Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 13.09.2013 · IWW-Abrufnummer 132966

    Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 27.06.2013 – 5 Sa 31/13

    1.Schlechtleistungen können, sofern sie nicht den Grad einer beharrlichen Arbeitsverweigerung angenommen haben, in aller Regel keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers darstellen.

    2.Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist auch eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ohne vorherige einschlägige Abmahnung sozial nicht gerechtfertigt.


    In dem Rechtsstreit
    pp.
    hat die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein auf die mündliche Verhandlung vom 27.06.2013 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht ... als Vorsitzende und die ehrenamtliche Richterin ... als Beisitzerin und den ehrenamtlichen Richter ... als Beisitzer
    für Recht erkannt:

    Tenor:

    1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 05.12.2012 - Az. 4 Ca 2041/12 - wird zurückgewiesen.

    2.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

    3.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung sowie über Lohn- bzw. Verzugslohnansprüche.

    Der 45-jährige, ledige Kläger war bei der Beklagten, die Alten- und Pflegeheime betreibt, in deren Pflegeheim in B. S., ...weg, seit dem 01.02.2012 als Küchen- und Hauswirtschaftsleiter zu einem durchschnittlichen Monatslohn von € 2.600,00 brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war sachgrundlos befristet bis zum 31.01.2012. Das Recht zur ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist hatten sich die Parteien auch nach Ablauf der Probezeit gemäß § 11 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vorbehalten. Neben dem Kläger arbeiten noch vier weitere Mitarbeiter in der Küche. Der umfassende Aufgabenbereich des Klägers ist in einer elfseitigen Stellenbeschreibung festgelegt, die insbesondere auf die im HACCP-Handbuch enthaltenen Hygieneanforderungen Bezug nimmt. (Bl. 19 - 29 d. A.).

    Der Kläger hatte am 18./19.08.2012 sein freies Wochenende und am darauffolgenden Montag, den 20.08.2012, ebenfalls dienstfrei. An diesem Montag (20.08.2012) führte der Fachbereich Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit des Kreises O. durch den dortigen Mitarbeiter Dr. S. eine unangekündigte Plankontrolle der Lebensmittelhygienezustände in der Einrichtung durch. Hierbei wurden u. a. folgende Mängel festgestellt (Bl. 30 - 31 d. A.):

    - Zulässige Temperatur des Kühlschrankes um 13° überschritten

    - Bei Tiefkühlware (Bratwurst, Hähnchenbrustfilet, Frisch-Ei) zu hohe Temperaturen festgestellt

    - Unter der Kühltruhe Schimmel, verschimmeltes Brot, Spinnen und tote Wespen

    - Schimmel in Kühlschrankdichtung

    - In Trockenlager und Büro diverse Spinnenweben und tote Insekten

    - Im Flur Zigarettenstummel

    - Auf dem Küchenfußboden Glassplitter entdeckt und ungekühlte Butter auf einem Teller

    - Im Nebenraum ungekühlter Spinat gelagert

    Daraufhin erließ der Kreis O. noch vor Ort eine Ordnungsverfügung nach § 39 Abs. 2 LFGB, mit der sämtliches Herstellen und in Verkehr bringen von Lebensmitteln in und aus den in der Ordnungsverfügung benannten Räumen mit sofortiger Wirkung untersagt wurde.

    Die Beklagte rief sofort den Kläger an, der beorderte ihn zum Dienst. Der Kläger half sodann bis Mitternacht den Küchenbereich zu putzen.

    Mit Schreiben vom 21.08.2012 sprach die Beklagte ihm gegenüber die hier streitgegenständliche fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 30.09.2012 aus (Bl. 4 d. A.).

    Am 29.08.2012 hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben vor dem Arbeitsgericht sowie im laufenden Verfahren klagerweiternd die Gehälter für August bis einschließlich November 2012 in Höhe von jeweils € 2.484,00 brutto geltend gemacht.

    Wegen des weiteren insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen.

    Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.12.2012 der Klage insgesamt stattgegeben. Die Kündigung vom 21.08.2012 habe das Arbeitsverhältnis weder fristlos gemäß § 626 BGB noch hilfsweise fristgerecht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG zu beenden vermocht. Auch wenn die seitens des Kreises O. beanstandeten lebensmittelhygienischen Zustände allein auf pflichtwidriges Verhalten des Klägers und dessen Nachlässigkeit zurückzuführen sein sollten und damit generell geeignet seien, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen, was indessen zwischen den Parteien streitig sei, mangele es der Kündigung - unstreitig - an einer vorherigen Abmahnung. Diese sei vorliegend auch nicht entbehrlich. Die Gesamtschau der Vorwürfe, die die Beklagte gegen den Kläger erhebe, lasse nicht den Schluss zu, dass das Vertrauen zwischen den Parteien gänzlich verbraucht sei. Die Beklagte sei in der Vergangenheit selber davon ausgegangen, dem Kläger Hilfe zur Verbesserung seiner Arbeitsleistung anbieten zu müssen. Warum die Beklagte es dann bei Fortbestand selbst gesehener Mängel für entbehrlich gehalten habe im Arbeitsverhältnis zumindest eine Abmahnung auszusprechen, sei vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

    Gegen das ihr am 03.01.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte am Montag, dem 04.02.2013, beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Berufung eingelegt und diese nach gewährter Fristverlängerung bis zum 04.04.2013 am 04.04.2013 begründet.

    Die Beklagte trägt vor,

    der Kläger habe in erheblicher Weise gegen die ihm als Küchen- und Hauswirtschaftsleiter obliegenden Pflichten schuldhaft verstoßen. Er sei mithin allein für die festgestellten Mängel im Küchenbereich verantwortlich. Bei Beachtung der ihm vorgegebenen lebensmittelhygienischen Vorschriften wären solche Mängel nicht zutage getreten. Die Zubereitung der Speisen sei in erster Linie aufgrund der hygienischen Missstände und nicht wegen baulicher Mängel untersagt worden. Aufgrund der schwerwiegenden Pflichtverletzungen sei eine Abmahnung vorliegend nicht erforderlich gewesen. Während eines Personalgesprächs im Frühjahr 2012 sei der Kläger ausdrücklich auf seine unzureichende und nachlässige Aufgabenerfüllung hingewiesen und ermahnt worden. Er sei konkret zur Einhaltung der ihm obliegenden Aufgaben insbesondere im Bereich der Kontrolle der Hauswirtschaft sowie der Kontrolle der Unterhaltsreinigung ermahnt worden. Hierdurch habe dem Kläger bewusst sein müssen, dass sie, die Beklagte, ein nachlässiges Verhalten in dem besonders sensiblen Bereich der Speise- und Küchenhygiene nicht auch nur einmalig hinnehmen werde. Zudem hätte der Kläger die gravierenden Mängel ohne Weiteres erkennen können. Angesichts dessen hätte es sich ihm geradezu aufdrängen müssen, dass sie, die Beklagte, auf ein derart vertragswidriges Verhalten mit einer fristlosen Kündigung reagieren werde. Die Feststellungen der Kontrolle zeigten, dass der Kläger das bereits monierte Verhalten auf äußerst hartnäckige Weise weitergeführt habe. Die gravierenden Pflichtverletzungen zählten zum Kernbereich seiner Funktion als Küchen- und Hauswirtschaftsleiter. Es sei ihr, der Beklagten, mithin nicht zumutbar, das erst seit dem 01.02.2012 bestehende Arbeitsverhältnis bis zum Befristungsende fortzusetzen.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 05.12.2012, Az. 4 Ca 2041/12, abzuändern und die Klage abzuweisen.

    Der Kläger beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Der Kläger verteidigt

    das angefochtene Urteil. Zudem bestreitet er, dass er ermahnt worden sei. Die Behauptungen der Beklagten zu dem angeblichen Personalgespräch vom Frühjahr 2012 seien zudem unsubstantiiert.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 27.06.2013 verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist nach § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

    In der Sache selbst hat die Berufung keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

    Das Arbeitsgericht hat dem Kündigungsfeststellungsantrag sowie den Zahlungsanträgen sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht stattgegeben. Die hiergegen seitens der Beklagten erhobenen Einwände rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Lediglich ergänzend und auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsinstanz eingehend, wird noch auf Folgendes hingewiesen:

    Durch die Kündigung vom 21.08.2012 ist das Arbeitsverhältnis des Klägers weder fristlos noch unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.09.2012 beendet worden. Es lag weder ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vor (1.) noch war die streitgegenständliche Kündigung als ordentliche Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 BGB sozial gerechtfertigt (2.). Die Zahlungsanträge sind unter dem Gesichtspunkt des Verzugslohns begründet (3.).

    1. Die fristlose Kündigung vom 21.08.2012 war rechtswidrig.

    a) Gemäß § 626 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Prüfung, ob danach im konkreten Fall ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in zwei Schritten zu erfolgen (st. Rspr., vgl. nur BAG, Urt. v. 26.03.2009 - 2 AZR 953/07 -, [...]; BAG, Urt. v. 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 -, [...]; BAG, Urt. v. 07.07.2005 - 2 AZR 581/04 -; [...]; BAG, Urt. v. 11.12.2003 - 2 AZR 36/03 -, [...]). Zunächst ist festzustellen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles an sich geeignet ist, einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben. Dabei muss auch festgestellt werden, ob der an sich zur außerordentlichen Kündigung geeignete Sachverhalt im Streitfall zu einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. In einer zweiten Stufe ist zu untersuchen, ob nach Abwägung der in Betracht kommenden Interessen der Parteien des Arbeitsverhältnisses die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist (BAG, Urt. v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 -, [...]; BAG, Urt. v. 26.03.2009 - 2 AZR 953/07 -, [...]; BAG, Urt. v. 27.04.2006 - 2 AZR 386/05 -, [...]).

    Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt, wenn es mildere Mittel gibt, eine Vertragsstörung künftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren (BAG, Urt. v. 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 -, [...]; BAG, Urt. v. 12.01.2006 - 2 AZR 179/05 -, [...]). Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose. Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (BAG v. 10.06.2010 - 2 AZR 41/09 - a. a. O.; BAG v. 13.12.2007 - 2 AZR 818/06 - AP Nr. 64 zu § 4 KSchG 1969).

    Quantitativ ungenügende und qualitativ schlechte Arbeitsleistungen eines Arbeitnehmers rechtfertigen in der Regel nicht dessen außerordentliche Kündigung. Hier werden die Interessen des Arbeitgebers und des Betriebs im Allgemeinen durch den Ausspruch der ordentlichen Kündigung nach vorausgegangener Abmahnung gewahrt und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig einen großen Schaden verursacht hat (BAG, Urt. v. 04.07.1991 - 2 AZR 79/91 -, [...]; LAG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.2009 - 12 Sa 879/09 -, [...]; ErfK/Müller-Glöge, 13. Aufl, Rn. 128 zu § 626 BGB).

    b) Unter Beachtung dieser Voraussetzungen liegt kein wichtiger verhaltensbedingter Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB vor.

    aa) Die Behauptungen der Beklagten als wahr unterstellt sind die dem Kläger zur Last gelegten Pflichtverletzungen an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung zu bilden. Wenn ein Küchenleiter seine Kontrollpflichten bzgl. der Einhaltung der Hygienevorschriften über die ordnungsgemäße Lagerung, Kühlung und Verarbeitung von Lebensmitteln sowie der Sauberkeit des Küchenbereichs derart verletzt, dass die zuständige Behörde durch Erlass einer Ordnungsverfügung das Herstellen und In-Verkehr-Bringen von Lebensmitteln in und aus den Räumlichkeiten mit sofortiger Wirkung untersagt, ist diese Pflichtverletzung derart erheblich, dass sie grundsätzlich geeignet ist, einen wichtigen Grund zur fristlose Kündigung darzustellen.

    Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die vom Amt für Lebensmittelsicherheit am 20.08.2012 festgestellten Mängel bei der Lagerung von Lebensmitteln und Verschmutzungen im Küchenbereich letztlich allein auf eine mangelhafte Pflichterfüllung des Klägers als Küchen- und Hauswirtschaftsleiter zurückzuführen waren. Hieran bestehen zumindest hinsichtlich der vorgefundenen toten Insekten, Spinnweben, Glassplitter und Zigarettenstummel sowie der aufgelisteten Mängel hinsichtlich der Kühltemperatur einiger Lebensmittel und der ungekühlten Lagerung von Butter und Spinat schon deshalb Zweifel, weil der Kläger unstreitig am vorangegangenen Wochenende und auch am Prüftag selbst keinen Dienst hatte. In diesen zweieinhalb Tagen war er für die Kontrolle der Temperatur der Kühlschränke und Tiefkühltruhen sowie die Reinigung der Küchen und Wirtschaftsräume unstreitig nicht zuständig. Er konnte die Aufgabenerledigung an diesen Tagen auch nicht überwachen. Es kann indessen unterstellt werden, dass die monierten Verschmutzungen, insbesondere der festgestellte Schimmelbefall, schon länger währten und der Kläger in seiner Funktion als Küchen- und Hauswirtschaftsleiter für entsprechende Abhilfe hätte Sorge tragen müssen.

    bb) Jedenfalls scheitert die außerordentliche Kündigung an der erforderlichen Interessenabwägung.

    Die dem Kläger zur Last gelegten Pflichtverletzungen zählen eindeutig zum Leistungsbereich. Schlechtleistungen können indessen, sofern sie nicht bereits den Grad einer beharrlichen Arbeitsverweigerung angenommen haben, in aller Regel keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Die Beklagte verkennt insoweit, dass die fristlose Kündigung immer nur das letzte Mittel sein kann, um auf Pflichtverletzungen eines Arbeitnehmers zu reagieren. Der Regelfall muss bei Schlechtleistung die ordentliche Kündigung sein. Die Beklagte hat auch keine Umstände dargetan, warum es ihr ausnahmsweise unzumutbar gewesen sein soll, den Kläger noch einen Monat bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger sofort nach dem Anruf der Geschäftsführerin, am Montag, den 20.08.2012, zum Dienst erschien, obgleich er frei hatte, um gemeinsam mit den Küchenpersonal den Küchenbereich grundlegend zu putzen.

    2. Die Kündigung vom 21.08.2012 ist aber auch nicht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstreitig das Kündigungsschutzgesetz gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung.

    a) Nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG ist eine Kündigung sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, bedingt ist. Sie ist durch solche Gründe "bedingt", wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat und eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die (fristgemäße) Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere die Versetzung und Abmahnung in Betracht (BAG, Urt. v. 09.06.2011 - 2 AZR 284/10 -, m. w. Rspr.-Nachw., [...]).

    Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann (BAG, Urt. v. 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -, [...]). Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes demnach nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit auch für den Arbeitnehmer erkennbar offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 09.06.2011 - 2 AZR 284/10 -, [...]; BAG, Urt. v. 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -, [...]).

    b) Es kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger seine arbeitsvertraglichen Leitungspflichten nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und seine Pflichtverstöße somit zumindest mitursächlich für den Erlass der Ordnungsverfügung vom 20.08.2012 geworden sind. Indessen widerspricht die ordentliche Kündigung sowohl dem Grundsatz der Erforderlichkeit als auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

    Da der Kündigungsgrund auf Schlechtleistung und auf ein steuerbares Verhalten des Klägers gestützt wird, hätte die Beklagte den Kläger vor Ausspruch der Kündigung einschlägig zuvor abmahnen müssen. Unstreitig hat der Kläger überhaupt keine Abmahnung, auch keine wegen unzureichender Beachtung der Hygienevorschriften, erhalten.

    aa) Die Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, dass sie den Kläger während eines Personalgesprächs im Mai 2012 ermahnt habe, die Kontrolle der Hauswirtschaft und der Unterhaltsreinigung einzuhalten. Ungeachtet dessen, dass der Inhalt dieses Personalgesprächs streitig ist, rügt der Kläger zu Recht, dass der Vortrag der Beklagten hierzu völlig unsubstantiiert ist. Dem Vortrag lässt sich nicht entnehmen, welche konkreten Vertragsverstöße die Beklagte überhaupt gerügt hat. Es war dem Kläger mithin nicht möglich, sich auf diese pauschalen Behauptungen einzulassen und konkret zu erwidern.

    Die Beklagte verkennt zudem die an eine Abmahnung zu stellenden Anforderungen. Zu den unverzichtbaren Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abmahnung zählt neben der Rüge eines genau zu bezeichnenden Fehlverhaltens (Rügefunktion) der Hinweis auf die Bestands- oder Inhaltsgefährdung des Arbeitsverhältnisses für den Wiederholungsfall (kündigungsrechtliche Warnfunktion). Der Arbeitgeber muss in einer für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennbaren Art und Weise seine Beanstandungen vorbringen und damit deutlich - wenn auch nicht expressis verbis - den Hinweis verbinden, im Wiederholungsfall sei der Inhalt oder der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet (BAG, Urt. v. 19.04.2012 - 2 AZR 258/11 -, [...]). Weder ein allgemeiner Hinweis, dass man mit der Arbeitsleistung nicht zufrieden sei, noch die Anhaltung oder Anmahnung zur ordnungsgemäßen Pflichtverletzung erfüllt die Rügefunktion. Die Beklagte hat nicht im Ansatz dargelegt, welche konkreten Aufgaben der Kläger im Mai 2012 nicht bzw. nur schlecht erfüllt hat, welche Anlass zum Personalgespräch sein sollten. Zudem hat die Beklagte mit der Ermahnung nicht der Warnfunktion entsprochen. Die Beklagte hätte dem Kläger klipp und klar vor Augen führen müssen, dass er im Wiederholungsfalle den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet.

    bb) Eine Abmahnung war vorliegend nicht verzichtbar. Sie ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht willens oder nicht in der Lage ist, sich vertragsgetreu zu verhalten. Ein solcher Ausnahmetatbestand lag hier aber nicht vor. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Kläger sofort gekommen ist, um den Küchenbereich gründlich zu säubern und somit den Schaden für die Beklagte möglichst gering zu halten.

    Die Beklagte verkennt, dass auch für die verhaltensbedingte Kündigung das Prognoseprinzip gilt. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für eine begangene Vertragspflichtverletzung, sondern die Vermeidung des Risikos weiterer erheblicher Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch für die Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde auch zukünftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine vorausgegangene einschlägige Abmahnung voraus. Diese dient der Objektivierung der negativen Prognose. Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Außerdem ist die Abmahnung als milderes Mittel in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einer Kündigung vorzuziehen, wenn durch ihren Ausspruch das Ziel - ordnungsgemäße Vertragserfüllung - erreicht werden kann (BAG, Urt. v. 23.09.2009 - 2 AZR 283/08 -, m. div. Rspr.-Nachw., [...]).

    Gemessen an dem mit der Abmahnung verfolgten Zweck und dem Prognosecharakter einer verhaltensbedingten Kündigung durfte die Beklagte vorliegend nicht auf eine vorherige Abmahnung verzichten. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger überhaupt nicht willens war, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Insbesondere kann die Beklagte dem Kläger nicht vorwerfen, er habe bewusst durch nachlässige Arbeitsweise die Hygienevorschriften im Küchenbereich missachtet. Von einem fehlenden Leistungswillen ist regelmäßig bei einer beharrlichen Arbeitsverweigerung auszugehen. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung kann dem Kläger indessen unstreitig nicht vorgeworfen werden. Auch ist nicht ersichtlich, dass er aufgrund persönlicher und/oder fachlicher Defizite überhaupt nicht in der Lage war, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, sodass eine Abmahnung von vorherein keine Wirkung gezeigt hätte. Wäre dies der Fall gewesen, hätte die Beklagte ihm mutmaßlich bereits innerhalb der Probezeit gekündigt.

    Die ordentliche Kündigung ist mithin sozial ungerechtfertigt.

    3. Das Arbeitsgericht hat dem Zahlungsantrag zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete weder durch die fristlose Kündigung zum 21.08.2012 noch durch die ordentliche Kündigung zum 30.09.2012, sondern bestand bis zum Fristablauf, d. h. dem 31.01.2013 fort. Infolgedessen hat der Kläger Anspruch auf Zahlung des vollen Gehalts für August 2012 in Höhe von 2.884,00 brutto abzüglich gezahlter € 1.197,18 netto. Bis zum 21.08.2012 steht dem Kläger der vertraglich vereinbarte Lohn gemäß § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag zu und ab dem 22.08.2012 bis zum 31.08.2012 schuldet die Beklagte dem Kläger Verzugslohn gemäß § 615 BGB. Die Beklagte befand sich ab dem 22.08.2012 mit der Annahme der klägerischen Dienste in Verzug. Mit Ausspruch der außerordentlichen Kündigung hat die Beklagte es von vornherein abgelehnt, den Kläger weiter zu beschäftigen. Sie hat dem Kläger mithin ab Ausspruch der fristlosen Kündigung keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz mehr bereitgestellt. Angesichts dessen bedurfte es weder eines tatsächlichen noch eines mündlichen Arbeitsangebots durch den Kläger, § 296 BGB. Auch für die Monate September, Oktober und November kann der Kläger von der Beklagten Verzugslohn in Höhe von jeweils € 2.484,00 brutto beanspruchen.

    4. Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge des § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG zurückzuweisen.

    Ein gesetzlich begründbarer Anlass für die Zulassung der Revision lag nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

    Verkündet am 27.06.2013

    Vorschriften§ 39 Abs. 2 LFGB, § 626 BGB, § 1 Abs. 2 KSchG, § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG, § 66 Abs. 1 ArbGG, § 519 ZPO, § 626 Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 2 BGB, § 626 BGB, § 314 Abs. 2 BGB