· Fachbeitrag · Einkommensteuergesetz
Nutzungsvorteil für Firmenwagen
von Dr. Stephan Peters, Warendorf
| Weil der Kommanditist einer GmbH & Co. KG angab, den Firmenwagen (Fiat Doblo, Erstzulassung 2012) nicht privat zu nutzen, da ihm privat ständig und uneingeschränkt eine Mercedes C-Klasse zur Verfügung stand, konnte der Anscheinsbeweis einer auch privaten Nutzung des Firmenwagens erfolgreich erschüttert werden, obwohl es sich bei der Mercedes C-Klasse um ein älteres (Erstzulassung 1997), dem Firmenwagen aber dennoch in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug handelt. |
1. Hintergrund
Fahrzeuge im Betriebsvermögen lösen im Rahmen von Betriebs-, Umsatzsteuersonder- oder Lohnsteueraußenprüfungen fast immer eine Prüfung der zutreffenden steuerlichen Behandlung aus.
In einem ersten Schritt ist zunächst zu prüfen, ob das entsprechende Fahrzeug überhaupt zutreffend als Betriebsvermögen erfasst wurde. Insoweit kommt es insbesondere auf den Umfang der betrieblichen Nutzung an. Bei einer betrieblichen Nutzung über 50 % spricht man von notwendigem Betriebsvermögen, bei einer betrieblichen Nutzung zwischen 10 % und 50 % von gewillkürtem Betriebsvermögen. Erreicht die betriebliche Nutzung weniger als 10 %, handelt es sich um Privatvermögen. Dabei sind die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Familienheimfahrten der betrieblichen Nutzung zuzurechnen (BMF 18.11.2009, BStBl I Satz 1326; BMF 15.11.2012, BStBl I Satz 1099). Die Darlegung des Umfangs der betrieblichen Nutzung hat durch den Steuerpflichtigen zu erfolgen. Die Finanzverwaltung erkennt insoweit „jede geeignete Form“ an. Beispielhaft können Aufzeichnungen aus Terminkalendern, gegenüber Kunden abgerechnete Kilometer, Reisekostenaufstellungen und andere Abrechnungsunterlagen zur Glaubhaftmachung geeignet sein. In der Regel empfiehlt sich die Anfertigung formloser Aufzeichnungen für einen repräsentativen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten. Dabei genügt es aus Sicht des BMF, wenn der jeweilige Anlass, die zurückgelegte Strecke und die Kilometerstände zu Beginn und Ende des Aufzeichnungszeitraums festgehalten werden. Treten keine wesentlichen Veränderungen des Umfangs der Nutzung ein, kann der aufgezeichnete Nutzungsumfang auch in den folgenden Veranlagungszeiträumen zugrunde gelegt werden. Ergibt sich der Umfang bereits aus der Tätigkeit des Steuerpflichtigen, kann im Einzelfall auf einen Nachweis verzichtet werden.
Wird das Fahrzeug zutreffend im Betriebsvermögen gehalten, wird in einem zweiten Fall die Privatnutzung durch den Unternehmer oder seine Mitarbeiter geprüft. Dabei ist Voraussetzung, dass das Fahrzeug zunächst auch für eine private Nutzung geeignet ist. Bei Baustellenfahrzeugen oder entsprechend ausgebauten Werkstattwagen ist dies nicht zwingend (vgl. BFH 18.12.2008, VI R 34/07).
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Der BFH hat in seinem Urteil vom 4.12.2012 (VIII R 42/09) ausgeführt, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zu privaten Zwecken zur Verfügung stehen, auch tatsächlich privat genutzt werden und spricht insoweit von dem Beweis des ersten Anscheins.
Dieser Beweis des ersten Anscheins kann durch den sog. Gegenbeweis entkräftet oder erschüttert werden. Der Vollbeweis, dass eine private Pkw Nutzung tatsächlich nicht stattgefunden hat, ist nicht erforderlich.
Ausreichend für den Gegenbeweis sei, dass ein Sachverhalt dargelegt und im Zweifel nachgewiesen wird, der
ergibt (BFH 4.12.2012, VIII R 42/09). Bloße Behauptungen vermögen den Anscheinsbeweis hingegen nicht zu erschüttern (BFH 13.12.2011, VIII B 82/11). |
Die allgemeine Lebenserfahrung spricht nach Ansicht der Rechtsprechung (FG Niedersachsen 20.3.2019, 9 K 125/18) auch dann für eine private Nutzung eines betrieblichen Fahrzeugs, wenn dem Steuerpflichtigen für private Fahren ein Fahrzeug zur Verfügung steht, aber dieses Fahrzeug dem betrieblichen Fahrzeug
Je geringer die Unterschiede zwischen den Fahrzeugen sind, desto leichter sei der Anscheinsbeweis zu erschüttern (FG Hamburg 11.12.2019, 2 K 10/19).
Was unter einem „in Status und Gebrauchswert vergleichbaren und dem Steuerpflichtigen ständig und uneingeschränkt zur Verfügung stehen“ zu verstehen ist, war bisher nicht näher konkretisiert. |
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das FG Münster in seinem Urteil vom 11.5.2017 (13 K 1940/15) bei einem VW Multivan festgestellt, dass es sich dabei um einen Pkw handele, der „typischerweise auch zum privaten Gebrauch geeignet ist“, wenn es sich nicht um ein Werkstattfahrzeug handelt, das typischerweise nicht zum privaten Gebrauch geeignet ist. Kann das Fahrzeug privat genutzt werden und handelt es sich um notwendiges Betriebsvermögen, sind Privatfahrten, Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie Familienheimfahrten gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 ‒ 3 EStG zu versteuern. Gegebenenfalls kann nach den Regelungen der Kostendeckelung eine Begrenzung des Nutzungsvorteils erreicht werden. Wird das Fahrzeug im gewillkürten Betriebsvermögen geführt, sind die privaten Nutzungsanteile nicht nach der 1 %-Methode zu ermitteln, sondern als Entnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit den auf die private Nutzung entfallenden tatsächlichen Selbstkosten anzusetzen. Die näheren Grundsätze hat das BMF in seinen Schreiben vom 18.11.2009 und 15.11.2012 (BStBl I S. 1326 und BStBl S. 1099) näher erläutert. Handelt es sich bei dem Fahrzeug um ein Elektro- und Hybridelektrofahrzeug, gelten besondere Regelungen und Vergünstigungen!
Ist das Fahrzeug notwendiges Betriebsvermögen, kann die Versteuerung privater Nutzungsvorteile nach der 1 %-Regelung oder der Fahrtenbuchmethode durch die bloße Behauptung, dass eine private Nutzung nicht stattgefunden hat, nicht abgewendet werden (BFH 13.12.2011, VIII B 82/11). Streitig und fraglich war in der Vergangenheit die Frage, wann der Hinweis auf einen privat zur Verfügung stehenden Pkw ausreicht, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern und damit die Versteuerung privater Nutzungsvorteile abzuwenden. Vor diesem Hintergrund erfolgte nunmehr die Entscheidung des FG Niedersachsen.
2. Entscheidung
2.1 Sachverhalt
In der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betreibt die Klägerin ein Unternehmen im Bereich des Recyclings von Straßenbauabfällen, der Ausübung von Erd- und Tiefbauarbeiten, der Förderung von Kies und Sand, sowie der Herstellung von Mörtel und dem Verkauf von Baustoffen. Alleiniger Kommanditist ist X und Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung die Y Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH. Nach den Feststellungen des Gerichts war der X alleinstehend, wohnte in unmittelbarer Nähe zum Betrieb. Zur alleinigen Nutzung stand dem X privat ein Mercedes Benz C 280 T (Erstzulassung 29.7.1997, Kauf durch X am 9.6.2004 mit Laufleistung von 66.000 km) zur Verfügung. Im Anlagevermögen der Klägerin befand sich im Streitjahr 2013 ein Kompakt-Van mit fünf Sitzplätzen, Modell Fiat Doblo Easy 2.0 16V Multijet (Kastenwagen). Im Streitjahr wies das Fahrzeug keine Verblendung der hinteren Fenster, keine festen Ein- und Umbauten und keinerlei Werbe- oder Firmenaufschriften auf. Der Kläger führte kein Fahrtenbuch. Ein privater Nutzungsvorteil wurde nicht erklärt.
Im Rahmen einer für die Jahre 2012 bis 2014 durchgeführten Betriebsprüfung gab der X an, den Firmenwagen für allgemeine Fahrten, insbesondere für Fahrten zu den Betriebsstätten der Klägerin genutzt zu haben. Weil eine private Nutzung des Fahrzeugs nicht ausgeschlossen werden könne und ein Fahrtenbuch nicht vorlag, kam der Betriebsprüfer zu dem Ergebnis, dass zwingend die 1 %-Regelung anzuwenden sei.
Nachdem das Einspruchsverfahren erfolglos verlief, verfolgte die Klägerin ihr Begehren nunmehr im Klageverfahren.
2.2 Gründe
Mit Erfolg! Grundsätzlich kann der private Nutzungsvorteil aus der Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 % betrieblich genutzt wird, bei fehlendem Fahrtenbuch gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer angesetzt werden. Ein AnSatz ist jedoch ausgeschlossen, wenn eine private Nutzung nicht stattgefunden hat (BFH 4.12.2012, VIII R 42/09). So lag der Fall im vorliegend geschilderten Sachverhalt. Die Klägerin habe den Beweis des ersten Anscheins durch den Gegenbeweis entkräften können.
Zunächst stellte das Gericht fest, dass es sich nicht um einen Werkstattwagen handelte und die private Nutzungsentnahme nicht schon deshalb ausgeschlossen sei, weil es bei dem Fahrzeug an dem für Werkstattwagen typischen Merkmalen fehlt.
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Unter Werkstattwagen versteht die Rechtsprechung Fahrzeuge, die aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit und Einrichtung typischerweise
Indizien (BFH 18.12.2008, VI R 34/07):
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Nach Überzeugung des Gerichts stand dem X mit dem Mercedes Benz C 280 T aber ein in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug zur alleinigen Verfügung bereit, weshalb der Anscheinsbeweis erschüttert sei.
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Gebrauchswert sei der Wert einer Sache hinsichtlich ihrer Brauchbarkeit. Berücksichtigung finden können insoweit Umstände wie
Status: Hier stehen Prestigegründe im Vordergrund. Als Indiz kann insoweit auf den Kaufpreis abgestellt werden. Das FG Münster hat in einer Entscheidung vom 25.2.2020 (5 K 3907/17) die Vergleichbarkeit in dem zu entscheidenden Fall abgelehnt. Bei dem Firmenwagen handelte es sich um einen Mercedes der Mittel-/Oberklasse, Neufahrzeug mit Erstzulassung 2012 und 265 PS. Der privat genutzte Mercedes als Mittelklassefahrzeug, Baujahr 2007 mit 170 PS sei weder in Status noch Gebrauchswert vergleichbar (FG Münster 25.2.2020, 5 K 3907/17). |
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei von einer Vergleichbarkeit des Fiat und Mercedes auszugehen. Zu diesem Ergebnis kam das Gericht bei Abwägung der folgenden Kriterien:
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Fiat Doblo Easy 2.0 Multijet | Mercedes C 280 T | |
Leistung | 135 PS | 193 PS |
Hubraum | 1.956 ccm | 2.799 ccm |
Höchstgeschwindigkeit | 179 km/h | 230 km/h |
Raumangebot | gleichwertig | |
Ausstattung | höherwertig | |
Prestigewert (urspr. Kaufpreis) |
22.700 EUR (2012) | deutlich höher 45.707,07 EUR (1997) |
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei zumindest von einer Vergleichbarkeit der Fahrzeuge auszugehen. Zudem sei ein Wechsel der Pkw zur Durchführung privater Fahrten des X problemlos möglich gewesen, weil X in unmittelbarer Nähe zu der Klägerin wohnt. Zudem habe es sich bei dem Fiat Doblo um das einzige betriebliche Fahrzeug gehandelt, mit welchem der X regelmäßig Mitarbeiter und Betriebsstätten abfahren können, weshalb es nach Ansicht des Gerichts nahe liege, dass das Fahrzeug regelmäßig für diesen Zweck beladen sein dürfte und einen erhöhten Verschmutzungsgrad aufweise. Den Verschmutzungsgrad habe die Klägerin auch durch Vorlage von Fotos dokumentiert.
Zusammenfassend war die Klage daher in vollem Umfang erfolgreich und eine Versteuerung privater Nutzungsvorteile ausgeschlossen.
FAZIT | Die Entscheidung konkretisiert die Anforderungen an eine Vergleichbarkeit des Gebrauchswerts und des Prestiges von Privatfahrzeug und Firmenfahrzeugen. Im vorliegenden Fall war der X alleinstehend, weshalb die Fragestellung, ob dem X der Mercedes alleine und dauerhaft zur Verfügung stand, unproblematisch war. In Mehrpersonenhaushalten mit Partnern und Kindern kann die Frage der alleinigen Nutzung eines privaten Kfz im Einzelfall schwieriger zu beurteilen sein. Hier wird man neben Kriterien für eine Vergleichbarkeit der Fahrzeuge zudem Indizien herausarbeiten müssen aus denen sich ergibt, dass das private Fahrzeug dem Inhaber des Firmenwagens auch ständig und uneingeschränkt zur Verfügung steht. Insoweit kann vorgetragen werden, dass dem Partner und Kindern ein eigenes Kfz zur privaten Nutzung zur Verfügung steht oder der Partner und/oder die Kinder aufgrund der speziellen Ausgestaltung der Kfz-Versicherung von der Nutzung des Pkw ausgeschlossen sind. Ferner dürfte der Nachweis einer Vergleichbarkeit immer dann einfacher gelingen, wenn das privat genutzte Fahrzeug neuwertiger, höherwertig ausgestattet und den höheren Listenneupreis ausweist. |
Fundstelle
- FG Niedersachsen 19.2.20, 9 K 104/19, iww.de/astw, Abruf-Nr. 215553
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