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  • · Fachbeitrag · Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

    Fristenkontrolle nicht durch Auszubildende

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    | Ein Rechtsanwalt darf es nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen, Fristen und Termine einzutragen. |

     

    Sachverhalt

    Gegen die Kläger ist ein zweites Versäumnisurteil (VU) ergangen, weil in dem Termin niemand erschienen war. Nachdem sie Einspruch gegen ein erstes Versäumnisurteil eingelegt hatten, war der Termin zunächst auf den 31.1.12 anberaumt. Das Gericht verlegte ihn auf den 24.2.12. Die Kläger haben Berufung gegen das zweite VU eingelegt und geltend gemacht, dass sie den Verhandlungstermin unverschuldet versäumt hätten. Die Umladung zum Termin sei am 27.1.12 bei ihrem Prozessbevollmächtigten (PB) eingegangen. Dieser habe das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und anhand des Vermerks auf der Ladung kontrolliert, dass der Termin eingetragen sei. Dies sei aber tatsächlich nicht erfolgt. Die Auszubildende, die er damit beauftragt hatte, die Ladung zu notieren, habe seit zwei Jahren durchgängig fehlerlos gearbeitet. Deshalb habe der PB sicher davon ausgehen können, dass sie die Ladung auch notiert habe. Eine Kontrolle anhand des Terminkalenders sei daher nicht erfolgt. Mangels Eintragung im Kalender sei die Akte nicht zum Termin vorgelegt worden.

     

    Das LG hat die Berufung verworfen. Die Rechtsbeschwerde blieb erfolglos (BGH 11.11.15, XII ZB 407/12, FamRZ 16, 209, Abruf-Nr. 182688).

     

     

    Entscheidungsgründe

    Es liegt ein Organisationsverschulden des PB vor, das er sich zurechnen lassen muss, § 85 Abs. 2 ZPO. Nach ständiger Rechtsprechung darf i. d. R. nur voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal damit betraut werden, Fristen zu notieren und zu überwachen.

     

    Außerdem muss ein Anwalt durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und notiert werden. Unverzichtbar ist insoweit, dass der Anwalt

    • das Büropersonal eindeutig anweist,
    • klare Zuständigkeiten festlegt und
    • das Personal mindestens stichprobenartig kontrolliert.

     

    Daraus ist abzuleiten, dass es grundsätzlich nicht auf Auszubildende übertragen werden darf, Fristen einzutragen und zu überwachen. Denn ihnen fehlt die notwendige Erfahrung.

     

    Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, musste im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Denn es muss eine umso wirksamere Kontrolle durch den Anwalt selbst oder durch eine ausgebildete oder erfahrene Angestellte gewährleistet sein. Diese muss sicherstellen, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten überprüft werden, ob diese richtig sind. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Fristenkalender reichen nicht aus, um die von einem Auszubildenden vorgenommenen Eintragungen zu überprüfen. Vielmehr sind die Eintragungen im Fristenkalender mit der jeweiligen Akte zu vergleichen.

     

    Tragen Auszubildende Termine ein, gelten keine geringen Anforderungen. Ein Auszubildender darf auch nicht damit betraut werden, bereits vom Anwalt vorgegebene Fristen in den Kalender einzutragen, ohne dass die ordnungsgemäße Erledigung jeweils anhand der Akte überprüft wird. Denn zwischen der kalendermäßigen Eintragung von konkret vorgegebenen Fristen einerseits und Terminen andererseits besteht hinsichtlich der hieran zu stellenden Anforderungen kein Unterschied, der es rechtfertigen würde, bezüglich des Umfangs der erforderlichen Erledigungskontrolle zu differenzieren.

     

    Im vorliegenden Fall ist zu beanstanden, dass nichts dazu vorgetragen ist, dass es dem Auszubildenden wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbaren triftigen Grund übertragen wurde, die Frist einzutragen.

     

    Ferner ergibt sich, dass der PB nicht anhand des Fristenkalenders und der Akte überprüft hat, ob der Auszubildende die Aufgabe erledigt hat.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH stellt klar: Für Auszubildende gelten bezüglich des Umgangs mit Fristen noch strengere Maßstäbe als für erfahrene Büroangestellte angesichts des hohen Überprüfungsaufwands. Für den Anwalt lohnt es sich nicht, diese Aufgabe den Auszubildenden zu übertragen.

     

    Besteht ausnahmsweise Personalmangel oder liegt ein anderer triftiger Grund vor, warum ein Auszubildender Fristen notieren oder überwachen muss, muss der Anwalt in jedem Fall den Fristenkalender mit den jeweiligen Akten abgleichen oder besser noch: er notiert die Frist selbst.

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGH RuS 09, 39 zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und den Kontrollpflichten, wenn ein Auszubildender Fristen einträgt; die vorliegende Entscheidung knüpft daran an
    Quelle: Ausgabe 04 / 2016 | Seite 58 | ID 43894873