· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
EuGH: E-Charging führt auch bei einer Drei-Personen-Beziehung zu Lieferungen
von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund
Ein weiterer Schritt in Richtung Rechtssicherheit beim E-Charging ist nun getan: Nachdem der EuGH im letzten Jahr den Ladevorgang als Lieferung eingeordnet hat, bestätigt der EuGH nun eine Lieferkette im Drei-Personen-Verhältnis. |
Hintergrund
Unter E-Charging versteht man das Aufladen eines Elektrofahrzeugs an einer gewerblich betriebenen „Stromtankstelle“. Die Besonderheit besteht darin, dass der Ladevorgang im engeren Sinne, also die reine Stromlieferung, durch diverse flankierende Leistungen unterstützt wird. Dazu zählen die Bereitstellung der Ladevorrichtungen, die Verbindung des Ladegeräts mit den Betriebssystemen der Fahrzeuge, die Anpassung der entsprechenden Parameter zur Übertragung von Elektrizität an die Batterien der Fahrzeuge, die technische Unterstützung des Fahrers sowie die Bereitstellung diverser IT-Anwendungen.
Zunächst war weitgehend ungeklärt, ob die Leistungen einzeln oder als Gesamtpaket zu beurteilen sind. Sollte Letzteres der Fall sein, stellt sich die Frage, ob das Gesamtpaket zu einer Lieferung oder zu einer sonstigen Leistung führt. Dabei werden zwei verschiedene Wertschöpfungsketten unterschieden:
- Zwei-Personen-Beziehung: Der Ladepunktbetreiber (Charge Point Operator ‒ CPO) ist zugleich auch der Mobilitätsanbieter (Mobility Provider ‒ eMP) und verkauft den Strom an den Fahrer des E-Fahrzeugs.
- Drei-Personen-Beziehung: Ladepunktbetreiber und Mobilitätsanbieter sind unterschiedliche Unternehmer. Der Mobilitätsanbieter schließt die Verträge mit den Fahrern, gibt die vom Ladepunktbetreiber produzierten Leistungen an diese weiter und legt ggf. eigene zusätzliche Services auf. Bei all dem tritt er gegenüber den Fahrern und Kunden im eigenen Namen auf.
Bereits im Jahr 2023 hatte der EuGH entschieden, dass bei einer Zwei-Personen-Beziehung eine komplexe einheitliche Leistung erbracht wird, die umsatzsteuerlich zur Lieferung von Gegenständen führt.
Bislang offen war die Beurteilung einer Drei-Personen-Beziehung. Diese ist beim Aufladen von Elektrofahrzeugen die mittlerweile typische Wertschöpfungskette. Hierzu hatte sich bislang nur der Mehrwertsteuer-Ausschuss mit einer Leitlinie positioniert ‒ ohne Bindungswirkung.
Sachverhalt des aktuellen Urteils
Die Steuerpflichtige hat den Geschäftssitz in Deutschland. Die Steuerpflichtige stellt Nutzern von Elektrofahrzeugen in Schweden Zugang zu einem Netz von Ladepunkten zur Verfügung. Die Nutzer erhalten in Echtzeit Informationen über die Preise und die Verfügbarkeit der zu diesem Netz gehörenden Ladepunkte. Außerdem umfasst die erbrachte Dienstleistung Funktionen zur Suche und Lokalisierung von Ladestationen sowie zur Routenplanung.
Die zum Netz gehörenden Ladestationen werden nicht von der Klägerin betrieben, sondern von den sogenannten Ladesäulenbetreibern, mit denen die Gesellschaft Verträge abgeschlossen hat, damit die Fahrer von Elektrofahrzeugen ihre Fahrzeuge aufladen können. Hierzu stattet die E-Mobilitätsbetreiberin und Klägerin des Verfahrens die Nutzer mit einer Karte und einer Authentifizierungsapplikation aus. Bei Nutzung der Karte oder der Applikation wird jedes Aufladen beim Betreiber des Ladepunktnetzes registriert, der diese Vorgänge dann der Klägerin in Rechnung stellt. Die Rechnungsstellung erfolgt monatlich am Ende jedes Monats mit einer Zahlungsfrist von 30 Tagen.
Auf der Grundlage der von den Ladepunktbetreibern erhaltenen Rechnungen stellt die Klägerin den Karten- bzw. Applikationsnutzern ebenfalls auf monatlicher Basis Rechnungen aus, und zwar getrennt für die gelieferte Menge Elektrizität einerseits und für den Zugang zum Netz und die Nebenleistungen andererseits. Der Preis für die Elektrizität variiert aber für den Netzzugang. Für die Nebenleistungen wird eine feste Gebühr erhoben. Diese Gebühr wird unabhängig davon erhoben, ob der Nutzer während des betreffenden Zeitraums tatsächlich Elektrizität gekauft hat oder nicht. Es ist nicht möglich, nur Elektrizität von der Steuerpflichtigen zu kaufen, ohne für den Zugang zum Netz zu bezahlen.
Im Ausgangsrechtsstreit geht es nunmehr unter anderem um die Frage,
- ob die von der Klägerin erbrachte Leistung einen komplexen Umsatz darstellt, dessen charakteristischer und vorherrschender Bestandteil die Lieferung von Elektrizität ist, oder
- ob sich diese Leistung aus zwei verschiedenen Leistungen zusammensetzt, nämlich aus einer Lieferung von Elektrizität und einer Leistung der Gewährung des Zugangs zum Ladepunktnetz.
Entscheidung
Der EuGH ordnet den Ladevorgang als Lieferung ein und bejaht eine Lieferkette. Nach Auffassung des EuGH sind die beiden Voraussetzungen eines Kommissionsgeschäfts nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL „offenbar erfüllt“. Die Klägerin wird im Rahmen eines Kommissionsvertrags i. S. v. Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL im eigenen Namen, aber für Rechnung des Nutzers tätig. Die tatsächliche Lieferung von Elektrizität durch die Klägerin an den Nutzer unterscheidet sich nicht von der Lieferung von Elektrizität durch den Ladesäulenbetreiber an die Klägerin.
Hinsichtlich der Entrichtung des zusätzlichen Festbetrags für den Zugang zum Ladepunktnetz tendiert der EuGH zur Annahme einer eigenständigen Leistung des in die Lieferkette einbezogenen eMP gegenüber den Fahrzeugnutzern.
PRAXISTIPP | E-Charging führt also auch bei einer Drei-Personen-Beziehung als Gesamtpaket zu einer Lieferung. Die Praxis hätte sicher die Annahme einer Dienstleistung bevorzugt. Denn das Laden durch ausländische Unternehmenskunden hätte dann zu einer B2B-Leistung geführt ‒ mit den bekannten Folgen (Nettoabrechnung und Reverse Charge). Nach dem EuGH-Urteil muss die Abrechnung ‒ wie beim Tanken ‒ im Ursprungland unter Ausweis der Umsatzsteuer brutto erfolgen. Der Unternehmenskunde ist also auf das Vorsteuer-Vergütungsverfahren angewiesen. |
Fundstelle
- EuGH 17.10.24, C-60/23, Digital Charging Solutions GmbH, iww.de/astw, Abruf-Nr. 245147