09.09.2011 · IWW-Abrufnummer 113099
Landesarbeitsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 10.06.2011 – 13 Ta 203/11
Die Verpflichtung des Arbeitgebers in einem gerichtlichen Vergleich, ein Zeugnis nach einem vom Arbeitnehmer noch zu erstellenden Formulierungsvorschlag zu erteilen, ist nicht vollstreckbar (Abweichung von LAG Köln 02.01.2009 - 9 Ta 530/08 - JurBüro 2009, 271; LAG Hamm 04.08.2010 - 1 Ta 196/10 - [...]).
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin vom 04.04.2011 wird der Zwangsvollstreckungsbeschluss des Arbeitsgerichts Essen vom 16.03.2011 - 6 Ca 1532/10 - abgeändert:
Der Zwangsvollstreckungsantrag des Gläubigers vom 21.01.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens hat der Gläubiger zu tragen.
Beschwerdewert: 3.562,00 €.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage schlossen die Beteiligten im Ausgangsverfahren am 04.08.2010 einen Vergleich, in welchem es unter anderem heißt:
2. Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird.
Der Gläubiger übermittelte der Schuldnerin einen Zeugnisentwurf. Diese erteilte ihm jedoch ein Zeugnis, welches unter anderem in der Tätigkeitsbeschreibung sowie der Bewertung von Leistung und Verhalten von dem Entwurf abwich.
Der Gläubiger meint, der Vergleich habe einen vollstreckungsfähigen Inhalt, da das Vollstreckungsgericht lediglich zu prüfen habe, ob eine Übereinstimmung zwischen seinem Entwurf und dem vom Schuldner ggfs. erstellten Zeugnis bestehe.
Mit Schriftsatz vom 21.01.2011 hat der Gläubiger beantragt, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld festzusetzen "zur Erzwingung der im ... Vergleich ... niedergelegten Verpflichtung, dem Gläubiger ein qualifiziertes Zeugnis entsprechend dem dieser Antragsschrift als Anlage beigefügten Entwurf des Gläubigers ... auszufertigen."
Die Schuldnerin hat die Zurückweisung des Antrags begehrt, da der Inhalt des verlangten Zeugnisses nicht der Wahrheit entspreche.
Mit Beschluss vom 16.03.2011 hat das Arbeitsgericht gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld von 500,--€ festgesetzt.
Gegen den ihr am 23.03.2011 zugestellten Beschluss hat die Schuldnerin am 04.04.2011 sofortige Beschwerde eingelegt.
B.
1.Die sofortige Beschwerde ist zulässig: Sie ist nach §§ 62 Abs. 2 Satz 1, 78 Satz 1 ArbGG, 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden.
2.Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der beantragte Zwangsvollstreckungsbeschluss kann bereits deshalb nicht erlassen werden, weil es an einem entsprechenden vollstreckungsfähigen Titel fehlt.
a)Allerdings wird in der Rechtsprechung teilweise angenommen, die Verpflichtung eines Arbeitgebers in einem gerichtlichen Vergleich, ein Zeugnis nach einem vom Arbeitnehmer noch zu erstellenden Formulierungsvorschlag zu erteilen, sei vollstreckbar (LAG Köln 02.01.2009 - 9 Ta 530/08 - JurBüro 2009, 271; LAG Hamm 04.08.2010 - 1 Ta 196/10 - [...]). Nach Auffassung der erkennenden Beschwerdekammer stehen dieser Ansicht jedoch anerkannte Grundsätze der Zwangsvollstreckung entgegen.
b)Der Schuldner muss aus einem Vollstreckungstitel zuverlässig erkennen können, welche Verpflichtungen er vorzunehmen hat, zu denen er durch Zwangsgeld und notfalls auch durch Zwangshaft gezwungen werden kann. Er muss bereits aus rechtsstaatlichen Gründen wissen, in welchen Fällen ihm diese Maßnahmen drohen. Unklarheiten über den Inhalt des Vollstreckungstitels können nicht im Vollstreckungsverfahren gelöst werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Schuldner einer festgesetzten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang diese besteht. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516 = AP ArbGG 1979 nF § 78 Nr. 2 mwN). Der Streit der Parteien darf nicht in die Vollstreckung verlagert werden (BAG 10.05.2005 - 9 AZR 230/04 - NZA 2006, 155).
Dabei kann ein Vollstreckungstitel grundsätzlich nur aus sich heraus ausgelegt werden. Umstände, die außerhalb des Titels liegen, dürfen bei der Auslegung in der Regel nicht berücksichtigt werden (BAG 28.02.2003 - 1 AZB 53/02 - NZA 2003, 516 unter RN 18; BGH 25.08.1999 - XII ZR 136/97 - [...]). Allerdings besteht die Möglichkeit, im Titel auf andere Urkunden zu verweisen. Für Urteile folgt dies aus der Regelung des § 313 Abs. 2 ZPO, die eine Verweisung auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ausdrücklich vorsieht. Soweit das Gericht davon Gebrauch gemacht hat, sind diese Unterlagen deshalb als Teil des vollstreckbaren Titels zu betrachten (BAG 15.04.2009 - 3 AZB 93/08 - NZA 2009, 917).
c)Mit einer derartigen Verweisung ist die hier zu beurteilende Konstellation jedoch nicht vergleichbar. Die Unterlage, auf die im Vergleich verwiesen wird, war bei Vergleichsabschluss noch nicht existent. Die Verpflichtung der Schuldnerin ist deshalb nicht hinreichend konkret beschrieben: Sie weiß lediglich, dass sie sich nach dem Entwurf des Gläubigers zu richten hat, jedoch nicht, wie dieser aussieht. Deutlich wird dies bereits daraus, dass der Gläubiger in seinen Vollstreckungsantrag - um diesen bestimmt zu machen - seinen Zeugnisentwurf mit aufgenommen hat. Anders ließe sich auch nicht prüfen, ob die Schuldnerin ihre Verpflichtung aus dem Vergleich erfüllt hat.
Der Vergleich erschöpft sich zudem nicht darin, eine - in der Erstellung eines Entwurfs durch den Gläubiger bestehende - bedingte Verpflichtung iSd. § 726 Abs. 1 ZPO zu statuieren. Vielmehr ist der Zeugnisentwurf nicht nur Voraussetzung für die Vollstreckung selbst ("Ob"), sondern bestimmt zugleich erst deren Inhalt ("Wie"). Damit ist der Inhalt der Handlungspflicht der Schuldnerin von einem Verhalten abhängig, das bei der Erstellung des Titels weder bestimmt noch bestimmbar ist. Der Gläubiger beruft sich nicht lediglich darauf, die Schuldnerin habe ihm kein Zeugnis erteilt, obwohl er ihr einen Entwurf zur Verfügung gestellt hat. Sein Vollstreckungsantrag ist vielmehr darauf gerichtet, dass die Schuldnerin den Inhalt des Zeugnisses seinem Entwurf entnimmt.
Letztlich zeigt auch der Streit der Beteiligten darüber, ob die Schuldnerin aus Gründen der Zeugniswahrheit vom Entwurf des Gläubigers abweichen durfte, deutlich auf, dass die insoweit zu lösenden Fragestellungen nur in einem Erkenntnisverfahren zu lösen sind. Entsprechend hat auch das seitens des Landesarbeitsgerichts Hamm in der zitierten Entscheidung angeführte Arbeitsgericht Berlin (02.04.2008 - 29 Ca 13850/07 - [...]) den dortigen Streit im Erkenntnisverfahren entschieden (ähnlich wie hier auch: LAG Rheinland-Pfalz 23.03.2011 - 3 Ta 251/10 - [...]; 01.04.2009 - 3 Ta 40/09 - [...]).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891 Satz 3, 91 Abs. 1 ZPO. Die Höhe des Beschwerdewerts entspricht in Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO grundsätzlich dem Hauptsachewert und auch im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf und der herrschenden Meinung dem Wert des zu vollstreckenden Anspruchs. Bei einem Zeugnisanspruch beläuft sich dieser in der Regel auf einen Monatsverdienst.
Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ZPO im Hinblick auf die Abweichung von der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte Hamm und Köln zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss kann von dem Gläubiger
R E C H T S B E S C H W E R D E
eingelegt werden.
Gegen diesen Beschluss ist für die Schuldnerin ein Rechtsmittel nicht gegeben.
...
Nübold