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  • 23.07.2021 · IWW-Abrufnummer 223684

    Landesarbeitsgericht Thüringen: Urteil vom 28.04.2021 – 6 Sa 304/18

    1. Endet ein Arbeitsverhältnis nach längerer Zeit unverschuldeter Arbeitsversäumnis, bemisst sich die Höhe einer Urlaubsabgeltung nach dem Verdienst der letzten 13 Wochen des Arbeitsverhältnisses, für die ein Anspruch auf Vergütung bestand.

    2. Verschuldet im Sinne von § 11 Abs. 1 S. 3 BUrlG ist eine Arbeitsversäumnis erst bei einem gröblichen Verstoß gegen Verhaltenspflichten, deren Einhaltung von jedem verständigen Menschen im eigenen Interesse, sich selbst nicht zu schädigen, erwartet werden kann.


    Tenor:

    Auf Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 06.06.2018 - 1 Ca 274/17 - teilweise abgeändert, soweit der Beklagte zur Zahlung von weiterem Feiertags-, Arbeits- und Urlaubsentgelt für die Zeit vom 01.05. bis 31.07.2017 in Höhe von 6.792,73 Euro brutto abzüglich gezahlter 1.803,10 Euro netto zuzüglich Zinsen verurteilt worden ist und die Klage insoweit abgewiesen.

    Auf Anschließung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 06.06.2018 - 1 Ca 274/17 - teilweise abgeändert und der Beklagte verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung für 70 Urlaubstage der Urlaubsjahre 2015 bis 2017 in Höhe von 7.112,70 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.08.2017 zu zahlen.

    Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten, seine Erweiterung der Widerklage und die Anschließung der Klägerin zurückgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits (I. und II. Rechtszug) trägt der Beklagte.

    Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Klägerin begehrt vom Beklagten Arbeitsentgelt für den Zeitraum 1. bis 8.5.2017 sowie Urlaubsentgelt für den Zeitraum 9.5. bis 31.7.2017 hilfsweise Urlaubsabgeltung für 70 Tage Erholungsurlaub; der Beklagte begehrt im Wege der Widerklage die Rückerstattung behaupteter Überzahlungen.



    Der Beklagte war Steuerberater und betrieb ein Steuerbüro, in welchem die Klägerin ab dem 10.10.2008 als Steuerfachangestellte tätig war. In dem unter dem 10.9.2000 abgeschlossenen Vertrag heißt es, die monatliche Bruttovergütung betrage während der ersten drei Monate 1.100,00 € und nach Ablauf des Monats Dezember 2008 erfolge die Vergütung leistungsbezogen nach einer von den Parteien als "Betriebsvereinbarung" bezeichneten Unterlage. In deren Ziffer 5. war die erfolgsabhängige Vergütung im Einzelnen geregelt und sollte grundsätzlich 27 % des in Rechnung gestellten Nettoumsatzes betragen. Hinsichtlich der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen betrug die Vergütung im ersten Jahr der Mandatsübernahme 27 % und ab dem zweiten Jahr 24 % des in Rechnung gestellten Nettoumsatzes. Daneben gab es Pauschalen für bestimmte Tätigkeiten.



    Im Übrigen lautet der Vertrag auszugsweise wie folgt:



    "§ 6 Urlaub/Nebentätigkeit



    Der Arbeitnehmer erhält 24 Werktage Urlaub, bezogen auf eine 5 Tage Arbeitswoche.



    (...)



    § 10 Ausschlussklausel



    Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis müssen innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden; andernfalls sind sie verwirkt."



    Wegen weiterer Einzelheiten des Inhaltes des Vertrages sowie der so genannten "Betriebsvereinbarung" wird auf die als Anlage zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 13-18 der Akte) Bezug genommen.



    Die Klägerin arbeitete 30 Stunden pro Woche verteilt auf 6 Stunden pro Arbeitstag einer 5-Tage Woche.



    Ab dem 21.1.2015 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 18.2.2015 war sie schwerbehindert mit einem GdB von 60. Ihre Arbeitsunfähigkeit dauerte bis einschließlich 17.4.2016.



    Im Zeitraum 7.2. bis 8.5.2017 erbrachte die Klägerin Arbeitsleistungen. Sie rechnete diese dem Beklagten gegenüber zum Teil mit 27 % vom Nettoumsatz und zum Teil mit 24 % vom Nettoumsatz als Provision ab. Für Zuarbeiten einer Frau ...... ließ sie sich pro Stunde 5,50 € hierauf anrechnen. Für Arbeitstage ohne Arbeitsleistungen wie Feiertage, Urlaub oder Tage der Arbeitsunfähigkeit setzte sie 6 Stunden pro Tag und pro Stunde einen Satz von 9,50 € an. Sie ließ sich nicht die gesamte von ihr errechnete Provision auszahlen, sondern bildete eine Art Rückstellung, welche sie im Folgemonat als "Übertrag" mit in die Berechnung einbezog. Aus Übertrag und Provisionen bildete sie eine Summe.



    Diese Gesamtsumme teilte sie auf in einen jeweils gleichbleibenden Betrag von 1.100,00 Euro, der in ihren Abrechnungen "Festgehalt" genannt worden ist und einen variierenden Betrag, der als "Leistungszulage" bezeichnet worden ist. Von dieser Gesamtsumme zog sie einen "Übertrag in Folgemonat" ab und ließ sich die 1.100,00 Euro und den verbleibenden Rest der "Leistungszulage" auszahlen, was in den hierüber vom Beklagten erstellten Abrechnungen der Brutto/Netto-Bezüge als "Gehalt" 1.100,00 Euro und "Leistungszulage in variabler Höhe auftauchte. Auf diese Weise berechnete sie z.B. für Februar 2017, gezahlt mit der Abrechnung März 2017 (Bl. 27 und 26 d.A.):

    Abrechnung Zahlung Übertrag aus Januar 2017: 2.200,00 Summe Provision: 1.937,56 Abzgl Zuarbeit Müller: - 93,50 Urlaub u.ä.: 399,00 Summe/Saldo: 4.443,06 "Festgehalt": 1.100,00 1.100,00 Übertrag in Folgemonat: 2.500,00 "Leistungszulage: 843,06 843,06 Summe Übertrag und Provision s.o. 4.443,06 Summe Zahlung und Übertrag 1.100,00 + 843, 06 + 2.500,00 = 4.443,06



    Ohne Berücksichtigung von Überträgen aus Vor- und in Folgemonate ergab sich für den Zeitraum 7.2. bis 8.5.2017 folgende Abrechnung der Klägerin:

    Zeitraum Umsatz 27% 24% Summe Abzug Fremd-hilfe Entgelt ohne Arbeits-leistung, AU o.Ä. Saldo Fundstelle 7.2.-28.2.17 5.074,77 1.370,19 1.370,19 93,50 399,00 1.675,60 Bl. 27 d.A. 1. - 31.3.17 8.908,95 2.169,13 210,04 2.379,17 137,50 228,00 2.469,67 Bl. 29 d.A. 1.- 30.4.17 5.619,70 1.517,32 1.517,32 56,38 171,00 1.631,94 Bl. 30 d.A: 1.-8.5.17 2.852,30 770,12 770,12 57,00 827,12 Bl. 31 d.A. 6.604,33



    Wegen Einzelheiten dieser Abrechnungstechnik wird auf die als Anlage zu den Akten gereichten Kopien von Lohnabrechnungen und Provisionsabrechnungen der Klägerin (Bl. 24-31 der Akte) Bezug genommen.



    Nach mündlicher Vorankündigung vom 6.4.2017 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit am selben Tage übergebenen Schreiben vom 12.4.2017 zum 31.7.2017 (Bl. 19 der Akte).



    Der Beklagte rechnete unter dem Datum des 11.5.2017 sowie 16.6.2017 für die Monate Mai und Juni 2017 jeweils ein Gehalt i.H.v.1.149,20 € brutto ab und zahlte den sich daraus ergebenden Nettobetrag i.H.v. 901,55 €, mithin insgesamt 1.803,10 € netto an die Klägerin.



    Die Klägerin hat behauptet, sie habe bei Übergabe des Kündigungsschreibens am 12.4.2017 gegenüber dem Beklagten geäußert, sie wolle ihren Resturlaub während der Kündigungsfrist in Anspruch nehmen. Der Beklagte habe dies bejaht und gesagt, sie solle ihren letzten Arbeitstag mit einer Kollegin, Frau ............, absprechen. Dies sei absprachegemäß geschehen und Frau ........... und sie, die Klägerin, seien auf noch offene 58 Urlaubstage gekommen, so dass der letzte Arbeitstag der 8.5.2017 gewesen wäre. Anschließend sei sie, die Klägerin, wieder zum Beklagten gegangen und habe ihm dies mitgeteilt worauf hin dieser mit dem Kopf genickt und keinen Widerspruch erhoben habe.



    Dies habe sie, die Klägerin, als Zustimmung gewertet, habe sich am 8.5.2017 als ihren letzten Arbeitstag verabschiedet und sei fortan im Glauben, sie habe Urlaub gehabt, nicht mehr zur Arbeit erschienen.



    Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug, auch zu der Widerklageforderung, sowie der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Seiten 2-5 des Entscheidungsabdrucks; Bl. 110-113 der Akte) Bezug genommen.



    Mit Urteil vom 6.6.2018 hat das Arbeitsgericht der Klage überwiegend stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Entscheidungsabdruck S. 5-8 - Bl. 113 - 116 d.A.) Bezug genommen.



    Gegen dieses ihm am 23.6.2018 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 18.7.2018 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 18.9.2018 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem das Gericht auf den am 8.8.2018 eingegangenen Antrag hin mit Beschluss vom 10.8.2018 die Berufungsbegründungsfrist bis 23.9.2018 verlängert hatte.



    Das Arbeitsgericht stelle im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung die Urlaubserteilung ab 9.5.2017 als streitig dar, lege diesen Sachvortrag jedoch der Entscheidungsfindung ohne weitere Sachaufklärung und Beweisaufnahme zu Grunde. Er, der Beklagte, habe keinen Erholungsurlaub gewährt. Die Handhabung sei gewesen, dass Mitarbeiter ihm, dem Beklagten, persönlich Urlaubswünsche mitgeteilt hätten, und er darüber entschieden und schriftlich abgezeichnet habe und diese Erklärung den jeweiligen Mitarbeitern habe zukommen lassen. Eine solche Urlaubsbewilligung habe die Klägerin nicht vorgetragen; soweit sie vorgetragen habe, er habe auf Ihre Mitteilung hin mit dem Kopf genickt, sage sie lediglich, sie sei davon ausgegangen, dass sie Urlaub bekommen habe.



    Sie habe sich auch am 8.5.2017 nicht von ihm, dem Beklagten verabschieden können, weil er in einer Besprechung gewesen sei.



    Urlaubsentgelt sei damit nicht geschuldet; ebenso wenig wie Annahmeverzugsvergütung, weil sie die Klägerin ihre Arbeitskraft nicht angeboten habe, sondern sich selbst beurlaubt habe.



    Die Urlaubsansprüche der Klägerin für das Jahr 2015 seien spätestens am 31.3.2016, Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2016 spätestens am 31.3.2017 verfallen. Die Bescheinigung von Urlaubstagen in Verdienstbescheinigungen stellten keine Anerkenntnisse dar. Die Klägerin hätte darlegen und beweisen müssen, dass überhaupt noch nicht durch Freistellung erfüllte Urlaubsansprüche aus den Vorjahren bestanden hätten. Eine Übertragungsvereinbarung in Folgejahre habe die Klägerin auch nicht dargelegt. Eine vermeintliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Frau ........... im Hinblick auf 58 Tage Erholungsurlaubanspruch gebe es nicht; die Zeugin habe keinerlei personalrechtliche Befugnisse oder Vertretungsmacht für ihn, den Beklagten, gehabt. Allenfalls habe Resturlaub aus dem Jahr 2017 bestehen können, der bei 29 Tagen Urlaubsanspruch und bereits 9 genommenen Tagen noch 20 Tage betragen habe (Bl. 142 der Akte).



    Die Höhe des Arbeitsentgeltes und des Urlaubsentgeltes sei fehlerhaft berechnet worden.



    Die Klägerin habe kein Grundgehalt bezogen und zusätzlich eine Leistungsvergütung, sondern lediglich eine Leistungsvergütung. Es sei auch nicht vereinbarungsgemäß gewesen, dass die Klägerin Salden und Überträge aus Vormonaten mit in späteren Monate übernommen habe und somit unter anderem die Höhe des Urlaubsentgeltes und der monatlich zu zahlenden Vergütung willkürlich habe manipulieren können.



    Wegen Einzelheiten des Sachvortrages des Beklagten hierzu wird auf die Seiten 9-11 der Berufungsbegründung (Bl. 142-144 der Akte) Bezug genommen.



    Da der Klägerin keinerlei Vergütung zustehe, seien zunächst die 1.803,10 € netto für die Monate Mai und Juni 2017 zurückzuzahlen, was mit Erweiterung der Widerklage geltend gemacht werde. Ferner bestünden weitere Widerklageforderungen; wegen des Sachvortrages des Beklagten hierzu wird auf die Seiten 11-13 der Berufungsbegründung (Bl. 144-146 der Akte) Bezug genommen.



    Der Beklagte hält noch vertiefenden Sachvortrag zu den Gesichtspunkten der Urlaubsbewilligung, der Berechnung der Höhe der Urlaubstage, des Urlaubsentgeltes sowie zu Widerklage, wegen dessen Einzelheiten auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 17.6.2019 (Bl. 284-292 der Akte) Bezug genommen wird.



    Er beantragt,



    unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Gera vom 6.6.2018, 1 Ca 274/17, die Klage abzuweisen.



    Die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten einem Betrag von 5.454,81 € netto nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 3.654,71 € netto seit 6.6.2018 sowie aus weiteren 1.803,10 € seit 25.9.2018 zu zahlen.



    Die Klägerin beantragt,



    die Berufung zurückzuweisen,



    hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin als Urlaubsabgeltung 7.315,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v.5 Prozentpunkten hieraus seit dem 1.8.2017 zu zahlen,



    sowie



    die Widerklage insgesamt abzuweisen.



    Die Berufungsbegründung ist der Klägerin am 24.9.2018 zugestellt worden; auf den am 24.10.2018 eingegangenen Antrag hin hat das Gericht mit Beschluss vom 26.10.2018 die Berufungsbeantwortungsfrist bis 26.11.2018 verlängert. An diesem Tag ist die Berufungsbeantwortung beim Berufungsgericht eingegangen.



    Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Aus allen Lohnabrechnungen sei zu erkennen, dass der Urlaubsanspruch dort wie in einem Urlaubskonto fortgeschrieben worden sei. Wegen der Einzelheiten diesbezüglich wird auf das Vorbringen auf Seiten 5 und 5 der Berufungsbeantwortung (Bl. 174 und 175 der Akte) Bezug genommen.



    Der Beklagte interpretiere ihr, der Klägerin, Vorbringen unzutreffend, wenn er unterstelle, sie habe die Provisionsansprüche auf ein Grundgehalt von 1.100,00 € aufaddiert. Die in den Lohnabrechnungen als "Gehalt" ausgewiesene Summe sei, wie den Abrechnungen entnommen werden könne, rechnerisch Bestandteil der Provisionen. Sie trägt zu Widerklage vor, wegen Einzelheiten dieses Sachvortrages wird auf Seiten 11 und 12 der Berufungsbeantwortung (Bl. 181 und 182 der Akte) Bezug genommen.



    Der Sachvortrag des Beklagten zu Urlaubsbewilligung sei auch deshalb unglaubwürdig, weil er bereits mit Schreiben vom 11.5.2017 seine Mandantschaft darüber informiert habe, dass die Klägerin das Unternehmen am 8.5.2017 verlassen habe.



    Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrages der Klägerin wird ergänzend Bezug genommen auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 14.8.2019 (Bl. 296-305 der Akte).



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung des Beklagten ist zulässig.



    Der Umfang der Berufung ergibt sich aus seinem Antrag und seinem Vorbringen hierzu hinreichend deutlich. Er greift insoweit auch die Verurteilung zur Zahlung von Feiertagsentgelt für den 1.5.2017 und für geleistete Arbeit vom 2.5. bis 8.5.2017 an. Bei wohlwollendem Verständnis kann die Berufungsbegründung insoweit als für die Zulässigkeit der Berufung hinreichend angesehen werden. Insgesamt ist nicht erforderlich, dass eine schlüssige oder materiellrechtlich zutreffende Begründung erfolgt; eine Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen findet insofern statt, als dass diese in der Berufung nicht tiefer gehen muss, als die Begründung der angefochtenen Entscheidung. Auch das Arbeitsgericht macht insoweit keine weiteren Ausführungen zu diesen Ansprüchen dem Grunde nach, sondern stellt lediglich dar, die Klägerin habe Anspruch auf Entgelt für geleistete Arbeit für die Zeit vom 1. bis 8.5.2017; insofern kann vom Beklagten auch nicht mehr als die Leugnung dieses Anspruchs verlangt werden. Ab Seite 9 der Berufungsbegründung setzt sich der Beklagte auch mit der Ermittlung der Höhe der Entgeltansprüche durch das Arbeitsgericht auch diesen Zeitraum betreffend auseinander. Indem er auf den Folgeseiten sich mit der Berechnung seiner Widerklageforderung beschäftigt und diese der angefochtenen Entscheidung entgegenhält, ist genügt seine Berufungsbegründung auch hinsichtlich der Widerklage insgesamt den Zulässigkeitsanforderungen.



    Die Berufung ist teilweise begründet.



    Die Klage ist in ihrem Hauptantrag unbegründet.



    Streitgegenstand des Hauptantrages ist nach Verständnis der Kammer Entgelt für im Mai 2017 geleistete Arbeit sowie Urlaubsentgelt für die Zeit 9.5. bis 31.7.2017. Das Arbeitsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Klägerin Anspruch auf Entgelt für geleistete Arbeit im Zeitraum 1. bis 8.5.2017 und ab dem Zeitpunkt einen Anspruch auf Urlaubsentgelt hat. Diesem Verständnis ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Damit ist Gegenstand der Entscheidung die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin Entgelt für im Zeitraum 1. bis 8.5.2017 ausgeübte Tätigkeiten oder Entgeltersatzleistungen bestehen. Dem steht die Einbeziehung der Tätigkeiten aus April 2017 durch Klägerin und Arbeitsgericht in die Berechnung nicht entgegen; dies wäre eine Frage der Begründetheit der Höhe der geltend gemachten Ansprüche. Die Klägerin hat Entgelt für Mai und Juni 2017 sowie bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses verlangt. Ausweislich § 3 Arbeitsvertrag war die Monatsvergütung zum Monatsultimo fällig. Entgelt "für" Mai bezieht sich daher auf die durch Tätigkeit im Mai 2017 erwirtschaftete Vergütung und nicht auf die Tätigkeiten im April 2017, das wäre allenfalls im Mai zu zahlendes Entgelt "für" April.



    Die so verstandene Klage ist nicht begründet; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung für den 1.5.2017 aus § 2 EFZG und auch keinen Anspruch auf Zahlung von Entgelt für geleistete Arbeit für den Zeitraum 2 bis 8.5.2017 aus § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag, weil diese beiden Ansprüche durch Erfüllung erloschen sind (§ 362 BGB).



    Der 1.5.2017 war ein Feiertag. Gemäß § 2 EFZG hat die Klägerin einen Anspruch auf Fortzahlung von Vergütung für diesen Tag. Diese beträgt nach der arbeitsvertraglichen Regelung 6 Stunden x 9,50 Euro, mithin 57,00 Euro brutto. Es kann unentschieden bleiben, ob diese arbeitsvertragliche Regelung wirksam ist, weil nach den Regeln über die Entgeltfortzahlung im Feiertagsfall ein höherer Betrag geschuldet gewesen wäre, denn die Klägerin macht ausweislich ihrer Berechnung nicht mehr geltend, so dass die Kammer aus § 308 Abs. 1 ZPO daran gehindert ist, ihr mehr zuzusprechen.



    Im Zeitraum 2. bis 8.5.2017 hat die Klägerin Arbeitsleistung erbracht. Ausweislich des zwischen den Parteien unstreitigen Vortrages war diese als reine leistungsabhängige Vergütung zu vergüten. Der vordergründige Streit über das unterschiedliche Verständnis der arbeitsvertraglichen Regelung hierzu beruht auf einem Missverständnis. Die Parteien sind sich einig, dass die Vergütung nach der vom Beklagten sogenannten "Betriebsvereinbarung" zu erfolgen hatte. Ausweislich des vom Beklagten nicht konkret bestrittenen Vortrages über ihre Tätigkeit im Zeitraum 2. bis 8. Mai 2017 ergibt sich daraus folgender Anspruch:



    Der Beklagte hat auf diesen Gesamtbetrag von 770,12 + 57 = 827,12 Euro brutto unstreitig einen Betrag in Höhe von 1149,00 € brutto gezahlt, sodass diese Forderungen durch Erfüllung erloschen sind (§ 362 BGB), selbst wenn der zweite Feiertag im Mai 2017 (Christi Himmelfahrt 25.5.2017) mit einbezogen würde.



    Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt gemäß § 611 a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 11 BUrlG für den Zeitraum 9.5. bis 31.7.2017, denn sie hat nicht mit der für die Entscheidungsfindung hinreichenden Substantiiertheit dargelegt, dass ihr tatsächlich objektiv Erholungsurlaub erteilt worden ist. In diesem Zusammenhang unerheblich ist, ob die Klägerin unverschuldet irrtümlich von einer Urlaubserteilung ausgegangen ist.



    Die Urlaubserteilung erfolgt durch eine einseitige zugangsbedürftige Willenserklärung, die um Erfüllungswirkung entfalten zu können, hinreichend bestimmt die Erklärung des Arbeitgebers enthalten muss, dass für einen bestimmten Zeitraum und für welchen Zeitraum eine unwiderrufliche Freistellung von der Verpflichtung zum Erbringen der Arbeitsleistung erfolgt unter Fortzahlung der Bezüge und erkennbar zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs (ErfK/Gallner BUrlG § 7 Rn 6).



    Eine solche Erklärung hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat lediglich behauptet, nach der Absprache mit ihrer Kollegin darüber, wie viele Urlaubstage noch offen seien, sei sie zum Beklagten gegangen und habe ihm dies mitgeteilt. Dieser habe mit dem Kopf genickt und sich nicht weiter geäußert. Diese Erklärung ist nicht hinreichend klar. Sie ist als Willenserklärung aus Sicht eines verobjektivierten Erklärungsempfängers auszulegen (§§ 133, 157 BGB); der Sachvortrag lässt keine Auslegung im Hinblick auf hinreichende Bestimmtheit zu. Es bestehen nach wie vor verschiedene Interpretationsmöglichkeiten; so kann damit nur die Höhe des Urlaubsanspruchs bestätigt worden sein. Auch die von der Klägerin vorgetragene Behauptung, der Beklagte habe im Nachgang seinen Kunden mitgeteilt, die Klägerin habe die Kanzlei "am 8.5.2917 verlassen" lässt für die Kammer keine hinreichend sicheren Rückschlüsse auf Inhalt und Rechtsbindungswillen im Zeitpunkt des schweigenden Kopfnickens zu.



    Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 615 BGB auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung hat die Klägerin nicht dargelegt. Da sie dachte, Urlaub gehabt zu haben, fehlte die Arbeitsbereitschaft.



    Die bei dieser Sachlage hilfsweise erfolgte Anschließung der Klägerin ist zulässig und begründet.



    Die innerhalb der verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist rechtzeitig eingegangene Berufungsbeantwortung ist auslegungsbedürftig und auslegungsfähig. Die Klägerin macht erkennbar für den Fall, dass ihrem Anspruch auf Zahlung von Urlaubsentgelt nicht stattgegeben werden kann, weil es ihr nicht gelungen sein könnte, die Urlaubserteilung darzulegen und zu beweisen, geltend, dass sie dann noch offene Urlaubsansprüche hatte, die wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten wären. Damit ist hinreichend deutlich, dass sie abhängig von der innerprozessualen Bedingung, dass der Hauptantrag auf Zahlung von Urlaubsentgelt für den Zeitraum 9.5. bis 31.7.2017 abgewiesen wird, hilfsweise einen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung geltend macht. Die Einführung eines geänderten Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz kann insofern nur verstanden werden als Anschließung, denn dies ist auch die einzige Möglichkeit den Hilfsantrag als erstinstanzlich insoweit nicht beschwerte Partei im zweiten Rechtszug geltend zu machen. Dass auch insofern die Anschließung unter der innerprozessualen Bedingung steht, dass die Berufung des Beklagten insoweit erfolgreich ist, steht der Zulässigkeit nicht entgegen, weil auch die hilfsweise Anschließung zulässig ist (Thomas/Putzo/Reichold ZPO § 524 Rn 12).



    Der so verstandene Antrag ist überwiegend begründet, denn die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 7.112,70 Euro brutto für 70 Tage der Urlaubsjahre 2015-2017. Anspruchsgrundlage ist § 7 Abs. 4 BUrlG.



    60 Nach § 7 Abs. 4 BUrlG haben Arbeitnehmer*innen Anspruch auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung, wenn und soweit Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr genommen werden kann.



    Das Arbeitsverhältnis ist beendet; hierüber streiten die Parteien nicht.



    Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte die Klägerin aus den Urlaubsjahren 2015-2017 insgesamt noch einen Anspruch auf Erholungsurlaub in Höhe von 78 Tagen. Dies setzt sich wie folgt zusammen:



    Die Parteien vereinbarten im Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Erholungsurlaub in Höhe von 24 Werktagen "bezogen" auf eine 5-Tage Woche. Diese Regelung ist auslegungsbedürftig. Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich erkennbar und unstreitig um vom Beklagten vorformulierte allgemeine Arbeitsbedingungen, sodass die Auslegungsgrundsätze zur Auslegung von AGB zur Anwendung kommen.



    Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden nicht rechtskundigen Vertragspartners. Anhaltspunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut (BAG, 24.1.2013, 8 AZR 965/11).



    Soweit von 24 Werktagen Erholungsurlaub die Rede ist und dies auf eine Fünftagewoche bezogen wird, ergibt sich ein Verständnis der Norm dahingehend, dass 24 Arbeitstage Urlaubsanspruch vereinbart sein sollen. Zwar scheinen die 24 Werktage der Formulierung des § 3 BUrlG entnommen zu sein, wonach 24 Werktage unter Einschluss der Samstage Erholungsurlaubsanspruch besteht, was üblicherweise bei einer 5-Tage Woche zu einer Umrechnung dahingehend führt, dass 20 Arbeitstage Erholungsurlaub bestehen.



    Allerdings ist hier eine Formulierung gewählt worden, welche die 24 Werktage abweichend vom Gesetz nicht auf eine gesamte Woche inklusive Samstag sondern explizit auf die 5-Tage Woche bezieht ("bezogen auf..."). Damit ist eine vom Gesetz abweichende Regelung gefunden. Einem Verständnis des Wortlauts, wonach nicht die Werktage auf die 5-Tage Woche in dem Sinne bezogen sind, Werktage mit Arbeitstagen gleichzusetzen, sondern dass damit die Notwendigkeit einer Umrechnung von Werktagen auf Arbeitstage zum Ausdruck gebracht werden sollte, steht entgegen, dass bei entsprechen dem Willen die Vornahme der Umrechnung gleich im Vertrag zu erwarten gewesen wäre.



    Es wäre unnötig kompliziert, macht keinen Sinn und wäre hochgradig unpraktikabel, in einem Vertrag eine solche Regelungstechnik zu wählen. Jedenfalls läge im anderen Verständnis keine bevorzugungswürdige Auslegung, sondern allenfalls eine gleichwertige, so dass diese dann verbleibende Unklarheiten zu Lasten des Verwenders, des Beklagten, ginge.



    Die Parteien haben schließlich - was indiziell die Auslegung der Kammer jedenfalls nicht widerlegt - die Regelung auch so gehandhabt und der Beklagte bestätigt dieses Verständnis in der Berufungsinstanz durch die von ihm selbst vorgenommene Berechnung (Bl. 142 d.A.).



    Unstreitig ist die Klägerin schwerbehindert, sodass sie weitere fünf Arbeitstage Erholungsurlaub zu beanspruchen hat (§ 125 SGB IX damalige Fassung, heute § 208 SGB IX).



    Damit ergibt sich ein Erholungsurlaub Anspruch von 29 Arbeitstagen pro Jahr.



    Im Jahr 2015 sind mit Jahresbeginn diese 29 Arbeitstage Erholungsurlaubsanspruch entstanden und weil die Klägerin von 21.1.2015 durchgehend bis zum Jahresende arbeitsunfähig erkrankt war und deshalb den Erholungsurlaubsanspruch nicht in Natur hat verwirklichen können, ist dieser Anspruch nicht zum Jahresende verfallen, sondern konnte frühestens nach Ablauf von 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres, mithin zum 31.3.2017 verfallen (st. Rechtspr. zuletzt BAG 29.9.2020, 9 AZR 364/19 Rn 19).



    Dieser Erholungsurlaubsanspruch trat am Jahresanfang 2016 zu den 29 Arbeitstagen Erholungsurlaubsanspruch, die mit Beginn des Jahres 2016 entstanden sind, hinzu, sodass 58 Arbeitstage Erholungsurlaubsanspruch aufsummiert waren. Ob und wie viel Tage die Klägerin in diesem Jahr Erholungsurlaub erhalten hatte, ist von niemandem dargelegt.



    Für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs ist der Beklagte darlegungspflichtig. Daher geht dies zu seinen Lasten.



    Dieser Anspruch ist nicht zum Jahresende verfallen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht dargelegt sind. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (zuletzt BAG 29.9.2020, 9 AZR 364/19) ist es noch möglich, dass ein Erholungsurlaub Anspruch am Jahresende bzw. am Ende des Übertragungszeitraums nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfällt.



    Dies setzt allerdings voraus, dass zuvor der*die Arbeitgeber*in seiner*ihrer Mitwirkungspflicht und der Initiativlast nachgekommen ist (zuletzt BAG 29.9.2020, 9 AZR 364/19).



    Verlangt wird eine eindeutige Mitteilung an die Arbeitnehmer*innen, dass Erholungsurlaubsanspruch besteht, dass dieser verwirklicht werden kann und dass dieser genommen werden muss unter Hinweis darauf, dass dieser ansonsten am Jahresende verfällt (vgl. nur zuletzt BAG 29.9.2020, 9 AZR 364/19). Eine solche Mitwirkungshandlung ist vom hierfür darlegungspflichtigen Beklagten nicht vorgetragen. Daher traten die 58 Arbeitstage Erholungsurlaub Anfang des Jahres 2017 zu dem neu entstandenen Anspruch für dieses Kalenderjahr in Höhe von 29 Arbeitstagen hinzu, sodass sich damit insgesamt Anfang 2017 ein Jahreserholungsurlaubsanspruch in Höhe von 87 Tagen ergab. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts im Tatbestand des angefochtenen Urteils, welche die Klägerin ganz offensichtlich gegen sich gelten lässt, waren hierauf 9 Arbeitstage Erholungsurlaub erteilt, sodass schlussendlich zum Ende des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch von 78 Tagen Erholungsurlaub bestand.



    Im Ergebnis berechnet sich die Höhe nach dem Verdienst in den letzten vergütungspflichtigen 13 Wochen der Klägerin. Dies folgt aus § 11 Abs. 1 Satz 3 BurlG.



    Grundsätzlich sind bei der Urlaubsabgeltung zur Berechnung der Höhe die letzten 13 Wochen, die das Arbeitsverhältnis bestand, maßgeblich. Das wäre der Zeitraum 1.5. bis 31.7.2017. Überwiegend hatte die Klägerin in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf Vergütung (s.o.).



    Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG bleiben Verdienstkürzungen aufgrund unverschuldeter Arbeitsversäumnis bei der Berechnung des Urlaubsentgelts unberücksichtigt. Im Falle einer solchen längeren Arbeitsversäumnis sind die letzten 13 Wochen, in denen Anspruch auf Arbeitsvergütung bestand, maßgeblich (LAG Hamm 8.12.2004, 18 Sa 1165/04).



    Die Arbeitsversäumnis der Klägerin war nicht verschuldet im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG. Arbeitsversäumnis ist in dem Sinne dann verschuldet, wenn der Arbeitnehmer gröblich gegen Verhaltenspflichten verstößt, deren Einhaltung von jedem verständigen Menschen im eigenen Interesse, sich nicht selbst zu schädigen, erwartet werden kann (Hohmeister/Oppermann, BUrlG § 11 Rn 81; Neumann/Fenski/Kühn § 11 Rn 56 ff.; ErfK/Gallner BUrlG § 11 Rn 25, wo auch von "grob schuldhaft" die Rede ist). Die Klägerin ist hier von einer Urlaubserteilung ausgegangen, weil der Beklagte sich nicht eindeutig verhalten hat. Dass aus verobjektivierter Sicht die Auslegung des Kopfnickens des Beklagten am 12.4.2017 mangels hinreichender Bestimmtheit und Eindeutigkeit nicht als Urlaubsbewilligung ausgelegt werden kann, bedeutet nicht einmal, dass die Klägerin auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte das Missverständnis erkennen müssen. Insoweit hat der Beklagte durch sein Verhalten erheblich zu diesem Irrtum beigetragen und es liegt jedenfalls kein grobes Verschulden im oben definierten Sinne vor, nach Auffassung der Kammer nicht einmal Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 BGB.



    Selbst wenn man hier entgegen der Auffassung der Kammer ein Verschulden der Klägerin im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG annähme, wäre die Norm nicht so zu verstehen, dass diese Tage mit 0,00 Euro in die Berechnung des relevanten Durchschnittverdienstes einzustellen wäre (a.A. ErfK/Gallner BUrlG § 11 Rn 25).



    Dies führte dies zu einer unionsrechtlich nicht hinnehmbaren Abwertung des Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruchs.



    Unterstellt, die Klägerin wäre schuldhaft im Zeitraum 9.5. bis 31.7.2017 von der Arbeit ferngeblieben, führte die Berücksichtigung der letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit annähernd Null Euro Durchschnittsverdienst praktisch zum Wegfall der Urlaubsabgeltung (992,94 € brutto für 78 Tage bei einem Tagessatz von 12,73 €, was einer Stundenvergütung in Höhe von 2,12 € brutto entspräche).



    So ist § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht zu verstehen. Der Wortlaut "Verdienstkürzungen" legt zunächst nahe, dass ein Absinken der Vergütung, aber nicht der Wegfall der Vergütung gemeint ist. Der Zusammenhang mit Satz 2, der von "vorübergehenden" Verdienständerungen spricht, spricht ebenfalls dafür, dass mit Satz 3 nicht endgültiger und vollständer Wegfall der Vergütung gemeint ist. Damit käme in Betracht, vorübergehende Verminderungen des Verdienstes im Bemessungszeitraum des § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG aufgrund verschuldeter Arbeitsversäumnis anspruchsmindernd zu berücksichtigen, nicht aber dauerhafte oder langfristigen Verdienstausfall.



    Letzteres wäre nicht mit Art. 7 RL 2003/88/EU in Einklang zu bringen.



    Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Freistellungs- und Vergütungskomponente zwei akzessorisch miteinander verbundene Komponenten des Urlaubsanspruchs; die Akzessorietät entfällt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, weil der Freistellungsanspruch nicht mehr erfüllbar ist; die Vergütungskomponente bleibt als finanzieller Abgeltungsanspruch aufrechterhalten (BAG 22.1.2019, 9 AZR 45/16).



    Wenn bei einem Übergang von einem Vollzeitarbeitsverhältnis in ein Teilzeitarbeitsverhältnis, das damit verbundene Absinken des Arbeitsverdienstes aufgrund Absinkens der Arbeitszeit nicht dazu führen darf, dass der aus dem früheren Zeitraum erworbene Urlaubsanspruch wertmäßig herabgesetzt wird (EuGH 22.4.2010, C-486/08), folgt hieraus, dass ein über einen längeren Zeitraum - hier konkret 2,5 Jahre - erworbener Urlaubsanspruch nicht aufgrund 13 Wochen mit kaum Arbeitsverdienst praktisch bis zur Wertlosigkeit entwertet werden darf. Auch der Abgeltungsanspruch darf der Höhe nach nicht geringer ausfallen, weil in den letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses mangels Arbeitsleistung kein Arbeitsverdienst erzielt worden ist. Mit der o.g. Rechtsprechung des EuGH ist dem Urlaubsanspruch ein bestimmter auch finanziell zu bemessender Wert beigelegt. Das ist im Ergebnis der Wert, welcher dem Urlaubstag im Zeitpunkt seines Entstehens beizumessen ist, Dieser ergibt sich aus der im Zeitpunkt des Entstehens zu zahlenden Vergütung. Da der Abgeltungsanspruch diese nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbestehende Vergütungskomponente des Urlaubsanspruchs selbst darstellt, gilt für ihn nichts anderes.



    Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem mittlerweile geklärtem Verständnis des Urlaubsbegriffs in Art. 7 RL 2003/88/EU, womit aus Sicht der Kammer die hier diskutierte Frage, ob eine verschuldete Arbeitsversäumnis in den letzten 13 Wochen vor Ende des Arbeitsverhältnisses zur Entwertung des Urlaubsabgeltungsanspruch führen kann, unionsrechtlich geklärt ist. Der Begriff "bezahlter Jahresurlaub" i.S.v. Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EU bedeutet, dass Arbeitnehmer*innen für die Urlaubszeit das gewöhnliche Arbeitsentgelt erhalten müssen, damit sie dadurch in eine Lage versetzt werden, welche in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist (EuGH 22.5.2014 - C-539/12, NZA 2014, 593 Rn. 16, 17 mwN). Diese Vergleichbarkeit ist nicht gegeben, wenn Zeiten der Arbeitsversäumnis mit Null Euro in die Berechnung einfließen. Außerdem führte diese Berechnungsmethode zu dem Widerspruch, dass Arbeitnehmer*innen im Urlaub nicht ein Entgelt erhielten, wie wenn sie gearbeitet hätten, denn bei Arbeitsleistung nach Zeiten verschuldeter Arbeitsversäumnis wird das Entgelt nicht gekürzt, dann darf auch bei Urlaub anstatt Arbeit nach Arbeitsversäumnis das (Urlaubs-)Entgelt nicht gekürzt werden. Die Vergleichsüberlegung bei unterstelltem Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses macht dies deutlich; erhielte ein*e Arbeitnehmer*in in den letzten 13 Wochen vor Antritt des genehmigten Urlaubs keinen Verdienst wegen verschuldeter Arbeitsversäumnis, wird dies nicht dazu führen können, dass aus dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer auf unbezahlten Urlaub würde.



    Damit sind die letzten 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin, in denen sie Verdienste erzielte, für die Berechnung der Höhe der Abgeltung maßgebend.



    Diese 13 Wochen sind der Zeitraum 6. Februar bis 8. Mai 2017. Die in diesem Zeitraum von ihr ausgeübten Tätigkeiten hat die Klägerin in den überreichten Abrechnungen, welche den Entgeltabrechnungen zu Grunde lagen, hinreichend spezifisch und taggenau aufgelistet. Diesem Vortrag ist der Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.



    Deshalb ist er der Entscheidungsfindung als unstreitig zu Grunde zu legen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Danach erzielte die Klägerin folgenden Verdienst:



    Anders als die Klägerin meint, war der positive Saldo aus nicht bezogenen Provisionen für die Zeiträume vor Februar 2017 nicht in die Berechnung mit einzubeziehen, weil dieser Vergütungsbestandteil außerhalb des 13 Wochenzeitraums erzielt worden war.



    Damit ergibt sich folgende Rechnung: Gesamtbetrag der Einkünfte (6.604,33 Euro brutto) geteilt durch 65 Arbeitstage ergibt einen Tagessatz in Höhe von 101,61 Euro brutto multipliziert mit 70 Urlaubstagen, ergibt einen Anspruch in Höhe von 7.112,70 brutto.



    Mehr war der Klägerin nicht zuzusprechen, weil sie nur für 70 Tage Urlaubsabgeltung beantragt hat (§ 308 Abs. 1 ZPO) und ihre Berechnung leicht fehlerhaft war, denn der ihr berücksichtigte Zeitraum 1. bis 6.2.2017 lag außerhalb der 13 Wochen.



    Dieser Anspruch ist nicht, auch nicht teilweise durch Zahlungen von Vergütung für Mai und für Juni 2017 erloschen. Diesbezüglich kommt es auf die Tilgungsbestimmung des Schuldners bei der Zahlung an. Hier hat der Beklagte ausdrücklich weder Urlaubsentgelt noch Urlaubsabgeltung zahlen wollen, sondern ein zwischen den Parteien nicht vereinbartes Grundgehalt. Erfüllungswirkung ist damit in Bezug auf die Urlaubsabgeltung nicht eingetreten.



    Der Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz auf 7.112,70 € ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die Urlaubsabgeltung war mit Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.7.2017 kalendermäßig bestimmt fällig und der Beklagte daher mit der Zahlung ab dem 1.8.2017 in Verzug.



    Die Berufung ist im Übrigen unbegründet.



    An der Zulässigkeit der Erweiterung der Widerklage hat die Kammer keine Bedenken; für diesen Anspruch ist das bisherige Vorbringen verwertbar; es ist sachdienlich, weil prozessökonomisch, den Rechtstreit insgesamt zu entscheiden.



    Die Widerklage ist unbegründet.



    Abgesehen von der Frage, ob der Beklagte nicht schon aus § 814 BGB gehindert ist, behauptete Überzahlungen zurückfordern zu können, steht allen seinen Forderungen die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist entgegen.



    In § 10 des Arbeitsvertrages, der wie bereits dargelegt allgemeine Geschäftsbedingungen darstellt, gab der Beklagte als Verwender eine Ausschlussfrist von einem Monat nach Erteilung der letzten Gehaltsabrechnung vor. Diese ist für die Klägerin nicht verbindlich, weil es sich um eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders, hier der Klägerin, handelt. Hierauf kann sich der Beklagte allerdings nicht berufen.



    Die Ausschlussklausel ist auch nicht gem. § 202 Abs. 1, § 134 BGB in beide Richtungen absolut nichtig, sodass sie auch für den Beklagten unverbindlich wäre (dazu BAG 26.11.2020, 8 AZR 58/20), weil die Auslegung ergibt, dass sie nicht Ansprüche aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen und nicht sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis umfasst.



    Die Klausel ist auslegungsbedürftig. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist (BAG 26.11.2020, 8 AZR 58/20).



    Nach dem Wortlaut ist es offen, ob alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und eventuell sogar solche, die damit im Zusammenhang stehen erfasst sein können. Die Formulierung "Ansprüche aus dem Anstellungsverhältnis" ist insofern offen. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, dass Verfallklauseln möglichst breit gefächert alle Ansprüche erfassen sollen, weil der Sinn, möglichst schnell Klarheit über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen zu bekommen, nur so erreicht werden kann. Hier allerdings ergeben sich Besonderheiten aus der Systematik der arbeitsvertraglichen Regelungen, die zu einem anderen Ergebnis führen. Die Ausschlussfrist knüpft ihren Beginn an die Erteilung der letzten Gehaltsabrechnung. Das spricht dafür, dass Ansprüche erfasst sein sollen, über welche Gehaltsabrechnungen zu erteilen sind und die aus Gehaltsabrechnungen folgen, wie z.B. Rückzahlungen aus überhöhten Provisionsabrechnungen. Gerade im Hinblick auf die Vergütung, die in der vom Beklagten sogenannten "Betriebsvereinbarung" geregelt, macht dies auch Sinn.



    Danach ist eine reine Leistungsvergütung geschuldet, über die monatlich abzurechnen ist. Gerade in dem Zusammenhang ist es sinnvoll, zügig nach Erteilung der Abrechnung Klarheit zu schaffen, ob damit alle Ansprüche erfasst sind, ob Ansprüche zu viel erfasst sind und ob diese korrekt abgerechnet sind. Wenig sinnvoll wäre es, Ansprüche über die keine Gehaltsabrechnung erfolgt, zum Beispiel Ansprüche aus unerlaubten Handlungen, auch hiervon zu erfassen. Aus dem Gesamtbild ergibt sich für die Kammer die Überzeugung, dass die Klausel nur die Ansprüche über die monatlich abzurechnen sind, das sind die Vergütungsansprüche. Die Verfallklausel schließlich deutet mit dem Wortbestandteil "Gehalts" vor der fristauslösenden Abrechnung insoweit hinreichend eine Beschränkung der Klausel auf Gehalts- mithin Entgeltansprüche an.



    Hiervon erfasst sind dann auch Rückzahlungsansprüche, denn diese ergeben sich letztlich aus den Abrechnungen und finden sich in den Gehaltsabrechnungen wieder. Der Beklagte als Verwender wollte schnell Klarheit über den Bestand der Provisionen; die Arbeitnehmer*innen sollten zu zügiger Abrechnung und Kontrolle angehalten werden; das gilt auch umgekehrt.



    Aus diesem Grunde ergibt sich die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel lediglich aus der unangemessenen Benachteiligung der Klägerin, weil sie einen Monat beträgt und damit das gesetzliche Leitbild des Anspruchsverlustes durch reinen Zeitablauf, Verjährung, zu weit zu Lasten der Klägerin abändert, denn der Zeitraum wäre von regelmäßig drei Jahren ab Beginn des auf die Entstehung folgen Kalenderjahres auf einen Monat ab Erteilung der Gehaltsabrechnung verkürzt.



    Der Beklagte muss die Ausschlussfrist gegen sich gelten lassen. Er hat nicht dargelegt, dass er seine Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht hat. Die letzte Gehaltsabrechnung stammt vom 16.6.2017; eine Geltendmachung vor dem 16.7.2017 ist nicht dargelegt.



    Der Beklagte trägt die gesamten Kosten des Rechtsstreits; die Kammer hat von § 92 Abs. 2 ZPO Gebrauch gemacht, weil - rein kostenrechtlich bezogen auf den Gesamtbetrag der klägerischen Forderung - die Zuvielforderung der Klägerin letztlich wirtschaftlich gesehen geringfügig war und keine besonderen Kosten verursacht hat.



    Anlass für die Zulassung der Revision bestand aus Sicht der Kammer nicht.

    Hinweise

    Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt - Az. beim BAG: 9 AZN 442/21

    Vorschriften§ 2 EFZG, § 611 a Abs. 2 BGB, § 362 BGB, § 308 Abs. 1 ZPO, § 11 BUrlG, §§ 133, 157 BGB, § 615 BGB, § 7 Abs. 4 BUrlG, § 3 BUrlG, § 125 SGB IX, § 208 SGB IX, § 7 Abs. 3 BUrlG, § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG, § 276 BGB, § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, Art. 7 RL 2003/88/EU, Art. 7 Abs. 1 RL 2003/88/EU, § 138 Abs. 3 ZPO, §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB, § 814 BGB, § 202 Abs. 1, § 134 BGB, § 92 Abs. 2 ZPO