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  • · Fachbeitrag · Erbschaftsteuer

    Mangels DBA keine Anrechnung der im Ausland gezahlten ErbSt auf dort angelegtes Kapitalvermögen

    von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin

    • 1. Die ErbSt, die ein ausländischer Staat auf den Erwerb von Kapitalvermögen erhebt, das ein inländischer Erblasser in dem Staat angelegt hatte, ist bei Fehlen eines DBA weder auf die deutsche ErbSt anzurechnen noch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
    • 2. Führt die Doppelbesteuerung zu einer übermäßigen, konfiskatorischen Steuerbelastung, kann eine Billigkeitsmaßnahme geboten sein.

    (BFH 19.6.13, II R 10/12, Abruf-Nr. 132452)

     

    Sachverhalt

    Die Klägerin K erbte in Frankreich angelegtes Kapitalvermögen (Bankguthaben, festverzinsliche Wertpapiere). Erblasserin und Erbin (K) hatten ihren Wohnsitz in Deutschland. Das FA ließ die in Frankreich erhobene ErbSt bei der Festsetzung der ErbSt unberücksichtigt. Da das FA die Gesamtbelastung durch die französische und die deutsche ErbSt teilweise als sachlich unbillig ansah, gewährte es einen Teilerlass gemäß § 227 AO. Das FG (FG BW 21.12.11, 7 K 1935/10, EFG 12, 1290) folgte dem FA, da die französische ErbSt weder auf die deutsche ErbSt anzurechnen noch als Nachlassverbindlichkeit abziehbar sei.

     

    Entscheidungsgründe

    Die französische ErbSt auf das in Frankreich angelegte Kapitalvermögen ist nicht auf die deutsche ErbSt anzurechnen. Gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 ErbStG i.V. mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2a ErbStG ist bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen ErbSt entsprechenden Steuer herangezogen worden sind, dann, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz im Inland hatte, die ausländische Steuer insoweit auf die deutsche ErbSt anzurechnen, als das Auslandsvermögen i.S. § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG auch der deutschen ErbSt unterliegt, sofern nicht ein DBA anzuwenden ist.

     

    War der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer, etwa weil er im Inland einen Wohnsitz hatte (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2a ErbStG), gelten nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG als Auslandsvermögen alle Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art, die auf den ausländischen Staat entfallen, sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen. Im Privatvermögen gehaltene Forderungen von Inländern gegen ausländische Schuldner zählen nach § 121 Nr. 7 BewG nur dann zum Auslandsvermögen, wenn die Forderung durch ausländischen Grundbesitz unmittelbar oder mittelbar gesichert ist. Private Guthaben von Inländern bei ausländischen Banken rechnen danach nicht zum Auslandsvermögen (BFH 16.1.08, II R 45/05, BStBl II 08, 623). Gleiches gilt für ausländische festverzinsliche Wertpapiere, die Inländern gehören (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG i.V. mit § 121 Nr. 7 S. 2 BewG; Troll/Gebel/ Jülicher, ErbStG, § 2 Rn. 64).

     

    Eine Anrechnung gebietet auch nicht der Grundsatz der Freiheit des Kapitalverkehrs (Art. 56 und 58 EG, jetzt Art. 63, 65 AEUV). Nach Ansicht des EUGH (12.2.09, C-67/08 (Block), ErbBstg 09, 88) können beide Mitgliedstaaten ihre Besteuerungsbefugnis parallel zueinander ausüben, und zwar so, dass der eine (Deutschland) auf Kapitalforderungen ErbSt erhebt, wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz in Deutschland hat, während der andere (Spanien) auf solche Forderungen die spanische ErbSt erhebt, wenn der Schuldner in Spanien ansässig ist. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, ihr Steuersystem den Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen und die sich aus der parallelen Ausübung ihrer Besteuerungsbefugnisse ergebende Doppelbesteuerung zu beseitigen.

     

    Aus dem Grundgesetz (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG: Gewährleistung des Eigentums und des Erbrechts; Art. 3 Abs. 1 GG: allgemeiner Gleichheitssatz; Art. 2 Abs. 1 GG: allgemeine Handlungsfreiheit) ergibt sich nichts anderes. Ist die Höhe der Steuerbelastung aus der Doppelbesteuerung unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und des auf dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruhenden Übermaßverbots nicht hinnehmbar, hat dies nicht zur Folge, dass die ausländische Steuer auf die inländische ErbSt anzurechnen ist. Wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem „ungewollten Überhang“ führen würde, kann eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass nach §§ 163, 227 AO bestehen (BVerfG 10.11.98, 2 BvL 42/93, BStBl II 99, 174).

     

    Die französische ErbSt ist auch nicht als Nachlassverbindlichkeit abziehbar. Nach § 10 Abs. 8 ErbStG ist die vom Erwerber zu entrichtende eigene ErbSt nicht abzugsfähig. Dies gilt übereinstimmend mit der Auffassung der Finanzverwaltung (H E 10.11 ErbStH 2011) auch für ausländische Steuern, die der deutschen ErbSt entsprechen (FG Düsseldorf 13.5.09, 4 K 155/08 Erb, ErbBstg 10, 6).

     

    Praxishinweis

    Das Attribut der übermäßigen Steuerbelastung hat der BFH nicht definiert. Zwischen Deutschland und Frankreich ist am 3.4.09 ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe, Erbschaften und Schenkungen in Kraft getreten. Die Entscheidung des BFH ist aber ebenso im Verhältnis zu Staaten von Bedeutung, mit denen kein DBA besteht und die für die Erhebung von ErbSt an den Wohnsitz oder Sitz des Schuldners von Kapitalforderungen des Erblassers anknüpfen.

     

    § 21 ErbStG sieht günstigere Anrechnungsregeln vor, wenn der Erblasser bei seinem Ableben seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als Deutschland hatte, weil in diesem Fall der Begriff des Auslandsvermögens nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG weiter gefasst ist als wenn der Erblasser Inländer war (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG). Der EUGH (12.2.09, C-67/08 (Block), ErbBstg 09, 88) sieht diese unterschiedliche Behandlung im Einklang mit den Besteuerungsbefugnissen der Mitgliedstaaten. Außerdem garantiere das Unionsrecht einem Unionsbürger nicht, dass die Verlegung seines Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat steuerneutral sei.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 211 | ID 42259836