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  • 08.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229574

    Landesarbeitsgericht Hamburg: Urteil vom 02.07.2021 – 2 Sa 58/20

    1. Behauptungen "ins Blaue" genügen für die Darlegung von Indizien im Sinne des § 22 AGG nicht. Ein solcher Vortrag ist prozessual unbeachtlich.

    2. Die bloße Vermutung, das in § 164 Abs. 1 S. 7 und 8 SGB IX vorgesehene Konsultationsverfahren sei durch eine unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats unterlaufen worden, reicht als Darlegung von Indizien für eine Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung ebenso wenig, wie die Äußerung von nicht näher begründeten Zweifeln, ob der Betriebsrat zu der Frage, ob die Stelle mit einem schwerbehinderten Arbeitnehmer besetzt werden kann, angehört wurde (§ 164 Abs. 1 S. 6 SGB IX iVm. § 176 SGB IX). Aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberin sich hierzu im Prozess nicht erklärt, kann nicht geschlossen werden, dass die "ins Blaue hinein" erhobenen Mutmaßungen des Klägers zutreffend sind.

    3. Aus dem Umstand, dass fünf Monate nach dem Zeitpunkt der erfolglosen Bewerbung nur eine geringe Anzahl von offenen Stellen der Arbeitgeberin auf der Online-Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit veröffentlicht waren, während bundesweit über dreihundert offene Stellen ausgeschrieben waren, kann nicht geschlossen werden, dass die Stelle, auf die sich der Kläger fünf Monate zuvor beworben hat, nicht der Bundesagentur für Arbeit gemeldet war und die Arbeitgeberin daher gegen die Verpflichtung gem. § 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX verstoßen hat.


    Tenor:

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. September 2020 - 28 Ca 142/20 - wird zurückgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.



    Der Kläger hat ein Studium der Wirtschaftswissenschaften absolviert und wurde 1998 promoviert. Er ist seit 2019 arbeitssuchend. Er ist als schwerbehinderter Mensch iSd. § 2 Abs. 2 S. 1 SGB IX anerkannt.



    Die Beklagte ist ein Beratungsunternehmen mit mehreren Standorten in Deutschland.



    Mit Schreiben vom 14. August 2019 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten im Internet ausgeschriebene Stelle als Scrum Master Energy (m/w/d). Hinsichtlich der Einzelheiten der Ausschreibung und der dort genannten Anforderungen wird auf den gesamten Inhalt des Ausschreibungstextes (Bl. 10 - 12 d. A.) Bezug genommen. Im Bewerbungsschreiben teilte der Kläger unter anderem folgendes mit:



    "Ich bin schwerbehindert, was aber für die Ausübung der ausgeschriebenen Position aus meiner Sicht kein Problem darstellt (...)."



    Ergänzend wird auf den gesamten Inhalt des Bewerbungsschreibens nebst beigefügten Anlagen (Lebenslauf, Zeugnisse u.a.) Bezug genommen (Bl. 13 - 56 d. A.). Mit E-Mail vom 22. August 2019 (Bl. 57 d. A.) erteilte die Beklagte dem Kläger eine Absage.



    Mit Schreiben vom 19. Oktober 2019 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG geltend. Hinsichtlich des Inhalts dieses Schreibens wird ergänzend auf Blatt 58 - 60 d. A. Bezug genommen.



    Die Beklagte reagierte mit Schreiben vom 18. November 2019 (Bl. 61 - 62 d.A.). Sie verwies unter anderem darauf, der Kläger verfüge nicht über den geforderten Studienabschluss der Studiengänge (Wirtschafts-)Informatik bzw. (Wirtschafts-)Mathematik. Der Studienabschluss des Klägers sei nicht gleichwertig, da er ihn nicht in gleicher Sachlichkeit und Methodik qualifiziere. Die Beklagte machte ferner geltend, die geforderte praktische Berufserfahrung als Scrum Master in agilen IT-Projekten ergebe sich aus den Bewerbungsunterlagen nicht, ebenso wenig die verlangte Erfahrung in der Moderation und im Coaching von Teams oder die geforderten guten Kenntnisse von Software-Architekturen. Auch entspreche die vom Kläger angegebene Scrum Zertifizierung nicht den Anforderungen der Stellenausschreibung, nämlich der geforderten und marktüblichen Zertifizierung nach CSM oder PSM. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 18. November 2019 verwiesen (Bl. 61 - 62 d. A.).



    Mit Schreiben vom 27. November 2019 bat der Kläger die Beklagte darum, ihm darzulegen, dass sie im Hinblick auf ihre Auswahlkriterien sämtliche Bewerber gleichbehandelt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird ergänzend auf Blatt 63 - 64 d. A. Bezug genommen. Hierauf reagierte die Beklagte nicht.



    Mit der Klage, die zunächst bei dem Arbeitsgericht Köln am 10. Januar 2020 eingegangen ist (Prüfprotokoll de-Mail, Bl. 74 d. A.) und der Beklagten am 17. Januar 2020 zugestellt worden ist (Postzustellungsurkunde Bl. 78 d. A.), hat der Kläger die Zahlung einer Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von mindestens 10.000,00 Euro verlangt. Auf Rüge der örtlichen Unzuständigkeit seitens der Beklagten hat das Arbeitsgericht Köln sich mit Beschluss vom 6. Mai 2020 - 6 Ca 213/20 - (Bl. 95 - 96 d. A.) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hamburg verwiesen.



    Der Kläger hat gemeint, es lägen verschiedene Indizien für eine Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung vor.



    Hierzu hat er behauptet, zum Zeitpunkt der Klageerhebung seien deutschlandweit bei der Beklagten 366 Stellen zu besetzen gewesen, von denen nur acht auf der Stellenbörse der Bundesagentur für Arbeit (im Folgenden: BA) im Internet gelistet gewesen seien. Diese seien zudem durch "Jobspreader" eingetragen und stünden daher dem Vermittlungsdienst nicht zur Verfügung. Aus § 164 Abs. 1 S. 1 - 3 SGB IX resultiere die Verpflichtung für den Arbeitgeber, einen sogenannten betreuten Vermittlungsauftrag auf den Weg zu bringen und darzulegen, für welche Formen der Behinderung die ausgeschriebene Stelle geeignet bzw. nicht geeignet sei. Da bei Klageerhebung von den insgesamt ausgeschriebenen Stellen nur ein Bruchteil bei der BA gemeldet bzw. im Jobportal der BA zur Vermittlung ausgeschrieben gewesen sei, sei bewiesen, dass die Beklagte nur in 1 - 2 % der zu besetzenden Stellen die BA beteilige. Hierbei handele es sich nicht um Vermutungen "ins Blaue hinein".



    Ein weiteres Indiz liege darin, dass aufgrund der Darstellung der Beklagten nicht erkennbar sei, ob die Mitbestimmungsorgane - konkret der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat - über die Bewerbung des Klägers und die Absage der Beklagten informiert worden seien.



    Die Absagebegründung vom 18. November 2019 stehe zudem in Widerspruch zu dem Inhalt der Stellenausschreibung. So würden darin Fähigkeiten als zwingend erforderlich herausgestellt, die in der Stellenausschreibung nur optional erwartet worden seien - etwa die Scrum Master Zertifizierung und die Kenntnisse in Software-Architekturen. Der Stellenausschreibung lasse sich auch nicht entnehmen, dass das Aufgabengebiet der fraglichen Stelle im Wesentlichen die Softwareentwicklung betrifft. Es sei unverständlich, wenn die Beklagte jetzt darauf verweise. Ein Scrum Team bestehe keineswegs immer aus IT-Spezialisten. Scrum sei für alle Branchen und Situationen geeignet. Die Beklagte habe zudem nicht nachgewiesen, dass die Anforderungskriterien, die sie vom Kläger erwartet habe, bei den anderen Kandidaten, die näher in Augenschein genommen wurden, vorhanden gewesen seien.



    Die genannten Indizien ließen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass die Beklagte an der Einstellung schwerbehinderter Menschen kein Interesse habe.



    Zu Unrecht mache die Beklagte im Übrigen geltend, der Kläger sei für die ausgeschriebene Stelle objektiv ungeeignet. Es sei von einem erzielbaren Monatsgehalt in Höhe von 5.000,00 Euro monatlich auszugehen. Als Entschädigungsbetrag sei mindestens ein Betrag in Höhe von zwei Monatsgehältern anzusetzen.



    Der Kläger hat beantragt,



    die Beklagte zu verurteilen, eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts zu legende Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG an den Kläger zu leisten, die den Gegenwert von zwei Monatsgehältern bzw. (vorläufig) 1 die 10.000 € zzgl. 5 % über dem Basiszinssatz ab 1.2.2020 nicht unterschreiten sollte.



    Die Beklagte hat beantragt,



    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger habe Indizien, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals vermuten ließen, weder dargetan, noch bewiesen. Derjenige, der eine Diskriminierung geltend mache, müsse zunächst Vermutungstatsachen vortragen, aus denen sich schließen lasse, dass die unterschiedliche Behandlung auf einem gemäß § 1 Abs. 1 AGG unzulässigen Grund beruht. Diesen Anforderungen werde der Vortrag des Klägers nicht ansatzweise gerecht. Er behaupte "ins Blaue hinein" eine Missachtung der Verpflichtung aus § 164 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IX, ohne hierzu Tatsachen vorzutragen.



    Selbst wenn man ein Indiz im Sinne des § 22 AGG annehmen wollte, könne der Kläger die Entschädigung nicht beanspruchen. Die Schwerbehinderung sei nicht einmal Teil eines Motivbündels der Beklagten gewesen. Der Kläger habe nämlich bereits die formale Qualifikation für die Stelle nicht erfüllt. So habe er weder über das erforderliche Studium in (Wirtschafts-)Informatik oder (Wirtschafts-)Mathematik oder einer vergleichbaren Fachrichtung verfügt, noch Erfahrung als Scrum Master in agilen IT-Projekten aufgewiesen, ebenso wenig in der Moderation und dem Coaching von solchen Teams. Er habe auch weder über gute Kenntnisse der Software-Architekturen noch über eine Scrum Master Zertifizierung CSM oder PSM verfügt.



    Mit Urteil vom 2. September 2020 - 28 Ca 142/20 - hat das Arbeitsgericht Hamburg die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bereits keine Indizien im Sinne des § 22 AGG vorgetragen. Bei der Darlegung von Indizien im Rahmen eines Diskriminierungsprozesses reichten Behauptungen "ins Blaue" nicht aus. Die allgemeine Behauptung des Klägers, die Beklagte habe Verfahrensvorschriften zur Beteiligung der BA missachtet, sei unbeachtlich, wenn sie "ins Blaue hinein" erhoben werde. Das gelte auch für ein Vorbringen zur unterbliebenen Beteiligung des Betriebsrats. In solchen Fällen müssten genügend Anhaltspunkte dafür benannt werden, warum diese Tatsachen vermutet würden. Ohne nähere Anhaltspunkte könnten solche Verfahrensverstöße sonst im Grunde gegenüber jedem Arbeitgeber erhoben werden, der eine Bewerbung des Klägers ablehne. Der Kläger habe nur pauschal behauptet, die Beklagte habe ihre Verpflichtung aus § 164 Abs. 1 S.1 SGB IX nicht erfüllt. Konkrete Tatsachen habe er nicht benannt. Er habe auch selbst nicht behauptet, konkrete Anhaltspunkte für eine Verletzung der Verpflichtungen der Beklagten zu haben. Er habe sich ausschließlich auf die Anzahl offener Stellen bei der Beklagten und die Listung offener Stellen bei der BA bezogen. Weiteren Vortrag, insbesondere zu seinem konkreten Bewerbungsverfahren, habe er nicht gehalten. Sein Rückschluss aus den Zahlen auf etwaige Verstöße der Beklagten gegen § 164 SGB IX stelle nichts Anderes dar als Vortrag "ins Blaue". Weshalb die Zahlen geeignet sein sollten, einen Verstoß der Beklagten gegen die Vorgaben des § 164 SGB IX darzustellen, lasse der Kläger offen. Dies sei für die Kammer auch nicht ersichtlich.



    Das Urteil ist dem Kläger am 4. November 2020 zugestellt worden. Seine Berufung, die bereits die Berufungsbegründung enthielt, ist am 27 November 2020 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen.



    Der Kläger macht weiterhin geltend, seine Ausführungen, wonach die Beklagte eine ordnungsgemäße Beteiligung der BA unterlassen habe, seien keine Spekulation "ins Blaue hinein". Die Beklagte selbst habe vor dem Arbeitsgericht nichts Gegenteiliges behauptet. Er habe Anknüpfungstatbestände benannt und dokumentiert. Es sei "unstreitig", dass die Beklagte nur 1-2 % der zu besetzenden Stellen überhaupt im Stellenportal der BA eintragen lasse, allerdings in keinem Falle einen sogenannten betreuten Vermittlungsauftrag auf den Weg bringe. Nur in letzterem Falle könne die BA tätig werden und arbeitssuchende schwerbehinderte Menschen vorschlagen. Aufgrund der vom Kläger behaupteten Umstände stehe jedenfalls fest, dass die Beklagte auch im Falle des Klägers ihren Melde-und Beteiligungsverpflichtungen nicht nachgekommen sei. Dies ergebe sich aus den allgemeinen Regeln der Beweislastumkehr. Die Sichtweise des Arbeitsgerichts sei lebensfern. Sie führe dazu, dass jeder Bewerber gezwungen sei, bereits mit der Bewerbung Beweise für ein möglicherweise zu führendes AGG-Verfahren zu sichern.



    Richtigerweise sei von einer Umkehr der Beweislast zugunsten des Klägers auszugehen. Mindestens hätte das Arbeitsgericht einen rechtlichen Hinweis erteilen müssen. Der Kläger könne Zeugenbeweis für die mangelnde Beteiligung der BA anbieten (Zeugin K. P.).



    Entsprechendes gelte für die unterlassene Beteiligung des Betriebsrats. Auch hier habe der Kläger Anknüpfungstatbestände vorgetragen, daher sei die Besorgnis, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, nicht "ins Blaue hinein" geäußert. Die Beklagte habe nicht bestritten, dass ein Betriebsrat gegründet worden sei. Der Kläger habe zudem das Betriebsratsmitglied Herrn Dr. S. R. als Zeugen benannt. Die Beklagte trage dann die Beweislast, dass die Beteiligung des Betriebsrats ordnungsgemäß erfolgt sei. Hier könne nichts Anderes gelten als für die Anhörungspflicht gem. § 102 Abs. 1 BetrVG.



    Das Arbeitsgericht habe schließlich den erstinstanzlichen Sachvortrag des Klägers zu den unzutreffenden bzw. widersprüchlichen Ablehnungsgründen in den Schreiben der Beklagten gänzlich außeracht gelassen, obwohl auch dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein taugliches Indiz gem. § 22 AGG sei.



    Der Kläger macht zudem geltend, die Beklagte habe es erstinstanzlich versäumt, darzulegen und zu beweisen, dass das Auswahlverfahren benachteiligungsfrei abgelaufen sei. Hierzu hätte sie ihre Auswahlkriterien darlegen und beweisen müssen, ferner den Umstand, dass sie diese Kriterien bei allen Bewerbern in gleicher Weise angewendet habe. Dazu habe die Beklagte nichts Substanzielles vorgetragen.



    Der Kläger beantragt,



    das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. September 2020 - 28 Ca 142/20 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, eine der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, mindestens aber zwei Monatsgehälter entsprechend insgesamt 10.000,00 Euro, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.



    Die Beklagte beantragt,



    die Berufung zurückzuweisen.



    Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.



    Sie meint, die Berufung sei bereits als unzulässig zu verwerfen, da eine ausreichende Berufungsbegründung nicht vorliege. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das diesbezügliche Vorbringen in der Berufungserwiderung vom 9. Februar 2021 (dort S. 4 - 7, Bl. 187 - 190 d. A.) sowie im Schriftsatz vom 24. Juni 2021 (S. 1 - 2, Bl. 283 - 284 d. A.) verwiesen.



    Im Übrigen sei die Berufung auch unbegründet. Das Vorbringen des Klägers sei bereits unschlüssig, da er keine subsumtionsfähigen Tatsachen zur Kausalität und zu einem der Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 2 AGG vorgetragen habe. Der Kläger habe mit keinem Wort zu seinem konkreten Bewerbungsverfahren und einer konkreten Benachteiligung zu seinen Lasten näher vorgetragen oder hierfür Beweis angeboten. Sein Vorbringen beschränke sich auf allgemeine Ausführungen zu Stellenausschreibungen der Beklagten. Der Kläger habe auch nicht in ausreichender Weise Vermutungen für das Vorliegen von Indizien im Sinne des § 22 AGG vorgetragen. Es sei bereits zweifelhaft, ob detaillierter Tatsachenvortrag (etwa zur Frage der Beteiligung des Betriebsrats) dem Kläger nicht möglich und zumutbar sei. Er habe dies ggf. durch Nachfragen klären können. Jedenfalls habe er keine tauglichen Anknüpfungstatsachen für das Vorliegen der Indizien für eine Benachteiligung genannt. Er habe vielmehr ohne greifbare Anhaltspunkte Behauptungen "ins Blaue" aufgestellt. Ließe man ein solches Vorbringen ausreichen, hätte dies zur Folge, dass jeder Träger eines Merkmals im Sinne des § 1 AGG sich darauf beschränken könnte, vermutete Verfahrensverstöße gegenüber einem Arbeitgeber geltend zu machen, der seine Bewerbung abgelehnt hat. Damit würde auf Tatsachenvortrag gänzlich verzichtet. Dies sei mit dem Wortlaut des § 22 AGG unvereinbar.



    Die vom Kläger gezogene Parallele zur Anhörungspflicht des Betriebsrats gem. § 102 Abs. 1 BetrVG sei fernliegend. Der Kläger verkenne, dass ihn die primäre Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein von Indizien gem. § 22 AGG treffe.



    Auch soweit der Kläger darauf verweise, sein erstinstanzliches Vorbringen zu widersprüchlichen Ablehnungsgründen - als (weiteres) Indiz im Sinne des § 22 AGG - sei unbeachtet geblieben, sei dem nicht zu folgen. Das Arbeitsgericht sei zu Recht auf die pauschalen Ausführungen des Klägers hierzu nicht eingegangen. Der Kläger verkenne zudem schon, dass das Schreiben der Beklagten vom 18. November 2019 gerade nicht das Absageschreiben gewesen sei, sondern die Reaktion auf die Diskriminierungsanzeige. Darin sei ihm erläutert worden, warum ihm insgesamt die fachliche Eignung für die Stelle fehlt. Es sei unklar, welche Widersprüche zwischen der Stellenausschreibung und dem Schreiben der Beklagten vom 18. November 2019 der Kläger meine. Sowohl die Scrum Master Zertifizierung als auch "gute Kenntnisse der Software-Architekturen" seien in der Stellenausschreibung als Anforderungen - neben zahlreichen weiteren - genannt.



    In seiner Replik macht der Kläger geltend, die von ihm vorgelegten Ausdrucke der Jobbörse der BA seien ausreichende Anknüpfungstatsachen. Diese ließen mit höchster Wahrscheinlichkeit befürchten, dass die BA auch über die Stelle, auf die sich der Kläger beworben hat, nicht informiert worden sei. Der Kläger sei zu seiner Vermutung gelangt auf Grundlage der Beobachtung und Auswertung der Stellenbörse der Beklagten einerseits und der Jobbörse der BA andererseits. Es handele sich daher keineswegs um Vortrag "ins Blaue hinein".



    Entsprechendes gelte bezüglich der Vermutung, dass der Betriebsrat nicht beteiligt worden sei. Der Kläger habe aus dem zeitlichen Ablauf - der raschen Ablehnung seiner Bewerbung - und dem Umstand, dass die Beklagte zur Betriebsratsbeteiligung nichts ausgeführt habe, schließen dürfen, dass der Betriebsrat nicht informiert worden sei. Hierfür habe er zudem einen Zeugen benannt. Für den Fall, dass die Beklagte die Quote der Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung nicht erfülle, hätte sie durch Übergehen des Betriebsrats das Anhörungsverfahren ausgehebelt. Der Kläger behauptet, die Beklagte erfülle die Quote nicht und habe den Betriebsrat auch nicht ordnungsgemäß beteiligt.



    In ihrer Erwiderung hierauf erhebt die Beklagte "höchst vorsorglich" den Einwand, der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Vorbringen im Schriftsatz vom 27. April 2021 (S. 1 - 4, Bl. 235 - 238 d. A.) sowie im Schriftsatz vom 24. Juni 2021 (dort S. 5 - 7, Bl. 287 - 289 d. A.) verwiesen. Die Beklagte macht zudem weiterhin geltend, die pauschale Behauptung des Klägers, wonach sie nur in 1- 2 % der bei ihr zu besetzenden Stellen die BA beteilige, sei unbeachtlich. Es reiche nicht aus, nur Anhaltspunkte dafür vorzutragen, warum eventuell ein Indiz im Sinne des § 22 AGG vorliegen könne. Der Vortrag sei zudem bereits in sich haltlos. Der bloße Abgleich zwischen der Homepage der Beklagten und der Stellenbörse der BA habe bei näherem Hinsehen keine Aussagekraft. Ein "betreuter", also von der BA verwalteter Vermittlungsauftrag müsse nicht zwingend online gestellt werden. Der Arbeitgeber dürfe der BA auch einfach mitteilen, dass geeignete Personen mit Schwerbehinderung zur Vermittlung gesucht und vorgeschlagen werden sollen. Der Abgleich des Klägers habe daher keine Relevanz.



    Soweit der Kläger von "unstreitigem" Vortrag oder "Fehlen von Gegenbeweisen" schreibe, sei darauf hinzuweisen, dass die Beklagte auf den völlig unsubstantiierten Vortrag des Klägers nicht erwidern müsse. Es sei nicht Aufgabe des Arbeitsgebers, auf beliebige Pauschalanfragen hin die Interna des Bewerbungsverfahrens auszubreiten. Ebenso wenig müsse das Arbeitsgericht haltlosen Pauschalbehauptungen im Wege des unzulässigen Ausforschungsbeweises nachgehen.



    Der Kläger tritt dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs mit Schriftsatz vom 24. Mai 2021 (dort S. 1 u. 2, Bl. 270 d. A.) entgegen, auf dessen Inhalt ebenfalls verwiesen wird.



    Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den gesamten Inhalt der in der Berufung gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.



    Entscheidungsgründe



    Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Dass Arbeitsgericht hat die Entschädigungsklage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG. Er hat bereits keine Indizien im Sinne des § 22 AGG dargelegt, die eine Benachteiligung wegen eines der in § 1 AGG genannten Merkmale vermuten lassen.



    I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gem. § 8 Abs. 2 ArbGG, § 64 Abs. 1, Abs. 2 lit. b) ArbGG statthaft und auch ansonsten zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 519 Abs. 1 und 2, § 520 Abs. 1, § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie ist vom Kläger - entgegen der Ansicht der Beklagten - in ausreichender Weise gem. § 520 Abs. 3 ZPO begründet worden.



    1. Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Danach genügt eine Berufungsbegründung nur dann den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG, wenn sie erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Eine schlüssige, rechtlich haltbare Begründung kann zwar nicht verlangt werden, doch muss die Berufungsbegründung auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will (st. Rechtsprechung des BAG, vgl. nur: BAG 19.10.2010 6 AZR 118/10 -; BAG 19.2.2013 - 9 AZR 543/11 -; BAG 15.3.2011 - 9 AZR 813/09 -, BAG 26.4.2017 - 10 AZR 275/16 -). Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die Regelung des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungskläger die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und aus welchen Gründen er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG 19.2.2013 - 9 AZR 543/11 -, Rz. 14 m.w.N.). Für die erforderliche Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung reicht es demnach nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen oder dieses zu wiederholen (BAG 14.3.2017 - 9 AZR 633/15 -, Rn. 11).



    2. Ausgehend davon genügen die Ausführungen in der Berufungsbegründung den Begründungsanforderungen gem. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger macht eine fehlerhafte Verteilung der Beweislast durch das Arbeitsgericht geltend und rügt die Annahme des Arbeitsgerichts, es liege ein Vortrag "ins Blaue hinein" vor. Hierzu macht er unter Verweis auf seinen erstinstanzlichen Vortrag geltend, er habe ausreichend Anknüpfungstatsachen benannt - sowohl im Hinblick auf die fehlende Einhaltung der Pflichten gem. § 164 Abs. 1 SGB IX, als auch bezüglich der unterlassenen Beteiligung des Betriebsrats. Damit rügt er der Sache nach überhöhte Darlegungsanforderungen des Arbeitsgerichts. Er macht zudem geltend, das Arbeitsgericht habe seinen Vortrag im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 12. August 2020 (Ziffer I c) übergangen, mit dem er als (weiteres) Indiz für die Benachteiligung die aus seiner Sicht widersprüchlichen Auskünfte der Beklagten in den Schreiben vom 18. November 2019 und dem Schriftsatz der Beklagten vom 2. August 2020 zu den Gründen für die Absage genannt hat. Das Arbeitsgericht hat zu diesem Vorbringen des Klägers in seinen Entscheidungsgründen keine Ausführungen gemacht. Daher konnte der Kläger sich in der Berufungsbegründung darauf beschränken, sein erstinstanzliches Vorbringen zu wiederholen und darauf zu verweisen, dass das Gericht sich mit diesem Vortrag zu einem Indiz gem. § 22 AGG nicht befasst hat. Damit rügt er der Sache nach eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch das Arbeitsgericht. Soweit die Beklagte anführt, der Kläger habe zu den angeblichen Widersprüchen "rein gar nichts vorgetragen", trifft das nicht zu. Der Kläger hat - insoweit zulässig - auf sein erstinstanzliches Vorbringen verwiesen. Er hat erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 12. August 2020 ausgeführt, auch widersprüchliche Auskünfte des Arbeitgebers seien ein Indiz gem. § 22 AGG. Er hat darauf verwiesen, die Beklagte habe in dem Schreiben vom 18. November 2019 Fähigkeiten als "zwingend erforderlich" herausgestellt, die in der Stellenbeschreibung "nur optional erwartet werden". Der Kläger nennt als Beispiele die Anforderung der Scrum Master Zertifizierung und der Kenntnisse von Software-Architekturen. Auf die Frage, ob der Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs zu recht erhoben wird oder "nachvollziehbar" ist, kommt es - wie dargelegt - für eine ausreichende Berufungsbegründung im Sinne des § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO nicht an.



    II. Die Berufung ist unbegründet, da die Klage unbegründet ist. Das Arbeitsgericht hat sie daher zutreffend abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG und daher auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Zinsen. Der Kläger hat keine Indizien gem. § 22 AGG dargelegt, aus denen sich die Vermutung einer Benachteiligung des Klägers im Bewerbungsverfahren aufgrund der Schwerbehinderung seitens der Beklagten ergeben.



    1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG.



    a) Der Kläger hat die Entschädigung gem. § 15 Abs. 4 AGG gegenüber der Beklagten rechtzeitig innerhalb der dort genannten Frist geltend gemacht. Danach muss der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Die Frist beginnt im Falle der Bewerbung mit Zugang der Absage. Die Absage erfolgte am 22. August 2019. Der Kläger hat am 20. Oktober 2019 schriftlich die Benachteiligung bei der Beklagten angezeigt und Entschädigungsansprüche gem. § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht.



    b) Der Kläger hat die Klageerhebungsfrist gem. § 61 b Abs. 1 ArbGG gewahrt. Danach muss die Entschädigungsklage innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden. Die Entschädigungsklage ist am 10. Januar 2020 bei dem Arbeitsgericht eingegangen und der Beklagten am 17. Januar 2020 zugestellt worden, damit innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Geltendmachung (20. Oktober 2019, siehe oben).



    c) Der Kläger ist als Bewerber Beschäftigter iSd. § 6 Abs. 1 S. 2 AGG. Er ist unstreitig als schwerbehinderter Mensch iSd. § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt. Damit liegt eine Behinderung iSd. § 1 AGG vor.



    d) Die Beklagte hat dem Kläger eine Absage erteilt. Sie hat ihn - anders als andere Bewerber - im Bewerbungsverfahren nicht weiter berücksichtigt und damit gegenüber anderen Bewerbern schlechter behandelt.



    e) Der Kläger hat jedoch keine Indizien im Sinne des § 22 AGG vorgetragen, die vermuten lassen, dass die Schwerbehinderung (mit-)ursächlich war für die Absage der Beklagten.



    aa) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 164 Abs. 2 S. 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG (BAG 28.09.2017 - 8 AZR 492/16 - Rn. 17 - noch zu § 81 Abs. 2 SGB IX a. F.).



    bb) Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung, eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Demgegenüber liegt nach § 3 Abs. 2 AGG eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (BAG 28.09.2017 - 8 AZR 492/16 - Rn. 18).



    cc) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Für den Kausalzusammenhang ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 15.12.2016 - 8 AZR 454/15 - Rn. 20 mwN; BAG 28.09.2017 - 8 AZR 492/16 - Rn. 19).



    dd) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 28.09.2017 - 8 AZR 492/16 - Rn. 20). Allerdings genügen Behauptungen "ins Blaue" für die Darlegung von Indizien nicht. Ein solcher Vortrag ist prozessual unbeachtlich (vgl. dazu BAG 20.05.2010 - 8 AZR 287/08 - Rn. 15 -). Aufgrund des auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Beibringungsgrundsatzes ist vielmehr ein schlüssiger Tatsachenvortrag erforderlich (BAG 21.02.2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 46). Es gibt insbesondere keinen Grundsatz, wonach diejenige Partei die Darlegungs- und Beweislast trägt, die über die maßgeblichen Informationen verfügt (BAG 21.02.2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 47).



    ee) Ausgehend von den genannten Grundsätzen hat der Kläger keine Indizien gem. § 22 AGG dargelegt.



    (1) Dies gilt zunächst einmal, soweit der Kläger in Zweifel zieht, dass die Beklagte den Betriebsrat bei der Prüfung der Frage, ob die Stelle mit einem schwerbehinderten Menschen besetzt werden kann (vgl. § 164 Abs. 1 S. 1 SGB IX), gem. § 164 Abs. 1 S. 6 SGB IX iVm. § 176 SGB IX beteiligt hat. Unabhängig davon, ob ggf. ein solcher Verstoß als Indiz gem. § 22 AGG ausreichen kann, hat der Kläger bereits die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Verstoßes nicht schlüssig dargelegt. Der Kläger verfügt, wie sich aus seinem Vortrag ergibt, selbst nicht über konkrete Kenntnisse dazu, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte den Betriebsrat im Rahmen der Stellenbesetzung beteiligt hat. Er stellt hierzu lediglich nicht näher begründete Vermutungen an. Weder aus dem Umstand, dass zwischen der Bewerbung des Klägers und der Absage der Beklagten ein Zeitraum von gut zwei Wochen lag, noch aus dem Umstand, dass die Beklagte die Beteiligung des Betriebsrats im Prozess nicht im Einzelnen dargelegt hat, ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Betriebsrat nicht beteiligt worden ist. Eigene Ermittlungen hierzu hat der Kläger ersichtlich nicht angestellt. Dass er irgendwelche Auskünfte seitens des von ihm benannten Zeugen und Betriebsratsmitglieds erhalten hat, hat er nicht behauptet. Der Kläger kann nicht allein darauf verweisen, dass die Beklagte ihm die Auskunft hierüber unschwer erteilen könnte. Dies ändert - wie ausgeführt - nichts an der Darlegungslast des Klägers. Ebenso wenig ist aus dem Umstand, dass die Beklagte sich hierzu im Prozess nicht geäußert hat, zu schließen, dass eine Beteiligung des Betriebsrats unterblieben ist. Wie ausgeführt, ist es Sache des Klägers, zu den Indizien gem. § 22 AGG Tatsachenvortrag zu halten, auch wenn es dabei um Umstände geht, die in der Sphäre der Beklagten liegen. Seine diesbezüglichen Spekulationen sind als Vortrag "ins Blaue" unbeachtlich. Eine Einvernahme des vom Kläger benannten Zeugen kommt nicht in Betracht. Sie könnte nur ausforschend und damit in unzulässiger Weise erfolgen.



    (2) Entsprechendes gilt, soweit der Kläger rügt, die Beklagte habe durch eine unterlassene Beteiligung des Betriebsrats das in § 164 Abs. 1 S. 7 und 8 SGB IX vorgesehene Konsultationsverfahren unterlaufen. Neben dem bereits erörterten Einwand, dass bereits zum Fehlen der Beteiligung des Betriebsrats nicht ausreichend vorgetragen wurde, ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger auch nicht dargelegt hat, dass die Beklagte die Beschäftigungsquote gem. § 154 Abs. 1 SGB IX nicht erfüllt, was aber Voraussetzung für das Konsultationsverfahren gem. § 164 Abs. 1 S. 7 und 8 SGB IX ist. Soweit der Kläger hierzu überhaupt Behauptungen aufstellt, sind diese ersichtlich "ins Blaue hinein" erhoben, daher unbeachtlich.



    (3) Der Kläger hat auch einen Verstoß der Beklagten gegen die sich aus § 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX ergebende Verpflichtung, die BA bei der Besetzung der Stelle einzuschalten, nicht schlüssig dargelegt. Konkrete Kenntnisse dazu, dass die ausgeschriebene Stelle, auf die er sich im August 2019 beworben hat, der BA tatsächlich nicht gemeldet war, hat der Kläger nicht behauptet. Entsprechende Behauptungen stellt er daher - wie das Arbeitsgericht richtig angenommen hat - ebenfalls "ins Blaue hinein" auf. Dass er Auskünfte der BA hierzu eingeholt hätte, hat er nicht geltend gemacht. Ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für seine Annahmen hat er ebenfalls nicht darlegen können. Der Kläger hat insofern geltend gemacht, dies lasse sich mit hoher Sicherheit aus dem Umstand schließen, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung (also im Januar 2020) auf der Jobbörse der BA auf deren Website nur acht Stellen der Beklagten gelistet gewesen seien, während die Beklagte bundesweit - wie sich aus ihrer eigenen Website ergeben habe - über 300 Stellen ausgeschrieben habe. Auch die spätere Erhöhung der Anzahl der Stellen in der Jobbörse der BA - als Folge der vorliegenden Klage - spreche dafür. Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass auch die Stelle, auf die der Kläger sich beworben habe, der BA nicht gemeldet worden sei.



    Diesen Schlussfolgerungen folgt die Kammer nicht. Zum einen können aus Umständen, die der Kläger erst im Januar 2020 (bei Klageerhebung, knapp fünf Monate nach seiner Bewerbung) beobachtet haben will, bereits aus rein zeitlichen Gründen keine Schlüsse darauf gezogen werden, wie die Situation im August 2019 gewesen ist. Es ist für den Kläger - anders als er meint - nicht unzumutbar, etwaige Indizien für eine Benachteiligung im Sinne des AGG bereits während des konkreten Bewerbungsverfahrens zu erfassen.



    Zum Zweiten wendet die Beklagte zutreffend ein, dass aus der Anzahl von Stellen der Beklagten, die auf der Jobbörse der BA im Internet sichtbar sind, nicht auf die Anzahl der von der Beklagten bei der BA insgesamt gemeldeten offenen Stellen geschlossen werden kann. Die Art und Weise der Kontaktaufnahme zur BA ist im Gesetz nicht vorgegeben, man wird aber zumindest verlangen müssen, dass der BA eine konkrete Stellenbeschreibung oder ein konkretes Anforderungsprofil zur Verfügung gestellt werden (LAG Rheinland-Pfalz 10.09.2010 - 6 TaBV 10/10 -; Düwell in LPG-SGB IX § 164 RN. 139). Dass die BA zwingend jede auf diese Weise gemeldete Stelle in ihre Jobbörse einstellt, ist nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Es handelt sich daher nicht nur in zeitlicher, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht nicht um taugliche Anknüpfungstatsachen für die Vermutungen des Klägers. Die vom Kläger benannte Zeugin P. hätte nur ausforschend - und damit in unzulässiger Weise - vernommen werden können.



    (4) Ein Indiz für eine Benachteiligung ergibt sich weder aus dem Inhalt des Schreibens der Beklagten vom 18. November 2019, noch aus den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 2. August 2020 in diesem Verfahren. Zwar kann es nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Indiz im Sinne des § 22 AGG sein, wenn ein Arbeitgeber bei der Auskunftserteilung Gründe angibt, die im Widerspruch zu seinem sonstigen Verhalten stehen (BAG 21.06.2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 48), oder wenn ein Arbeitgeber wechselnde Begründungen für die getroffene benachteiligende Maßnahme angibt (BAG 21.06.2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 49). Beides ist hier aber nicht der Fall. Die Ausführungen der Beklagten stehen im Einklang mit den Anforderungen, die in der Stellenausschreibung genannt sind. Es wird dort nicht auf irgendeine sonstige Anforderung abgestellt jenseits des veröffentlichten Anforderungsprofils. Der IT-Bezug ergibt sich bereits aus dem Inhalt der Stellenausschreibung. Soweit die Beklagte - neben dem Hinweis auf zahlreiche weitere, aus ihrer Sicht fehlende Qualifikationen - in ihren Schreiben darauf eingeht, dass der Kläger keine SCRUM Zertifizierung entsprechend der Stellenausschreibung hat (Zertifizierung nach CSM oder PSM), und auch das Fehlen von "guten Kenntnissen in Software-Architekturen" moniert, ist ihr dies nicht etwa - wie der Kläger wohl meint - deshalb verwehrt, weil es bezüglich dieser beiden Qualifikationen in der Stellenausschreibung nur heißt, sie seien "von Vorteil". Die Beklagte hat in dem Schreiben vom 18. November 2019 und ebenso im Schriftsatz vom 2. August 2020 ersichtlich zu jeder der in der Stellenanzeige aufgelisteten Fähigkeiten auf die Defizite beim Kläger hingewiesen. Sie hat gerade nicht zum Ausdruck gebracht, dass das Fehlen der SCRUM Zertifizierung oder das Fehlen guter Kenntnisse in Software-Architekturen das (allein) entscheidende Kriterium für die Entscheidung der Beklagten war. Die Ausführungen der Beklagten bieten weder Ansatzpunkte für den Vorwurf eines widersprüchlichen noch eines wechselhaften Verhaltens.



    2. Da der Kläger keinen Entschädigungsanspruch hat, hat er auch keinen Anspruch auf die Zahlung von Zinsen. 69 III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. 70 IV. Ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG liegt nicht vor.

    Hinweise

    Der eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BAG mit Urteil vom 31.03.2022 - 8 AZN 704/21 - stattgegeben.

    Revision wurde eingelegt - Az. beim BAG: 8 AZR 136/22

    Vorschriften