· Fachbeitrag · Anwaltliche Vergütung
Grundsatzentscheidung des OLG Schleswig: „Angelegenheit“ im Beratungshilfegesetz
von RAin Anke-Marei Rademacher, FAin Familienrecht, Uetersen
Beratungshilfe wird in „Angelegenheiten“ gewährt, § 2 Abs. 2, § 6 BerHG. „Eine“ Angelegenheit liegt vor im Fall eines gleichzeitigen Auftrags, eines gleichen Rahmens sowie eines zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs der Bearbeitung. In generalisierender Betrachtung ist im Familienrecht von bis zu vier möglichen Angelegenheiten auszugehen, nämlich von der Scheidung, dem persönlichen Verhältnis zu den Kindern, von Fragen im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat sowie von finanziellen Auswirkungen von Trennung und Scheidung (OLG Schleswig 25.4.13, 9 W 41/13, n.v., Abruf-Nr. 132156). |
Sachverhalt
Antragstellerin A war für die Beteiligte B als Rechtsanwältin in verschiedenen familienrechtlichen Belangen tätig und begehrte mit einem einzigen Antrag viermal Beratungshilfe, nämlich für die Angelegenheiten „Trennung“, „Umgang“, „Unterhalt“ und „Fahrzeug“. Der Antrag wurde mit nur einem Bewilligungsschein bewilligt.
Nach Beendigung der Tätigkeit beantragte A die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 4 x 99,96 EUR. Der Rechtspfleger setzte 1 x 99,96 EUR fest und lehnte die weitere Festsetzung ab.Der Erinnerung wurde nicht abgeholfen. AG und LG wiesen den Antrag zurück und ließen die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zu. Gegenüber dem OLG hat A klargestellt, dass sie die bereits festgesetzte Gebühr auf die Angelegenheit „Trennung“ anrechnen möchte. Sie begehrt die Vergütung von drei weiteren Angelegenheiten.
Entscheidungsgründe:
Das OLG hat die Beschwerde als zulässig und in zwei weiteren Angelegenheiten als begründet erachtet. Nach § 2 Abs. 2, § 6 BerHG wird Beratungshilfe in „Angelegenheiten“ gewährt. Dieser Begriff ist im BerHG nicht definiert. Daher dürfe auf das RVG zurückgegriffen werden. Hiernach liege „eine Angelegenheit“ vor, wenn ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung gegeben sei.
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Diese sind grundsätzlich in vier Themenkomplexe zu unterteilen, nämlich in:
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Da in Beratungshilfefällen eine handhabbare Praxis erforderlich sei, könne weder dem Anwalt noch dem Rechtspfleger zugemutet werden, im Einzelfall gesondert vorzutragen und zu prüfen, ob zwischen den verschiedenen Komplexen ein innerer Zusammenhang besteht. Mögliche Ungerechtigkeiten einer typisierenden Zuordnung würden durch die einfache und übersichtliche Handhabung aufgewogen.
§ 16 Abs. 4 RVG (dieselbe Angelegenheit von Scheidung und Folgesache) passe methodisch nicht auf Beratungshilfefälle, da für Beratungshilfe im Gegensatz zu den gerichtlichen Gebühren Festgebühren gelten. Nach diesem Verständnis falle die geltend gemachte Tätigkeit der Antragstellerin zu den Angelegenheiten „Unterhalt“ und „Fahrzeug“ unter den Themenkomplex „finanzielle Auswirkungen“. Insoweit liege nur eine Angelegenheit vor.
Praxishinweis
Die Entscheidung ist auf der einen Seite hilfreich und praktikabel, indem künftig die vier Themenkomplexe als gesonderte „familiengerichtliche Angelegenheiten“ gelten. Ohne langwierige Ausführungen kann eine Zuordnung zu dem jeweiligen Themenkomplex erfolgen und eine gesonderte Abrechnung stattfinden. Auf der anderen Seite wird damit die anwaltliche Tätigkeit im Familienrecht verkannt.
Das OLG Schleswig will mit seiner Entscheidung offensichtlich verhindern, dass für jede Beratung, die aufgrund einer Trennung anfällt, eine eigene gesonderte Gebühr anfallen kann. Diese Sorge ist nicht berechtigt, da die Folgesachen auf zehn Folgesachen begrenzt und nicht uferlos sind.
MERKE | Als Folgesachen zu nennen sind: Ehewohnung, Hausrat, Kindesunterhalt, Trennungsunterhalt, nachehelicher Unterhalt, vermögensrechtliche Auseinandersetzung, Zugewinn und Versorgungsausgleich, Sorge- und Umgangsrecht. |
Die einzelnen Folgesachen sind tatsächlich und rechtlich so unterschiedlich, dass diese auch bei der Beratungshilfe als gesonderte Angelegenheiten berücksichtigt werden sollten. Dies hätte eine vermögensunabhängige Gleichstellung aller Mandanten zur Folge. Jede Folgesache wäre entweder gesondert oder wie nach § 22 RVG zusammengerechnet mit nur einmaliger Berücksichtigung von Auslagen und Umsatzsteuer abzurechnen, wenn diese zum Beispiel in einem einzigen Beratungsgespräch oder aber in einem einzigen Anwaltsschreiben geltend gemacht werden. Der Unterschied bliebe allein in der Höhe der Gebühren erhalten.
Die Rechtsprechung zur Einordnung einer „Angelegenheit“ ist uneinheitlich: Das OLG München (26.9.11, 11 W 1719/11, FamRB 12, 84) geht von zwei Angelegenheiten aus (vor und nach der Scheidung). Das OLG Düsseldorf (16.10.12, 3 Wx 189/12, AnwBl 13, 236) lässt acht verschiedene Angelegenheiten gelten. Nun spricht sich das OLG Schleswig vermittelnd für vier Angelegenheiten aus. Es sollte künftig für jede Folgesache gesondert Beratungshilfe beantragt und bei einer Ablehnung auf jeden Fall Beschwerde eingelegt werden.