06.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237215
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.05.2023 – 7 Sa 770/22
§ 18 Abs. 6 LGG NRW begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken. Eine Vereinbarung i.S.d. § 18 Abs. 6 LGG NRW , die vorsieht, dass die Gleichstellungsbeauftragte jederzeit einzelfallbezogen ihre Beteiligung nach Maßgabe dieses Gesetzes verlangen kann, begründet ein Rückholrecht, muss keine Sicherung dieses Rückholrechtes beinhalten. Durch die Vereinbarung wird die eigentlich der Behörde obliegende Informationspflicht der Gleichstellungsbeauftragten auf die Gleichstellungsbeauftragte übertragen. Die Informationsbringschuld wird zu einer Informationsholschuld.
Tenor: I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 26.10.2022 - 4 Ca 627/22 - wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Entfristung des mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverhältnisses.
Der am 01.04.1987 geborene, verheiratete und einem Kind gegenüber zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bereits vom 07.09.2015 bis zum 02.12.2015 als Lehrkraft bei dem beklagten Land beschäftigt. Aufgrund Arbeitsvertrages vom 27.11.2020/30.11.2020 erfolgte sodann die befristete Einstellung des Klägers für den Zeitraum 30.11.2020 bis 24.03.2021 mit einer Unterrichtsverpflichtung von 15 Stunden an der Gesamtschule H., ebenfalls in Duisburg. Dieser Vertrag wurde ab dem 07.12.2020 bis Vertragsende um zehn Stunden aufgestockt. Mit Vertrag vom 15.03.2021 wurde dieses Beschäftigungsverhältnis dann zunächst bis zum 17.08.2021 verlängert. Dieses Beschäftigungsverhältnis wurde mit Vertrag vom 22.03.2021 bis Vertragsende um zehn Stunden aufgestockt. Mit Vertrag vom 16.08.2021 wurde das Arbeitsverhältnis erneut verlängert. Zunächst erfolgte die Verlängerung nur bis zum 09.01.2022. Wegen der entsprechenden Verträge wird auf die zur Akte gereichten Ablichtungen, Blatt 106 ff. der Akte, Bezug genommen. Unter dem 10.01.2022 (vgl. Bl. 13 ff. der erstinstanzlichen Akte, i.F.: d.e.A.) wurde auch dieser Vertrag verlängert bis zum 24.04.2022. Als Vertretungsgrund wurde "konkreter Vertretungsbedarf gemäß § 30 TV-L i.V.m. § 14 TzBfG wegen der Erkrankung der Lehrkraft A." angegeben. Zuletzt wurde der Kläger mit einer Unterrichtsverpflichtung von 20/25,5 Pflichtwochenstunden in den Fächern Deutsch, Französisch und Sprachförderung eingesetzt und nach Entgeltgruppe 10 Stufe 1 TV-L vergütet.
Die am 22.04.1956 geborene Lehrkraft A. war langzeiterkrankt, zuletzt jedenfalls seit 01.07.2021. In der ärztlichen Bescheinigung zur Vorlage bei der Schulleitung vom 15.12.2021 (Bl. 204 d.e.A.) heißt es hierzu:
"Frau A. wird aus medizinischen Gründen über einen längeren Zeitraum als Lehrerin ausfallen, vermutlich bis Ende März 2022."Mit Schreiben vom 16.12.2021 (Bl. 110 ff. d.e.A.) beantragte der Schulleiter der Gesamtschule H., Herr P., gegenüber der Bezirksregierung Düsseldorf die Verlängerung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsvertrages zwecks Vertretung von Frau A. vom 10.01.2022 bis 24.04.2022.
Mit Schreiben vom 16.12.2021 (Bl. 118 d.e.A.), dem zuständigen Personalrat per E-Mail am 04.01.2022 (Bl. 120 d.e.A.) übersandt, beteiligte das beklagte Land (dort: Dezernat 47) diesen zur beabsichtigten Verlängerung der Befristung des mit dem Kläger geschlossenen Arbeitsverhältnisses. Die E-Mail wurde an den Personalrat unter der E-Mail Adresse "prge" versandt. Mit von Herrn L. unterzeichneter E-Mail des E-Mail-Absenders "prge" vom 10.01.2022, 9.52 Uhr (Bl. 122 d.e.A.) wurde die Zustimmung des Personalrats übersandt.
Zwischen der Bezirksregierung Düsseldorf (Dezernat 47) und den Gleichstellungsbeauftragten aller Schulformen, sowie der Gleichstellungsbeauftragten der Ausbildung für Lehrkräfte zur Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten bei Personalmaßnahmen gilt jedoch die Vereinbarung vom 17.10.2018 (Bl. 194 ff. d.e.A.), in der es auszugsweise heißt:
"2. Generelle Zustimmungserklärung Die Gleichstellungsbeauftragten erteilen ihre allgemeine und im Einzelfall widerrufliche Zustimmung in nachfolgenden Fällen, die nicht belastend für die Lehrkraft und in denen Dritte nicht betroffen sind. Dies ist grundsätzlich bei den u. g. Vorgängen der Fall, die antragsgemäß beraten und entschieden werden. Diese generelle Zustimmung dient der organisatorischen und zeitlichen Straffung von Verfahrensabläufen; die Ziele des Landesgleichstellungsgesetzes NRW werden hierdurch nicht unterlaufen. Bei den im folgenden aufgelisteten Tatbeständen gilt die Zustimmung. als generell erteilt. Es besteht jedoch ein Rückholrecht im Einzelfall - Einstellung (befristet und unbefristet) - [...]"Die Vereinbarung vom 17.10.2018 erfasst auch die Dienststelle des Klägers und die dort zuständige Gleichstellungsbeauftragte und gilt auch für das Arbeitsverhältnis des Klägers. Die zuständige Gleichstellungsbeauftragte wurde vor diesem Hintergrund nicht an der beabsichtigten Verlängerung der Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger beteiligt oder auch nur informiert. Es erfolgt auch keine generelle Mitteilung an die zuständige Gleichstellungsbeauftragte über Fälle, die unter die vereinbarte Zustimmungsfiktion fallen.
Mit E-Mail vom 19.01.2022 (Bl. 201 d.e.A.) teilte die Bezirksregierung Frau A. mit, dass sie von deren Ausscheiden aus dem Schuldienst wegen Eintritts in das Rentenalter zum 31.07.2022 ausgehe. Falls Frau A. vorzeitig schon zum 28.02.2022 durch Auflösungsvertrag ausscheiden wolle, möge sie dies mitteilen.
Am 26.01.2022 antwortete Frau A. per E-Mail (Bl. 201 d.e.A.) wie folgt:
"Sehr geehrter Herr Q. von dieser Sonderregelung hatte ich keine Kenntnis und daher habe ich den Zeitpunkt meines Eintritts ins Rentenalter nochmals überdacht. Wie Sie wissen, bin ich langfristig erkrankt und die Frage nach dem Zeitpunkt eines Wiedereinstiegs ins Berufsleben ist noch ungewiss. Die Beantragung einer Reha Maßnahme ist erfolgt und die Hoffnung, vielleicht doch noch einmal zu arbeiten und mich anschließend mit den Kollegen und Kolleginnen regulär in den Ruhestand zu verabschieden, hat mich bewogen, keinen Antrag zu stellen, der mein Beschäftigungsverhältnis vorzeitig beendet. Es bleibt also bei dem vorgesehenen Termin zum 31. Juli. Mit Herrn P. habe ich gesprochen und er unterstützt diese Haltung. Mit freundlichen Grüßen A."Mit Schreiben vom 15.02.2022 teilte die Bezirksregierung dem Kläger mit, dass eine Verlängerung des bis zum 24.04.2022 befristeten Arbeitsvertrages nicht erfolgen werde.
Mit seiner am 13.05.2022 bei dem Arbeitsgericht Duisburg eingegangenen Klage, dem beklagten Land unter dem 24.05.2022 zugestellt, hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung vom 10.01.2022 geltend gemacht.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, mit einer Rückkehr der Lehrkraft A. habe das beklagte Land aufgrund von deren Erkrankung und ihrem Lebensalter nicht mehr rechnen können. Der Kläger hat die Beteiligung des Personalrates gerügt, da unklar sei, ob der Personalrat weitere Informationen erhalten habe, sich das Gremium über die Befristung beraten habe und welche Funktion genau Herr B. habe. Der Kläger hat zudem die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten gerügt. Auch sei die Befristung rechtsmissbräuchlich.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 10.01.2022 vereinbarten Befristung am 24.04.2022 beendet worden ist; 2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lehrkraft weiter zu beschäftigen.Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Sachgrund für die Befristung des Vertrages vom 10.01.2022 vorlag. Der Kläger sei zur Vertretung der Arbeitnehmerin A. eingestellt und beschäftigt worden. Die vom beklagten Land angestellte Prognose hinsichtlich des Wiedereintritts der Frau A. und damit das Ende des befristeten Vertrages mit dem Kläger begegneten keinen Bedenken. Insoweit könne sich das beklagte Land auf die von Frau A. vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 15.12.2021 berufen, die eine Arbeitsunfähigkeit bis Ende März 2022 attestierte. Die Befristung bis zum Ende der nachfolgenden Osterferien sei unschädlich. Das beklagte Land habe aufgrund dieser Bescheinigung auch nicht damit rechnen müssen, dass Frau A. vor Beginn ihres Ruhestands am 01.08.222 ihren Dienst nicht mehr aufnähme. Anhaltspunkte für einen institutionellen Rechtsmissbrauch seien nicht ersichtlich. Die Personalvertretung sei ordnungsgemäß beteiligt worden. Der Personalrat habe der Befristung zugestimmt. Die unterbliebene Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten stehe der Wirksamkeit der Befristung ebenfalls nicht entgegen, da eine ohne Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragen durchgeführte Maßnahme nach § 18 Abs. 3 Satz 1 und 2 LGG NRW i.V.m. § 46 VwVfG NRW lediglich rechtswidrig aber nicht unwirksam sei.
Gegen das ihm am 15.11.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger unter dem 09.12.2022 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15.02.2023 aufgrund Antrags vom 11.01.2023 - am 08.02.2023 begründet.
Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe bei zutreffender Würdigung des Sachverhalts davon ausgehen müssen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung im Vertrag vom 10.01.2022 beendet sei. Frau A. hätte ihr Arbeitsverhältnis nicht erst mit dem gesetzlich vorgesehenen Renteneintritt beenden können. Aufgrund ihres Alters und der langandauernden Erkrankung der Frau A. hätte das beklagte Land daher Zweifel an der angestellten Prognose haben müssen. Demzufolge habe das beklagte Land auch am 19.01.2022 bei Frau A. wegen eines vorzeitigen Renteneintritts angefragt. Diese Zweifel seien berechtigt gewesen und hätten sich bestätigt, da Frau A. - zwischen den Parteien unstreitig - den Dienst vor Renteneintritt nicht wieder angetreten habe. Zudem hätten im Jahr 2017 fast 75 % der Lehrer, die in den Ruhestand gingen, das gesetzliche Regelaltersgrenze nicht erreicht. 12 % seien wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden. Auch vor diesem Hintergrund hätte das beklagte Land erhebliche Zweifel an seiner Prognose haben müssen. Zudem hätte das beklagte Land die krankheitsbedingte Kündigung der Frau A. in Betracht ziehen müssen. Der Kläger geht darüber hinaus weiter von einem institutionellen Rechtsmissbrauch aus. Insbesondere sei die Befristung wegen der unterbliebenen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten unwirksam. Eine Unterscheidung zwischen einer rechtswidrigen und einer unwirksamen Maßnahme gebe es im Privatrecht nicht. Die aus dem öffentlichen Recht stammende Unterscheidung mache für die beamteten Beschäftigten des beklagten Landes Sinn, aber nicht für die in einem Arbeitsverhältnis befindlichen Beschäftigten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 26.01.2022 - 4 Ca 627/22 - abzuändern und 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund der am 10.01.2022 vereinbarten Befristung am 24.04.2022 beendet worden ist; 2. im Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., das beklagte Land zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Lehrkraft weiter zu beschäftigen.Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Das beklagte Land verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und geht davon aus, dass die Zustimmung der Gleichstellungsbeauftragten aufgrund der Vereinbarung vom 17.10.2018 als erteilt gilt. Jedenfalls sei die Befristung nur rechtswidrig aber nicht unwirksam. Das beklagte Land geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass es die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten habe nachholen können. Dies sei - zwischen den Parteien unstreitig - unter dem 25.04.2023 (vgl. Bl. 177 der zweitinstanzlichen Akte, i.F. d.z.A.) auch geschehen. Die Gleichstellungsbeauftragte habe - ebenso unstreitig - unter dem 26.04.2023 (Bl.177 d.z.A.) auf eine Stellungnahme verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
1. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1, 2 lit. c) ArbGG an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Sie weist insbesondere die gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO erforderliche Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auf.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 26.10.2022 ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Vorbringen in der Berufungsinstanz ändert daran nichts.
a. Dies ergibt sich nicht bereits aus § 17 Satz 1 und 2 i.Vm. § 4 Satz 1 KSchG. Insoweit wird auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. 1. der Gründe verwiesen, die die Kammer sich zu Eigen macht, § 69 Abs. 2 ArbGG.
b. Aufgrund der Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als zwei Jahren scheidet eine sachgrundlose Befristung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG) aus. Dem beklagten Land steht in Gestalt der Vertretung der Frau A. durch den Kläger aber ein Sachgrund für die Befristung des Vertragsverhältnisses des Klägers i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG zur Seite.
aa. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (BAG 15.12.2021 - 7 AZR 422/20, NZA 2022, 478; 17.05.2017 - 7 AZR 420/15, BAGE 159, 125; 11.10.2016 - 7 AZR 135/15, BAGE 157, 125 [BAG 26.10.2016 - 7 AZR 135/15] ; 24.08.2016 - 7 AZR 41/15, NZA 2017, 307; 11.02.2015 - 7 AZR 113/13, NZA 2015, 617). Teil des Sachgrundes ist daher eine Prognose des Arbeitgebers über den voraussichtlichen Wegfall des Vertretungsbedarfs nach Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters (BAG 06.11.2013 - 7 AZR 96/12, NZA 2014, 430; 16.01.2013 - 7 AZR 661/11, BAGE 144, 193; 17.11.2010 - 7 AZR 443/09 (A), BAGE 136, 168). Der Sachgrund der Vertretung setzt weiter einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. Es ist deshalb aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist (BAG 17.05.2017 - 7 AZR 420/15, a.a.O.; 11.10.2016 - 7 AZR 135/15, a.a.O.; 24.08.2016 - 7 AZR 41/15, a.a.O.). Geht es um eine unmittelbare Vertretung, hat der Arbeitgeber insoweit darzulegen, dass der Vertreter nach dem Arbeitsvertrag mit Aufgaben betraut worden ist, die vorher dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer übertragen waren (BAG 10.10.2012 - 7 AZR 462/11, NZA-RR 2013, 185; 06.10.2010 - 7 AZR 397/09, BAGE 136, 17). Wird die Tätigkeit des zeitweise ausfallenden Mitarbeiters nicht von dem Vertreter, sondern einem anderen Arbeitnehmer oder mehreren anderen Arbeitnehmern ausgeübt (mittelbare Vertretung), hat der Arbeitgeber zur Darstellung des Kausalzusammenhangs grundsätzlich die Vertretungskette zwischen dem Vertretenen und dem Vertreter darzulegen (BAG 06.11.2013 - 7 AZR 96/12, NZA 2014, 430; 10.10.2012 - 7 AZR 462/11, a.a.O.; 06.10.2010 - 7 AZR 397/09, a.a.O.).
bb. Der Sachgrund der Vertretung liegt vor. Der Kläger wurde zur Vertretung der erkrankten Lehrkraft A. beschäftigt. Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 10.01.2022 (Bl. 19 f. d.e.A.) wurde die Vertretung der Frau A. ausdrücklich als Befristungsgrund angegeben. Im Fach Französisch wurde Frau A. unmittelbar vom Kläger vertreten. Im Fach Englisch wurde sie von der Kollegin G. vertreten, welche die Fächer Deutsch, Englisch und Französisch unterrichtet. Der Kläger wiederum vertrat die Kollegin G. im Fach Deutsch, damit diese Frau A. im Fach Englisch vertreten konnte.
cc. Es bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der prognostizierten und vereinbarten Dauer der Befristung.
(1) Insoweit musste das beklagte Land nicht davon ausgehen, dass die vertretene Frau A. tatsächlich nicht mehr ihren Dienst antreten würde.
(a) Entsteht der Vertretungsbedarf für den Arbeitgeber "fremdbestimmt", weil der Ausfall der Stammkraft - z.B. durch Krankheit, Urlaub und Freistellung - nicht in erster Linie auf seiner Entscheidung beruht, ist regelmäßig damit zu rechnen, dass der Vertretene seine arbeitsvertraglichen Pflichten wieder erfüllen wird (BAG 16.01.2013 - 7 AZR 661/11, BAGE 144, 193; 25.03.2009 - 7 AZR 34/08, EzA TzBfG § 14 Nr. 57). Die Stammkraft hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nach Wegfall des Vertretungsgrundes die vertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Der Arbeitgeber muss daher davon ausgehen, dass der Vertretene diesen Anspruch nach Beendigung der Krankheit, Beurlaubung oder Freistellung geltend macht. Hier sind besondere Ausführungen dazu, dass mit Rückkehr des Vertretenen zu rechnen ist, regelmäßig nicht veranlasst. Nur wenn der Arbeitgeber aufgrund ihm vorliegender Informationen erhebliche Zweifel daran haben muss, dass der zu vertretende Arbeitnehmer überhaupt wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird, kann dies dafür sprechen, dass der Sachgrund der Vertretung nur vorgeschoben ist. Dann kann die Befristung unwirksam sein. Dies setzt in der Regel voraus, dass der zu vertretende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber bereits vor dem Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags mit dem Vertreter verbindlich erklärt hat, er werde die Arbeit nicht wieder aufnehmen. Ansonsten darf und muss der Arbeitgeber mit dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz rechnen (vgl. BAG 16.01.2013 - 7 AZR 661/11, a.a.O.; 25.03.2009 - 7 AZR 34/08, a.a.O.).
(b) So liegt der Fall hier. Das beklagte Land durfte hinsichtlich seiner Prognose von dem bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit ausgehen. Anhaltspunkte für eine gegenteilige Prognose bestanden im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht. Soweit der Kläger behauptet, im Jahr 2017 hätten fast 75 % der Lehrer, die in den Ruhestand gingen, das gesetzliche Regelaltersgrenze nicht erreicht und 12 % seien wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden, sagt dies über das Arbeitsverhältnis der Frau A., deren persönliche Umstände und damit über Fakten, die eine Prognose für diesen konkreten Fall begründen können, nichts aus. Eine krankheitsbedingte Kündigung musste das beklagte Land zur Schaffung von Prognosedaten nicht anstreben. Das beklagte Land musste auch nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgehen, dass Frau A. nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren würde, nur weil sie Langzeit erkrankt und der Renteneintritt alsbald möglich war. Die Faktenlage in Form der nur bis zum 15.03.2022 attestierten Arbeitsunfähigkeit, auf die das beklagte Land sich nach obiger Maßgabe berufen konnte, sprach dagegen. Vor diesem Hintergrund kommt es auf das spätere Schreiben der Frau A., in dem diese die Faktenlage bestätigte und ankündigte, auf den Arbeitsplatz zurückkehren zu wollen schon nicht mehr an. Nichtsdestotrotz hat dies zunächst die Prognose des beklagten Landes bestätigt. Dass Frau A. bis zum Renteneintritt tatsächlich nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehrte, ist irrelevant, da der Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Erstellung der Prognose maßgeblich ist (BAG 18.07.2012 - 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359; 24.10.2001 - 7 AZR 542/00, BAGE 99, 217 [BAG 24.10.2001 - 7 ABR 20/00] ).
(2) Soweit das beklagte Land nicht das Ende der prognostizierten Arbeitsunfähigkeit als Endzeitpunkt für die Befristung gewählt hat, ist zu beachten, dass der Vertretungsbedarf im Schulbereich - abweichend von den allgemeinen Grundsätzen - von verschiedenen, sich ständig verändernden tatsächlichen Umständen abhängig ist, die eine schuljahres- und schulhalbjahresbezogene Personalplanung für den Unterricht durch die Bezirksregierungen und Schulen rechtfertigen. Nicht nur das Schuljahr, sondern auch das Schulhalbjahr stellt eine organisatorische Zäsur dar, um für das folgende Halbjahr eine volle und möglichst fachbezogene Unterrichtsversorgung zu gewährleisten (BAG 17.05.2017 - 7 AZR 420/15, BAGE 159, 125; 26.10.2016 - 7 AZR 135/15, BAGE 157, 125). Vor diesem Hintergrund begegnet eine Befristung auf das Ende der Osterferien, also noch vor Ende des Schulhalbjahres keinen Bedenken. Zumindest bis zu den Osterferien war die Personalplanung abgeschlossen und ein Wechsel der Lehrkraft im laufenden Schulbetrieb nicht angezeigt. Das beklagte Land musste die Befristung auch nicht mit dem Beginn der Osterferien auslaufen lassen (vgl. BAG 24.11.1982 - 7 AZR 547/80 -).
c. Ein institutioneller Rechtsmissbrauch liegt nicht vor.
aa. Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrunds beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen dazu verpflichtet, durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen (BAG 17.05.2017 - 7 AZR 420/15, BAGE 159, 125). Hierzu sind stets alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen und dabei namentlich die Zahl der mit derselben Person oder zur Verrichtung der gleichen Arbeit geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge zu berücksichtigen, um auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zurückgreifen, mögen diese auch angeblich zur Deckung eines Vertretungsbedarfs geschlossen worden sein (vgl. EuGH 21.09.2016 - C-614/15 - [Popescu] Rn. 44, 65 f.; 14.09.2016 - C-16/15 - [Pérez López] Rn. 31; 26.11.2014 - C-22/13 u.a. - [Mascolo u.a.] Rn. 77, 101 f.; 03.07.2014 - C-362/13 u.a. - [Fiamingo u.a.] Rn. 62; 26.01.2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 40). Die dazu gebotene zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (vgl. BAG 17.05.2017 - 7 AZR 420/15, a.a.O.; 26.10.2016 - 7 AZR 135/15, BAGE 157, 125; 18.07.2012 - 7 AZR 443/09, BAGE 142, 308; 18.07.2012 - 7 AZR 783/10, NZA 2012, 1359).
bb. Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen ist an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG anzuknüpfen. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von zwei Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, lässt erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrunds besteht kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind. Davon ist auszugehen, wenn nicht mindestens das Vierfache eines der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG bestimmten Werte oder das Dreifache beider Werte überschritten ist. Liegt ein Sachgrund vor, kann also von der Befristung des Arbeitsverhältnisses Gebrauch gemacht werden, solange das Arbeitsverhältnis nicht die Gesamtdauer von sechs Jahren überschreitet und zudem nicht mehr als neun Vertragsverlängerungen vereinbart wurden, es sei denn, die Gesamtdauer übersteigt acht Jahre oder es wurden mehr als zwölf Vertragsverlängerungen vereinbart (BAG 26.10.2016 - 7 AZR 135/15, BAGE 157, 125).
cc. Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt keine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung vor. Der Kläger war seit dem 01.12.2020 bis zum 21.04.2022 bei dem beklagten Land beschäftigt. Die Beschäftigung von August bis Dezember 2015 war wegen der erheblichen Unterbrechung und seiner nur sehr kurzen Dauer, die einem Zusammenhang bzw. einer Verklammerung der Vertragsverhältnisse entgegenstehen, nicht hinzuzurechnen (vgl. zu diesen Kriterien für die Bestimmung einer zuvor-Beschäftigung i.S.d. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG: BAG 15.12.2021 - 7 AZR 530/20, NZA 2022, 774, 21.08.2019 - 7 AZR 452/17, BAGE 167, 334; 17.04.2019 - 7 AZR 323/17, NZA 2019, 1271; 23.01.2019 - 7 AZR 733/16, BAGE 165, 116). Im Zeitraum vom 01.12.2020 bis zum 21.04.2022 wurden vier befristete Arbeitsverträge geschlossen. Vor diesem Hintergrund liegt kein Fall des institutionellen Rechtsmissbrauchs vor. Weder wurde die Dauer von sechs Jahren überschritten, noch wurden mehr als neun Vertragsverlängerungen abgeschlossen.
d. Nachdem der Kläger sich gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts betreffend die Ordnungsgemäßheit der Beteiligung des Personalrats in der Berufungsinstanz nicht mehr gewandt hat, steht für die Kammer fest, dass die Befristung nicht hieran scheitert. Insoweit hatte der Kläger mitzuteilen, in welchen einzelnen Punkten er die tatsächlichen Erklärungen des Arbeitgebers über die Betriebsratsanhörung für falsch oder die dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen für unvollständig hält (vgl. BAG 23.06.2005 - 2 AZR 193/04, NZA 2005, 1233), nachdem das beklagte Land die Beteiligung des Personalrats durch Vorlage des Schreibens vom 16.12.2021 (Bl. 118 d.e.A.) nachgewiesen hatte. Die insoweit einzig innerhalb der Frist des § 17 TzBfG erhobene Rüge, wonach unklar sei, ob der Personalrat weitere Informationen erhalten habe, sich das Gremium über die Befristung beraten habe und welche Funktion genau Herr B. habe, hat das Arbeitsgericht zutreffend gewürdigt. Hierauf wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Vor diesem Hintergrund stellt die Kammer die Ordnungsgemäßheit der Beteiligung des Personalrats ausdrücklich fest. Die Befristung ist nicht gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 LPVG NRW unwirksam.
e. Letztlich ist die Befristung im Arbeitsvertrag vom 10.01.2022 auch nicht wegen der unterbliebenen Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten unwirksam.
aa. Insoweit kann dahinstehen, ob der Argumentation des beklagten Landes und des Landesarbeitsgerichts Hamm in dessen Urteil vom 11.04.2019 - 11 Sa 1037/18 - zu folgen ist, wonach auch im Bereich des Privatrechts zwischen einer rechtswidrigen und einer unwirksamen Maßnahme zu unterscheiden sei.
(1) Die hiesige Kammer hat daran erhebliche Zweifel (kritisch auch von Roetteken, jurisPR-ArbR 40/2019 Anm. 4). Unabhängig davon, dass rechtswidrige Maßnahmen in verschiedensten Bereichen des Privatrechts zugleich zur Unwirksamkeit einer Maßnahme führen ("rechtswidrig und unwirksam", vgl. BAG 15.04.2008 - 1 AZR 65/07, BAGE 126, 237, Rn. 37; 19.07.2005 - 3 AZR 472/04, AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG, Rn. 37; 02.03.2004 - 1 AZR 271/03, BAGE 109, 369, Rn. 39; 11.06.2002 - 1 AZR 390/01, BAGE 101, 288, Rn. 28), ist für den Bereich des Privatrechts nicht ersichtlich, welche Rechtsfolge sonst aus einer rechtswidrigen Maßnahme folgen sollte. Die Kammer geht davon aus, dass die Unterscheidung allein für den Bereich der Beamten gilt. Dies stimmt mit der Gesetzesbegründung zum LGG NRW überein. Danach stellt § 18 Abs. 3 Satz 2 LGG NRW klar, dass "die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden kann, weil die Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nicht ordnungsgemäß erfolgte, wenn offensichtlich ist, dass dies die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Vor dem Hintergrund […] der weitreichenden Folgen der Unwirksamkeit von Maßnahmen insbesondere im personalrechtlichen Bereich wurde bewusst die Folge der Rechtswidrigkeit gewählt, und nicht die der - in der Rechtsfolgenbetrachtung deutlich weitergehenden - Unwirksamkeit. Während ein unwirksamer Verwaltungsakt keinerlei rechtliche Wirkung entfaltet, kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt hingegen ungeachtet seiner Rechtswidrigkeit wirksam werden. Die Wirksamkeit richtet sich hier nach der Bekanntgabe, § 43 Absatz 1 VwVfG. Bestandskräftig wird ein wirksamer, rechtswidriger Verwaltungsakt erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit, d.h. nach Verstreichen der Fristen zur Einlegung eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs" (LT-Drucks. 16/12366, Seite 80). Kurzum: Der Gesetzgeber hatte bei der Regelung den Erlass eines Verwaltungsaktes vor Augen und nicht eine gegenüber einem in einem Arbeitsverhältnis Beschäftigten erfolgende Maßnahme.
(2) Selbst wenn man anderer Meinung sein wollte, müsste in einem solchen Fall gem. § 18 Abs. 3 Satz 2 LGG NRW i.V.m. § 46 VwVfG NRW festgestellt werden können, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache offensichtlich nicht beeinflusst hat.
(a) Nach § 18 Abs. 3 Satz 2 LGG NRW bleibt § 46 VwVfG NRW ausdrücklich unberührt, ist also anwendbar. Gemäß § 46 VwVfG NRW kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 VwVfG NRW nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (OVG NRW 24.10.2019 - 1 B 1051/19, BGleiG E.IV.10.1 LGG NW § 18 Nr. 7). Die Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten stellt, wie sich schon aus der Regelung des § 18 Abs. 3 Satz 2 LGG und dem offensichtlichen Nichtvorliegen einer Verletzung von Vorschriften über die Form oder die örtliche Zuständigkeit ergibt, einen Verfahrensfehler i.S.d. § 46 VwVfG NRW dar (OVG NRW 24.10.2019 - 1 B 1051/19, a.a.O.; 01.06.2010 - 6 A 470/08, IÖD 2010, 219).
(b) Eine von § 46 VwVfG NRW erfasste Verletzung hat die Entscheidung in der Sache dann nicht beeinflusst, wenn bei der gebotenen hypothetischen Beurteilung des behördlichen Verhaltens für den Fall der fehlerfreien Abwicklung des Verwaltungsverfahrens feststeht, dass die Sachentscheidung auch bei ordnungsgemäßem Verfahren nicht anders ausgefallen wäre. Offensichtlich ist dies, wenn die fehlende Kausalität für einen objektiven Betrachter anhand der bis zum Erlass der Sachentscheidung geführten Akten klar erkennbar ist. Ausgeschlossen ist die Annahme der Offensichtlichkeit allerdings, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre (OVG NRW 27.08.2021 - 6 A 2925/20 -; 24.10.2019 - 1 B 1051/19, a.a.O.; 04.04.2014 - 1 A 1707/11, BGleiG E.II.2.2 BGleiG § 19 Nr. 8). Eine Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers kann danach regelmäßig bei gebundenen Entscheidungen angenommen werden. Bei Ermessensentscheidungen kann der Rechtsgedanke des § 46 VwVfG NRW eingreifen, wenn das materielle Recht letztlich keinen Spielraum eröffnet (OVG NRW 13.02.2001 - 6 A 3438/00, NVwZ-RR 2001, 592).
(c) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann hier eben nicht festgestellt werden, dass die Sachentscheidung auch bei ordnungsgemäßem Verhalten nicht anders ausgefallen wäre. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gleichstellungsbeauftragte der Befristung oder deren Dauer nicht widersprochen hätte, wäre sie im Einzelfall beteiligt worden. Es lag kein Fall einer rechtlichen Alternativlosigkeit vor. Vielmehr hätte eine Wertung der Gleichstellungsbeauftragten zu einer anderen Entscheidung - jedenfalls hinsichtlich der Befristungsdauer - im Einzelfall führen können.
bb. Die Gleichstellungsbeauftragte wurde auch nicht ordnungsgemäß beteiligt, indem das beklagte Land die Beteiligung im laufenden Berufungsverfahren nachgeholt hat. Dem steht schon § 18 Abs. 3 Satz 3 LGG NRW entgegen. Die Heilung einer nach Satz 1 rechtswidrigen Maßnahme wird gemäß Satz 3 für die Fälle eröffnet, in denen sie noch nicht vollzogen ist. Dies entspricht der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, wonach ein Nachholen der Beteiligung nur möglich, solange eine Entscheidung über die Maßnahme noch nicht getroffen oder jedenfalls noch nicht nach außen wirksam geworden ist (OVG NRW 24.10.2019 - 1 B 1051/19, BGleiG E.IV.10.1 LGG NW § 18 Nr. 7; 14.05.2013 - 6 A 1883/09, BGleiG E.IV.10.1 LGG NW § 17 Nr. 14). Durch den Abschluss des Vertrags vom 10.01.2022 ist die Maßnahme - die Weiterbefristung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger - aber nach Außen vollzogen worden.
cc. Die Zustimmung der Gleichstellungsbeauftragten zu der Befristung im Vertrag vom 10.01.2022 gilt jedoch als erteilt. Dies ergibt sich aus der Vereinbarung vom 17.10.2018.
(1) Während der Betriebsrat auf seine gesetzlichen Beteiligungsrechte nicht verzichten kann (BAG 06.08.2002 - 1 ABR 47/01, AP Nr. 80 zu § 75 BPersVG; 14.08.2001 - 1 AZR 619/00, BAGE 98, 323; 14.12.1999 - 1 ABR 27/98, BAGE 93, 75; 23.06.1992 - 1 ABR 53/91, NZA 1992, 1098; 29.11.1983 - 1 AZR 523/82, BAGE 44, 260), erlaubt § 18 Abs. 6 LGG NRW der Gleichstellungsbeauftragten und der Dienststelle zumindest Vereinbarungen über die Form und das Verfahren der Beteiligung zu treffen. Diese sind zu dokumentieren. Die Ziele dieses Gesetzes dürfen durch Verfahrensabsprachen nicht unterlaufen werden. Gesetzlich vorgegebene Beteiligungspflichten sind nicht abdingbar. Die gleichstellungsrechtliche Beteiligung, auch die Inanspruchnahme einer gleichstellungsrechtlichen Zustimmungsfiktion, ist zu dokumentieren. Die Gleichstellungsbeauftragte kann jederzeit einzelfallbezogen ihre Beteiligung nach Maßgabe dieses Gesetzes verlangen.
(2) § 18 Abs. 6 LGG NRW begegnet keinen Wirksamkeitsbedenken.
Zwar gestaltet der Gesetzgeber mit den Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung das Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG aus (BVerfG 30.04.2015 - 1 BvR 2274/12, AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 88; BAG 06.12.1977 - 1 ABR 28/77, AP BetrVG 1972 § 118 Nr. 10) und nichts anders gilt für die Mitbestimmung durch die Gleichstellungsbeauftragte, aus dem Grundgesetz folgt aber kein zwingendes Gebot betrieblicher Mitbestimmung (vgl. BVerfG 30.04.2015 - 1 BvR 2274/12, a.a.O.). Besteht schon kein Gebot betrieblicher Mitbestimmung, besteht äquivalent auch kein Gebot einer Mitbestimmung durch eine Gleichstellungsbeauftragte. Das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen muss nicht durch die Beteiligungsrechte einer Gleichstellungsbeauftragten geschützt werden. Insoweit hat sich der Gesetzgeber entschieden, sowohl das Amt einer Gleichstellungsbeauftragten für die Beschäftigten des Landes NRW einzurichten, dieses mit Beteiligungsrechten auszustatten, aber zugleich in § 18 Abs. 6 LGG NRW zu Gunsten der Verwaltung Verfahrensvereinfachungsregelungen zu ermöglichen, die die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten nicht einschränken, die es beiden Parteien aber erlaubt, die Ausübung der Beteiligungsrechte im Einzelfall auf einen Kernbereich zu konzentrieren.
(3) In der Vereinbarung vom 17.10.2018 liegt eine dokumentierte Vereinbarung i.S.d. § 18 Abs. 6 LGG NRW. Aufgrund der Erklärungen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2023 steht fest, dass die Vereinbarung auf die Dienststelle des Klägers bzw. die hier bestellte Gleichstellungsbeauftragte und damit auf den befristeten Arbeitsvertrag des Klägers Anwendung findet. Dies stellt die Kammer erneut fest.
(4) Die Vereinbarung vom 17.10.2018 begegnet auch ansonsten keinen Bedenken.
(a) Das Beteiligungsrecht der Gleichstellungsbeauftragten wird insbesondere nicht abbedungen, sondern lediglich für die aufgeführten Fallgruppen für die Dauer der Vereinbarung fingiert. Dabei handelt es sich um einen zulässigen Regelungsinhalt, den der Gesetzgeber ausweislich § 18 Abs. 6 Satz 4 LGG NRW und auch der Gesetzesbegründung (LT-Drucks. 16/12366, Seite 80 f.) selbst im Blick gehabt hat ("Verfahrensvereinbarungen, auch in Form einer Zustimmungsfiktion, sind insbesondere sinnvoll bei großen Mengen häufig wiederkehrender, nicht streitbefangener Einzelentscheidungen […]"). Soweit § 18 Abs. 6 Satz 5 LGG NRW festhält, dass die Gleichstellungsbeauftragte jederzeit einzelfallbezogen ihre Beteiligung nach Maßgabe dieses Gesetzes verlangen kann, wird dies in der Vereinbarung vom 17.10.2018 noch einmal ausdrücklich festgehalten.
(b) Die Vereinbarung (und damit die Befristung des klägerischen Arbeitsverhältnisses) ist auch nicht unwirksam, weil die Parteien der Vereinbarung keinen Mechanismus geschaffen haben, der die Möglichkeit, das Mitbestimmungsrecht zurückzuholen, sichert.
(aa) Insoweit schreibt das Gesetz vor, dass die Gleichstellungsbeauftragte jederzeit einzelfallbezogen ihre Beteiligung nach Maßgabe dieses Gesetzes verlangen kann. Dieses Rückholrecht bezieht sich auf jeden Einzelfall. Anders als das beklagte Land dies in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2023 vertreten hat, bezieht es sich nicht (nur) auf Fallgruppen, bspw. die Befristung. Dem steht der Wortlaut der Norm entgegen, wonach das Rückholrecht eben im Einzelfall bestehen soll. Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht dem entgegen. Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten ist es nach § 17 Abs. 1 Satz 1 LGG NRW die Dienststelle zu unterstützen, zu beraten und bei der Ausführung dieses Gesetzes sowie aller Vorschriften und Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann haben oder haben können, mitzuwirken. Nach § 1 Abs. 1 LGG NRW soll das Grundrecht der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verwirklicht werden, Frauen zu fördern, um bestehende Benachteiligungen abzubauen sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer zu verbessern. Diese Aufgaben und damit auch das hierauf bezogene Beteiligungsrecht aus § 18 LGG NRW beziehen sich zwangsläufig auf den Schutz des einzelnen Beschäftigten. Dem widerspräche es, wenn die Gleichstellungsbeauftragte zunächst bezogen auf eine ganze Fallgruppe ihr Rückholrecht ausüben müsste, um dann bezogenen auf den Einzelfall ihr Beteiligungsrecht ausüben zu können. Dem entspricht auch die Gesetzesbegründung, wonach die Gleichstellungsbeauftragte auch für die Fälle einer vereinbarten generellen Zustimmung für bestimmte Fallgestaltungen ein Rückholrecht und jederzeit die Möglichkeit hat, eine Beteiligung im Einzelfall nach den Vorgaben des LGG NRW einzufordern (LT-Drucks. 16/12366, Seite 80 f.).
(bb) Da schon das Gesetz vorschreibt, dass die Gleichstellungsbeauftragte jederzeit einzelfallbezogen ihre Beteiligung nach Maßgabe dieses Gesetzes verlangen kann, war die entsprechende Feststellung dieses Rückholrechtes in der Vereinbarung vom 17.10.2018 eigentlich deklaratorisch. Eine spezielle Sicherung dieses Rückholrechtes schreiben weder Gesetz noch Gesetzesbegründung vor. Die Vereinbarung eines Mechanismus, der die Möglichkeit, das Mitbestimmungsrecht zurückzuholen, sichert, war daher nicht erforderlich. Schon aus der gesetzgeberischen Konstruktion, wonach die Gleichstellungsbeauftragte ihre Beteiligung im Einzelfall "verlangen" kann, ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber von einem proaktiven Handeln der Gleichstellungsbeauftragten ausgeht, nachdem eine Zustimmungsfiktion vereinbart wurde. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Gesetzgeber die eigentlich zu Lasten des beklagten Landes in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten bestehende Bringschuld über notwendige Informationen (vgl. insoweit LT-Drucks. 16/12366, Seite 79) auf die Gleichstellungsbeauftragte übertragen, die Bringschuld also in eine Holschuld umgewandelt hat. Die Gleichstellungsbeauftragte hat sich selbst zu informieren. Dies ist auch jederzeit möglich. Sei es, indem sie über die Betroffenen Kenntnis erhält, wenn diese sich gemäß § 20 LGG NRW unmittelbar an sie wenden, oder indem die Gleichstellungsbeauftragte von sich aus aktiv wird und eine entsprechende Anfrage an die Dienststelle über geplante Maßnahmen stellt, die unter die Vereinbarung vom 17.10.2018 fallen. Hierzu hat sie ein unmittelbares Zugangsrecht zur Dienststellenleitung, § 18 Abs. 4 LGG NRW (vgl. auch LT-Drucks. 12/3959, Seite 60).
(5) Letztlich fingiert die Vereinbarung vom 17.10.2018 die Zustimmung der Gleichstellungsbeauftragten für Fälle der Einstellung. Hierunter fallen auch Fälle der Weiterbefristung (vgl. BAG 27.10.2010 - 7 ABR 86/09, NZA 2011, 418; Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG § 99 Rn. 38).
f. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist der Kammer mangels Eintritt der innerprozessualen Bedingung nicht zur Entscheidung angefallen.
II.
Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO dem Kläger aufzugeben.
III.
Die Revision zugunsten des Klägers war zuzulassen. Die Kammer hat der Frage der Wirksamkeit des § 18 Abs. 6 LGG NRW sowie der Ausgestaltung einer Vereinbarung zur Fiktion einer Zustimmung nach § 18 Abs. 6 LGG NRW grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 72 Abs. 2 ArbGG zugemessen.
Dr. ReinartzEhrhardtHirr