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  • 23.11.2020 · IWW-Abrufnummer 219060

    Hessisches Landesarbeitsgericht: Urteil vom 14.02.2020 – 10 Sa 1031/19 SK

    1. 1. Wird ein bestimmender Schriftsatz auf elektronischem Weg über das EGVP nach dem 1. Januar 2018 bei den Gerichten für Arbeitssachen eingereicht und enthält dieser eine sog. Containersignatur, so ist die Prozesshandlung grds. unwirksam (Anschluss an BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - NJW 2018, 2978).

    2. 2. Hat das Arbeitsgericht in erster Instanz innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs nicht auf die Unzulässigkeit der Klageeinreichung hingewiesen, so ist der Mangel von dem Rechtsmittelgericht als unbeachtlich anzusehen. Dies folgt aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens und der Fürsorgepflicht des Gerichts (Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG). Eine Heilung nach § 295 ZPO ist nicht möglich.

    3. 3. Hat das Arbeitsgericht einen rechtlich unzutreffenden Hinweis erteilt, dass es die Containersignatur i.E. als wirksam ansehe, so ist der Partei jedenfalls auch Vertrauensschutz zu gewähren.

    4. 4. § 1b AÜG steht entgegen, dass ein Personaldienstleistungsunternehmen gewerblich Arbeitnehmer in den Bausektor verleiht.

    5. Die vierjährige Ausschlussfrist des § 21 Abs. 1 VTV, die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst ab Kenntnis von dem Beitragsschuldner zu laufen beginnt und auf diesem Weg rückwirkende Beitragsforderungen bis zu 10 Jahren (vgl. § 199 Abs. 4 BGB) ermöglicht, ist mit Rücksicht auf die unternehmerische Handlungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG der Bauarbeitgeber nicht im Wege einer verfassungskonformen Auslegung einzuschränken.


    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. August 2019 ‒ 4 Ca 375/19 SK ‒ abgeändert.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36.999,32 Euro (in Worten: Sechsunddreißigtausendneunhundertneunundneunzig und 32/100 Euro) zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

    Die Revision wird zugelassen.



    Tatbestand



    Die Parteien streiten um eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.



    Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), der in der Vergangenheit regelmäßig für allgemeinverbindlich erklärt worden ist, i.V.m. dem Sozialkassenverfahrenssicherungsgesetz (SokaSiG) nimmt er die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 36.999,32 Euro in Anspruch. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum März 2009 bis November 2016. Die Klageforderung beruht auf Feststellungen anlässlich eines Betriebsbesuchs bei der Beklagten. Hinsichtlich der Einzelheiten der Forderungsaufstellung wird verwiesen auf den Schriftsatz vom 20. Mai 2019 (Bl. 30 - 32 der Akte).



    Die Beklagte betreibt ein gewerbliches Unternehmen mit Sitz in A. Sie ist Mitglied der IHK südl. Oberrhein. Als Gegenstand des Unternehmens ist ausweislich des Handelsregisters die Erbringung von Dienstleistungen im Baugewerbe eingetragen.



    Geschäftsführerin der Beklagten ist Frau B, der Ehemann C arbeitete auf Baustellen anderer Unternehmen als Maschinenführer. Eigene Baumaschinen bediente er dabei nicht, diese wurden von den Auftraggebern gestellt. Ein schriftlicher Vertrag wurde jeweils nicht geschlossen, die Abrechnung erfolgte auf Stundenbasis.



    Gegen den Betrieb der Beklagten hat das Hauptzollamt (HZA) D Ermittlungen geführt. Spätestens durch ein Schreiben vom 22. November 2016 ist dem Kläger der wesentliche Sachverhalt für die Erhebung der Klage zur Kenntnis gereicht worden.



    Am 27. November 2018 sowie am 1. März 2019 hat ein Betriebsbesuch bei dem Steuerberater der Beklagten stattgefunden.



    Mit bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden am 13. Juli 2018 eingegangener Klageschrift hat der Kläger Klage eingereicht. Die Klage ist auf elektronischem Weg über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht worden. Aus dem Transfervermerk ist zu entnehmen, dass eine qualifizierte Signatur durch Herrn E angebracht war. Dabei handelte es sich um eine sog. Containersignatur. Aus dem Schriftsatz war eine - möglicherweise eingescannte - Unterschrift von einem Bearbeiter F zu ersehen.



    Der Vorsitzende beim Arbeitsgericht hat mit Verfügung vom 18. Juli 2018 darauf hingewiesen, dass die Klage mit einer im Prinzip unzulässigen Containersignatur unterzeichnet worden sei. Da die Klage allerdings beim Arbeitsrecht ausgedruckt worden sei, dürfte eine zulässige Klageerhebung vorliegen.



    Mit Schreiben vom 1. Juli 2019 teilte die Bundesagentur für Arbeit mit, dass der Betrieb nicht verpflichtet sei, an der Förderung durch die Winterbeschäftigungsumlage teilzunehmen.



    Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Betrieb verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Er hat behauptet, die Beklagte habe einen Tief- und Straßenbaubetrieb unterhalten. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens des zuständigen Hauptzollamtes sei festgestellt worden, dass im Betrieb der Beklagten gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt worden seien, ohne dass die Bruttolohnsummen an den Kläger gemeldet worden seien. Erst durch die Mitteilung des Hauptzollamts vom 22. November 2016 habe er von den forderungsbegründenden Tatumstände Kenntnis erlangt.



    Ursprünglich hat der Kläger eine Forderung in Höhe von 38.172,98 Euro geltend gemacht. Nachdem ein Betriebsbesuch stattgefunden und der Kläger Kenntnis von den tatsächlichen Bruttolohnsummen genommen hatte, hat er die Klageforderung bis auf einen Betrag in Höhe von 36.999,32 Euro reduziert.



    Zuletzt hat er beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 36.999,32 Euro zu zahlen.



    Die Beklagte hat beantragt,

    die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht verpflichtet sei, Beiträge zu zahlen. Im genannten Zeitraum sei keine Bautätigkeit erbracht worden, sondern zu ca. 90 % Personalvermittlung für die Bedingung von Baumaschinen für fremde Baufirmen auf deren Baustellen. Außerdem werde die Einrede der Verjährung erhoben. Es sei unzutreffend, dass der Kläger erst am 22. November forderungsbegründende Umstände erfahren habe. Bereits am 4. Januar 2016 habe der Kläger eine Sachstandsanfrage in einem anderen Verfahren vor dem Hauptzollamt D erhalten.



    Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 15. August 2019 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe nicht ausreichend behauptet, dass der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet sei. Er habe zunächst lediglich behauptet, dass die Beklagte einen Tief- und Straßenbaubetrieb unterhalten habe. Daraufhin habe diese erwidert, dass sie zu 90 % im Bereich der Personalvermittlung, einer baufremden Tätigkeit, tätig gewesen sei. Daraufhin habe der Kläger sich nicht mehr konkret eingelassen und keinen Beweis angetreten. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils ersten Instanz wird Bezug genommen auf Bl. 80 - 84 der Akte.



    Dieses Urteil ist dem Kläger am 22. August 2019 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 4. September 2019 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22. November 2019 ist die Berufungsbegründung am 21. November 2019 beim Berufungsgericht eingegangen.



    In der Berufungsbegründung vertritt der Kläger die Ansicht, dass das Arbeitsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Es handele sich um eine Überraschungsentscheidung. Er trägt vor, dass während des Ruhens des Verfahrens am 27. November 2018 in der Steuerberatungskanzlei der Beklagten eine Prüfung stattgefunden habe. Dabei seien die folgenden Arbeiten festgestellt worden: Bauliche Leistungen die Kanalanschluss-, Pflaster-, Entwässerungsarbeiten zu 90 % sowie baufremde Leistungen wie Serviceleistungen, Hausmeistertätigkeiten, Natursteinverlegung, Grünpflege zu 10 %. Herr C habe auch eingeräumt, dass er im Zeitraum von März 2009 bis Januar 2015 allein im Unternehmen tätig gewesen sei und in dieser Zeit Tiefbauarbeiten erbracht habe, wobei er allerdings in Ermangelung eigenen Geräts die Baumaschinen der jeweiligen Kunden bedient habe.



    Im Hinblick auf die Containersignatur vertritt der Kläger die Auffassung, dass Vertrauensschutz gewährt werden müsse, da ein richterlicher Hinweis im erstinstanzlichen Verfahren dahingehend erteilt worden ist, dass von einer ordnungsgemäßen Klageerhebung auszugehen sei. Auch sei keine Verjährung eingetreten. Der Beginn der Verjährungsfrist laufe nach § 199 Abs. 1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden und der Gläubiger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt habe. Kenntnis erlangt habe der zuständige Mitarbeiter des Klägers Torsten F erst im Jahre 2016.

    Der Kläger stellt den Antrag, das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 15. August 2019 - 4 Ca 375/19 SK - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 36.999,32 Euro zu zahlen.



    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das Urteil der ersten Instanz und meint, es sei Verjährung eingetreten. In dem Ermittlungsverfahren sei mit Schreiben vom 4. Januar 2016 eine Sachstandsanfrage bei dem Kläger gemacht worden, mit Schreiben vom 12. Juli 2016 habe er mitgeteilt, dass der Betrieb zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft verpflichtet sei. Die letzten Tatsachenermittlungen durch das Hauptzollamt seien im Jahr 2015 durchgeführt worden. Das Arbeitsgericht habe ferner zutreffend erkannt, dass der betriebliche Geltungsbereich des VTV nicht eröffnet sei. Gegenstand des Unternehmens sei die Personalüberlassung gewesen. Aufgrund der bei dem Arbeitnehmer C vorhandenen Spezialkenntnisse hätten große Baufirmen diesen angefragt, um auf der jeweiligen Baustelle Maschinen zu bedienen. Die Klage sei schon nicht wirksam erhoben worden. Es handele sich um eine unzulässige Containersignatur.



    Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.



    Gründe



    Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist als wirksam erhoben anzusehen. Zwar handelte es sich um eine unzulässige Containersignatur, allerdings hätte das Arbeitsgericht innerhalb des ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs darauf hinweisen müssen, dass ein Mangel in der Unterschrift vorliegt. Da dies nicht geschehen ist, ist der Mangel als unbeachtlich zu behandeln. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist eröffnet. Es ist weder Verjährung eingetreten noch ist der Anspruch verfallen. Eine verfassungsrechtlich gebotene Reduzierung des § 21 Abs. 1 Satz 2 VTV bzw. § 199 Abs. 1 BGB zugunsten der durch die gesetzliche Erstreckung des VTV durch das SokaSiG bzw. die Allgemeinverbindlicherklärung zur Beitragszahlung verpflichteten Arbeitgeber ist nicht anzunehmen. Das SokaSiG ist wirksam und begegnet trotz Rückwirkung keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.



    A. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist vom Wert her unproblematisch statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt (§§ 519 ZPO, 66 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ArbGG) sowie innerhalb der bis zum 22. November 2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist auch rechtzeitig begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., Abs. 1 Satz 5 ArbGG).



    B. Die Berufung ist begründet. Die Beitragsklage ist zulässig und auch begründet.



    I. Die Klage war zulässig erhoben worden.



    1. Zunächst ist aber davon auszugehen, dass die per EGVP beim Arbeitsgericht eingereichte Klage nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach, da sie eine unzulässige Containersignatur enthielt.



    a) Zum 1. Januar 2018 haben sich die Rahmenbedingungen für die Einreichung elektronischer Schriftsätze bei den Arbeitsgerichten erheblich geändert. Die rechtlichen Anforderungen erheben sich aus § 46c ArbGG sowie aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung ‒ ERVV) vom 24. November 2017 (BGBl. I 2017 S. 3803). Das elektronische Dokument muss gemäß § 46c Abs. 3 ArbGG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Ein elektronisches Dokument, das mit einer qeS der verantwortenden Person versehen ist, darf nur auf einem sicheren Übermittlungsweg oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete EGVP übermittelt werden. Mehrere elektronische Dokumente dürfen hingegen nicht mit einer gemeinsamen qeS übermittelt werden, die Containersignatur ist damit nach § 4 Abs. 2 ERVV nicht mehr zulässig. Durch diese Einschränkung soll verhindert werden, dass nach der Trennung eines elektronischen Dokuments vom sog. Nachrichtencontainer die Container-Signatur nicht mehr überprüft werden kann (vgl. BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 6, NJW 2018, 2978; ebenso BGH 15. Mai 2019 - XII ZB 573/18 - NJW 2019, 2230).



    Die in der gerichtlichen Verfügung vom 18 Juli 2018 zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung wird von der Berufungskammer nicht geteilt. Das Bundesarbeitsgericht hat sich in der bereits schon erwähnten Entscheidung ausdrücklich gegen die vom OLG Brandenburg (vgl. OLG Brandenburg 6. März 2018 - 13 WF 45/18 - NJW 2018, 1482) vertretene Rechtsauffassung gewandt und es nicht ausreichen lassen, dass ein elektronisches Dokument mit einer Containersignatur bei Gericht auf Papier ausgedruckt wurde (vgl. BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 6, NJW 2018, 2978). Die möglicherweise noch immer vom Bundesgerichtshof anderweitig vertretene Ansicht erscheint nicht zutreffend. Dafür spricht schon die Überlegung, dass es bei Eingang des Gerichts klar sein muss, ob eine gesetzlich vorgesehene Form gewahrt wird, dies kann nicht von dem - zufälligen - Ergebnis abhängen, ob ein Dokument bei Gericht ausgedruckt wird oder nicht (BSG 12. Oktober 2016 - B 4 AS 1/16 R - Rn. 15 ff, NJW 2017, 1197; GK-ArbGG/Horcher Stand: Sept. 2019 § 46c Rn. 63 und 94; Ulrich/Schmieder NJW 2019, 113, 116; Müller eJustice-Praxishandbuch 4. Aufl. S. 105 ff.).



    b) Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine unzulässige Containersignatur. Dies ist aus dem Transfervermerk zu entnehmen. Die qeS bezog sich auf mehrere Dateien und damit auf den Nachrichtencontainer (vgl. auch Müller eJustice-Praxishandbuch 4. Aufl. S. 136). Die Containersignatur war bei dem EGVP als „Standard“ der qeS vorgesehen. Der Kläger hat zuletzt unstreitig gestellt, dass es sich um eine Containersignatur handelt.



    2. Eine Heilung gemäß § 46c Abs. 6 ArbGG oder § 295 ZPO ist nicht eingetreten.



    a) Die „Heilungsmöglichkeit“ nach § 46c Abs. 6 ArbGG ist vorliegend nicht einschlägig. Danach findet die dort vorgesehene Nachreichungsmöglichkeit mit ggf. anschließender Eingangsfiktion nur Anwendung auf „Formatfehler“, das heißt Fehler, aufgrund derer ein elektronisches Dokument zur Bearbeitung durch das Gericht nicht geeignet ist. Diese sollen nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht zum Rechtsverlust einer Partei führen, um ihr den Zugang zu den Gerichten durch Anforderungen des formellen Rechts, wie etwa Formatvorgaben, nicht in unverhältnismäßiger Weise zu erschweren (vgl. BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 6, NJW 2018, 2978). Wird ein elektronisches Dokument unter Verstoß gegen § 46c Abs. 3 Satz 1 1. Alt. ArbGG an das Gericht übermittelt, liegt kein bloßer „Formatfehler“ vor. Das elektronische Dokument wahrt in diesem Fall schon nicht die „prozessuale Form“ und geht insoweit schon nicht formwirksam bei Gericht ein (vgl. BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 6, NJW 2018, 2978).



    b) Eine Heilung nach § 295 ZPO kam ebenso wenig in Betracht.



    Erstens kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagten der Transfervermerk mitgeschickt worden ist; dies ergibt sich jedenfalls nicht aus der Akte. In dem Fall konnte ihr der Mangel auch nicht bekannt sein, § 295 Abs. 1 letzter Hs. ZPO.



    Zweitens handelt es sich um eine von Amts wegen zu beachtende Prozessvoraussetzung, auf die die gegnerische Partei nach § 295 Abs. 2 ZPO auch nicht verzichten kann. § 130 Nr. 6 ZPO wird für bestimmende Schriftsätze entgegen dem Wortlaut („…sollen enthalten…“) als Mussbestimmung ausgelegt (vgl. BAG 24. Oktober 2018 - 10 AZR 278/17 - Rn. 27, NJW 2019, 698). Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können Mängel bei der Unterschrift bei der Berufungsschrift (vgl. BAG 25. Februar 2015 - 5 AZR 849/13 - Rn. 25, NJW 2015, 3533) oder Berufungsbegründung (vgl. BAG 24. Oktober 2018 - 10 AZR 278/17 - Rn. 23, NJW 2019, 698) gemäß § 295 Abs. 2 ZPO nicht geheilt werden. Entsprechendes muss dann für die Klageschrift in der ersten Instanz gelten (a.A. BGH 27. April 1999 - VI ZR 174/97 - zu II 1 b der Gründe, NJW-RR 1999, 1251; BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - NJW 1986, 3224).



    3. Allerdings hat es das Arbeitsgericht versäumt, innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs einen Hinweis zu erteilen, damit dem Kläger die Möglichkeit eröffnet wäre, den Mangel alsbald zu beheben. Dies führt zu der Unbeachtlichkeit des Formfehlers (hierzu unter a). Darüber hinaus ist dem Kläger ein Vertrauensschutz zu gewähren, weil das Gericht den Hinweis erteilt hat, es sähe den Mangel dadurch als geheilt an, dass das Arbeitsgericht die elektronisch eingegangene Klage ausgedruckt habe (hierzu unter b). Schließlich kann in der Antragstellung (hierzu unter c) eine Bestätigung der (formunwirksamen) Klage gesehen werden.



    a) Eine gerichtliche Hinweispflicht in Bezug auf Mängel bei der Unterschrift kann sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG ergeben, die zugunsten der Verfahrensbeteiligten einen Anspruch auf ein faires gerichtliches Verfahren begründen (vgl. BVerfG 17. Januar 2006 - 1 BvR 2558/05 - Rn. 8, NJW 2006, 1579; BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 11, NJW 2018, 2978). Die sich daraus ergebende prozessuale Fürsorgepflicht verpflichtet die Gerichte, eine Partei auf einen offenkundigen Formmangel (zum Fehlen einer Unterschrift vgl. BGH 14. Oktober 2008 - VI ZB 37/08 - Rn. 9, NJW-RR 2009, 564) eines bestimmenden Schriftsatzes hinzuweisen. Ein solcher liegt bei der Übermittlung eines bestimmenden Schriftsatzes durch ein elektronisches Dokument vor, wenn dieser - wie vorliegend - mit einer Container-Signatur im EGVP eingeht. Ein Verfahrensbeteiligter kann erwarten, dass dieser Vorgang in angemessener Zeit bemerkt wird und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um ein drohendes Fristversäumnis zu vermeiden. Unterbleibt ein gebotener Hinweis, ist der Partei Wiedereinsetzung zu bewilligen, wenn er bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang so rechtzeitig hätte erfolgen müssen, dass der Partei noch die Fristwahrung möglich gewesen wäre (vgl. BAG 15. August 2018 - 2 AZN 269/18 - Rn. 6, NJW 2018, 2978).



    Die Klageschrift ist am 13. Juli 2018 beim Arbeitsgericht eingegangen. In welcher Zeit in einem „ordnungsgemäßen Geschäftsgang“ ein Hinweis hätte erwartet werden können, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden (vgl. GK-ArbGG/Horcher Stand: Sept. 2019 § 46c Rn. 63: Orientierung an 10-Tages-Frist; großzügiger Hess. LAG 6. März 2019 - 2 Sa 369/18 - Juris). Selbst bei einer großzügig bemessenen Frist von einem Monat wären irgendwelche Auswirkungen auf das Verfahren, z.B. im Hinblick auf die Ausschluss- oder die Verjährungsfrist nicht zu ersehen. Der Kläger hätte auf einen solchen Hinweis im August oder September 2018 den Formmangel ohne weiteres beheben können. Dies hätte auf den Lauf von Ausschluss- oder Verjährungsfristen keine Auswirkungen gehabt.



    Soweit ersichtlich, haben sich Gerichte zu der Frage der Verletzung einer Hinweispflicht bzw. des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit einer mangelbehafteten Unterschrift ausschließlich im Rahmen von sodann versäumten Rechtsmittelfristen geäußert. Bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen ist dem Rechtsmittelkläger dann nach § 233 ZPO Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gewährt worden. Ein solcher Fall liegt hier nicht unmittelbar vor, da die Klageerhebung unabhängig von einer laufenden prozessualen Frist war. Die Regelung in § 233 ZPO ist schon dem Wortlaut nach nicht einschlägig. Dies kann aber nicht dazu führen, dass das Unterlassen eines gebotenen (inhaltlich richtigen) Hinweises zulasten der klagenden Partei geht. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG), das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG sowie die daraus folgenden Ausprägungen der Fürsorgepflicht des Gerichts und des Grundsatzes eines fairen Verfahrens erfordern in einem Fall wie dem vorliegenden, dass sich der Formmangel nicht zulasten des Klägers auswirken darf.



    Es kommt auch nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 233 ff. ZPO im Einzelnen vorlagen oder nicht. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die formgerechte Prozesshandlung mittlerweile nachgeholt wurde oder nicht, § 236 Abs. 2 ZPO. Der Bundesgerichtshof hat auch nicht in jedem Fall die Nachholung einer formunwirksamen Prozesshandlung verlangt (so im Fall der fehlender Unterschrift BGH 14. Oktober 2008 - VI ZB 37/08 - Rn. 9, NJW-RR 2009, 564). Das Bundesarbeitsgericht hat die Frist des § 234 Abs. 3 ZPO nicht angewendet, soweit einer Anwendung dieser Bestimmung der Grundsatz des fairen Verfahrens entgegengestanden hätte (vgl. BAG 3. Juli 2019 - 10 AZR 499/17 - Rn. 19, NZA 2019, 1725). Eine Obliegenheit zum Nachreichen eines ordnungsgemäß unterschriebenen Schriftsatzes in der zweiten Instanz würde sich als bloße Förmelei darstellen.



    Der gerichtliche Fehler - hier Unterlassen eines sachlich gebotenen Hinweises - lässt das eigene Verschulden des Klägers in den Hintergrund treten (vgl. BSG 20. März 2019 - B 1 KR/7/18 B - Rn. 9, Juris).



    b) Darüber hinaus ist dem Kläger im vorliegenden Fall ein Vertrauensschutz zu gewähren. Der Vorsitzende des Arbeitsgerichts hat mit Verfügung vom 18. Juli 2018 darauf hingewiesen, dass ein Verstoß nach § 4 Abs. 2 ERVV vorliegen dürfte, dass dieser aber deswegen unbeachtlich sei, weil das Arbeitsgericht die elektronisch eingereichte Klageschrift ausgedruckt habe.



    Dem Kläger darf aus dem zu Unrecht erteilten gerichtlichen Hinweis kein Nachteil erwachsen. In der Vergangenheit ist Wiedereinsetzung nach § 233 ZPO gewährt worden, wenn eine Partei durch einen falschen gerichtlichen Hinweis zu einem fehlerhaften Verhalten veranlasst worden ist (vgl. BVerfG 4. Mai 2004 - 1 BvR 1892/03 - NJW 2004, 2887; BGH 15. Mai 2019 - XII ZB 573/18 - Rn. 27, NJW 2019, 2230). In einem solchen Fall wäre andernfalls auch der Grundsatz auf ein faires Verfahren verletzt. Hätte das Gericht nach Klageeingang nur auf die Problematik der Containersignatur hingewiesen, so hätte der Kläger aller Wahrscheinlichkeit nach zeitnah eine formgerechte Klage eingereicht. Der gerichtliche Fehler lässt das Verschulden des Klägers in den Hintergrund treten.



    c) Die Berufungskammer geht ferner davon aus, dass eine Heilung der formunwirksamen Klageeinreichung dadurch eingetreten ist, dass in dem Kammertermin am 15. August 2019 die Anträge gestellt wurden.



    Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass es nach Sinn und Zweck des Unterschriftserfordernisses nach § 130 Nr. 6 ZPO entbehrlich sei, die Unterschrift nachzuholen, wenn das Revisionsgericht die Unterschrift entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht als ausreichend - möglicherweise nur als Paraphe - ansieht. Der Zweck der Unterschrift, zum Ausdruck zu bringen, dass der Unterzeichner die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes und die Einreichung bei Gericht übernimmt, werde dadurch erreicht, dass die Partei den Prozess fortführt. Eine erneute Einreichung des Schriftsatzes erschiene dann als bloße Förmelei (vgl. BAG 3. Juli 2019 - 10 AZR 499717 - Rn. 17, NZA 2019, 1725).



    Überträgt man dies auf den vorliegenden Fall, müsste man eine „Bestätigung“ der mangelbehafteten Klageschrift darin sehen, dass im Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. August 2019 vor dem Arbeitsgericht für den Kläger die Anträge gestellt worden sind. In der Antragstellung nach § 137 Abs. 1 ZPO liegt in aller Regel eine Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden eigenen Sachvortrag der Partei (vgl. Zöller/Greger ZPO 33. Aufl. § 137 Rn. 3; Müko-ZPO/Fritsche 5. Aufl. § 137 Rn.6). Damit hat der für den Kläger auftretende Prozessvertreter deutlich gemacht, dass er sich den Inhalt der Klageschrift zu eigen machte und hierfür ebenfalls die Verantwortung übernahm. Auch ist klar, dass die Klageschrift kein bloßer Entwurf sein sollte. Damit war dem Anliegen des Schriftformgebots nach § 130 Nr. 6 ZPO ausreichend Rechnung getragen.



    Dagegen kann man nicht einwenden, dass die Voraussetzungen des § 295 ZPO auf diesem Weg umgangen würden. Bei § 295 Abs. 1 ZPO kommt es stets auf die Kenntnis vom Mangel des Gegners an. In der Bezugnahme durch Antragstellung liegt eher eine Bestätigung der Prozesshandlung selbst. Fehlerbehaftete Prozesshandlungen können jederzeit auch nachgeholt werden (vgl. Baumbach/Hartmann ZPO 77. Aufl. § 295 Rn. 6; Leipold in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 295 Rn. 57). Diese wirken dann aber nur ex-nunc (großzügig in Bezug auf die Frist nach § 4 KSchG BAG 26. Juni 1986 - 2 AZR 358/85 - NJW 1986, 3224). Im vorliegenden Fall stellt sich keine Fristproblematik, denn die Verjährungs- und tarifliche Ausschlussfrist (hierzu sogleich) wäre auch im Jahr 2019 gewahrt gewesen.



    II. Die Klage ist begründet.



    Der Kläger kann Zahlung von 36.999,32 Euro gemäß § 7 Abs. 1 bis 8 SokaSiG jeweils in Verbindung mit den §§ 18 Abs. 2, 21 VTV vom 18. Dezember 2009 bzw. ab 1. Juli 2013 mit den §§ 15 Abs. 2, 18 VTV vom 3. Mai 2013 verlangen. Ab dem Jahr 2015 ist die Beklagte an den VTV auch aufgrund der wirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV nach § 5 Abs. 4 Satz 1 VTV gebunden.



    1. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV ist eröffnet.



    a) Der betriebliche Geltungsbereich des VTV hängt davon ab, ob in dem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Für die Beurteilung der Frage, ob in einem Betrieb überwiegend bauliche Leistungen erbracht werden, ist auf die überwiegende Arbeitszeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in einem Kalenderjahr abzustellen (vgl. BAG 27. März 2019 - 10 AZR 512/17 - Rn. 17, NZA 2019, 1508). Werden baugewerbliche Tätigkeiten in diesem Sinne erbracht, sind ihnen diejenigen Nebenarbeiten ebenfalls zuzuordnen, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz und Verdienst und auch handels- oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (st. Rspr., vgl. BAG 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 18, NZA 2019, 1508). Auf die Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit kommt es nicht an, da diese nach einer anderen Rechtsgrundlage prüft (BAG 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 23, NZA 2019, 1508).



    Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Tätigkeiten verrichtet werden, obliegt dem Kläger. Nicht erforderlich ist, dass der Kläger jede Einzelheit der behaupteten Tätigkeiten vorträgt (BAG 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 19, NZA 2019, 1508). Dem Arbeitgeber obliegt es, sich nach § 138 Abs. 2 ZPO zu dem schlüssigen Tatsachenvortrag des Klägers zu der Eröffnung des betrieblichen Geltungsbereichs zu erklären. Regelmäßig trifft ihn die Last des substantiierten Bestreitens, weil der Kläger außerhalb des Geschehensablaufs steht und er keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen hat, während der Arbeitgeber sie kennt und ihm die entsprechenden Angaben zuzumuten sind (BAG 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 21, NZA 2019, 1508).



    b) Danach ist der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet.



    aa) Das neue Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz ist zunächst nicht nach § 67 ArbGG ausgeschlossen. Zwar hat der Kläger nicht auf die gerichtliche Auflage in der ersten Instanz vom 13. August 2018 reagiert, weitere Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Beklagte ein Bauunternehmen unterhielt. Die Zurückweisung eines Vorbringens nach § 67 Abs. 2 ArbGG würde aber voraussetzen, dass der Rechtsstreit verzögert würde. Dies kann hier nicht angenommen werden. Der Kläger hat sein neues Vorbringen - im Einklang mit § 67 Abs. 4 ArbGG - innerhalb der Berufungsbegründungsfrist in der Rechtsmittelinstanz vorgebracht. In Abweichung von den im Zivilprozess geltenden Regelungen ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren neuer Sachvortrag in der Rechtsmittelinstanz im weiteren Umfang zuzulassen (vgl. BAG 19. Dezember 2018 - 10 AZR 233/18 - Rn. 74, NZA 2019, 571).



    bb) Der Kläger hat behauptet, dass der Arbeitnehmer G zu ca. 90 % mit Arbeiten des Tiefbaus, nämlich Kanalanschluss-, Beton- und Pflasterarbeiten, beschäftigt gewesen sei. Dabei handelt es sich um bauliche Arbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 36, 22 und 32 VTV. Die Entwässerungsarbeiten unterfallen § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 2 VTV. Diese Behauptungen erfolgten auch nicht ins Blaue hinein. Der Kläger konnte sich als Indizien auf die Feststellungen des HZA und die Informationen anlässlich des Betriebsbesuchs stützen.



    cc) Demgegenüber ist das Bestreiten der Beklagten nicht erheblich. Es kann nicht nachvollzogen werden, dass sie ein Personaldienstleistungsunternehmen unterhalten hat. Gegenstand eines Personaldienstleisters ist die Gestellung von Personal. Dies ist im Baugewerbe nur eingeschränkt nach § 1b AÜG rechtlich möglich. Diese Norm will der illegalen Beschäftigung von betriebsfremden Arbeitnehmern - auch wegen der insoweit eingeschränkten Kontrollrechten - entgegenwirken (vgl. NK-ArbR/Ulrici § 1b AÜG Rn. 1). Unter das Verbot würde die Verleihung von Arbeitnehmern durch ein Personaldienstleistungsunternehmen, welches als solches nicht dem Baugewerbe zuzurechnen ist (vgl. § 1b Satz 2 lit. b AÜG), in Betriebe des Bauhauptgewerbes fallen (vgl. NK-ArbR/Ulrici § 1b AÜG Rn. 17; BeckOK ArbR/Kock 54. Edition § 1b AÜG Rn. 24). Dass es wesentlicher Geschäftszweck der Beklagten gewesen sein soll, rechtswidrig eine Arbeitnehmerüberlassung anzubieten, kann nicht ohne weiteres angenommen werden.



    Auf Nachfrage konnte kein einziger schriftlicher Überlassungsvertrag vorgelegt werden. Die Sachlage stellt sich vielmehr so dar, dass die Geschäftsführerin ihren Ehemann auf den Baustellen anderer Firmen als Baumaschinenführer einsetzte. Dass diesen Firmen ein eigenes Weisungsrecht eingeräumt werden sollte im Sinne einer echten Arbeitnehmerüberlassung, kann nicht angenommen werden. Dies geht aus dem Sachvortrag der Beklagten nämlich nicht hinreichend hervor. Vielmehr ist es ebenso gut möglich und hier naheliegender, dass die Beklagte ihren Arbeitnehmer als eigene Arbeitskraft auf den Baustellen Dritter zur Verfügung stellte, dieser aber wie ein „Ein-Mann-Betrieb“ auftrat und ausschließlich Arbeitnehmer der Beklagten blieb. Koordinierende Anweisungen, wann welche Arbeit beendet sein muss, sind auch im Rahmen eines Werkvertrags möglich und zulässig (vgl. § 645 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die auch durch § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 39 VTV anerkannte Möglichkeit, Baumaschinen mit Bedienpersonal im Baugewerbe zu vermieten, greift hier nicht; denn die Beklagte stellte eben nur die Arbeitskraft, nicht aber die Baumaschinen zur Verfügung.



    2. Die Forderung ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.



    Die Beitragsforderung beruht auf den Feststellungen der Bruttolöhne anlässlich eines Betriebsbesuchs. Konkrete Einwendungen hat die Beklagte hiergegen nicht erhoben.



    3. Die Ansprüche sind auch nicht wegen der tariflichen Ausschlussfrist verfallen.



    a) Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 VTV vom 3. Mai 2013 gilt eine vierjährige Ausschlussfrist. Diese beginnt grundsätzlich seit Fälligkeit zu laufen. Da nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VTV für den Beginn der Frist § 199 BGB entsprechend gilt, setzt der Lauf der Ausschlussfrist voraus, dass die ULAK von den den Anspruch begründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Dazu zählt zumindest, dass sie Kenntnis von dem Betrieb als solchen erlangt hat.



    Nach den Behauptungen des Klägers hat er von dem Betrieb erst durch eine Mitteilung des HZA vom 22. November 2016 erfahren. Die hiergegen vorgebrachten Einwände der Beklagten greifen nicht durch. In dem Ermittlungsverfahren sei mit Schreiben vom 4. Januar 2016 eine Sachstandsanfrage bei dem Kläger gemacht worden, mit Schreiben vom 12. Juli 2016 habe er mitgeteilt, dass der Betrieb zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft verpflichtet sei. Dies als richtig unterstellt, hätte der Kläger jedenfalls auch erst im Kalenderjahr 2016 Kenntnis erlangt. Nichts anderes gilt für die Behauptung, dass die letzten Tatsachenermittlungen durch das HZA im Jahr 2015 durchgeführt worden seien. Auch dies kann als wahr unterstellt werden. Solange das HZA ermittelt, heißt dies noch nicht, dass bei dem Kläger eine ausreichende Kenntnis vorlag, um die Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Die Kenntnis des HZA ist dem Kläger auch keinesfalls i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB automatisch zuzurechnen. Damit ist davon auszugehen, dass der Kläger erst in 2016 Kenntnis von dem Betrieb erlangt hat.



    Die Ausschlussfrist begann somit nach § 199 Abs. 1 BGB am 1. Januar 2017 um 0.00 Uhr zu laufen und endete am 31. Dezember 2020. Die Rechtshängigkeit wurde hier am 21. Juli 2018 begründet. Damit ist der Anspruch nicht verfallen.



    b) Allerdings könnte man gegen dieses Ergebnis einwenden, dass mit dem Abstellen auf die Kenntnis von dem Betrieb nach § 199 Abs. 1 BGB durch die gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien eine nach Art. 12 Abs. 1 GG unzumutbare rückwirkende Inanspruchnahme der Arbeitgeber auf Beitragszahlungen einherginge. Es stellt sich die Frage, ob die §§ 7 SokaSiG, 21 Abs. 1 Satz 2 VTV/2013 und 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB verfassungskonform einschränkend auszulegen ist. Dies ist im Ergebnis allerdings abzulehnen.



    aa) Für die Grundrechtsprüfung ist zunächst nicht von der - gelockerten - Geltung der Grundrechte für die Tarifvertragsparteien ausgehen. Die Erstreckung des Geltungsbereichs des VTV auf die Beklagte erfolgt für den Zeitraum 2009 bis 2014 nur aufgrund von § 7 SokaSiG. Der Inhalt des Tarifvertrags wirkt damit als Gesetz.



    Tarifvertragsparteien sind bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden. Die Schutzfunktion der Grundrechte verpflichtet die Arbeitsgerichte jedoch, Tarifregelungen die Durchsetzung zu verweigern, die zu gleichheits- und sachwidrigen Differenzierungen führen und deshalb Art. 3 Abs. 3 GG verletzen (BAG 11. Juli 2019 - 6 AZR 460/18 Rn. 29, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versorgungsbetriebe). Den Tarifvertragsparteien kommt als selbstständigen Grundrechtsträgern aufgrund der von Art. 9 Absatz 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Wie weit dieser Spielraum reicht, hängt von den Differenzierungsmerkmalen im Einzelfall ab. Den Tarifvertragsparteien steht hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten und der betroffenen Interessen eine Einschätzungsprärogative zu. Sie sind nicht verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund vorliegt (vgl. BAG 11. Juli 2019 - 6 AZR 460/18 Rn. 29, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versorgungsbetriebe). Ihre größere Sachnähe eröffnet auch Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Gesetzgeber verschlossen sind (vgl. BAG 11. Juli 2019 - 6 AZR 460/18 Rn. 29, AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge: Versorgungsbetriebe).



    Hingegen sind die Anforderungen an die Grundrechtsbindung bei einem staatlichen Rechtssetzungsakt strenger. Es ist anerkannt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung als Rechtssetzungsakt eigener Art (vgl. BVerfG 10. Januar 2020 - 1 BvR 4/17 - Rn. 13, NZA 2020, 253) direkt an die Grundrechte gebunden ist (vgl. MünchArbR HdB/Klumpp 4. Aufl. § 248 Rn. 36; Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 5 Rn. 146). Entsprechendes gilt für § 7 SokaSiG (offen gelassen in BAG 28. August 2019 - 10 AZR 549/18 - Rn. 43, NZA 2019, 1732).



    bb) Wie jedes staatliche Handeln muss gefragt werden, ob der durch die gesetzliche Normerstreckung bewirkte Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Arbeitgeber (Art. 12 Abs. 1 GG) geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist (vgl. Löwisch/Rieble TVG 4. Aufl. § 5 Rn. 148). Die Diskussion über die Rechtmäßigkeit von Ausschlussfristen drehte sich bislang um die Frage, welche Länge tarifliche Ausschlussfristen haben dürfen, damit die Arbeitnehmer noch eine ausreichende Möglichkeit haben, ihre Ansprüche geltend zu machen. Z.T. wird vorgeschlagen, Ausschlussfristen von unter zwei Monaten (vgl. ErfK/Franzen 20. Aufl. § 4 TVG Rn. 48) oder unter einem Monat (vgl. Steffan in Henssler/Moll/Bepler Teil 5 (22) Rn. 18; allgemein hierzu NK-ArbR/Frieling § 1 TVG Rn. 164) als unverhältnismäßig anzusehen. Wenig diskutiert wurde bislang allerdings die Frage, welche Länge Ausschlussfristen zulasten von Arbeitgebern haben dürfen, die von einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu Beiträgen herangezogen werden.



    cc) Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG schützt die Berufsfreiheit des Arbeitgebers in Gestalt der unternehmerischen Handlungsfreiheit (vgl. BAG 20. November 2018 - 1 AZR 189/17 - Rn. 24, NZA 2019, 402). Die unternehmerische Handlungsfreiheit kann unverhältnismäßig eingeschränkt werden, wenn es nach dem VTV typischerweise möglich wäre, dass ein Arbeitgeber mit Beitragslasten konfrontiert wird, die ihn in die Gefahr der Insolvenz brächten.



    (1) Dies kann insbesondere bei der rückwirkenden Inanspruchnahme der Fall sein. Denn in einem solchen Fall hat der Arbeitgeber in aller Regel keine Rücklagen gebildet, um die Beiträge bedienen zu können. Wenn der Bauarbeitgeber sich nicht bei der ULAK gemeldet hat und laufend am Sozialkassenverfahren teilnimmt, besteht die Gefahr, dass die Sozialkasse auf einen Schlag die Beiträge der vorangegangenen Beitragsjahre einfordert. Dabei kommt dem Zeitraum, für welche Jahre die Beiträge rückwirkend eingefordert werden können, eine maßgebliche Bedeutung zu. Für die Ausschlussfrist gilt nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VTV vom 3. Mai 2013 wie bei der Verjährung, dass die Frist vier Jahre beträgt und der Lauf der Frist nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem erstens der Anspruch entstanden ist und zweitens der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis oder ohne große Fahrlässigkeit Kenntnis hat erlangen müssen. Wenn sich ein Betrieb nicht bei dem Kläger anmeldet, kennt die ULAK als Gläubigerin den Schuldner nicht. Sie kann ihn praktisch auch nicht kennen, da nicht verlangt werden kann, dass die Sozialkasse jedes Gewerberegister auf bauliche Tätigkeiten kontrolliert oder im Internet entsprechende Seiten überprüft.



    Auf der anderen Seite kann den Arbeitgebern auch nicht stets der Vorwurf gemacht werden, dass sie sich rechtzeitig von sich aus hätten melden müssen. Denn es gibt durchaus eine Vielzahl von Fallkonstellationen, in denen bei einem Mischbetrieb unklar ist, ob die baulichen Arbeiten überwogen haben. Auch gibt es Tätigkeiten, deren rechtliche Einordnung nicht zweifelsfrei zu der Qualifikation als Baubetrieb führt.



    In einer solchen Ausgangssituation kommt der Ausschlussfrist eine entscheidende Bedeutung zu. Sie dient, wie alle Ausschlussfristen, der Rechtssicherheit. Der Schuldner soll rechtzeitig Klarheit erlangen, welche Beträge noch von ihm geschuldet sind. Innerhalb einer zumutbaren Zeit soll der Schuldner Beweise sichern können. Wenn - wie hier - die Beteiligten zuvor keinerlei sozialen Kontakt hatten, dient die Ausschlussfrist letztlich auch als Risikoregulativ nach Sphären: Die Sozialkasse kann für vier Jahre rückwirkend Beiträge fordern, die Arbeitgeber können damit rechnen, dass sie nach vier Jahren nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die Ausschlussfrist dient damit der Planungssicherheit auf beiden Seiten.



    Problematisch wird die vierjährige Ausschlussfrist deshalb, weil sie i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst dann zu laufen beginnt, wenn die ULAK von dem Betrieb Kenntnis erlangt. Solange dies nicht der Fall ist, läuft die Frist erst gar nicht an. Das hat zur Folge, dass die ULAK Beiträge für Kalenderjahre außerhalb von vier Jahren geltend machen kann. Begrenzt wird die rückwirkende Inanspruchnahme nur durch die absolute Zehnjahresfrist nach § 199 Abs. 4 BGB, die unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers von den den Anspruch begründenden Umständen läuft (vgl. Müko-BGB/Grothe 8. Aufl. § 199 Rn. 55). Das bedeutet, dass - soweit die ULAK erst im Jahr 2016 Kenntnis von einem Betrieb erlangt - Beiträge bis zurück in das Jahr 2007 ff. geltend gemacht werden können. Geht man für eine Modellrechnung von 10 Arbeitnehmern, einem Bruttogehalt von 2.000 Euro und einen gerundeten Beitragssatz von 20 % aus, ergibt sich für zehn Jahre - auf einen Schlag - eine Beitragsforderung von 480.000 Euro. Beitragsforderungen in einer solchen Dimension sind typischerweise geeignet, einen Betrieb an den Rand der Insolvenz zu bringen. Dies gilt umso eher, als die ULAK auch Verzugszinsen in Höhe von einem Prozent der monatlichen Beitragsforderung erhebt (§ 20 Abs. 1 VTV/2013). Das entspricht einem Zinssatz von 12 % pro Jahr.



    § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB passt für die Beitragsbeziehung zwischen der gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Bauarbeitgebern nur eingeschränkt. Die Regelung ist erkennbar auf vertragliche Beziehungen mit nur wenigen Personen zugeschnitten. Wenn zwei Personen durch einen Vertrag miteinander verbunden sind, ist die Gefahr, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen erst zu einem späten Zeitpunkt erfährt, typischerweise viel geringer, als wenn die Personen keinen Vertrag miteinander geschlossen haben. Zwischen den gemeinsamen Einrichtungen und den Arbeitgebern wird durch die Allgemeinverbindlichkeit eine Sonderbeziehung eigener Art begründet, die aber völlig losgelöst ist von der Kenntnis des einzelnen Arbeitgebers. Die Konstellation ist eher vergleichbar der Beitragsbeziehung im Sozialversicherungsrecht. Die dort einschlägige Regelung setzt in § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die Verjährungsfrist ebenfalls auf vier Jahre fest, macht deren Beginn aber (gerade) nicht abhängig von der Kenntnis des Versicherungsträgers von dem jeweiligen Beitragsschuldner (vgl. Udsching in Hauck/Noftz 01/12 § 24 SGB IV Rn. 3). Anders ist dies, falls Sozialversicherungsbeiträge vorsätzlich vorenthalten werden, in dem Fall beträgt die Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV 30 Jahre.



    Bei einer rückwirkenden Inanspruchnahme für nahezu zehn Jahre kann auch der Zweck von Ausschlussfristen kaum mehr erreicht werden. Arbeitgeber können sich praktisch nicht mehr darauf einrichten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Insbesondere wird es Arbeitgebern auch erschwert, Beweise zu sichern. Die Berechnung von möglichen Gegenforderungen wie Erstattungen von Urlaubsvergütung wird ebenfalls immer schwieriger, je länger die Zeiträume zurückliegen.



    Diese Überlegungen könnten dazu führen, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung von § 7 SokaSiG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 2 VTV/2013 i.V.m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine Begrenzung in der Weise vorzunehmen, dass die ULAK Beiträge nur für vier Jahre rückwirkend seit Kenntnis von dem Betrieb geltend machen darf. Dies würde im vorliegenden Fall bedeuten, dass sie nur Beiträge für die Jahre 2014 bis 2016 nachträglich erheben dürfte.



    (2) Trotz dieser Bedenken geht die Kammer davon aus, dass bei einer wortlautgetreuen Anwendung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB noch nicht die Grenze zur Verfassungswidrigkeit der Gesamtregelung überschritten wäre. Dafür spricht zunächst der Gedanke, dass die Tarifvertragsparteien die nach dem Gesetz geltende Verjährungsfrist und deren Berechnungsweise (lediglich) übernommen haben. Das gesetzliche Leitbild des Verjährungsrechts, das in allen Teilen des Zivil- und Arbeitsrechts gilt, kann schwerlich als unverhältnismäßig qualifiziert werden, wenn man dieses zugunsten einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien anwendet.



    Darüber hinaus haben die Tarifvertragsparteien auch Regelungsmechanismen vorgesehen, die einer wirtschaftlichen Überforderung der Bauarbeitgeber entgegenwirken. Der Anspruch auf Erstattung der Urlaubsvergütung verfällt nach § 21 Abs. 3 VTV im Falle eines Rechtsstreits über den Geltungsbereich des VTV erst mit Abschluss des Jahres, in dem eine gerichtliche Entscheidung hierzu vorliegt. Nach § 18 Abs. 2 VTV soll die ULAK eine Verrechnung mit Erstattungsforderungen vornehmen. Wird also der Bauarbeitgeber rückwirkend auf Beitragszahlung in Anspruch genommen, kann er durch eine vollständige Meldung der Bruttolöhne und der Urlaubsvergütungen erreichen, dass eine Saldierung mit dem Anspruch auf Urlaubserstattungen nach § 12 VTV/2013 vorgenommen wird. Damit würde sich der Beitragsanspruch um ca. 70 % reduzieren (bei der Modellrechnung von 480.000 Euro auf 139.200 Euro). Es besteht für die Arbeitgeber insbesondere auch die Möglichkeit, die Bruttolohnsummen und Erstattungen unter Vorbehalt der rechtlichen Überprüfung anzumelden. Auf einem solchen Weg kann die Gefahr einer wirtschaftlichen Überforderung erheblich abgemildert werden. Nach der neuen Regelung in § 18 Abs. 2 des VTV/2018 müssen für eine Saldierung auch nicht zuvor die Zinsen/Kosten bezahlt werden. Zwar handelt es sich nicht um eine Muss-, sondern nur um eine Sollbestimmung. Das hierbei auszuübende billige Ermessen wäre jedenfalls aber einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Es werden, z.B. bei der Festlegung eines Bonus, bei der betrieblichen Altersversorgung oder auch einem Anspruch auf Altersteilzeit nicht selten „Kann-Bestimmungen“ vereinbart, die dann anhand von § 315 BGB zu kontrollieren sind (vgl. zu Bonuszusagen BAG 27. Februar 2019 - 10 AZR 341/18 - Rn. 17 ff., NZA 2019, 914; zur betrieblichen Altersversorgung BAG 14. Mai 2019 - 3 AZR 150/17 - Rn. 23, NZA 2019, 1367; zur Altersteilzeit BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 624/06 - Rn. 28, NZA-RR 2007, 397). Es bestehen danach ausreichende Schutzmechanismen, die eine wirtschaftliche Überforderung des Arbeitgebers bei einer rückwirkenden Inanspruchnahme von mehr als vier Jahren entgegenwirken. Damit sind die § 7 SokaSiG i.V.m § 21 VTV/2013 i.E. nicht notwendig verfassungskonform zu reduzieren.



    4. Die Klageforderung ist auch nicht verjährt. Es gilt nach § 21 Abs. 4 VTV/2013 eine vierjährige Verjährungsfrist. Sie läuft parallel mit der Ausschlussfrist, insbesondere gilt auch hier § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, so dass auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.



    5. Die Beklagte ist auch an den VTV gebunden. Mangels Wirksamkeit der AVE 2008, 2010, 2012 und 2013 des VTV scheidet eine Bindung des Beklagten nach § 5 Abs. 4 TVG bis zum 31. Dezember 2014 aus. Die Beklagte ist aber an den VTV kraft Gesetzes gebunden. Das SokaSiG ist zum 25. Mai 2017 in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich trotz der darin enthaltenen Rückwirkung nicht zu beanstanden und als wirksam zu betrachten. Eine Vorlage an das BVerfG nach Art. 100 GG scheidet aus vor. Dies ist mittlerweile durch das BAG geklärt (vgl. BAG 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - NZA 2019, 552; BAG 27. März 2019 - 10 AZR 318/17 - Rn. 47 ff., Juris; zuvor ebenso Hess. LAG 2. Juni 2017 - 10 Sa 907/16 - NZA-RR 2017, 485 ff.; LAG Berlin-Brandenburg 16. Juni 2017 - 3 Sa 1831/17 - Rn. 32 ff., Juris).



    Ferner sind auch die jeweils zugrunde liegende AVE 2015 (vgl. BAG 21. März 2018 - 10 ABR 62/16 - Juris) und 2016 (vgl. BAG 20. November 2018 - 10 ABR 12/18 - Juris) wirksam. Ab Januar 2015 kann sich der Kläger damit auch auf § 5 Abs. 4 Satz 1 TVG stützen.



    C. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 sowie § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Da die teilweise Rücknahme in der ersten Instanz nicht maßgeblich ins Gewicht fällt, sind die Kosten des Rechtsstreits insgesamt der Beklagten aufzuerlegen.



    Die Revision ist zugunsten der Beklagten zuzulassen, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Die Frage einer Heilung eines Formfehlers bei elektronischer Klageeinreichung in der ersten Instanz, der nicht unter § 46c Abs. 6 ArbGG fällt, ist höchstrichterlich nicht entschieden. Ebenfalls ist die Wirksamkeit einer Ausschlussfrist, die es ermöglicht, dass eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien rückwirkend Beiträge bis zu zehn Jahren fordern kann, wenn ihr der Betrieb nicht bekannt war, ungeklärt.

    Rechtsmittelinstanz: BAG - 10 AZR 211/20

    Vorschriften