· Fachbeitrag · Erbschaftsteuer
Für im Ausland gezahlte ErbSt gibt es keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
| EuGH und BFH sind sich einig: Bei einem nach ausländischem Recht besteuerten Vorerwerb ist für einen nachfolgenden Erwerb desselben Vermögens von Todes wegen durch Personen der Steuerklasse I keine Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG zu gewähren. |
Sachverhalt
Der Kläger K ist Alleinerbe seiner im Jahr 2007 verstorbenen Mutter M. M wohnte zusammen mit ihrer Tochter T bis zu deren Tod im Jahr 2004 in Österreich und hat danach ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt. Sie war Miterbin der T. Für ihren Erwerb wurde in Österreich ErbSt festgesetzt, die K bezahlte. Deutsche ErbSt entstand nicht, da T und M keine Inländer waren und zum Nachlass der T auch kein Inlandsvermögen gehörte.
K beantragte wegen des mehrfachen Erwerbs desselben Vermögens durch Personen der Steuerklasse I die Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG. Das FA erfasste die in Österreich geleistete ErbSt als Nachlassverbindlichkeit und lehnte die Steuerermäßigung nach § 27 ErbStG ebenso wie das FG ab (Hessisches FG 3.7.13, 1 K 608/10, EFG 13, 2035). § 27 ErbStG setze voraus, dass der Vorerwerb der deutschen ErbSt unterlegen hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet (BFH 27.9.16, II R 37/13, Abruf-Nr. 190824). Der BFH hatte das Revisionsverfahren zunächst (20.1.15, II R 37/13, ErbBstg 15, 115) ausgesetzt und dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV i. V. mit Art. 65 AEUV der Regelung des § 27 ErbStG entgegensteht. Der EuGH hat mit Urteil vom 30.6.16 (C-123/15, EU:C:2016:496, Feilen, ErbBstg 16, 227) diese Frage verneint.
§ 27 Abs. 1 ErbStG gewährt eine Steuerermäßigung für den Erwerb von Vermögen von Todes wegen durch Personen der Steuerklasse I, wenn dieses Vermögen in den letzten zehn Jahren vor dem Erwerb bereits von Personen dieser Steuerklasse erworben wurde und für den Vorerwerb ErbSt „nach diesem Gesetz“ zu erheben war. Erwerbe, denen ein nach ausländischem Recht steuerpflichtiger Vorerwerb vorausging, werden nicht erfasst.
Nach der Entscheidung des EUGH (30.6.16, a. a. O.) führt § 27 ErbStG zwar zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs i. S. von Art. 63 Abs. 1 AEUV. Diese Beschränkung sei aber gerechtfertigt, um die Kohärenz des Steuersystems zu wahren: Die Steuervergünstigung kommt Personen zugute, denen von Todes wegen Vermögen anfällt, für das bei einem vorherigen Erbanfall eine solche Steuer in Deutschland erhoben wurde. Diese spiegelbildliche Logik wäre gestört, wenn dieser Steuervorteil auch Personen zugutekäme, die Vermögen erben, für das in Deutschland keine ErbSt erhoben wurde. Daher bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Steuervorteil nach § 27 ErbStG und der früheren Besteuerung.
Relevanz für die Praxis
Der EuGH (12.2.09, C-67/08, Block, ErbBstg 09, 88) sieht auch keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, wenn Erben von Kapitalvermögen, das in mehreren EU-Staaten angelegt ist, doppelt mit ErbSt belastet werden - beispielsweise, wenn ein Inländer bei einer Bank in Spanien angelegtes Geldvermögen erbt. Das deutsche Recht stellt auf den Wohnsitz des Erben ab, das spanische Recht auf den Sitz des Schuldners (Bank).
Hängen Steuervergünstigungen im Erbrecht dagegen allein vom Wohnsitz des Erblassers und des Erwerbers oder der Belegenheit des Nachlassvermögens ab, sieht der EuGH einen Verstoß gegen Art. 63 Abs. 1 AEUV. Dies gilt jedenfalls dann, wenn Erwerbe von Todes wegen, an denen Gebietsfremde beteiligt oder von denen Vermögensgegenstände in einem anderen Mitgliedstaat erfasst sind, höher besteuert werden als Erwerbe, an denen nur Gebietsansässige beteiligt oder von denen nur Vermögensgegenstände im Mitgliedstaat der Besteuerung erfasst sind (EuGH 17.1.08, C 256/06, Jäger, ErbBstg 08, 109; EuGH 3.9.14, C 127/12, Kommission/Spanien, ErbBstg 14, 253; EuGH 4.9.14, C 211/13, Kommission/Deutschland, DStR 14, 1818).
Einen Verstoß gegen Art. 63 AEUV i. V. mit Art. 65 AEUV sieht der EUGH (22.4.10, C-510/08, ErbBstg 10, 174) auch, wenn der persönliche Freibetrag im Fall der Schenkung eines im Inland (Deutschland) belegenen Grundstücks niedriger ist, weil Schenker und Schenkungsempfänger ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat (Niederlande) und nicht im Inland hatten.