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  • 22.06.2017 · IWW-Abrufnummer 194664

    Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 19.12.2016 – 3 Sa 387/16


    In dem Rechtsstreit
    A., A-Straße, A-Stadt
    - Kläger und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte/r: Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt
    gegen
    Firma C., C-Straße, C-Stadt
    - Beklagte und Berufungsklägerin -
    Prozessbevollmächtigte/r: Arbeitgeberverband D., D-Straße, D-Stadt
    hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dörner als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Klein und den ehrenamtlichen Richter Isilak als Beisitzer für Recht erkannt:

    Tenor:
    1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.07.2016, Az.: 8 Ca 316/16 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.


    2. Die Revision wird nicht zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen, hilfsweise außerordentlichen Kündigung unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist sein Ende gefunden hat oder aber nicht.



    Der 1962 geborene Kläger ist seit 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Zunächst war er als Lokführer tätig und dann wegen einer Parkinsonerkrankung und einem Grad der Behinderung von 50 seit 2011 im Lager. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis kann nur noch aufgrund wichtigen Grundes beendet werden.



    Bei der Beklagten existiert eine Konzernbetriebsvereinbarung "für Gleichbehandlung und kollegiales Miteinandergegen Fremdenfeindlichkeit und antidemokratische Tendenzen". Diese hat u. a. folgenden Wortlaut:

    "Präambel Der Anstieg rechtsextremer und fremdenfeindlicher Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland fordert von allen gesellschaftlichen Gruppen aktives Handeln. Diese Taten schaden in erster Linie den Opfern von Gewalttaten, aber auch dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Unternehmen, auch der Deutschen Bahn AG, im Ausland und gefährden das kollegiale Klima in den Betrieben...Zum anderen soll antidemokratischen und neonazistischen Tendenzen im DB-Konzern vorgebeugt und entgegen gewirkt werde... § 3 Grundsätze (2) Die Grundsätze für Gleichbehandlung und kollegiales Miteinander im DB-Konzern umfassen insbesondere - das Auftreten gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und antidemokratische sowie neonazistische Tendenzen im Betrieb, in Einrichtungen, in denen die DB AG das Hausrecht ausübt und in der Öffentlichkeit".



    Der Kläger teilte auf seiner Facebook-Seite im allgemeinen zugänglichen Bereich mehrere Posts. Der Kläger hat sich dort auf der Facebook-Seite als "Lagerist bei der C. und XY und Triebwagenführer bezeichnet (vgl. Bl. 26 d. A.). Die Hinweise auf den Arbeitgeber sind mittlerweile gelöscht.



    Der Kläger hat die in Bl. 27 bis 31 d. A. wiedergegebenen Posts im Hinblick auf die Flüchtlingsproblematik und seine Arbeitstätigkeit geteilt. Des Weiteren existiert ein Foto (Bl. 51 d. A.) von Kollegen, das mit "3 Promillos" überschrieben wurde. Ein Bild mit dem Betriebsrat und Begleitung (Bl. 54 d. A.) hat der Kläger mit "und so was wird gewählt, kamerageil"; "Schirmträger und Schleimer" kommentiert. Der Kläger hat außerdem Postings geteilt mit folgendem Spruch (Bl. 55 d. A.): "Unser Chef war ein Wunderkind. Er hatte schon mit 6 Jahren dieselben Fähigkeiten wie heute! Wie wahr". Des Weiteren "Chef meint, ich soll mich bei der Arbeit nicht von jedem Penner ablenken lassen, habe ihn ignoriert" (Bl. 56 d. A.) und "Arschkriechergel im Verbandskasten für jeden Arbeitgeber Pflicht"; unter diesem Foto ist ein Dialog, in dem ein anderer Kollege einen Bezug zu einem Vorgesetzten darstellt (Bl. 57 d. A.).



    Die Beklagte wurde per E-Mail von einem Mitarbeiter auf dem Facebook Account aufmerksam gemacht, durchsuchte diesen und speicherte die Einträge. Die Beklagte holte sodann die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung ein, die am 15.02.2016 (Bl. 58 d. A.) erteilt wurde.



    Am 01.02.2016 wurde der Betriebsrat angehört und am 03.02.2016 noch einmal wegen weiterer Postings. Der Betriebsrat ließ die Äußerungsfrist verstreichen.



    Mit Schreiben vom 15.02.2016 hat die Beklagte eine außerordentliche Kündigung und hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist erklärt; hinsichtlich des Inhalts des Kündigungsschreibens wird auf Bl. 6 d. A. Bezug genommen.



    Der Kläger hat vorgetragen,



    er habe die beanstandeten Einträge nicht gepostet, sondern lediglich geteilt. Er habe nicht erkennbar den Einträgen zugestimmt oder sie gebilligt. Das Foto mit der Bemerkung "die 3 Promillos" stamme von einem Kollegen und sei vom Kläger nur geteilt worden. Es handele sich um eine von der Meinungsfreiheit geschützte Äußerung mit schwarzem Humor und Satire. Die Sprüche und Witze über "Chefs" seien allgemein und es sei erkennbar, dass keine bestimmte Person vom Kläger gemeint sei. Insoweit sei eine Abmahnung als milderes Mittel hier ausreichend. Der Kläger habe sich in 24 Jahren nichts zuschulden kommen lassen. Er vermute, dass die Kündigung eine Reaktion auf seinen letzten Prozess mit der Beklagten vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sei.



    Daneben sei die Betriebsratsanhörung unrichtig, da dort mitgeteilt worden sei, der Kläger habe die Einträge gepostet. Das sei aber tatsächlich nicht zutreffend.



    Der Kläger hat beantragt,

    1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15.02.2016 nicht aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht, 2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger weiter zu beschäftigen.



    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen.



    Die Beklagte hat vorgetragen, bei ihr seien Mitarbeiter verschiedener Rassen und Nationen beschäftigt. Die Beklagte bemühe sich um Flüchtlinge und deren Integration. Die Äußerung des Klägers auf Facebook sei nicht nur seinem Privatbereich zuzuordnen, da der Arbeitgeber auf Facebook angegeben gewesen sei. Die Aussagen seien geschäftsschädigend und störten den Betriebsfrieden. Es handele sich nicht um Sartire. Der Kläger habe sich auch in den Kommentaren nicht von den geteilten Einträgen distanziert. Was er geteilt habe, sei nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt. Daneben habe der Kläger auch noch in einer "Gefällt mir Seite" eine Verbindung zu einer Seite "Die Abzocker Bananenrepublik D". Dort würden fremdenfeindliche Äußerungen verbreitet.



    Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin durch Urteil vom 19.07.2016 - 8 Ca 316/16 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15.02.2016 nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte verurteilt, den Kläger weiterzubeschäftigen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 85 bis 92 d. A. Bezug genommen.



    Gegen das ihr am 25.08.2016 zugestellte Urteil durch am 31.08.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 25.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.



    Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, die benannten Beiträge des Klägers seien volksverhetzend und ehrverletzend. Das Arbeitsgericht verwechselt die Begriffe "Likes" und "Teilen von Posts". Es verkenne auch die Wirkungsweise sozialer Medien. Durch den Beitrag "Warum seid ihr feigen Dreckschweine denn ohne sie abgehauen?" habe der Kläger unter Verwendung eines für alle öffentlich zugänglichen Facebookprofils, in dem die Beklagte als Arbeitgeber benannt worden sei, einen volksverhetzenden Kommentar geteilt. Der Kläger habe diesen Beitrag nicht nur "geliked". Wenn man den Button "gefällt mir" drücke, um seine Zustimmung zu einem Beitrag zu äußern, erscheine lediglich auf der Seite des Erstellers des Beitrages, dass dieser dem anderen Nutzer gefällt. Dieser Beitrag sei als Volksverhetzung gemäß § 130 StGB anzusehen und stelle daher eine Straftat dar. Es sei auch keine Kommentierung erfolgt, die darauf hinweise, dass der Kläger den Beitrag inhaltlich nicht gut heiße. Jeder, der diesen Beitrag gelesen habe, habe auf der linken Seite direkt neben dem Beitrag lesen können, dass der Kläger bei der Beklagten tätig sei.



    Auch die ehrverletzenden Beiträge "die 3 Promillos" und "Arschkriechergel" stellten einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Die Bezeichnung als "Promillos" im Zusammenhang mit einem alkoholischen Getränk könne nicht als scherzhafte Anmerkung verstanden werden. Auch der Beitrag "Arschkriechergel" stelle eine Beleidigung des Vorgesetzten Herrn S. dar. Insoweit handele es sich keineswegs nur um allgemeine Vorgesetzten- oder Chefwitze. Die Kommentareinstellung bei Facebook weise zudem einen anderen Charakter auf als eine wörtliche Äußerung. Denn sie stelle eine Verkörperung der Äußerung dar, die für andere, soweit sie nicht gelöscht werde, immer wieder nachlesbar sei und damit nachhaltige Rechte der Betroffenen eingreife.



    Zumindest in der Gesamtschau der betreffenden Facebook-Beiträge sein ein wichtiger Grund zu sehen. Einer vorherigen Abmahnung habe es nicht bedurft. Zu berücksichtigen sei auch die Gefahr einer Ruf- oder Geschäftsschädigung, die sich bereits aus der Wirkungsweise des sozialen Mediums Facebook ergebe. Denn es sei nicht objektiv nachprüfbar, ob und wie viele Facebook-Nutzer die Äußerung gelesen, geteilt oder sonst wahrgenommen hätten.



    Zumindest sei jedoch die hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist wirksam.



    Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 25.10.2016 (Bl. 119 bis 125 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 126 bis 140 d. A.) Bezug genommen.



    Die Beklagte beantragt,

    auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 19.07.2016, Aktenzeichen 8 Ca 316/16, abgeändert und die Klage abgewiesen.



    Der Kläger beantragt,

    die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



    Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, den Lesern des Facebook Accounts müsse klar sein, dass nur weil der Kläger bei der XY arbeite, es sich nicht automatisch um eine offizielle Meinung der XY handele. Der Kläger habe Beiträge geteilt, aber nicht geliked. Im Übrigen sei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu berücksichtigen, dass der Kläger die kritischen Beiträge nicht verfasst und sie zum anderen nur von einem eingeschränkten Adressatenkreis eingesehen werden könnten. Auch wenn es objektiv möglich sei, dass jeder darauf Zugriff nehmen könne, widerspreche eine andere Sichtweise der allgemeinen Lebenserfahrung. Was die vermeintliche Beleidigung der Kollegen betreffe, nämlich die Bezeichnung als "Promillos" handele es sich um Satire, nicht mehr und nicht weniger.



    Insgesamt sei die Kündigung als unverhältnismäßig anzusehen, zumal der Kläger sofort nach Erhalt der fristlosen Kündigung die Beiträge aus seinem Account gelöscht habe, so dass eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Eine Abmahnung habe ausgereicht, um eine Verhaltensänderung in Zukunft zu erreichen. Auch dies führe zur Unwirksamkeit der Kündigung.



    Hinsichtlich des weiteren Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 15.11.2016 (Bl. 145, 146 d. A.) Bezug genommen.



    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.



    Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 19.12.2016.



    Entscheidungsgründe



    I.



    Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.



    II.



    Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.



    Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche Kündigung vom 15.02.2016, noch durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom gleichen Tage, die hilfsweise erklärt worden ist, aufgelöst worden ist. Folglich ist die Beklagte auch verpflichtet, dem Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.



    Die außerordentliche Kündigung der Beklagten ist rechtsunwirksam. Denn die gesetzlichen Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB sind vorliegend entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegeben.



    Ein wichtiger Grund im Sinne der Generalklausel der § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung liegt dann vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und in der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung nicht zugemutet werden kann (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38; 21.06.2012 EzA § 9 KSchG n. F. Nr. 63 = NZA 2013, 199; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS). Damit wird der wichtige Grund zunächst durch die objektiv vorliegenden Tatsachen bestimmt, die an sich geeignet sind, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar zu machen. Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ist deshalb jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet (vgl. BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 07.07.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38). Entscheidend ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Kündigenden, sondern der objektiv vorliegende Sachverhalt, der objektive Anlass. Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind (Ascheid/Preis/Schmidt Großkommentar Kündigungsrecht 4. Auflage 2012 (APS-Dörner/Vossen), § 626 BGB Rz. 42 ff.; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts für Arbeitsrecht (DLW-Dörner), 13. Auflage 2016, Kap. 4. Rdnr. 1121 ff.).



    Berücksichtigt werden können nur die bis zum Ausspruch der Kündigung eingetretenen Umstände bei der Überprüfung der Frage, ob sie als Kündigungsgrund an sich geeignet sind. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen. Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen. Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde. Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch eine Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden. Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen gilt nichts anderes (BAG 15.12.1955 NJW 1956, 807 [BAG 15.12.1955 - 2 AZR 228/54] ; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 3.7.2003 EzA § 626 BGB 202 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12, 484; 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).



    Die danach zu berücksichtigenden Umstände müssen nach verständigem Ermessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar erscheinen lassen (BAG AP-Nr. 4 zu § 626 BGB). Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbes. nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab ("verständiger Arbeitgeber") entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er es tatsächlich hat (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32). Die danach maßgeblichen Umstände müssen sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken; da der Kündigungsgrund zukunftsbezogen ist und die Kündigung keine Sanktion für das Verhalten in der Vergangenheit darstellt, kommt es auf seine Auswirkungen auf die Zukunft an, die vergangene Pflichtverletzung muss sich noch in Zukunft belastend auswirken (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 23.10.2008 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 25; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; 12.1.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68; LAG BW 25.3.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297). Da es um den zukünftigen Bestand des Arbeitsverhältnisses geht, muss dessen Fortsetzung durch objektive Umstände oder die Einstellung oder das Verhalten des Gekündigten im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im persönlichen Vertrauensbereich (der Vertragspartner) oder im Unternehmensbereich konkret beeinträchtigt sein.



    Das kann dann der Fall sein, wenn auch zukünftige Vertragsverstöße zu besorgen sind, d. h. wenn davon ausgegangen werden muss, der Arbeitnehmer werde auch künftig den Arbeitsvertrag nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen oder sonst von einer fortwirkenden Belastung des Arbeitsverhältnisses ausgegangen werden muss (LAG BW 25.3.2009 § 626 2002 Nr. 20; LAG RhPf 26.2.2010 NZA-RR 2010, 297).



    Die erforderliche Überprüfung gem. § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich folglich zweistufig (vgl. z. B. BAG 24.3.2011 2 AZR 282/10 EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10] ; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35).



    Zum einen muss ein Grund vorliegen, der unter Berücksichtigung der oben skizzierten Kriterien überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insoweit handelt es sich um einen Negativfilter, d. h., dass bestimmte Kündigungsgründe eine außerordentliche Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen können.



    Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der - in der Regel - vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. ausführlich APS-Dörner/Vossen, § 626 BGB a. a. O.; DLW-Dörner a. a. O.). In einer Gesamtwürdigung ist das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 24.3.2011 - 2 AZR 282/10 - EzA-SD 16/2011 S. 3 LS. = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10] ; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS).



    Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA-SD 9/2013, Seite 6 LS; LAG Bl. 5.1.2005 - 17 Sa 1308/04 - EzA-SD 8/05, Seite 12 LS; Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a. a. O.; APS/Dörner/Vossen).



    Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegen seiner erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung des Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen - einstweiligen - Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA/SD 9/2013, Seite 6 LS).



    Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung "Ultima Ratio", so dass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 9.6.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012 - 2 AZR 646/11 - EzA/SD 9/2013 Seite 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).



    Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).



    Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10] ; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356 [LAG Köln 20.01.2012 - 3 Sa 408/11] ), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356 [LAG Köln 20.01.2012 - 3 Sa 408/11] : vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).



    Entscheidender Zeitpunkt für die Beurteilung ist grds. (ebenso wie bei der ordentlichen Kündigung) der Zeitpunkt des Ausspruchs bzw. Zugangs der Kündigung. Die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs zu beurteilen. dieser Zeitpunkt ist im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB sowohl für die Prüfung des Kündigungsgrundes als auch für die Interessenabwägung maßgebend. Umstände, die erst danach entstanden sind, können die bereits erklärte Kündigung nicht rechtfertigen. Sie können allenfalls als Grundlage für eine weitere Kündigung oder einen Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG dienen (BAG 10.6.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32 = NZA 2010, 1227 [BAG 10.06.2010 - 2 AZR 541/09] ; 28.10.1971 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 9; 15.12.1955 BAGE 2, 245).



    Nachträglich eingetretene Umstände können für die gerichtliche Beurteilung allerdings insoweit von Bedeutung sein, wie sie die Vorgänge, die zur Kündigung geführt haben, in einem neuen Licht erscheinen lassen (BAG 10.6.2010; a. a. O.; 28.10.1971 a. a. O . Dazu müssen zwischen den neuen Vorgängen und den alten Gründen so enge innere Beziehungen bestehen, dass jene nicht außer Acht gelassen werden können, ohne dass ein einheitlicher Lebensvorgang zerrissen würde (BAG 10.6.2010 a. a. O; 15.12.1955 a. a. O.). Es darf aber nicht etwa eine ursprünglich unbegründete Kündigung durch die Berücksichtigung späteren Verhaltens rückwirkend zu einer begründeten werden (BAG 15.12.1955 a. a. O). Außerdem ist genau zu prüfen, welche konkreten Rückschlüsse auf den Kündigungsgrund späteres Verhalten wirklich erlaubt. Im Hinblick auf prozessuales Vorbringen (BAG 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 202 Nr. 4 a. a. O.; 24.11.2005 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 12; 3.7.2003 EzA KSchG § 1 Verdachtskündigung Nr. 2) gilt nichts anderes.



    Die in den aufgehobenen gesetzlichen Vorschriften der §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB nach altem Recht genannten Beispiele für wechselseitige wichtige Gründe (z. B. Arbeitsvertragsbruch, beharrliche Arbeitsverweigerung) sind als wichtige Hinweise für typische Sachverhalte anzuerkennen, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung zu bilden und die Kündigung in der Regel auch zu rechtfertigen, wenn keine besonderen Umstände zugunsten des Gekündigten sprechen (vgl. BAG AP-Nr. 99 zu § 626 BGB). "Absolute Kündigungsgründe", die ohne eine besondere Interessenabwägung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, bestehen andererseits jedoch nicht (BAG 15.11.1984 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 95; 10.6.2010; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 40 = NZA 2013, 27).



    Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast gilt Folgendes:



    Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für die Umstände, die als wichtige Gründe geeignet sein können. Die Bewertung eines Fehlverhaltens als vorsätzlich liegt insoweit im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und ist Gegenstand der tatrichterlichen Beweiswürdigung i.S.v. § 286 ZPO (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027).



    Im Rahmen der ihr obliegenden Darlegungslast trifft jede Prozesspartei eine vollständige Substantiierungspflicht; sie hat sich eingehend und im Einzelnen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiiert zu äußern. Andererseits darf von keiner Prozesspartei von Verfassungswegen etwas Unmögliches verlangt werden. Der Konflikt zwischen diesen beiden Positionen wird gelöst durch das Prinzip der Sachnähe, d. h., je näher eine Prozesspartei an dem fraglichen tatsächlichen Geschehen selbst unmittelbar und persönlich beteiligt ist, desto eingehender hat sie substantiiert vorzutragen. Das kann soweit gehen, dass sie auch verpflichtet sein kann, durch tatsächliches Vorbringen oder Vorlage von Unterlagen die Gegenpartei überhaupt erst in die Lage zu versetzen, der ihr obliegenden Darlegungslast nachzukommen. Schließlich muss das tatsächliche Vorbringen wahrheitsgemäß sein (vgl. BAG 26.06.2008, 23.10.2008 EzA § 23 KSchG Nr. 32, Nr. 33).



    Zu den die Kündigung begründen Tatsachen, die der Kündigende vortragen und ggf. beweisen muss, gehören auch diejenigen, die Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe (z.B. eine vereinbarte Arbeitsbefreiung, die Einwilligung des Arbeitgebers in eine Wettbewerbstätigkeit: eine "Notwehrsituation", vgl. LAG Köln 20.12.2000 ARST 2001, 187) für das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers ausschließen (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109; 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, EzA-SD 8/2009 S. i; Notwehr bei tätlicher Auseinandersetzung; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607).



    Der Umfang der Darlegungs- und Beweislast richtet sich danach, wie substantiiert der Gekündigte sich auf die Kündigungsgründe einlässt. Der Kündigende muss daher nicht von vornherein alle nur denkbare Rechtfertigungsgründe widerlegen.



    Es reicht insoweit nicht aus, dass der Gekündigte pauschal und ohne nachprüfbare Angaben Rechtfertigungsgründe geltend macht. Er muss deshalb unter substantiierter Angabe der Gründe, die ihn gehindert haben, seine Arbeitsleistung, so wie an sich vorgesehen, zu erbringen, den Sachvortrag des Kündigenden nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen bestreiten. Gleiches gilt dann, wenn sich der Gekündigte anders als an sich vorgesehen verhalten hat (s. BAG 18.09.2008 - 2 AZR 1039/06, FA 2009, 221 LS).



    Nur dann ist es dem Kündigenden möglich, diese Angaben zu überprüfen und ggf. die erforderlichen Beweise anzutreten (BAG 06.08.1987 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109). Wenn der gekündigte Arbeitnehmer sich allerdings gegen die Kündigung wehrt und i.S.d. § 138 Abs. 2 ZPO ausführlich Tatsachen vorträgt, die einen Rechtfertigungsgrund für sein Handeln darstellen oder sonst das Verhalten in einem milderen Licht erscheinen lassen können, muss der Arbeitgeber seinerseits Tatsachen vorbringen und ggf. beweisen, die die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Rechtfertigungsgründe erschüttern (LAG Köln 21.04.2004 LAG Report 2005, 64 LS). Will der Arbeitgeber bspw. die außerordentliche Kündigung auf die Behauptung stützen, der Arbeitnehmer habe Beträge aus der Einlösung von Schecks unterschlagen, muss er im Einzelnen diese Unterschlagung darlegen und unter Beweis stellen. Wenn der Arbeitnehmer nachvollziehbar darlegt, wann und wenn er die Beträge abgeliefert hat, kann sich der Arbeitgeber nicht mit Erfolg auf den Standpunkt stellen, der Arbeitnehmer müsse die Ablieferung der Beträge beweisen (LAG Köln 26.06.2006 - 14 Sa 21/06, EzA-SD 19/06, S. 10 LS).



    Die dem kündigenden Arbeitgeber obliegende Beweislast geht auch dann nicht auf den gekündigten Arbeitnehmer über, wenn dieser sich auf eine angeblich mit dem Arbeitgeber persönlich vereinbarte Arbeitsbefreiung beruft und er einer Parteivernehmung des Arbeitgebers zu der streitigen Zusage widerspricht.



    In diesem Fall sind allerdings an das Bestreiten einer rechtswidrigen Vertragsverletzung hinsichtlich des Zeitpunkts, des Ortes und des Anlasses der behaupteten Vereinbarung, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen sollen, strenge Anforderungen zu stellen (BAG 24.11.1983 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 88; APS/Dörner/Vossen § 626 BGB Rn. 173 ff.).



    Gelingt es dem Arbeitgeber nicht, den Kündigungsvorwurf in tatsächlicher Hinsicht zu beweisen, ist die streitgegenständliche Kündigung mangels eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB unwirksam (LAG RhPf 21.05.2010 NZA-RR 2011, 80 [LAG Rheinland-Pfalz 21.05.2010 - 9 Sa 705/09] ).



    Für das erforderliche Beweismaß der vollen Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO gelten nachfolgende Grundsätze:



    Gemäß § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Insofern ist das tatsächliche Vorbringen der Beklagten, dass die Klägerin zulässigerweise bestritten hat, nach Maßgabe der vor dem Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme als wahr anzusehen.



    Auf der Basis der abgeschlossenen Beweisaufnahme stellt die richterliche Würdigung einen internen Vorgang in der Person der Richter zur Prüfung der Frage dar, ob ein Beweis gelungen ist. Im Rahmen dieses internen Vorgangs verweist § 286 ZPO ganz bewusst auf das subjektive Kriterium der freien Überzeugung des Richters und schließt damit objektive Kriterien - insbesondere die naturwissenschaftliche Wahrheit als Zielpunkt - aus. Die gesetzliche Regelung befreit den Richter bzw. das richterliche Kollegium von jedem Zwang bei seiner Würdigung und schließt es damit auch aus, dass das Gesetz dem Richter vorschreibt, wie er Beweise einzuschätzen und zu bewerten hat. Dabei ist Bezugspunkt der richterlichen Würdigung nicht nur das Ergebnis der Beweisaufnahme, sondern der gesamte Inhalt der mündlichen Verhandlung (vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting, 4. Auflage 2013, § 286 Rn. 1 ff.).



    Hinsichtlich der Anforderungen an die richterliche Überzeugung ist von Folgendem auszugehen: Die richterliche Überzeugung ist nicht gleichzusetzen mit persönlicher Gewissheit. Der Begriff der Gewissheit stellt nämlich absolute Anforderungen an eine Person. Er lässt für - auch nur geringe - Zweifel keinen Raum. Dies wird gesetzlich aber nicht verlangt; die gesetzliche Regelung geht vielmehr davon aus, das Gericht müsse etwas für wahr "erachten". Bei dem Begriff der richterlichen Überzeugung geht es also nicht um ein rein personales Element der subjektiven Gewissheit eines Menschen, sondern darum, dass der Richter in seiner prozessordnungsgemäßen Stellung bzw. das Gericht in seiner Funktion als Streit entscheidendes Kollegialorgan eine prozessual ausreichende Überzeugung durch Würdigung und Abstimmung erzielt. Daraus folgt, dass es der richterlichen Überzeugung keinesfalls im Weg steht, wenn dem Gericht aufgrund gewisser Umstände Unsicherheiten in der Tatsachengrundlage bewusst sind. Unerheblich für die Beweiswürdigung und die Überzeugungsbildung ist auch die Frage der Beweislast. Richterliche Überzeugung ist vielmehr die prozessordnungsgemäß gewonnene Erkenntnis des einzelnen Richters oder der Mehrheit des Kollegiums, dass die vorhandenen Eigen- und Fremdwahrnehmungen sowie Schlüsse ausreichen, die Erfüllung des vom Gesetz vorgesehenen Beweismaßes zu bejahen. Es darf also weder der besonders leichtgläubige Richter noch der generelle Skeptiker ein rein subjektives Empfinden als Maß der Überzeugung setzen, sondern jeder Richter muss sich bemühen, unter Beachtung der Prozessgesetze, Ausschöpfung der gegebenen Erkenntnisquellen und Würdigung aller Verfahrensergebnisse in gewissenhafter und vernünftigerweise einer Entscheidung nach seiner Lebenserfahrung darüber zu treffen, ob im Urteil von der Wahrheit einer Tatsachenbehauptung auszugehen ist. Dabei muss sich das Gericht allerdings der Gefahren für jede Wahrheitsfindung bewusst sein.



    Dabei ist letzten Endes ausschlaggebend, dass das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraussetzt. Vielmehr kommt es auf die eigene Überzeugung des entscheidenden Richters an, auch wenn andere zweifeln oder eine andere Auffassung erlangt haben würden. Der Richter darf und muss sich aber in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 245 = NJW 1970, 946; vgl. Münchner Kommentar zur ZPO - Prütting a. a. O., Rn. 28 ff). Vom Richter wird letztlich verlangt, dass er die volle Überzeugung erlangt, dass er eine streitige Tatsachenbehauptung für wahr erachtet. Diese Überzeugung kann und darf er nicht gewinnen, wenn für die streitige Behauptung nur die überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht, vielmehr muss für die behauptete Tatsache eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit sprechen, damit der Richter die Tatsache für wahr erachtet.



    Bei der Anwendung dieser Grundsätze im konkret zu entscheidenden Einzelfall ist vorliegend zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund tarifvertraglicher anzuwendender Vorschrift ordentlich unkündbar ist. Das hat folgende Auswirkungen:



    Entscheidend ist die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung bzw. bis zum Ende der vereinbarten Befristung (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012, 2 AZR 646/11 EzA-SD 9/2013, S. 6 LS; LAG Bln. 05.01.2005 -17 Sa 1308/04, EzA-SD 8/05, S. 12 LS; APS/Dörner/Vossen §626 BGB Rn 34). Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung der Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen (BAG 27.09.2012, 2 AZR 646/11 EzA-SD 9/2013, S. 6 LS).



    Nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ist die außerordentliche Kündigung, also "Ultima Ratio", sodass sie dann nicht gerechtfertigt ist, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar ist, weil dann die ordentliche Kündigung ein milderes Mittel als die außerordentliche Kündigung darstellt (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027; 27.09.2012, 2 AZR 646/11 EzA-SD 9/2013, S. 6 LS; krit. Stückmann/Kohlepp RdA 2000, 331 ff.).



    Besonderheiten bestehen allerdings in den Fällen, in denen - zumeist aufgrund einer Tarifnorm (s BAG23.02.2012 EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 147 = NZA 2012, 992), aber auch kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien (s. BAG 22.04.2010 EzA § 611 BGB 2002 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 14) - eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (krit. Adam NZA 1999, 846 ff. u. ZTR 2008, 479 ff.); insoweit sind grds. strenge Maßstäbe anzulegen (BAG 18.03.2010 EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 17; 11.03.1999 EzA§ 626 BGB n. F. Nr. 177; LAG Köln 30.10.2006 - 14 Sa 158/06, EzA-SD I/2007 S. 5 LS). Eine derartige außerordentliche Kündigung ist nach überkommenem Rechtsverständnis zum einen nur mit notwendiger - der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechender - Auslauffrist unter Umständen möglich. Zum anderen ist der Arbeitgeber in besonderem Maße verpflichtet, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu verhindern (BAG 18.03.2010 EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 17, BAG 18.03.2010 Nr. 17; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoss, a. a. O., Kap. 4, Rn. 1117 ff.).



    Erweist sich danach die Dauer der Vertragsbindung für den Arbeitnehmer als nachteilig, so gebietet es der Zweck der besonderen Sicherung des Arbeitsplatzes, dem Arbeitnehmer auch bei außerordentlicher Kündigung einen Anspruch auf Einhaltung der gesetzlichen oder tariflichen ordentlichen Kündigungsfrist einzuräumen. Denn es würde einen Wertungswiderspruch darstellen, den Arbeitnehmer mit besonderem tariflichen Kündigungsschutz durch eine fristlose Kündigung schlechter zu stellen als den Arbeitnehmer, dem gegenüber eine ordentliche Kündigung zulässig ist und dem aus demselben Kündigungsgrund (z. B. Betriebsstilllegung) nur ordentlich gekündigt werden könnte. Mit einer sozialen Auslauffrist, von der das BAG (28.03.1985 EzA § 626 BGB n. F. Nr. 96) zunächst ausgegangen ist, also einem besonderen sozialen Entgegenkommen des Arbeitgebers, hat dies (BAG 05.02.1998 EzA § 626 Unkündbarkeit Nr. 2; 10.02.1999 EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 47; 12.08.1999 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8; 18.03.2010 EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr. 17) freilich nichts zu tun.



    Daraus folgt (vgl. BAG 12.08.1999 EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung Nr. 8; 18.10.2000 EzA § 626 BGB Krankheit Nr. 3; 18.01.2001 EzA § 626 BGB Krankheit Nr. 35):



    Ob an letzterem festgehalten werden kann, ist fraglich; das BAG (21.06.2012 EzA § 15 KSchG n. F. Nr. 71 = NZA 2013, 224) hat inzwischen Bedenken:



    Das BAG (13.05.2015 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 5) nimmt insoweit jedenfalls an, dass ein pflichtwidriges Verhalten, das bei einem Arbeitnehmer ohne tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutz nur eine ordentliche Kündigung rechtfertigen würde, in Ausnahmefällen gerade wegen der infolge des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung langen Bindungsdauer einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung für den Arbeitgeber i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen kann. Die Pflichtverletzung muss einerseits so gravierend sein, dass sie im Grundsatz auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Andererseits müsste es dem Arbeitgeber auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls zumutbar sein, die (fiktive) ordentliche Kündigungsfrist dennoch einzuhalten. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn die Gefahr einer Wiederholung des Pflichtverstoßes zwar für den Lauf der ordentlichen Kündigungsfrist auszuschließen ist, nicht aber darüber hinaus. Zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs muss in einem solchen Fall allerdings zu Gunsten des Arbeitnehmers zwingend eine der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist entsprechende Auslauffrist eingehalten werden (BAG 13.05.2015 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 50; abw. LAG BW 25.06.2014 - 4 Sa 35/14 -, LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 48).



    Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das von der Beklagten dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten nicht im Rahmen der Erbringung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen erfolgt ist, sondern außerhalb dessen. Für außerdienstliche Pflichtverletzungen gilt Folgendes:



    Eine außerdienstlich begangene Straftat verstößt danach gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB, wenn sie einen Bezug zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder der Tätigkeit des Arbeitnehmers hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798). Ein derartiger Bezug zum Arbeitsverhältnis kann etwa dann gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer eine Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht, wenn sich der öffentliche Arbeitgeber staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht oder wenn er mit der Straftat durch den Arbeitnehmer selbst in Verbindung gebracht wird (BAG 28.10.2010 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78 = NZA 2011, 112).



    In Anwendung dieser Grundsätze wäre eine Berücksichtigung des Fehlverhaltens des Klägers, so wie es ihm von der Beklagten vorgeworfen wird, nicht bereits von vornherein ausgeschlossen. Denn er hat sich in seinem Facebook Account selbst als Mitarbeiter der Beklagten erkenntlich gemacht, so dass damit ohne weiteres der notwendige Bezug zum Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegeben ist.



    Gleichwohl sind die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 BGB im hier zu entscheidenden konkreten Lebenssachverhalt nicht erfüllt. Denn die von der Beklagten zum Anlass der streitgegenständlichen Kündigung genommenen Äußerungen des Klägers stellen keine Verletzungen der dem Kläger aus dem Arbeitsverhältnis erwachsenden vertraglichen Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2, 242 BGB) dar, jedenfalls nicht im Licht der in diesem Zusammenhang maßgeblich zu berücksichtigenden und verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Artikel 5 Abs. 1 GG). Insoweit gilt:



    Tragendes Merkmal des Schutzbereiches der Meinungsfreiheit ist die persönliche Meinung. Kennzeichnend ist ihre Subjektivität: Das Element der Stellungnahme des Dafürhaltens und Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung (ErfK/Schmidt Art. 5 GG Rn. 5). Unerheblich sind die Bedeutsamkeit, die Richtigkeit oder gar die Vernünftigkeit einer Äußerung (BVerfG 04.11.2009, NJW 2010, 47 [BVerfG 04.11.2009 - 1 BvR 2150/08] ). Geschützt ist auch die Freiheit, die persönliche Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten in subjektiver Emotionalität zu äußern (BVerfG 10.03.2016 NVwZ 2016, 761 [BVerfG 10.03.2016 - 1 BvR 2844/13] ). Selbst polemische und beleidigende Werturteile oder rechtsextremistische Äußerungen fallen in den Schutzbereich, soweit sie als Teil des Meinungskampfes verstanden werden müssen (BVerfG 08.12.2010 EuGRZ 2011, 88; ErfK/Schmidt Art. 5 GG Rn. 5).



    Diese Grenze überschreitet erst die sog. Schmähkritik, die nur noch auf die Verunglimpfung einer Person abzielt, für die also Meinungsbildung - und sei es in noch so polemisch und zugespitzter Form - keine Rolle mehr spielt. Ihr fehlt der Sachbezug. Diese Ausnahme ist eng auszulegen (BVerfG 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07, JurioRS 2008, 26691 = NJW 2009, 749 [BVerfG 05.12.2008 - 1 BvR 1318/07] ; 13.12.2012, 3712; 02.07.2013 - 1 BvR 1751/12, JurionRS 2013, 42027 = NJW 2013, 3021 [BVerfG 02.07.2013 - 1 BvR 1751/12] ; 28.07.2014 - 1 BvR 482/13; JurionRS 2014, 21977 = NJW 2014, 3357 [BVerfG 28.07.2014 - 1 BvR 482/13] ).



    Beleidigt ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber, seinen Vertreter und Repräsentanten, einen Vorgesetzten oder seine Arbeitskollegen grob, d h. wenn die Beleidigung nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betreffenden bedeutet, stellt dies einen erheblichen Verstoß gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dem Arbeitsverhältnis dar und kann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung an sich bilden (BAG 18. 12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015. 797; 27. 09 2012 - 2 AZR 646/11 f., JurionRS 2012, 36815 NZA 2013. 808; 17. 07. 2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 38 = NZA 2011. 1413; 10. 12. 2009 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 29; 10.10.2002 EzA § 626 BGB 2002 Unkündbarkeit Nr 1; 06.11.2003 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60; LAG RhPf 18.08.2011 NZA-RR 2012, 16 [LAG Rheinland-Pfalz 18.08.2011 - 2 Sa 232/11] ; LAG SchlH 21.10.2009 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 25; LAG Nds. 12.02.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 28; LAG Düssd.. 04.03.2016 LAGE Art. 5 GG Nr. I0; s.a. VGH München 22.04.2013 - 17 P 12/1862. NZA-RR 2013. 518; »Stinkefinger«: s.a. LAG Saarland 04.05.2016 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 64. NZA-RR 2016 473: Foto beim Toilettengang). Entsprechendes gib für bewusst wahrheitswidrig aufgestellte Tatsachenbehauptungen, etwa und insbesondere dann, wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen (BAG 10.12.2009 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 29 = NZA 2010, 698; 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015. 797). Allerdings ist bei der kündigungsrechtlichen Bewertung derartiger Entgleisungen stets Art. 5 Abs. 1. 2 GG. also das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zu beachten (BAG 06.11.2003 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 60: s.a. LAG BW 10.02.2009 LAGE Art. 5 GG Nr. 8 zu einem Internetbeitrag); »grob« ist insoweit eine besonders schwere, den Betroffenen kränkende Beleidigung, das heißt eine bewusste und gewollte Ehrkränkung aus gehässigen Motiven Die strafrechtliche Beurteilung ist kündigungsrechtlich nicht ausschlaggebend (BAG 25.11.2010 EzA (§ 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 9; 25.10.2012 - 2 AZR 700/11, JurionRS 2012, 34885 NZA 2013. 371. LAG Nds. 12.02.2010 LAGE § 626 BGB 2002 Nr. 28). Ein Arbeitnehmer verletzt seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB), wenn er über seinen Arbeitgeber, seine Vorgesetzten oder Kollegen bewusst wahrheitswidrige Tatsachenbehauptungen aufstellt, insbesondere wenn sie den Tatbestand der üblen Nachrede erfüllen. Ein solches Verhalten kann je nach den Umständen einen wichtigen Grund zur Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB bilden (LAG 31.7.2014 EzA § 15 KSchG n.F. Nr 73 = NZA 2015. 245). Ein Arbeitnehmer kann sich für bewusst falsche Tatsachenbehauptungen nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Solche Behauptungen sind vom Schutzbereich des Grundrechts nicht umfasst. Anderes gilt für Äußerungen, die nicht Tatsachenbehauptungen, sondern ein Werturteil enthalten. Sie fallen in den Schutzbereich des Rechts auf Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt für Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, sofern sie durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind (BAG 18.12.2014 EzA Art 5 GG Nr. 29 = NZA 2015. 797). Zu den allgemeinen, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetzen i.S.v. Art 5 Abs. 2 GG gehört auch § 241 Abs. 2 BGB. Meinungsfreiheit und beschränkendes Gesetz beeinflussen sich gegenseitig. Die Reichweite der Pflicht zur vertraglichen Rücksichtnahme muss unter Beachtung der Bedeutung des Grundrechts bestimmt, der Meinungsfreiheit muss dabei also die ihr gebührende Beachtung geschenkt werden und umgekehrt. Ob eine Äußerung ihrem Schwerpunkt nach als Meinungsäußerung oder als Tatsachenbehauptung anzusehen ist, beurteilt sich nach dem Gesamtkontext, in dem sie steht. Eine Trennung der tatsächlichen und der wertenden Bestandteile einer Äußerung ist nur zulässig, wenn dadurch ihr Sinn nicht verfälscht wird. Wo dies der Fall wäre, muss die Äußerung im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung angesehen werden. Gilt für Meinungsäußerungen insbesondere im öffentlichen Meinungskampf - bei der Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Rechtsgut, in dessen Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zugunsten der freien Rede, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (BAG 18.12.2014 EzA Art. 5 GG Nr. 29 = NZA 2015. 707: s.a. LAG Düsseld.. 04.03.2016 LAGE Art. 5 GG Nr 10; EGMR 17.09.2015 NZA 2017, 237: Art. 10 EMRK).



    Gleiches gilt für eine bewusste und gewollte Geschäftsschädigung. die geeignet ist, bei Geschäftspartnern Misstrauen in die Zuverlässigkeit des Arbeitgebers hervorzurufen. Auch im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl darf ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Tatsachenbehauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen (BAG 31.07.2014 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 73 = NZA 2015. 245) Sachbezogene Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten kann jedoch von der Meinungsäußerungsfreiheit des Arbeitnehmers gedeckt sein. Für die Grenzziehung kommt es auf den Inhalt und den Kontext der Äußerungen an. Um der Meinungsfreiheit gerecht zu werden, dürfen Gerichte einer Äußerung keine Bedeutung beilegen, die sie objektiv nicht hat. Bei Mehrdeutigkeit dürfen Äußerungen wegen eines möglichen Inhalts nicht Grundlage für nachteilige Folgen sein, ohne dass eine Deutung, die zu einem von der Meinungsfreiheit gedeckten Ergebnis führen würde, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen worden ist (BAG 31.07.2014 EzA § 15 KSchG n.F. Nr. 73 = NZA 2015. 245; LAG Düsseld. 04.03.2016 LAGE Art 5 GG Nr. 10).



    Werturteile sind über Art 5 Abs. 1 GG in weiterem Umfang geschützt als (unrichtige) Tatsachenbehauptungen. Sie sind nicht schon dann unzulässig, wenn es sich um überzogene, ungerechte oder ausfällige Kritik handelt, sondern erst dann, wenn sie den Charakter einer Schmähung annehmen. Das ist der Fall, wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und zugespitzter Kritik diffamiert und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (LAG Düsseld. 04.03 2016 LAGE Art' 5 GG Nr 10; s a LAG Berlin-Brandenburg 02.10 2014, NZA-RR 2015 s. 125).



    Der insoweit auch verfassungsrechtlich gesteckte Rahmen ist vorliegend möglicherweise teilweise überschritten. Das gilt zum einen für die "Witze" über Vorgesetzte, bei denen die Kammer entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien für gegeben hält und damit zu konkreten Vorgesetzten des konkreten Arbeitnehmer Kläger. Das folgt schon daraus, dass hinsichtlich des "Arschkriechergels" ein personalisierter Bezug ohne weiteres von einem kommentierenden Arbeitskollegen hergestellt werden konnte. Im Übrigen hat der Kläger selbst durch sein Posieren in gut kenntlicher Dienstbekleidung mit dem Firmenlogo der Beklagten und auch darüber hinaus sich eindeutig als Arbeitnehmer der Beklagten zu erkennen gegeben. Dass Vorgesetzte des Klägers damit in ihrer Ehre herabgewürdigt werden, bedarf nach Auffassung der Kammer keiner weiteren Erörterung. Ob dies letztlich durch die zuvor dargestellten Grundsätze zur Meinungsfreiheit ("Satire") im Einzelfall noch gedeckt ist, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn insoweit ist maßgeblich, dass eine Abmahnung als milderes Mittel im Hinblick auf das Prognoseprinzip ausgereicht hätte, eine ordnungsgemäße Vertragsdurchführung in Zukunft sicherzustellen. Zu berücksichtigen ist auch, dass es einem Arbeitnehmer ohne weiteres gestattet ist, Betriebsratsmitglieder zu kritisieren; insoweit gelten die gleichen Grundsätze. Dafür, dass eine Abmahnung als ausreichend anzusehen ist, spricht zum einen, dass der Eintrag "3 Promillos" keine Auswirkungen auf den Betriebsfrieden tatsächlich hatte; von etwaigen Strafanzeigen gegen den Kläger in diesem Zusammenhang lässt sich dem Akteninhalt und dem schriftsätzlichen Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen nichts entnehmen. Zum anderen genügt es, die Verbindung zwischen dem Kläger und der Beklagten bei Facebook auszuschließen, um sicherzustellen, dass eine Verbindung zu bestimmten Vorgesetzten nicht mehr möglich ist. Insoweit ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger dem nach Ausspruch einer Abmahnung nachgekommen wäre, zumal er die Verbindung zu seinem Arbeitgeber nach Zugang der streitgegenständlichen Kündigung tatsächlich gelöscht hat.



    Hinsichtlich der Einträge in Bezug auf die "Flüchtlingsproblematik" sind die Voraussetzungen des § 130 Satz 1 Nr. 1 StGB nach Auffassung der Kammer ersichtlich nicht gegeben. Denn Voraussetzung dafür wäre ein Aufstacheln zum Hass oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen (Fischer, StGB 59. Auflage, § 130, Rn. 8). Folglich hat es dabei zu verbleiben, dass selbst polemische und beleidigende Werturteile oder rechtsextremistische Äußerungen in den Schutzbereich des Artikel 5 Abs. 1 GG fallen, soweit sie - trotz aller Niveaulosigkeit - als Teil des Meinungskampfes verstanden werden müssen. So gesehen bedeutet Meinungsfreiheit eben in erster Linie stets die Freiheit der anders Denkenden.



    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer Zusammenschau der Kündigungsgründe, ebenso wenig aus der Konzernbetriebsvereinbarung für Gleichbehandlung und kollegiales Miteinander - gegen Fremdenfeindlichkeit und antidemokratische Tendenzen. Denn unabhängig davon, wie derartige kollektive betriebsinterne Regelungen arbeitsrechtlich zu qualifizieren sind, an der hier zuvor dargestellten Pflichtenlage zwischen den Parteien vermögen sie nichts zu ändern. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger aufgrund seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit keinen Kundenkontakt hat, so dass die Belange der Beklagten auch insoweit nicht beeinträchtigt sind. Dass es im Arbeitsverhältnis insoweit zu Auseinandersetzungen mit Arbeitskollegen anderer Nationalitäten, Herkunft, Rasse gekommen ist, hat die Beklagte selbst nicht behauptet. Nach alledem erweist sich die außerordentliche Kündigung also als unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, weil eine Abmahnung das verhältnismäßigere Mittel gewesen wäre. Damit hätte unabhängig davon, ob überhaupt eine Arbeitspflichtverletzung gegeben ist, den berechtigen Belange der Beklagten hinreichend Rechnung getragen werden können. Allein durch die Löschung der Verknüpfung des Auftritts des Klägers bei Facebook mit der Identität des Arbeitgebers wären nachteilige Auswirkungen des außerdienstlichen Verhaltens des Klägers auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auszuschließen gewesen.



    Aus den gleichen Gründen erweist sich auch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist als unwirksam. Denn Voraussetzung dafür wäre, wie dargelegt, dass eine Pflichtverletzung gegeben ist, die im Grundsatz auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnte. Daran fehlt es, wie dargelegt. Insoweit sind die vom BAG (13.05.2015, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 50) aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht erfüllt.



    Folglich hat der Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des streitgegenständlichen Verfahrens Anspruch darauf, tatsächlich weiterbeschäftigt zu werden.



    Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.



    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.



    Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

    Dr. Dörner
    Klein
    Isilak

    Verkündet am: 19.12.2016

    Vorschriften§ 130 StGB, § 626 Abs. 1 BGB, §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 518, 519 ZPO, §§ 9, 10 KSchG, § 626 BGB, §§ 123, 124 Gewerbeordnung, 71, 72 HGB, § 286 ZPO, § 138 Abs. 2 ZPO, § 286 Abs. 1 ZPO, § 241 Abs. 2 BGB, § 241 Abs. 2, 242 BGB, Artikel 5 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, Art 5 Abs. 2 GG, Art. 10 EMRK, Art 5 Abs. 1 GG, § 130 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 97 Abs. 1 ZPO, § 72 ArbGG