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  • · Nachricht · § 20 EStG

    Veräußerung von jungen Aktien nach Ausübung von Bezugsrechten aus Altanteilen

    | Für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns einer Aktie, die durch die Ausübung eines Bezugsrechts erworben wurde, ist der Anschaffungswert entscheidend. Konkret handelt es sich hier um eine Aktie, die durch die Ausübung eines Bezugsrechts erworben wurde. Das Bezugsrecht wurde von einer vor dem 1.1.2009 erworbenen und steuerentstrickten Aktie abgespalten. Laut BFH sind die Anschaffungskosten des Bezugsrechts nicht mit 0 EUR, sondern mit ihrer tatsächlichen Höhe anzusetzen. |

     

    Sachverhalt

    Im Streitfall erwarb der Steuerpflichtige im Rahmen einer Kapitalerhöhung einer AG in 2010 junge Aktien der AG über die Ausübung von Bezugsrechten. Diese waren von Aktien abgespalten worden, die der Steuerpflichtige bereits vor dem 1.1.2009 angeschafft hatte (sog. Altaktien). Die Anschaffungskosten der Bezugsrechte beliefen sich auf 7,20 EUR je Aktie. Noch in 2010 (Streitjahr) veräußerte der Steuerpflichtige zehn der jungen Aktien und erzielte einen Veräußerungserlös in Höhe von insgesamt 410,35 EUR. Nach der Bescheinigung der Bank über den Wertpapierverkauf belief sich der Veräußerungsgewinn, bei dessen Ermittlung der Wert der Bezugsrechte unberücksichtigt blieb, auf 58,15 EUR.

     

    In seiner Einkommensteuererklärung für 2010 beantragte der Steuerpflichtige die Überprüfung des Steuereinbehalts für Kapitalerträge gemäß § 32d Abs. 4 EStG. Er erklärte Kapitalerträge i. H. v. insgesamt 135 EUR, darin enthalten war der Gewinn aus der Veräußerung der jungen Aktien i. H. v. 58 EUR. Die Summe der Kapitalerträge minderte er um die Anschaffungskosten der Bezugsrechte für die zehn Aktien der AG i. H. v. 72 EUR (10 x 7,20 EUR). Das FA setzte dagegen die Anschaffungskosten der Bezugsrechte unter Hinweis auf § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG mit 0 EUR an.

     

    Entscheidung

    Der BFH gab dem Steuerpflichtigen recht. Zwar enthält der Wortlaut des § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG keine eindeutige Regelung zur Bewertung des Bezugsrechts bei der Veräußerung von jungen Aktien. Die Einkünfteermittlungsvorschrift des § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG findet jedoch nach Auffassung des BFH auch bei der Veräußerung von jungen Aktien Anwendung, die aufgrund der Ausübung eines Bezugsrechts erworben wurden. Denn die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG ergibt nur dann einen Sinn, wenn sie sich auf die Ermittlung des Gewinns aus einer späteren Veräußerung der durch Ausübung des Bezugsrechts erlangten Anteile bezieht.

     

    Die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG findet jedoch keine Anwendung, wenn die veräußerten jungen Aktien aufgrund der Ausübung von Bezugsrechten erworben wurden, die von vor dem 1.1.2009 angeschafften Altanteilen abgespalten wurden, bei denen ‒ wie im Streitfall ‒ die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der am 1.1.1999 geltenden Fassung (EStG a. F.) zum Zeitpunkt der Veräußerung der jungen Aktien bereits abgelaufen war. In diesem Fall sind bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns die tatsächlichen Anschaffungskosten des Bezugsrechts zu berücksichtigen.

     

    Eine Kapitalerhöhung gegen Einlage führt hinsichtlich der bereits bestehenden Anteile zu einer Substanzabspaltung zugunsten der aufgrund der Bezugsrechte erworbenen neuen Anteile. Die Substanzabspaltung bewirkt, dass Anschaffungskosten der bereits bestehenden Anteile den neuen Anteilen zuzuordnen sind. Entsprechend mindern sich die Anschaffungskosten der Altanteile (Gesamtwertmethode). Der Gesellschafter erhält danach durch die „Verwässerungp“ seiner Beteiligung aufgrund der Kapitalerhöhung keinen weiteren Wertzuwachs der stillen Reserven seiner Anteile.

     

    Dies wiederum hat zur Folge, dass die Besteuerung der durch die Abspaltung von den Altanteilen auf die neuen Geschäftsanteile übergegangenen stillen Reserven nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a. F. erfolgt, wenn die Altanteile vor dem 1.1.2009 angeschafft wurden (§ 52a Abs. 11 Satz 4 EStG). Waren die übergegangenen stillen Reserven aufgrund des Ablaufs der Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a. F. nicht mehr steuerbar, dürfen sie nicht lediglich aufgrund der Kapitalerhöhung bei einer Weiterveräußerung der jungen Aktien erneut steuerverhaftet werden. Dies wäre jedoch der Fall, wenn bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der jungen Aktien die auf die Neuanteile übergegangenen Anschaffungskosten der Altanteile gemäß § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG mit 0 EUR angesetzt würden. Dagegen spricht, dass es sich bei der Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG um eine Einkünfteermittlungsvorschrift handelt, die ein Besteuerungsrecht voraussetzt, jedoch kein Besteuerungsrecht für bereits steuerentstrickte Vermögenswerte begründet.

     

    PRAXISHINWEIS | Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 20 Abs. 4a Satz 4 EStG auf Bezugsrechte, die aus vor dem 1.1.2009 angeschafften Aktien abgespalten wurden, hält der BFH auch aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten, da es dem Gesetzgeber verwehrt ist, rückwirkend auf bereits steuerentstrickte Vermögenspositionen zuzugreifen.

     

    Fundstelle

    Quelle: ID 44875117