handelt, den Arbeitgeber zu schädigen. Fahrlässiges, auch grob fahrlässiges Verhalten reicht allerdings nicht aus (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 17; 24.01.2024 - 5 AZR 331/22 - Rn. 30).
b) In § 11 Nr. 2 KSchG wird dem Arbeitnehmer eine Pflicht zur angemessenen Rücksichtnahme auf die Belange des Arbeitgebers auferlegt. Der Arbeitnehmer soll seine Annahmeverzugsansprüche nicht ohne Rücksicht auf den Arbeitgeber durchsetzen können. Erforderlich für die Beurteilung der Böswilligkeit ist stets eine unter Bewertung aller Umstände des konkreten Falls vorzunehmende Gesamtabwägung der beiderseitigen Interessen (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 18; 19.05.2021 - 5 AZR 420/20 - Rn. 15).
c) Im Rahmen dieser Gesamtabwägung kann eine Verletzung sozialrechtlicher Handlungspflichten zu berücksichtigen sein. Die sozialrechtlichen Handlungspflichten verfolgen zwar vorrangig arbeitsmarktpolitische und sozialversicherungsrechtliche Zwecke, sie können aber dennoch im Rahmen der Anrechnungsvorschriften beim Annahmeverzug zu berücksichtigen sein. Dem Arbeitnehmer kann grundsätzlich auch arbeitsrechtlich das zugemutet werden, was ihm das Gesetz ohnehin abverlangt. Im Rahmen der sozialrechtlichen Gesetzeslage kann daher auch in den Blick zu nehmen sein, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Regelung des § 2 Abs. 5 SGB III zur aktiven Mitarbeit bei der Vermeidung oder Beendigung von Arbeitslosigkeit angehalten ist (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 19; vgl. BAG 27.05.2020 - 5 AZR 387/19 - Rn. 47).
d) Meldet sich der Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend und geht er deren Vermittlungsangeboten nach, wird ihm regelmäßig keine vorsätzliche Untätigkeit vorzuwerfen sein. Aus § 11 Nr. 2 KSchG kann allerdings nicht abgeleitet werden, der Arbeitnehmer dürfe in jedem Fall ein zumutbares Angebot der Agentur für Arbeit abwarten. Vielmehr kann die Abwägung der Interessen im Einzelfall für ihn auch die Obliegenheit begründen, ein eigenes Angebot abzugeben, wenn sich ihm eine realistische zumutbare Arbeitsmöglichkeit bietet (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 20; 22.03.2017 - 5 AZR 337/16 - Rn. 27). Der Arbeitnehmer ist jedoch nicht generell und ohne weiteres verpflichtet, sich unermüdlich um eine zumutbare Arbeit zu kümmern (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 20; aA LAG Berlin-Brandenburg 30.09.2022 - 6 Sa 280/22 - zu I 2 b bb (2) (b) der Gründe).
e) Die anderweitige Arbeit muss zumutbar sein. Dies beurteilt sich insbesondere nach der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit oder den sonstigen Arbeitsbedingungen (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 21; 12.10.2022 - 5 AZR 30/22 - Rn. 14).
aa) Inwieweit der Arbeitnehmer eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sowohl der Art, der Arbeitszeit und des Ortes der anderweitigen Beschäftigung sowie des Verdienstes hinnehmen muss, beurteilt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Eine erhebliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen muss der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht hinnehmen (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 23).
bb) Die Unzumutbarkeit einer anderweitigen Tätigkeit folgt nicht allein schon aus einem geringeren Verdienst im Verhältnis zum bisherigen (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 22). Jedenfalls eine Tätigkeit, bei der der zu erzielende Nettoverdienst unter dem Arbeitslosengeld I läge, ist während des Bezugszeitraums dieser Leistung nicht als zumutbar anzusehen. Weder erfordert die Rücksichtnahme auf den im Annahmeverzug befindlichen Arbeitgeber die Aufnahme einer solchen Tätigkeit, noch handelt der Arbeitnehmer vorwerfbar, wenn er sich für den Bezug der ihn finanziell besser stellenden öffentlich-rechtlichen Leistung entscheidet. Schließlich besteht auch für ihn ein Prozessrisiko im Kündigungsschutzverfahren und damit die Ungewissheit, ob ihm später Vergütungsnachzahlungen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zustehen werden. Andererseits käme ein böswillig unterlassener anderweitiger Verdienst in Betracht, wenn der Kläger eine anderweitige Arbeit nicht aufgenommen oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert hat, bei der er etwas weniger als zuvor verdient hätte und die Arbeit insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Art, der Entfernung der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit zumutbar gewesen wäre (BAG 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - Rn. 25).
2. Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin einen anderweitigen Verdienst nicht böswillig unterlassen.
a) Die Klägerin hat sich nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet. Sie musste den Vermittlungsangeboten nicht nachgehen, weil ihr keine zumutbaren Angebote unterbreitet wurden.
aa) Das Angebot bei der U. GmbH war der Klägerin nicht zumutbar, weil der zu erwartende Verdienst zu gering war und es sich um eine andere Branche handelte.
(1) Die Kammer geht dabei davon aus, dass für die Stelle eine Vergütung iHv. 35.300,00 € bis 48.100,00 € im Jahr vorgesehen war. Die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat durch die Aussage des Zeugen I. diese Vergütungserwartung bewiesen.
(a) Nach dem in § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO verankerten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr zu erachten ist.
(aa) Eine Überzeugungsbildung iSd. § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt nicht immer eine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus. Selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO bedarf es keines naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweises und auch keiner an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (BAG 11.06.2020 - 2 AZR 442/19 - Rn. 62; 31.01.2019 - 2 AZR 426/18 - Rn. 36). Es genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Das Gericht muss ggf. begründen, warum es Restzweifel nicht überwinden konnte. Es darf das Nichterreichen eines ausreichenden Grads an Gewissheit nicht allein darauf stützen, es seien andere Erklärungen theoretisch denkbar (BAG 29.06.2023 - 2 AZR 296/22 - Rn. 46; 24.06.2021 - 5 AZR 505/20 - Rn. 42).
(bb) Bei der Analyse der Glaubhaftigkeit einer spezifischen Aussage ist nach den allgemein anerkannten Grundsätzen der forensischen Aussagepsychologie von der sogenannten Nullhypothese auszugehen. Dies bedeutet, dass im Ansatz davon auszugehen ist, dass die Glaubhaftigkeit einer Aussage positiv begründet werden muss. Erforderlich ist deshalb eine Inhaltsanalyse, bei der die Aussagequalität zu prüfen ist. Es geht um die Ermittlung von Kriterien der Wahrhaftigkeit. Zur Durchführung der Analyse der Aussagequalität existieren Merkmale, die die Überprüfung ermöglichen, ob die Angaben auf tatsächlich Erlebtem beruhen, sogenannte "Realkennzeichen", oder ob sie ergebnisbasiert sind. Das Vorhandensein dieser Real- oder Glaubwürdigkeitskennzeichen gilt als Hinweis für die Glaubhaftigkeit der Angaben (LAG Niedersachsen 29.03.2023 - 2 Sa 313/22 - zu B I 2 d bb (2) (a) der Gründe; LAG Baden-Württemberg 27.04.2022 - 21 Sa 56/21 - zu B II 2 b cc der Gründe; LAG Köln 18.01.2022 - 4 Sa 329/21 - zu II 2 der Gründe; LAG Düsseldorf 10.12.2020 - 5 Sa 231/20 - zu A II 6 b bb (1) der Gründe).
(b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer aufgrund der Aussage des Zeugen I. davon überzeugt, dass für die Stelle eine Vergütung iHv. 35.300,00 € bis 48.100,00 € im Jahr vorgesehen war.
(aa) Der Zeuge I. konnte auf der Grundlage der von ihm im Vorfeld herangezogenen Unterlagen die Vergütungsspanne wiedergeben. In der von ihm gefundenen Anzeige war sie demnach mit diesen Zahlen angegeben. Der Zeuge I. hat nachvollziehbar erklärt, dass und wie er nach den Daten gesucht hat und dass sie wohl wegen der Platzierung im Internet noch verfügbar waren. Der Zeuge I. erschien der Kammer auch glaubwürdig. Er hat die Fragen nur insoweit beantwortet, als er sich vorbereitet hatte. Im Hinblick auf die Stelle bei der T. GmbH & Co. KG hat er eingeräumt, dass er nicht versucht habe, auf den Datensatz zuzugreifen, und deshalb auch nicht sagen könne, ob die Daten noch verfügbar seien.
(bb) Seiner Aussage steht es nicht entgegen, dass die Zeugin B. mit einem Gehaltsrahmen von 35.000,00 € bis 48.000,00 € geringfügig andere Beträge genannt hat. Die Zeugin B. hat sich aus ihrer Erinnerung allein auf das berufen, was der Zeuge I. ihr erzählt hat. Wenn der Zeuge I. in seiner Erzählung oder die Zeugin B. beim Abruf ihrer Erinnerung oder bei der Aussage die genauen Werte auf glatte Beträge gerundet hat, spricht dies nicht dagegen, dass die bei der Arbeitsagentur bekannten Werte 35.300,00 € bis 48.100,00 € betrugen.
(2) Selbst bei einem Jahresgehalt iHv. 48.100,00 € brutto wäre der Nettoverdienst der Klägerin unter Berücksichtigung von Steuern und Sozialabgaben geringer als das nicht wegen des Zusatzverdienstes bei der P. GmbH & Co. KG gekürzte Arbeitslosengeld I iHv. 2.609,90 € netto.
(3) Als weiterer Gesichtspunkt kommt hinzu, dass die Klägerin im Mai 2022 ein nachvollziehbares Interesse daran hatte, nicht in der Verpackungsbranche zu arbeiten, sondern ihre Expertise im Bereich Mode weiterhin zu nutzen und auszubauen. Die Klägerin verfügte aus ihrer jahrelangen Tätigkeit im Bereich der Mode über Fachkenntnisse und Kontakte, die ihre Chancen auf eine Einstellung bei anderen Arbeitgebern dieser Branche erhöhten. Bei der U. GmbH hätte sie ihre Expertise nicht pflegen können. Die U. GmbH war als Hersteller von Serviceverpackungen in einem gänzlich anderen Bereich tätig. Ihre Produkte unterlagen anderen Anforderungen als die der Modebranche. Es ging nicht in erster Linie um ästhetische, sondern vor allem um praktische Fragen. Die U. GmbH vertrieb ihre Produkte an Gewerbetreibende und nicht an Verbraucher. Wäre die Klägerin für die U. GmbH tätig geworden, hätte sie nicht ihre Kontakte in die Modebranche pflegen können, indem sie unentgeltlich die Firma V. unterstützt hat.
bb) Das Angebot bei der T. GmbH & Co. KG war der Klägerin nicht zumutbar, weil der Verdienst wesentlich geringer als bei der Beklagten war, es sich um eine andere Branche handelte und die Klägerin Fahrten nach Duisburg auf sich hätte nehmen müssen.
(1) Es ist von einer jährlichen Vergütungserwartung iHv. 50.000,00 € bis 55.000,00 € brutto und dem Arbeitsort Duisburg auszugehen.
(a) Die Beklagte hat nicht dargelegt und bewiesen, dass die Jahresvergütung höher gewesen wäre. Die von ihr benannten Zeugen S., B. und I. haben keine Angaben zu dem zu erwartenden Jahresgehalt der Stelle gemacht. Die Beklagte hat auch sonst keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass von einem höheren Gehalt auszugehen sei. Sie hätte dazu genauso wie die Klägerin zu Stellen in der Branche recherchieren oder sich bei der T. GmbH & Co. KG erkundigen können.
(b) Nachdem die Klägerin als Arbeitsort Duisburg angegeben hatte, war es an der Beklagten darzulegen und ggf. zu beweisen, dass eine Tätigkeit aus dem Home Office möglich gewesen wäre. Sie hat sich dazu nicht näher erklärt, sondern lediglich bestritten, dass es der Klägerin nicht möglich gewesen wäre, zumindest teilweise im Home Office zu arbeiten.
(2) Bei einem Jahresgehalt iHv. 55.000,00 € brutto wäre der Nettoverdienst der Klägerin nur geringfügig höher als das ungekürzte Arbeitslosengeld I. Daneben sind aber die Kosten für die bei einer Vollzeittätigkeit täglich erforderlichen Fahrten zu der T. GmbH & Co. KG in Duisburg zu berücksichtigen. Bei der von der Beklagten genannten Fahrtzeit von 36 Minuten ist sie davon ausgegangen, dass die Klägerin den Arbeitsweg mit dem Pkw zurücklegt, was erhebliche Kosten verursacht.
(3) Auch bei der T. GmbH & Co. KG hätte die Klägerin ihre Expertise im Modebereich teilweise verloren. Bei Arbeitsbekleidung stehen mit Praktikabilitäts- und Sicherheitsfragen andere Anforderungen als bei Modebekleidung im Vordergrund. Der Hersteller- und Kundenkreis unterscheidet sich maßgeblich, weil sich die Hersteller von Arbeitskleidung regelmäßig auf diese spezialisiert haben und nicht Endverbraucher, sondern Handwerk, Gesundheitswesen und Industrie daran interessiert sind, Arbeitskleidung zu mieten.
(4) Schließlich hat die Kammer berücksichtigt, dass es für die Klägerin schwierig gewesen wäre, eine in einem anderen Ort zu erbringende Vollzeittätigkeit mit ihren Pflichten als alleinerziehende Mutter von Kindern im Alter von drei und zwölf Jahren in Einklang zu bringen. Insbesondere ein dreijähriges Kind muss uU kurzfristig aus der Betreuungseinrichtung abgeholt werden.
cc) Die Beklagte hat nicht dargelegt und bewiesen, dass die Agentur für Arbeit der Klägerin weitere Vermittlungsangebote unterbreitet hat. Die von ihr benannten Zeugen haben keine weiteren Angebote genannt. Vielmehr haben die Zeugen B. und I. ausgesagt, dass keine weiteren Angebote gemacht worden seien.
b) Der Klägerin oblag es nicht, weitere als die von ihr unternommenen Bemühungen zu entfalten. Es gibt bereits keinen Grund dafür, von dem Grundsatz abzuweichen, dass ihr keine vorsätzliche Untätigkeit vorzuwerfen ist, nachdem die beiden einzigen Vermittlungsangebote der Agentur für Arbeit für sie unzumutbar waren. Von dem von der Beklagten angeführten Maßstab des LAG Berlin-Brandenburg (vgl. Urteil vom 30.09.2022 - 6 Sa 280/22 - zu I 2 b bb (2) (b) der Gründe) ist nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.02.2024 - 5 AZR 177/23 - nicht mehr auszugehen. Die Klägerin hat sich darüber hinaus eigeninitiativ bei der Firma D. beworben, ist für die Firma V. und für die P. GmbH & Co. KG in der Hoffnung auf eine dauerhafte Arbeitsstelle tätig geworden und hat sich mit der Arbeitsvermittlerin Frau L. getroffen.
V. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Zahlungen waren zum Ende des laufenden Monats gemäß Nr. 3.1 des Arbeitsvertrags und damit gemäß § 192 BGB am letzten Tag des jeweiligen Monats fällig. Unter Berücksichtigung der gemäß § 193 BGB auftretenden Verschiebungen bei Sonn- und Feiertagen sowie Samstagen waren ab den beantragten Tagen Zinsen zu zahlen.
B. Der Berufungsantrag zu 10. ist iHv. 12.755,70 € brutto ist begründet. Im Übrigen ist er unbegründet. Dies führt insoweit zur Zurückweisung der Berufung der Klägerin.
I. Die Klägerin hat einen Anspruch auf einen Bonus iHv. 12.755,70 € brutto für das Jahr 2022 aus § 615 Satz 1 BGB.
1. Bei leistungsabhängiger Entlohnung hat der Arbeitnehmer bei Annahmeverzug des Arbeitgebers einen Anspruch auf die Vergütung, die er bei Weiterarbeit erzielt hätte (ErfK/Preis/Greiner 24. Aufl. BGB § 615 Rn. 77; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. BGB § 615 Rn. 68). Mangelt es an festen Anhaltspunkten, ist der Verdienstausfall gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen (BAG 18.09.2001 - 9 AZR 307/00 - zu II 1 c aa der Gründe; 11.08.1998 - 9 AZR 410/97 - zu II 1 der Gründe). Dabei kann die vom Arbeitnehmer bis zum Eintritt des Annahmeverzugs erzielte Vergütung einen Anhaltspunkt liefern (BAG 18.09.2001 - 9 AZR 307/00 - zu II 1 c aa der Gründe; vgl. zur Zahlung von Krankenbezügen BAG 05.06.1985 - 5 AZR 459/83 - zu I 1 c der Gründe).
2. Danach geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin bei Weiterarbeit ihre persönlichen Ziele erreicht hätte. Die Klägerin hat dargelegt, dass sie in der Vergangenheit ihre persönlichen Ziele erreicht hat, soweit sie sich nicht im Krankengeldbezug befunden hat. Im Jahr 2016 hat sie ihre Ziele vollständig, im Jahr 2017 trotz Krankengeldbezugs überwiegend erfüllt. Da die Klägerin sich im Jahr 2022 nicht im Krankengeldbezug befand, ist zugrunde zu legen, dass sie ihre persönlichen Ziele in diesem Jahr zu 100 % erreicht hätte. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass dies der Klägerin nicht gelungen wäre.
3. Bei einem Anspruch auf eine variable Vergütung iHv. 31.889,24 € brutto, die zu 40 % vom Erreichen der persönlichen Ziele abhängig war, ergibt sich bei einer Erreichung dieser persönlichen Ziele ein Betrag iHv. 12.755,70 € brutto.
II. Die Berufung der Klägerin ist zurückzuweisen, soweit sie darüber hinaus weitere 19.133,54 € als variable Vergütung für das Jahr 2022 verlangt. Ihr zulässiger Antrag ist insoweit unbegründet. Die Kammer geht in Anwendung des § 287 Abs. 2 ZPO davon aus, dass die Beklagte das vorgegebene Unternehmensziel auch bei einer Weiterarbeit der Klägerin nicht erreicht hätte. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass der Fehlbetrag iHv. mehr als 5.000.000,00 € vermieden und das Unternehmensziel, ein EBITDA iHv. mehr als 502.000,00 €, erreicht worden wäre, wenn sie weitergearbeitet hätte. Für einen derartigen Einfluss auf das Unternehmensergebnis hat sie keine Anhaltspunkte vorgetragen.
C. Der Berufungsantrag zu 11. ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 und 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB, weil die Beklagte ihr für das Jahr 2023 keine Ziele vorgegeben hat.
I. Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Vorgabe von Zielen für die variable Vergütung im Jahr 2023 schuldhaft verletzt, § 280 Abs. 1 BGB. Sie war zur Vorgabe von Zielen verpflichtet, weil sich nach der Erreichung dieser Ziele die Höhe der variablen Vergütung für die Klägerin bestimmte.
II. Nach § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm. § 283 BGB kann die Klägerin von der Beklagten Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch eingetreten ist, dass die Beklagte die Ziele schuldhaft nicht einseitig festgesetzt hat. Die Klägerin kann gemäß § 280 Abs. 3 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen, weil eine einseitige Zielvorgabe durch Zeitablauf unmöglich geworden ist.
1. Eine Zielvereinbarung ist spätestens nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich. Eine Zielvereinbarung kann entsprechend dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur dann erfüllen, wenn der Arbeitnehmer bereits bei der Ausübung seiner Tätigkeit die von ihm zu verfolgenden Ziele kennt und weiß, auf das Erreichen welcher persönlicher und/oder unternehmensbezogener Ziele der Arbeitgeber in dem jeweiligen Zeitraum besonderen Wert legt und deshalb bereit ist, bei Erreichung dieser Ziele den zugesagten Bonus zu zahlen. Eine der Leistungssteigerung und dem Motivationsgedanken und damit dem Sinn und Zweck einer Zielvereinbarung gerecht werdende Aufstellung von Zielen für einen vergangenen Zeitraum ist deshalb nicht möglich. Jedenfalls mit Ablauf der Zielperiode kann der betroffene Arbeitnehmer Schadensersatz statt Erfüllung verlangen (BAG 17.12.2020 - 8 AZR 149/20 - Rn. 46; 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 47).
2. Offengelassen hat das Bundesarbeitsgericht bisher, was gilt, wenn der Arbeitgeber zu einer einseitigen Zielvorgabe verpflichtet ist, diese aber nicht innerhalb der Zielperiode erfolgt (vgl. BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 23). Nach Auffassung der Kammer ist eine in der Zielperiode pflichtwidrig und schuldhaft unterbliebene Zielvorgabe in gleicher Weise zulasten des Arbeitgebers schadensersatzauslösend, wie die pflichtwidrig und schuldhaft nicht abgeschlossene Zielvereinbarung (ebenso: LAG Köln 06.02.2024 - 4 Sa 390/23 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Hessen 30.04.2021 - 14 Sa 606/19 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Köln 26.01.2018 - 4 Sa 433/17 - zu B I 2 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 15.12.2015 - 8 Sa 201/15 - zu B I 2 d aa der Gründe; LAG München 20.06.2012 - 10 Sa 951/11 - zu II 2 a der Gründe; LAG Hamm 02.10.2008 - 15 Sa 1000/08 - zu II 2 b aa (1) der Gründe; aA: LAG Köln 15.12.2014 - 5 Sa 580/14 - zu II 2 b der Gründe; LAG Düsseldorf 29.10.2003 - 12 Sa 900/03 - zu A II 1 d der Gründe), allerdings ohne dass ein Mitverschulden des Arbeitnehmers in Betracht kommt. Zwar unterliegt die einseitige Zielvorgabe als Leistungsbestimmung der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB, mit der Folge, dass bei einem Unterbleiben der Zielvorgabe die Leistungsbestimmung grundsätzlich durch Urteil vorzunehmen ist (vgl. BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 23; LAG Köln 15.12.2014 - 5 Sa 580/14 - zu II 2 b der Gründe). Nach teilweise vertretener Auffassung gilt dies auch dann, wenn die Zielperiode abgelaufen und wegen der Bonuszahlung ein Rechtsstreit anhängig ist (LAG Köln 15.12.2014 - 5 Sa 580/14 - zu II 2 b der Gründe; LAG Düsseldorf 29.10.2003 - 12 Sa 900/03 - zu A II 1 d der Gründe). Hiergegen spricht jedoch, dass die Gründe, aus denen das Bundesarbeitsgericht im Falle einer unterbliebenen Zielvereinbarung nach Ablauf der Zielperiode eine Festlegung der Ziele durch Urteil für ausgeschlossen hält und grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch annimmt, für den Fall der unterbliebenen einseitigen Zielvorgabe unterschiedslos ebenso zutreffen; auch im Hinblick auf die einseitige Zielvorgabe ist deren Zweck, nämlich die Motivation der Mitarbeiter durch das Setzen eines Leistungsanreizes, nicht mehr erreichbar, wenn die Zielperiode abgelaufen ist (ebenso: LAG Köln 06.02.2024 - 4 Sa 390/23 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Hessen 30.04.2021 - 14 Sa 606/19 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Köln 26.01.2018 - 4 Sa 433/17 - zu B I 2 der Gründe; LAG Rheinland-Pfalz 15.12.2015 - 8 Sa 201/15 - zu B I 2 d aa der Gründe). Gleiches gilt für die betreffend die unterbliebene Zielvereinbarung erfolgte Erwägung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 26), die nachträgliche Ermittlung angemessener, fallbezogener Ziele durch die Gerichte sei angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen Gewichtung möglicher Ziele und auf Grund sich ständig ändernder Rahmenbedingungen in der Regel mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden oder sogar gar nicht möglich (ebenso: LAG Köln 06.02.2024 - 4 Sa 390/23 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Hessen 30.04.2021 - 14 Sa 606/19 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Köln 26.01.2018 - 4 Sa 433/17 - zu B I 2 der Gründe). Mit dieser Begründung lehnte das Bundesarbeitsgericht die Anwendung von § 315 Abs. 3 BGB auf Fälle der unterbliebenen Zielvereinbarung ab. Zudem ist es nicht möglich, den Umstand, dass die Leistungsbestimmung verzögert wurde, im Urteil zu berücksichtigen (LAG Köln 06.02.2024 - 4 Sa 390/23 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Hessen 30.04.2021 - 14 Sa 606/19 - zu II 5 a cc der Gründe; LAG Köln 26.01.2018 - 4 Sa 433/17 - zu B I 2 der Gründe; aA LAG Düsseldorf 29.10.2003 - 12 Sa 900/03 - zu A II 1 c der Gründe).
III. Die Klägerin hat einen Anspruch auf den für den Zeitraum von Januar bis Juni 2023 entfallenden Bonus, den sie bei einer Zielerreichung von 100 % erhalten hätte.
1. Der Umfang des zu ersetzenden Schadens richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Nach § 252 Satz 1 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden den entgangenen Gewinn. Dazu gehört auch entgangener Verdienst aus abhängiger Arbeit und damit eine Bonuszahlung. Als entgangen gilt gemäß § 252 Satz 2 BGB der Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. § 252 Satz 2 BGB enthält für den Geschädigten eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung. Der Geschädigte hat nur die Umstände darzulegen und in den Grenzen des § 287 ZPO zu beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung der §§ 252 BGB, 287 ZPO auch die Darlegungslast derjenigen Partei mindert, die Ersatz des entgangenen Gewinns verlangt, dürfen insoweit keine zu strengen Anforderungen gestellt werden (BAG 17.12.2020 - 8 AZR 149/20 - Rn. 50; BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 48).
a) Dem Anwendungsbereich des § 287 Abs. 1 ZPO unterliegen sowohl die Feststellung des Schadens als auch dessen Höhe. Die Vorschrift dehnt für die Feststellung der Schadenshöhe das richterliche Ermessen über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt. Allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen (BAG 17.12.2020 - 8 AZR 149/20 - Rn. 51; BAG 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 49).
b) Grundlage bei der abstrakten Schadensberechnung nach § 252 Satz 2 BGB ist in den Fällen, in denen die Festlegung von Zielen schuldhaft unterblieben ist, der für den Fall der Zielerreichung zugesagte Bonus. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände - etwa, dass der Arbeitnehmer die vorgegebenen Ziele auch in den Vorjahren nicht erreicht hat (vgl. BAG 12.05.2010 - 10 AZR 390/09 - Rn. 24) - diese Annahme ausschließen. Solche besonderen Umstände hat der Arbeitgeber darzutun und gegebenenfalls zu beweisen (BAG 17.12.2020 - 8 AZR 149/20 - Rn. 53; 12.12.2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 50).
2. Danach ist von einer Zielerreichung von 100 % auszugehen, so dass der auf das erste Halbjahr entfallende Bonus, 6/12 von 31.889,24 € brutto, zu zahlen ist. Die Beklagte hat keine besonderen Umstände dafür dargelegt, dass die Klägerin vorgegebene Ziele nicht erreicht hätte.
a) Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin scheidet aus. Die Beklagte gab die Ziele einseitig vor. Es oblag nicht der Klägerin daran mitzuwirken.
b) Wie bereits aufgezeigt hat die Klägerin in der Vergangenheit ihre persönlichen Ziele erreicht, solange sie sich nicht im Krankengeldbezug befunden hat. Es ist nicht ersichtlich, dass Unternehmensziele nicht erreicht worden wären. Damit die Ziele billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB entsprechen, hätte die Beklagte erreichbare Ziele bestimmen und sich dazu an der zu erwartenden Entwicklung orientieren müssen. Nach dem Geschäftsjahr 2022 mit einem Jahresfehlbetrag iHv. mehr als 5.000.000,00 € erscheinen die Fehlbeträge im Jahr 2023 iHv. 330.000,00 € im Januar, 450.000,00 € im Februar und 417.000,00 € im März durchaus absehbar. Die Beklagte hat nicht erklärt, dass sie von einer besseren Entwicklung ausgehen und sie zur Grundlage der Zielfestlegung nehmen durfte.
c) Die schlechte wirtschaftliche Lage der Beklagten steht ihrer Verpflichtung, den Bonus zu zahlen, nicht entgegen. Sie hat keine Umstände dargelegt, die sie zur Kündigung der Bonusvereinbarung gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB berechtigen würden.
aa) Das Bundesarbeitsgericht hat anerkannt, dass ein Arbeitgeber einen der Höhe nach nicht bestimmten Leistungsbonus auf "Null" festsetzen kann, wenn besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorliegen. Derartige Umstände hat es in einem zwei Fällen angenommen, in dem die Arbeitgeberin bei einem Verlust iHv. rund 5 Mrd. € nur durch Zuführung von Eigenkapital iHv. rund 10 Mrd. € und durch eine staatlich garantierte Abschirmung des Asset-Backed-Securities-Portfolios bis zu einem Höchstbetrag von 4,8 Mrd. € als genehmigte Beihilfe stabilisiert werden konnte bzw. bei einem Jahresfehlbetrag iHv. 2,824 Mrd. € Liquiditätshilfen iHv. 6,37 Mrd. € in Anspruch nehmen musste (vgl. BAG 19.03.2024 - 10 AZR 622/13 - Rn. 43; 20.03.2013 - 10 AZR 8/12 - Rn. 37). Ein auf "Null" festgesetzter Leistungsbonus bei einem negativen Ergebnis der maßgeblichen Einheit im Rahmen "normaler" Schwankungsbreiten widerspricht dagegen häufig billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB (BAG 10 AZR 729/19 - Rn. 113; 19.03.2024 - 10 AZR 622/13 - Rn. 43).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist nicht vom Wegfall der Geschäftsgrundlage für die der Klägerin der Höhe nach bestimmten variablen Vergütung auszugehen. Die Wertungen des Bundesarbeitsgerichts sind übertragbar, weil in beiden Fällen die Bonuszahlung wegfallen soll. Besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände liegen bei der Beklagten im Jahr 2023 nicht vor. Nachdem die Beklagte mit Ausnahme des Geschäftsjahrs 2020 Verluste erzielt hat, befinden sich die im Jahr 2023 erreichten Fehlbeträge im Rahmen der normalen Schwankungsbreiten. Die Beklagte hat nicht Insolvenz angemeldet und musste nicht durch staatliches Geld gerettet werden. Die Entscheidung, den Geschäftsbetrieb einzustellen, erfolgte, nachdem die Eigentümerin die nicht unüblichen Defizite nicht länger hinnehmen wollte.
D. Die Beklagte schuldet die Zahlung der im Zeitraum von Juli 2022 bis März 2023 fälligen Beiträge zur Altersversorgung an die CC. AG aus § 615 Satz 1 BGB, weil sie sich gegenüber der Klägerin zur Zahlung dieser Zuschüsse als Teil der Vergütung verpflichtet hat. Dementsprechend muss sie für neun Monate die monatlichen Zuschüsse iHv. 124,00 € auf den Vertrag mit der KVV-Nr. 7113XX-3 und der EV-Nr. 90692XX-7 und für Januar 2023 den Jahresbetrag iHv. 1.800,00 € auf den Vertrag mit der KVV-Nr. 7113XX-2 und der EV-Nr. 90677XX-A nachzahlen.
E. Die Beklagte trägt die Kosten der Beweisaufnahme gemäß § 96 ZPO, weil die Vernehmung der Zeugen nicht dazu geführt hat, dass sie mit ihrem Einwand, die Klägerin habe anderweitigen Verdienst böswillig unterlassen, Erfolg hatte. Im Übrigen waren die Kosten für die erste und die zweite Instanz nach § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.
1. In der ersten Instanz ist die Klägerin hinsichtlich der Kündigungsschutzklage und des Weiterbeschäftigungsantrags unterlegen. Bezüglich der geltend gemachten Annahmeverzugsvergütung unterliegt sie, soweit sie das Arbeitslosengeld und den Zwischenverdienst bei der P. GmbH & Co. KG nicht in Abzug gebracht und den Bonus für das Jahr 2022 auch hinsichtlich der Unternehmensziele verlangt hat. Die Klägerin obsiegt mit ihrem Schadensersatzanspruch hinsichtlich der variablen Vergütung für das Jahr 2023. Bei dem Antrag auf das Zeugnis mit der Note "sehr gut" ist von einem hälftigen Unterliegen der Klägerin auszugehen, weil sie keinen Anspruch auf die beantragte Note hatte.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, soweit sie im Hinblick auf die Annahmeverzugsvergütung und den Schadensersatzanspruch unterlegen ist. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, soweit sie die Klage im Termin am 14.05.2024 teilweise zurückgenommen hat, und gemäß § 97 Abs. 1 ZPO, soweit ihre Berufung zurückzuweisen war.
F. Für den Berufungsantrag zu 11. ist die Revision wegen der oben aufgezeigten Divergenz gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen. Zur Vermeidung von Widersprüchen ist die Revision auch für den Berufungsantrag zu 10. zuzulassen, weil die Klägerin auch mit diesem Antrag einen Anspruch auf variable Vergütung auf der Grundlage geltend macht, die für den Berufungsantrag zu 11. maßgeblich ist. Im Übrigen liegen keine Gründe dafür vor, die Revision zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.
Dr. BurgKlingebielCantürk