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  • 07.08.2012 · IWW-Abrufnummer 122433

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 03.05.2012 – 10 Sa 25/12

    Soweit § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 BGB eine Verkürzung der Kündigungsfrist durch einzelvertragliche Vereinbarung zulässt, bezieht sich dies nur auf die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB. Von den verlängerten Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB darf nicht durch einzelvertragliche Vereinbarung abgewichen werden.


    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.12.2011, Az.: 2 Ca 1601/11, abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.09.2011 nicht zum 31.10.2011, sondern erst zum 29.02.2012 beendet worden ist.

    Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten noch darüber, wann ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Kündigung des Beklagten geendet hat.

    Die Klägerin war seit dem 01.04.1999 im Kindergarten des beklagten Vereins zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. € 2.900,00 als Erzieherin angestellt. Der Beklagte beschäftigt nicht mehr als fünf Arbeitnehmer. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 14./27.03.2002 hatten die Parteien eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende vereinbart.

    Mit Schreiben vom 28.09.2011, der Klägerin am 29.09.2011 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.10.2011, hilfsweise und vorsorglich kündigte er zum nächsten gesetzlich möglichen Termin. Mit ihrer am 05.10.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage vom 04.10.2011 hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung und - so wörtlich - "jedenfalls aber die Nichteinhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist" geltend gemacht. Die streitgegenständliche Kündigung könne mit fünfmonatiger Frist allenfalls zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29.02.2012 führen.

    Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mit Schreiben des Beklagten vom 28.09.2011 ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 31.10.2011 beendet wird,

    festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die weitere, mit Schreiben des Beklagten vom 28.09.2011 hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung nicht zum 29.02.2012 beendet wird.

    Der Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.12.2011 abgewiesen und ausgeführt, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei durch die Kündigung vom 28.09.2011 zum 31.10.2011 beendet worden. Die Klägerin habe im Kleinbetrieb des Beklagten keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, der Beklagte habe die einzelvertraglich vereinbarte Kündigungsfrist gewahrt.

    Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägerin am 11.01.2012 zugestellt worden. Sie hat mit am 13.01.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 12.03.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie macht geltend, die gesetzliche Kündigungsfrist betrage gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB fünf Monate, weil das Arbeitsverhältnis über zwölf Jahre bestanden habe. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass einzelvertraglich keine kürzere Frist vereinbart werden könne. Die einzelvertragliche Kürzungsmöglichkeit in Kleinunternehmen nach § 622 Abs. 5 Nr. 2 BGB beziehe sich nur auf die Grundkündigungsfrist.

    Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 08.12.2011, Az.: 2 Ca 1601/11, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.09.2011 nicht zum 31.10.2011, sondern erst zum 29.02.2012 beendet worden ist.

    Der Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Er widerspricht ausdrücklich der zweitinstanzlichen Klageänderung. Die Klägerin habe erstinstanzlich das Nichtvorliegen eines hinreichenden Kündigungsgrundes geltend gemacht, zweitinstanzlich rüge sie die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist. Hierbei handele es sich um zwei unterschiedliche Streitgegenstände. Es bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Klageänderung, weil die Klägerin in einem weiteren Verfahren vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az.: 2 Ca 381/12) vermeintliche Annahmeverzugslohnansprüche bis Ende Februar 2012 geltend mache. Im Rahmen dieser Klage sei inzident der Bestand des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen. Wegen der Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 29.03.2012 (Bl. 91-93 d.A.) Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe

    Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.

    Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.09.2011 nicht zum 31.10.2011, sondern erst zum 29.02.2012 beendet worden. Das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war deshalb abzuändern.

    Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien hat seit dem 01.04.1999 und damit im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 29.09.2011 mehr als zwölf, aber weniger als 15 Jahre bestanden. Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB fünf Monate zum Monatsende.

    Gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BGB kann in Abweichung von § 622 Abs. 1 BGB eine kürzere Grundkündigungsfrist einzelvertraglich vereinbart werden, wenn der Arbeitgeber in der Regel nicht mehr als 20 Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten beschäftigt und die Kündigungsfrist vier Wochen nicht unterschreitet. Die längeren Kündigungsfristen des § 622 Abs. 2 BGB gelten hingegen auch für Kleinunternehmen im Sinne von § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BGB. Die Regelung des § 622 Abs. 5 Nr. 2 BGB betrifft nur die Grundkündigungsfrist des § 622 Abs. 1 BGB. Die verlängerten Kündigungsfristen nach § 622 Abs. 2 BGB stehen nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes auch in Kleinunternehmen nicht zur Disposition von Arbeitgeber und Arbeitnehmer (so auch: LAG Hessen Urteil vom 14.06.2010 - 16 Sa 1036/09 - NZA-RR 2010, 465; ErfK/Müller-Glöge, 12. Aufl., § 622 BGB, Rn. 18; APS/Linck, 4. Aufl., § 622 BGB, Rn. 161).

    Die Ausführungen des Beklagten zur zweitinstanzlichen Klageänderung sind nicht nachvollziehbar. Die Klägerin hat schon in der Klageschrift vom 04.10.2011 ausdrücklich die Nichteinhaltung der maßgeblichen gesetzlichen Kündigungsfrist von fünf Monaten beanstandet. Es ist nicht als Klageänderung anzusehen, dass die Klägerin zweitinstanzlich nicht mehr rügt, die ordentliche Kündigung sei i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG sozial ungerechtfertigt. Die Beschränkung des Antrags stellt gemäß § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar. Änderungen des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 und 3 ZPO sind auch in der Berufungsinstanz nicht als Klageänderung anzusehen; § 533 ZPO findet auf sie keine Anwendung (BAG Urteil vom 28.10.2008 - 3 AZR 903/07 - AP Nr. 9 zu § 264 ZPO; BGH Urteil vom 19.03.2004 - V ZR 104/03 - NJW 2004, 2152).

    Auch die Ansicht des Beklagten, der Klägerin fehle im Berufungsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis für den gestellten Antrag ist fehlsam. Die Klägerin ist durch das erstinstanzliche Urteil beschwert. Sie muss das Urteil mit der Berufung angreifen, wenn die Klageabweisung und damit die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28.09.2011 zum 31.10.2011 beendet worden ist, nicht rechtskräftig werden soll. Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht - wie der Beklagte meint - durch die vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern erhobene Klage auf Zahlung von Annahmeverzugslohn für die Zeit bis zum 29.02.2012 (Az.: 2 Ca 381/12) entfallen. Der Beklagte übersieht, dass nach der Rechtsprechung des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts bei einer ordentlichen Kündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist mit der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden muss, wenn die Nichteinhaltung der Kündigungsfrist zur Unwirksamkeit der Kündi- gungserklärung führt. Die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung gilt nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beendet das Arbeitsverhältnis zum "falschen Termin", wenn die zu kurze Kündigungsfrist nicht als anderer Rechtsunwirksamkeitsgrund binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung im Klagewege (§ 4 Satz 1 KSchG, § 6 KSchG) geltend gemacht worden ist (BAG Urteil vom 01.09.2010 - 5 AZR 700/09 - NZA 2010, 1409).

    Der Beklagte hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen, weil er in vollem Umfang unterlegen ist.

    Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

    VorschriftenBGB § 622 Abs. 2, BGB § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 2, ZPO § 264, ZPO § 533