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  • · Fachbeitrag · Einspruch des Monats

    Umsatzsteuer - Vertrauensschutz für Bauleistende

    | Das Finanzgericht Münster hat in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entschieden, dass bei fehlender Umkehr der Umsatzsteuerschuldnerschaft (Reverse-Charge-Verfahren) einer Inanspruchnahme des Bauleistenden Vertrauensschutzgesichtspunkte entgegenstehen können ( FG Münster 12.8.15, 15 V 2153/15 U ; Beschwerde nicht zugelassen). |

     

    Hintergrund

    Anders als in den damals gültigen Verwaltungsanweisungen urteilte der BFH am 22.8.13 (V R 37/10), dass Bauträger für bezogene Leistungen nicht Steuerschuldner nach § 13b UStG sind. Das BMF schloss sich mit dem Schreiben vom 5.2.14 dieser Rechtsauslegung an. Unklar blieb, ob die Finanzbehörden die Steuer dann rückwirkend von den Bauleistenden einfordern können oder diese sich auf den Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO berufen können. Mit dem Kroatien-Steueranpassungsgesetz wurde eine Abtretungsregelung in Form des § 27 Abs. 19 UStG geschaffen, der Vertrauensschutz an dieser Stelle ausschließt.

     

    Sachverhalt

    Die Antragstellerin erbrachte Bauleistungen gegenüber einem Bauträger, der eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebaute. In ihrer Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 gab die Antragstellerin an, umsatzsteuerpflichtige Bauleistungen entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung erbracht zu haben, für die der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde. Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung im Jahr 2015 vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die frühere Erlasslage aufgrund der zwischenzeitlich geänderten BFH-Rechtsprechung nicht mehr maßgeblich sei. Gegen den entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2011 berief sich die Antragstellerin auf Vertrauensschutz.

     

    Hierzu führte das Finanzgericht weiter aus:

     

    • Nach summarischer Prüfung kann sich die Antragstellerin für das Jahr 2011 auf Vertrauensschutz gem. § 176 Abs. 2 AO berufen. Nach summarischer Prüfung ist außerdem ernstlich zweifelhaft, ob die den Vertrauensschutz ausschließende Vorschrift des § 27 Abs. 19 UStG den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.

     

    • Nach der einschlägigen abgabenrechtlichen Vertrauensschutzvorschrift (§ 176 Abs. 2 AO) dürfe bei der Änderung eines Steuerbescheids nicht zu Ungunsten der Antragstellerin berücksichtigt werden, dass der UStAE vom BFH als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend angesehen werde.

     

    • Auch die umsatzsteuerliche Übergangsvorschrift, die die Anwendung des § 176 AO in derartigen Fällen ihrem Wortlaut nach ausschließt (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG), ermöglicht nach Auffassung des Senats nicht zwingend eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung.

     

    • Es bestehen Zweifel, ob die Übergangsvorschrift eine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung entfaltet, da sie nachträglich in eine bestehende Umsatzsteuerschuld eingreift. Möglicherweise ist die Übergangsregelung außerdem mit den europarechtlichen Vorgaben der Klarheit und Voraussehbarkeit von Rechtsvorschriften unvereinbar.

     

    Fundstelle

    • FG Münster online

     

    PRAXISHINWEIS | Zuvor hatte bereits das FG Berlin-Brandenburg Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG geäußert (s. FG Berlin-Brandenburg 3.6.15, 5 V 5026/15).

     

    Einspruchsmuster / 

    Finanzamt (Stadt)

    Straße

    PLZ Ort

     

    Geänderter Umsatzsteuerbescheid … vom… für Frau/Herrn ...

    St.-Nr.: .../hier: Keine Inanspruchnahme des Bauleistenden für Umsatzsteuern aus Vertrauensschutzgründen - §§ 13b, 27 Abs. 19 Satz 2 UStG

     

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    gegen den oben genannten Bescheid lege ich hiermit form- und fristgerecht Einspruch ein und beantrage im Namen und in Vollmacht des Einspruchsführers, den angefochtenen geänderten Umsatzsteuerbescheid ersatzlos aufzuheben.

     

    Gleichzeitig beantrage ich hinsichtlich des streitbefangenen Umsatzsteuerbetrags die Aussetzung der Vollziehung.

    Begründung:

    Der angefochtene geänderte Umsatzsteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Einspruchsführer in seinen Rechten.

     

    Der Einspruchsführer erbrachte im Streitjahr Bauleistungen gegenüber einem Bauträger, der eigene Grundstücke bebaute und verkaufte. Entsprechend der damaligen Verwaltungsauffassung gingen alle Beteiligten zunächst übereinstimmend davon aus, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer auf die Bauleistungen schuldet. Nachdem diese Erlasslage wegen eines zwischenzeitlich ergangenen Urteils des BFH (22.8.13, V R 37/10) nicht mehr maßgeblich war, änderte das Finanzamt nunmehr die Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem Einspruchsgegner.

     

    Nach § 176 Abs. 2 AO darf bei der Änderung eines Steuerbescheids aus Vertrauenschutzgründen aber nicht zu Ungunsten des Einspruchsführers berücksichtigt werden, dass eine Verwaltungsvorschrift (hier: UStAE) vom BFH als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend angesehen wurde. Auch die umsatzsteuerliche Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG, die die Anwendung des § 176 AO in derartigen Fällen ihrem Wortlaut nach ausschließt, ermöglicht nicht zwingend eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung.

    Es bestehen vielmehr Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rückwirkung. Die Übergangsregelung ist außerdem mit den europarechtlichen Vorgaben der Klarheit und Voraussehbarkeit von Rechtsvorschriften unvereinbar.

     

    Wegen der vorgenannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids ist die beantragte Aussetzung der Vollziehung geboten (so FG Münster 12.8.15, 15 V 2153/15 U; FG Berlin-Brandenburg 3.6.15, 5 V 5026/15; anders FG Düsseldorf 31.8.15, 1 V 1486/15 A (U) Beschwerde zugelassen).

     

    Ich gehe ich davon aus, dass das Einspruchsverfahren in der Hauptsache bis zur rechtskräftigen Entscheidung durch den BFH im Beschwerdeverfahren gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf aus Zweckmäßigkeitsgründen ruht (§ 363 Abs. 2 Satz 1 AO).

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Steuerberater/-in

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 214 | ID 43803697