13.06.2012 · IWW-Abrufnummer 122571
Landesarbeitsgericht Sachsen: Beschluss vom 23.05.2012 – 4 Ta 103/12
Eine Änderungsschutzklage gegen eine Änderungskündigung ist regelmäßig mit zwei Monatsgehältern zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer den Vorbehalt gem. § 2 KSchG erklärt hat (im Anschluss an die Rechtsprechung des LAG Düsseldorf v. 16.10.2006 - 6 Ta 491/05 -; Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer).
Sächsisches
Landesarbeitsgericht
Chemnitz, 23.05.2012
Az.: 4 Ta 103/12 (6)
11 Ca 2112/11 ArbG Leipzig
B E S C H L U S S
In dem Streitwertbeschwerdeverfahren
unter Beteiligung von:
...hat die 4. Kammer des Sächsischen Landesarbeitsgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung
am 23. Mai 2012 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers/Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Leipzig vom 08.03.2012 - 11 Ca 2112/11 -
a b g e ä n d e r t :
1. Der Gebührenstreitwert gemäß § 63 Abs. 2 GKG wird auf 7.499,08 € festgesetzt.
2. Im Übrigen wird die weitergehende Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers (Klägervertreters/Beteiligten zu 1.) richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts gemäß § 63 Abs. 2 GKG.
Die Klägerin war seit 01.02.1992 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zuletzt als "Sachbearbeiterin I Versicherungs- und Rentenangelegenheiten" zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.999,62 € beschäftigt.
Mit Schreiben vom 23.05.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2011 und bot der Klägerin ein geändertes Beschäftigungsverhältnis ab 01.01.2012 dergestalt an, dass die Klägerin ab diesem Zeitpunkt als Servicemitarbeiterin Produktion und Service in der Entgeltgruppe 5 Stufe 4 TV-TgDRV eingruppiert werde (Bl. 24 d. A.).
Die Änderung der Arbeitsaufgabe wäre für die Klägerin mit einer Verdienstminderung in Höhe von 717,54 € verbunden gewesen.
Die Klägerin hat das Änderungsangebot unter Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen. Ihre Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Änderungskündigung gab das Arbeitsgericht Leipzig durch mittlerweile rechtskräftiges Urteil vom 26.10.2011 statt.
Mit Beschluss vom 08.03.2012 hat das Arbeitsgericht den Gebührenstreitwert gemäß § 63 Abs. 2 GKG unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 09.10.2009 - 4 Ta 197/09 - (vierteljährliche Vergütungsdifferenz bei einer Änderungskündigung) und vom 01.11.2000 - 4 Ta 304/00 - (Klage auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses) auf insgesamt 3.652,46 € festgesetzt.
Der hiergegen seitens des Klägervertreters/Beteiligten zu 1. unter dem 16.04.2012 eingelegten Beschwerde, mit der dieser die Festsetzung der 36-fachen monatlichen Vergütungsdifferenz verfolgt, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 17.04.2012 nicht abgeholfen und sie dem Sächsischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte Bezug genommen.
II. 1. Die gemäß den §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und innerhalb der Frist der §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist zulässig und auch teilweise begründet.
2. Der Beschluss des Arbeitsgerichts war dahingehend abzuändern, dass der Gebührenstreitwert gemäß § 63 Abs. 2 GKG auf 7.499,08 € festzusetzen war. Im Übrigen war die weitergehende Beschwerde zurückzuweisen.
a) Nimmt ein Arbeitnehmer eine ihm gegenüber ausgesprochene Änderungskündigung unter dem Vorbehalt des § 2 Satz 1 KSchG an und erhebt er - wie im Streitfall - gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen Klage, so ist streitig, nach welchen Grundsätzen der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit zu ermitteln ist (vgl. die Rechtsprechungsübersicht im Beschluss des BAG vom 23.03.1989 - 7 AZR 527/85 - unter I. 1. a bis c der Gründe, zitiert nach Juris; GK-ArbGG Schleusener § 12 Rdnr. 201 ff. m. w. N.; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Auflage § 12 Rdnr. 119 ff. m. w. N. und ErfK-Koch § 12 ArbGG Rdnr. 18 m. w. N.).
Die Beschwerdekammer des Landesarbeitsgerichts hat bisher in den genannten Fällen § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a. F. bzw. § 42 III 1 GKG in der Weise analog angewandt, dass grundsätzlich ein Wert in Höhe der Dreimonatsdifferenz von bisherigem und neuem Einkommen des Arbeitnehmers festzusetzen war (vgl. statt vieler:
Beschluss vom 09.10.1999 - 4 Ta 197/09 -).
Diese Rechtsprechung gibt die Beschwerdekammer hiermit auf.
Vielmehr ist - wenn auch nicht in allen Teilen der dogmatischen Begründung - so doch im Ergebnis der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (aaO.) zu folgen.
Danach ist bei einer unter Vorbehalt angenommener Änderungskündigung grundsätzlich vom dreifachen Jahresbetrag des Werts der Änderung auszugehen; als Höchstbetrag ist jedoch die Regelung in § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG, jetzt § 42 Abs. 3 GKG, in der Weise entsprechend heranzuziehen, dass der Gebührenstreitwert die dort genannte Grenze nicht überschreiten darf, sondern die niedrigere von beiden maßgebend ist.
Dies ist auch die Auffassung der überwiegenden Anzahl der Landesarbeitsgerichte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 25.07.2007 - 1 Ta 179/07 - NZA-RR 2007, 604; LAG Hamburg 28.10.1996 - 4 Ta 18/96 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Nr. 110; 02.06.1998 - 4 Ta 8/98 - BB 1998, 1695 L; Hess. LAG 18.02.1999 - 15/16 Ta 352/98 - DB 1999, 1276 L = JurBüro 1999, 475; LAG Köln 19.08.1999 - 13 Ta 252/99 - AuR 2000, 39 L; 22.03.1999 - 11 Ta 241/98 - LAGE § 8 BRAGO Nr. 44 a; zustimmend [wie BAG] Grunsky § 12 Rz. 4 e; im Ergebnis ebenso, jedoch mit Ermessensabschlägen nach Lage des Falles: LAG Rheinland-Pfalz 25.02.1991 - 9 Ta 31/91 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 91 oder mit einer evtl. Streitwertanhebung wegen eines mit der Kündigung verbundenen Prestigeverlustes: LAG Berlin 18.05.2001 - 17 Ta 6075/01 - AE 2004, 89 L). Nur vereinzelt wird demgegenüber vertreten, dass bei Änderungskündigungen der dreifache Jahresbetrag ohne eine aus § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG resultierende Begrenzung auf drei Monatsgehälter anzusetzen ist (so LAG Baden-Württemberg 11.01.2008 - 3 Ta 8/08 - n. v.). Teilweise wird vertreten, dass - da bei der Annahme unter Vorbehalt nicht der Bestand des Arbeitsverhältnisses in Streit steht, sondern nur einzelne Arbeitsbedingungen - die Obergrenze des Vierteljahresverdienstes grundsätzlich zu halbieren ist (LAG Rheinland-Pfalz 11.06.2008 - 1 Ta 108/08 - JurBüro 2008, 478).
Demgegenüber vertritt das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 16.10.2006 - 6 Ta 491/06 - zitiert nach Juris) die Auffassung, dass eine Änderungsschutzklage gegen eine Änderungskündigung regelmäßig mit zwei Monatsverdiensten zu bewerten sei, wenn der Arbeitnehmer den Vorbehalt gemäß § 2 KSchG erklärt habe.
Dieser Auffassung schließt sich die Beschwerdekammer vorliegend an. Denn besteht das Arbeitsverhältnis infolge der nach § 2 KSchG erklärten Annahme des Änderungsangebots fort, so geht der Änderungsschutzstreit zwar um die Durchsetzung des gesetzlichen Kündigungsschutzes, der sich hier als Inhaltsschutz des Arbeitsverhältnisses darstellt. Dieser Streit kann nur nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG bewertet werden. Diese Vorschrift gilt für die "Wertberechnung bei Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses".
Die Ausfüllung des Ermessensrahmens nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG richtet sich nach § 3 ZPO. Insoweit schließt sich auch die hier zuständige Beschwerdekammer der Ansicht des LAG Düsseldorf an, dass der Streitwert für ein Verfahren, das über die Wirksamkeit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung geführt wird, regelmäßig auf zwei Monatseinkommen festzusetzen ist (vgl. Beschluss des LAG Düsseldorf vom 08.11.1990 - 7 Ta 355/90 - LAGE § 12 ArbGG 1979 Streitwert Nr. 87 und vom 19.04.2002 - 17 Ta 159/02 -; vom 24.01.2005 - 17 Ta 724/05 -; Beschluss vom 31.01.2006 - 6 Ta 19/06 - und vom 16.10.2006 - 6 Ta 491/06 -).
Dass der in § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG genannte Dreimonatsstreitwert im Regelfall zu unterschreiten ist, beruht darauf, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses selbst nicht infrage steht. Anderenfalls ergäben sich Wertungswidersprüche. Mit der Festsetzung auf zwei Monatseinkommen wird zudem den Erfordernissen der Praxis nach einem einheitlichen und einfach handhabbaren Ermessensvollzug Rechnung getragen, einem Grundsatz typisierender Wertbemessung, den auch das Bundesarbeitsgericht im Streitwertbemessungsverfahren nicht infrage gestellt hat (Beschluss vom 30.11.1984, AP Nr. 9 zu § 12 ArbGG 1979).
Soweit der Beschwerdeführer sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1989 beruft, wonach bei der Wertfestsetzung grundsätzlich vom dreifachen Jahresbetrag des Werts der Änderung auszugehen ist und als Höchstgrenze die Regelung in § 12 Abs. 7 Satz 1 und 2 ArbGG a. F. = nunmehr § 42 Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG damit das Vierteljahreseinkommen nicht überschritten werden dürfe, folgt die Beschwerdekammer weiterhin nicht der insoweit nicht konsequenten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Insoweit wird auf die Begründung des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 08.11.1990 - 7 Ta 355/90 -, der sich die Beschwerdekammer anschließt, verwiesen.
Die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Bundesarbeitsgericht nicht berücksichtigt hat, dass auch eine unter Vorbehalt angenommene Änderungskündigung eine Kündigung ist, so dass § 17 Abs. 3 GKG a. F. = nunmehr § 42 Abs. 2 GKG nicht heranzuziehen ist, weil § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG a. F. = nunmehr § 42 Abs. 3 GKG einschlägig ist und diese Vorschrift lex spezialis zu § 42 Abs. 2 GKG ist . Bei der Änderungskündigung sind im Übrigen die gleichen verfahrensmäßigen Regelungen zu beachten wie bei eine Vollkündigung; auch die sachliche Überprüfung erfolgt nach ähnlichen Gesichtspunkten, so dass auch von daher alles dafür spricht, § 42 Abs. 3 GKG heranzuziehen (vgl. auch Anm. Schneider zu der Rechtsprechung des BAG in EzA § 12 Streitwert Nr. 35 und 37; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Auflage, § 12 Rdnr. 119 ff. m. w. N.).
Diese Überlegungen führen hier dazu, dass zwei Bruttomonatseinkommen á 2.999,62 € für den Änderungskündigungsschutzantrag zu Ziffer 1 der Klage anzunehmen sind.
b) Die Bewertung des Klageantrags zu Ziffer 2 (Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses durch den Arbeitgeber) ist seitens des Arbeitsgerichts zutreffend (vgl. Beschluss des Sächs. LAG vom 01.11.2000 - 4 Ta 304/00 -) und seitens der Beklagten nicht angegriffen.
Insgesamt ergibt sich somit ein Gebührenstreitwert gemäß § 63 Abs. 2 GKG in Höhe von 7.499,08 €.
Nach alledem war daher auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. der Beschluss des Arbeitsgerichts vom 08.03.2012 entsprechend abzuändern und die Beschwerde im Übrigen zurückzuweisen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 III GKG).
Diese Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch die Vorsitzende allein ergehen (§ 568 Satz 1 ZPO i. V. m. §§ 64 Abs. 7, 53 Abs. 1 Satz 1 ArbGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.