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  • · Fachbeitrag · Bewertung Grundbesitz

    Verkehrswertnachweis für Grundstücke

    von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

    | Die Finanzverwaltung erkennt in den ErbStR 2011 zu § 198 BewG unterschiedliche Möglichkeiten zum Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts an. Praxisfälle zur Anwendung des neuen Rechts sowie finanzgerichtliche Entscheidungen haben die Finanzverwaltung nun veranlasst, ihre grundsätzlichen Aussagen durch ergänzende Hinweise zu der Frage des Verkehrswertnachweises für Grundstücke zu konkretisieren. Außerdem hat der BFH die Auffassung der Verwaltung zur Berücksichtigung von Nutzungsauflagen übernommen. |

    1. Möglichkeiten eines Verkehrswertnachweises

    Abweichend von der Wertermittlung für Grundstücke nach den § 179 und §§ 182 bis 196 BewG ist der niedrigere gemeine Wert (Verkehrswert/Marktwert) am Bewertungsstichtag festzustellen, wenn der Steuerpflichtige diesen nachweist (§ 198 BewG). Möglich ist der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts durch

    • ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses,
    • ein Gutachten eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken,
    • den Nachweis eines innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag (§§ 11, 9 BewG) zustande gekommenen Kaufpreises über das zu bewertende Grundstück.

     

    1.1 Beweislastverteilung

    Den Steuerpflichtigen trifft für den Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts nicht nur eine bloße Darlegungslast, sondern eine Nachweislast. Dies bedeutet, dass der Steuerpflichtige die für ihn steuergünstige Tatsache eines niedrigeren Verkehrswertes durch geeignete Beweismittel, z.B. in der Form eines Gutachtens oder eines Kaufpreises, beibringen muss. Es genügt nicht, wenn der Steuerpflichtige lediglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Gericht beantragt (BFH 4.4.05, II B 43/04, BFH/NV 05, 1237; BFH 10.11.04, II R 69/01, BStBl II 05, 259).

     

    PRAXISHINWEIS | Möglich ist nur der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts für die gesamte wirtschaftliche Einheit. Es ist z.B. nicht möglich, bei einem bebauten Grundstück lediglich den Verkehrswert des Grund und Bodens ohne das aufstehende Gebäude oder nur die Bewirtschaftungskosten eines Mietobjekts durch ein Gutachten nachzuweisen.

     

    Aus der Sicht der Gerichtsbarkeit handelt es sich bei einem Sachverständigengutachten um ein Privatgutachten und damit um ein substantiiertes, urkundlich belegtes Privatvorbringen, das der freien Beweiswürdigung des FG unterliegt und im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen ist (FG Berlin-Brandenburg 15.9.10, 3 K 3232/07, DStRE 11, 1386).

     

    1.2 Kostentragung

    Die Kosten eines Gutachtens hat der Steuerpflichtige zu tragen. Fraglich ist, ob er die Kosten eines Gutachtens bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs in Abzug bringen kann. Der BFH hatte einen Abzug als Nachlassverbindlichkeit gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG zunächst nur für die Fälle anerkannt, in denen das Gutachten auch zivilrechtlich erforderlich war.

     

    • Beispiel

    Der Verkehrswert eines Grundstücks wird für die Berechnung der Höhe eines Pflichtteilsanspruchs oder zur Berechnung des Wertausgleichs im Rahmen einer Erbauseinandersetzung benötigt.

     

    Offen war hingegen, ob die Gutachterkosten auch als Nachlasskosten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG erwerbsmindernd zu berücksichtigen sind, wenn die Kosten für die Erstellung eines Verkehrswertgutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ausschließlich im Rahmen des Feststellungsverfahrens für den Grundbesitzwert anfallen. In einem erst kürzlich veröffentlichten Urteil wurde diese Möglichkeit zugelassen, wenn die Kosten für die Erstellung des Verkehrswertgutachtens in engem zeitlichen und rechtlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen (BFH 19.6.13, II R 20/12, ErbBstg 13, 215).

     

    • Beispiel (nach BFH 19.6.13, a.a.O.)

    K beantragt beim FA, bei der Besteuerung der Erbschaft einen Betrag von etwa 2.600 EUR für die Kosten der im Feststellungsverfahren eingeschalteten Gutachterin als Erbfallkosten zu berücksichtigen. Mit dem Gutachten war der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts erbracht worden. Gleichzeitig sollte es für den geplanten Verkauf des Grundstücks verwendet werden.

     

    Die Vorinstanz (FG Nürnberg 22.3.12, 4 K 1692/11, ErbBstg 12, 237) hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kosten für das Sachverständigengutachten seien Kosten der Rechtsverfolgung zur Minderung der ErbSt und damit nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG abzugsfähig. Soweit das Verkehrswertgutachten auch der Bestimmung der Preisuntergrenze im Zusammenhang mit einem geplanten Verkauf des Anwesens gedient habe, lägen Kosten der Verwertung des Nachlasses vor, die ebenfalls nicht abzugsfähig seien.

     

    Der BFH (19.6.13, a.a.O.) folgte dieser Auffassung nicht. Er geht davon aus, dass auch die Kosten für die Bewertung von Nachlassgegenständen abzugsfähig sind, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 S. 3 ErbStG) anfallen. Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach § 198 BewG zum Nachweis eines Verkehrswerts für ein zum Nachlass gehörendes Grundstück. Der BFH verweist auch auf die Aussage der Finanzverwaltung in H E 10.7 S. 2 „Steuerberatungskosten und Rechtsberatungskosten im Rahmen des Besteuerungs- und Wertfeststellungsverfahrens“ ErbStH, wonach auch von der Finanzverwaltung Kosten anerkannt werden, sofern die Kosten im Rahmen der Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung anfallen und vom Erwerber getragen werden. Auch die weitere Zwecksetzung, eine Grundlage für den geplanten Verkauf zu schaffen, ändert nichts am unmittelbaren Zusammenhang der Kosten mit der Regelung des Nachlasses. Zudem stehe auch § 10 Abs. 8 ErbStG einem Abzug nicht entgegen, da es sich bei den Kosten für die Bewertung von Nachlassgegenständen nicht um Rechtsverfolgungskosten i.S. dieser Regelung handelt. Die Aussagen dürften für Schenkungen entsprechend gelten.

     

    1.3 Kaufpreis

    Möglich und am einfachsten ist der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts durch den Nachweis eines innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag (§§ 11, 9 BewG) zustande gekommenen Kaufpreises über das Grundstück. Ist ein Kaufpreis außerhalb des Zeitraums von einem Jahr im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen und sind die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert geblieben, so kann auch dieser als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen (OFD Münster 14.12.11, Kurzinformation Nr. 4/2011, DStR 12, 970; BFH 2.7.04, II R 55/01, BStBl II 04, 703).

     

    1.4 Gutachten des Gutachterausschusses

    Möglich ist der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts auch durch ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses. Im Einzelfall wäre zu klären, ob der Gutachterausschuss bereit ist, ein Gutachten zu erstellen.

     

    1.5 Gutachten eines Sachverständigen

    Auch möglich ist das Gutachten eines Sachverständigen. Nach Auffassung des BFH ist regelmäßig ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erforderlich (BFH 10.11.04, II R 69/01, BStBl II 05, 259; BFH 11.9.13, II R 61/11, ErbBstg 14, 35).

     

    Die Finanzverwaltung hält gleichwohl an ihrer Auffassung fest, dass der Steuerpflichtige den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts regelmäßig auch durch ein Gutachten eines nicht öffentlich bestellten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erbringen kann (so auch R B 198 Abs. 3 S. 1 ErbStR 2011). Dies gilt nicht zuletzt schon aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen, insbesondere für inhaltlich mangelfreie Gutachten eines nach der DIN EN ISO/EC 17024 zertifizierten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken (Gleichlautende Ländererlasse vom 19.2.14, BStBl I 14, 808).

     

    PRAXISHINWEIS | Im Zweifel sollte der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts durch ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erbracht werden. Dies dürfte aufgrund der Rechtsprechung des BFH eine Anerkennung nicht nur durch die Finanzverwaltung, sondern auch durch die Gerichte erleichtern.

     

    Legt der Steuerpflichtige zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts das Gutachten eines Sachverständigen für die Grundstücksbewertung vor und gelangt der Gutachter nach einer Wertermittlung sowohl im Sachwert- als auch im Ertragswertverfahren mit zutreffender Begründung dazu, dass das Grundstück ausschließlich im Ertragswertverfahren zu bewerten ist, handelt das FA rechtswidrig, wenn es den Grundstückwert ohne weitere Begründung auf den Mittelwert beider Werte feststellt (BFH 3.12.08, II R 19/08, BStBl II 09, 403).

     

    PRAXISHINWEIS | Nach § 8 Abs. 1 S. 3 Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) ist der Verkehrswert aus dem Ergebnis des oder der herangezogenen Verfahren (Vergleichswert-, Ertragswert- und Sachwertverfahren) unter Würdigung seiner bzw. ihrer Aussagefähigkeit zu ermitteln. Dem müssten auch die Finanzverwaltung und Gerichte im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung tragen.

     

    Nach Auffassung des BFH kann das FG - und damit m.E. auch schon das FA - sich seine Überzeugung von einem niedrigeren gemeinen Wert auch dadurch bilden, dass es aus mehreren vom Steuerpflichtigen vorgelegten Gutachten diejenigen Ansätze bezüglich derselben Bewertungsmethode übernimmt, die gemäß der WertV ermittelt und plausibel sind, und diese Ansätze - sofern möglich - zu einem Ganzen zusammenfügen. Sollten die verbundenen Ansätze kein Ganzes ergeben, dürfen etwaige Lücken durch das FG bzw. das FA selbst nur geschlossen werden, wenn und soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung möglich ist (BFH 9.9.09, II B 69/09, BFH/NV 09, 1972).

     

    Einem Sachverständigengutachten kann danach auch zu folgen sein, wenn einzelne Faktoren, wie z.B. die erzielbare Miete und die Restnutzungsdauer, von der Behörde oder vom Gericht anders bewertet werden und bei der Berechnung daher auszutauschen sind. Der BFH folgt damit einem Urteil des Sächsischen FG (8.4.09, 2 K 1655/08, ErbBstg 10, 90). Dieses hatte zudem entschieden, dass zur Eigennutzung ungeeignete Renditeobjekte - im Streitfall ein Ladenlokal - regelmäßig im Ertragswertverfahren zu bewerten sind und das Sachwertverfahren im Regelfall bei renditeunabhängigen Objekten der Eigennutzung Anwendung findet. Nach einer Verfügung des FinMin Sachsen soll nunmehr auch die Finanzverwaltung von dieser Wertung ausgehen (FinMin Sachsen vom 12.11.09, DStR 10, 873).

     

    1.6 Verhältnis Kaufpreis und Sachverständigengutachten

    Liegt ein Sachverständigengutachten und ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück vor, ist der zustande gekommene Kaufpreis maßgeblich (FG Berlin-Brandenburg 15.9.10, 3 K 3232/07, DStRE 11, 1386).

     

    • Beispiel

    Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 5.8.01 stellte das FA für Zwecke der Erbschaftsteuer den Grundbesitzwert für ein Grundstück mit 162.500 EUR fest. Nach dem Erlass eines Feststellungsbescheids wird zum Zwecke des Verkaufs des Grundstücks auf den 7.5.02 ein Verkehrswertgutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen erstellt, welches einen Verkehrswert von 120.000 EUR für das Grundstück ausweist. Mit Vertrag vom 5.7.02 wird das Grundstück zu einem Preis von 130.000 EUR veräußert. 

     

    Lösung: Ein Sachverständigengutachten ist nicht vorrangig gegenüber einer stichtagsnahen Veräußerung. Der nach den Regeln von Angebot und Nachfrage frei ausgehandelte Marktpreis für ein Wirtschaftsgut - unter Außerachtlassung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse - bietet nach Ansicht des FG die beste Gewähr dafür, den Verkehrswert eines Wirtschaftsguts abzubilden. Beim Vorliegen sowohl eines Sachverständigengutachtens als auch eines zeitnahen Grundstückskaufvertrags ist es dem FG daher nicht versagt, beide Beweismittel für seine Überzeugungsbildung heranzuziehen. Kommt ein gegenüber dem Gutachterwert von 120.000 EUR höherer Kaufpreis von 130.000 EUR zustande, müssen daher die 130.000 EUR als Verkehrswert herangezogen werden (FG Berlin-Brandenburg 15.9.10, a.a.O.). Gleiches muss gelten, wenn ein gegenüber dem Gutachterwert günstigerer Kaufpreis zustande kommt.

     

    1.7 Nachweis nach Bestandskraft des Feststellungsbescheids

    Ein Gutachten, das erst nach Bestandskraft des Feststellungsbescheids in Auftrag gegeben wird, erfüllt nicht die Anforderungen an ein Beweismittel i.S. des § 173 AO, denn das Gutachten war bei Erlass des Bescheides noch nicht vorhanden gewesen. Den Steuerpflichtigen wird daher regelmäßig grobes Verschulden daran treffen, dass er das Gutachten verspätet in Auftrag gegeben hat bzw. nicht wenigstens Einspruch gegen den Feststellungsbescheid eingelegt hat, mit der Begründung, er werde ein Gutachten erstellen lassen (OFD Karlsruhe 5.9.13, DStR 14, 146).

     

    Kommt ein Kaufpreis erst nach Bestandskraft des Feststellungsbescheids zustande, hat die Finanzverwaltung nach zunächst vertretener Auffassung darin eine wertaufhellende Tatsache bzw. ein Beweismittel in Bezug auf den am Bewertungsstichtag bestehenden Verkehrswert gesehen, sodass der Feststellungsbescheid über den Grundbesitzwert grundsätzlich nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden konnte (so noch OFD Magdeburg 6.9.10, DStR 10, 2637; FG Berlin-Brandenburg 24.3.10, 3 K 3258/06 B, DStRE 10, 1136, Verkauf 14 Monate nach dem Bewertungsstichtag).

     

    Wird das Grundstück allerdings bereits vor dem Erlass des Bescheids verkauft, scheitert eine Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO regelmäßig am groben Verschulden des Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden, weil dieser in der Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts nach einem niedrigeren gemeinen Wert mittels Kaufpreisnachweises befragt wird (OFD Magdeburg 6.9.10, DStR 10, 2637).

     

    Aufgrund einer Entscheidung des FG Baden Württemberg, wonach der Kaufvertrag grundsätzlich keine nachträglich bekannt gewordene Tatsache ist (FG Baden-Württemberg 25.6.12, 8 K 3603/11, ErbBstg 13, 122; ablehnend OFD Karlsruhe 5.9.13, DStR 14, 146), halten die AO-Referatsleiter der Länder an dieser Auffassung nicht mehr uneingeschränkt fest (LfSt Bayern 12.3.14, DStR 14, 1115). Danach gilt:

     

    • Ist der Verkauf des Grundstücks vor der abschließenden Entscheidung des für die Feststellung des Grundstückswerts zuständigen Amtsträgers erfolgt und war ihm diese Tatsache bei seiner Entscheidung nicht bekannt, liegt eine neue Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 AO vor. Ist der Feststellungsbescheid bereits unanfechtbar geworden, kann der Bescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am verspäteten Bekanntwerden dieser Tatsache trifft.

     

    • Ist der Verkauf des Grundstücks erst nach der abschließenden Entscheidung des für die Feststellung des Grundstückswerts zuständigen Amtsträgers erfolgt, kommt eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht in Betracht. Der nachträglich zustande gekommene Kaufpreis stellt auch kein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar; unanfechtbar gewordene und nicht unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangene Feststellungsbescheide können in derartigen Fällen nicht mehr geändert werden.

     

    PRAXISHINWEIS | Ist der Verkauf eines Grundstücks beabsichtigt oder vorstellbar, sollte die Bestandskraft des Feststellungsbescheids soweit wie möglich herausgezögert werden.

     

    2. Auflagen im Sachverständigengutachten

    Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften. Nach Maßgabe dieser Vorschriften besteht insoweit die Möglichkeit, sämtliche wertbeeinflussende Umstände zur Ermittlung des gemeinen Werts von Grundstücken zu berücksichtigen. Hierzu gehören auch die den Wert beeinflussenden Rechte und Belastungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Art, wie z.B. Grunddienstbarkeiten und persönliche Nutzungsrechte. Ist ein nach § 198 BewG nachgewiesener gemeiner Wert als Grundbesitzwert festgestellt worden, der aufgrund von Grundstücksbelastungen durch Nutzungs- oder Duldungsrechte - z.B. Nießbrauch oder Wohnrecht - gemindert wurde, kann der Erwerber darüber hinaus das Nutzungsrecht nicht zusätzlich bereicherungsmindernd geltend machen (§ 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG).

     

    Schon zu Beginn des Jahres 2009 hatte die OFD Koblenz klargestellt, dass die zum alten Recht ergangenen Urteile des BFH (11.6.08, II R 71/05, ErbBstg 08, 254, BStBl I 09, 132; 8.10.03, II R 27/02, BStBl II 04, 179), wonach die Berücksichtigung einer Belastung mit einem (teil-)unentgeltlichen Nutzungsrecht im Rahmen des Nachweises eines niedrigeren Werts nach § 146 Abs. 7 BewG a.F. nicht zur Feststellung eines niedrigeren Grundbesitzwerts führen kann, nicht mehr anwendbar sind (OFD Koblenz 26.3.09, DB 09, 1098). Diese Auffassung hat die OFD Münster später ausdrücklich bestätig mit dem zusätzlichen Hinweis, dass eine eigenständige Bewertung des Nutzungsrechts gemäß der §§ 14 bis 16 BewG nicht erforderlich ist (OFD Münster 17.2.12, DStR 12, 971).

     

    Der BFH hat nun in einer zur Begrenzung des Jahreswerts einer Nutzung gemäß § 16 BewG ergangenen Entscheidung diese Auffassung ausdrücklich bestätigt. Danach ist § 16 BewG auch nach der ErbStReform zwar als verfassungsgemäß anzusehen, kommt aber für Nutzungen an einem Grundstück nur zur Anwendung, wenn der Nutzungswert erst bei der Festsetzung der ErbSt/SchenkSt vom gesondert festgestellten Grundbesitzwert abgezogen wird (BFH 9.4.14, II R 48/12, ErbBstg 14, 192). Aufgrund der Einfügung des § 10 Abs. 6 S. 6 ErbStG erkennt der BFH entgegen seiner früheren Rechtsprechung ausdrücklich an, dass ein Steuerpflichtiger im Rahmen der gesonderten Feststellung des Grundbesitzwerts (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V. mit § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BewG) nach § 198 BewG einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks unter Berücksichtigung der auf dem Objekt lastenden Nutzungsrechte nachweisen kann. Nur wenn er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, muss er es hinnehmen, dass der Jahreswert des auf dem Grundstück lastenden Nutzungsrechts bei der Festsetzung der ErbSt/SchenkSt höchstens mit dem in § 16 BewG bestimmten Wert vom gesondert festgestellten Grundbesitzwert abgezogen wird.

     

    • Beispiel (Schenkung 2014)

    Steuerwert/Verkehrswert Grundstück (keine Wohnimmobilie)

    1.500.000 EUR

    Jahreswert lebenslänglicher Nießbrauch

    90.000 EUR

    Begrenzung Jahreswert nach § 16 BewG

    Steuerwert 1.500.000 / 18,6

     

    80.645 EUR

    unterstellter Vervielfältiger auf den Jahreswert für einen Mann von 60 Jahren nach Sterbetafel 2009/2011 Lebenserwartung 21,31

     

     

    12,713

     
    • Variante 1

    Ermittlung des Verkehrswerts des Grundstückes unter Berücksichtigung des Nießbrauchsrechts durch Sachverständigengutachten:

    Lagefinanzamt

    Verkehrswert Grundstück

    1.500.000 EUR

    Jahreswert lebenslänglicher Nießbrauch

    90.000 EUR x 12,713 (laut BFH keine Begrenzung)

     

    - 1.144.170 EUR

    Gutachterwert als festgestellter Grundbesitzwert

    355.830 EUR

     

    Erbschaftsteuerfinanzamt

    355.830 EUR

    Freibetrag (bei unterstellter Steuerklasse II z.B. Nichte)

    - 20.000 EUR

    abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 S. 1 und 6 ErbStG)

     

    335.800 EUR

    Steuer 25 %, aber Härteausgleich (300.000 x 20 % =)

     

    60.000 EUR

    (35.800 EUR x 50 % =)

    17.900 EUR

    Steuer

    77.900 EUR

    77.900 EUR

     
    • Variante 2

    Ermittlung des Grundbesitzwerts ohne Sachverständigengutachten und Abzug des Nießbrauchs bei der Ermittlung der Schenkungsteuer:

    Lagefinanzamt

    Festgestellter Steuerwert Grundstück z.B. im Ertragswertverfahren

     

    1.500.000 EUR

    Erbschaftsteuerfinanzamt

    Die Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG ist zu beachten. Nach Auffassung des BFH (9.4.14, II R 48/12, ErbBstg 14, 192) ist die Vorschrift auch nach der ErbSt-Reform weiterhin anwendbar.

    Steuerwert 1.500.000 : 18,6 = 80.645 EUR x 12,713

    - 1.025.239 EUR

    Bereicherung

    474.761 EUR

    Freibetrag (bei unterstellter Steuerklasse II z.B. Nichte)

    - 20.000 EUR

    abgerundeter steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 S. 1 und 6 ErbStG)

     

    454.700 EUR

    Steuer 25 %

    113.675 EUR

     

    Es ist somit in den Fällen der Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG von Bedeutung, ob der Nießbrauch schon bei der Ermittlung des Verkehrswerts des Grundstücks durch einen Gutachter im Rahmen der Bewertung durch die Bewertungsstelle des FA berücksichtigt wird oder erst bei der Ermittlung der ErbSt.

     

    Wird ein Grundstück mit der Auflage übertragen, dass der Beschenkte einem Dritten ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück einräumt (Zuwendungsnießbrauch), so erfolgt die Besteuerung der Grundstücksschenkung beim Empfänger des Grundstücks ebenso, wie wenn nach § 198 BewG ein niedrigerer gemeiner Wert unter Berücksichtigung der Belastung aus dem Nutzungsrecht nachgewiesen und festgestellt wird.

     

    Zum Zwecke der Besteuerung des Empfängers des Zuwendungsnießbrauchs ist das Nutzungsrecht nach den §§ 14 bis 16 BewG zu bewerten. Zum Zwecke der Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG ist in den Fällen des § 198 BewG der festgestellte Wert vor Abzug der Belastung aus dem Nutzungsrecht („Bruttowert“) durch 18,6 zu teilen. Die in Abzug gebrachte Belastung soll von der Bewertungs-/Grundstücksstelle im nachrichtlichen Teil des Feststellungsbescheids mitgeteilt werden (zu weiteren Einzelheiten siehe OFD Münster 17.2.12, DStR 12, 971).

    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 273 | ID 42955457