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  • · Fachbeitrag · Gewaltschutzgesetz

    Senden einer WhatsApp-Nachricht verstößt nicht immer gegen ein Kontaktaufnahmeverbot

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    | Das OLG Hamm hat entschieden, dass das Versenden einer WhatsApp-Nachricht in eine größere Gruppe nicht zwingend gegen das Verbot verstößt, Kontakt unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aufzunehmen. |

     

    Sachverhalt

    F und M waren Lebensgefährten. Das AG hat eine einstweilige Anordnung erlassen, mit dem M befristet unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten wurde, u. a. sich der F zu nähern und mit F Verbindung aufzunehmen, auch indem er Fernkommunikationsmittel verwendet. Das AG hat wegen mehrfachen Verstoßes gegen das Näherungsverbot und wegen Versendens einer WhatsApp-Nachricht ein Ordnungsgeld verhängt. Die sofortige Beschwerde von M war im Hinblick auf die Höhe des Ordnungsgeldes bei einem Verstoß gegen das Näherungsverbot und wegen des Ordnungsgeldes wegen des Versendens der WhatsApp-Nachricht erfolgreich (OLG Hamm 24.9.24, 13 WF 105/24, Abruf-Nr. 245883).

     

    Entscheidungsgründe

    Die Beschwerde ist unbegründet, soweit M sich dagegen wendet, dass gegen ihn ein Ordnungsgeld i. H. v. 50 EUR wegen eines Verstoßes gegen das Näherungsverbot in einem Fall verhängt worden ist. Der M ist an einem Tag mit dem Fahrrad an der Wohnung von F vorbeigefahren und hat dadurch gegen das Verbot verstoßen, sich der Wohnung der F auf weniger als 20 Meter zu nähern. Dass M nach seinem Vortrag gedacht hat, er dürfe sich nur F nicht nähern, ist ein vermeidbarer Verbotsirrtum und steht der Annahme eines schuldhaften Verstoßes nicht entgegen. Denn das angeordnete Verbot ist hinreichend deutlich, da die Adresse der F genannt ist. Die vom AG ausgesprochene Anordnung eines Ordnungsgeldes von 50 EUR ist angemessen.

     

    Die Beschwerde ist im Hinblick auf die Höhe begründet, soweit M gegen das Näherungsverbot dadurch verstoßen hat, dass er sich F an einem Teestand nach einem gemeinsam besuchten Laufevent auf weniger als 20 Meter genähert hat. M hätte bei diesem zufälligen Zusammentreffen sofort einen gebührenden Abstand zu F herstellen müssen. Dass F sich entfernt hat, hindert nicht, das Ordnungsgeld festzusetzen, weil es die Aufgabe von M war, sofort einen gebührenden Abstand herzustellen. Wegen des als geringfügig einzuordnenden Verstoßes war die Herabsetzung des Ordnungsgeldes von 100 EUR ‒ so die Festsetzung des AG ‒ auf einen Betrag von 50 EUR geboten.

     

    Erfolg hatte die Beschwerde, soweit das AG ein Ordnungsgeld wegen des Versendens einer WhatsApp-Nachricht i. H. v. 250 EUR festgesetzt hat. Der M hatte in eine WhatsApp-Gruppe einer Laufgruppe, die aus über 10 Personen besteht und der sowohl M und F angehören, folgende Nachricht gepostet: „Da kann sie wieder lachen.“

     

    Diese Nachricht ist keine persönliche Ansprache. Denn nach dem Wortlaut ist sie keine zielgerichtete Kontaktaufnahme in Richtung auf F. Hinzu kommt, dass der M mit dieser Nachricht auf eine andere Nachricht eines anderen Mitglieds reagiert hat. Dem Kommentar des M vorausgegangen war der Versand mehrerer Fotos, die verschiedene Mitglieder der Laufgruppe zeigen, u. a. sowohl die F als auch eine Zeugin. Allein die aus Sicht der F bestehende Möglichkeit, dass der M sie gemeint haben könnte, reicht nicht aus, um dem M einen Verstoß gegen das Kontaktaufnahmeverbot vorzuwerfen. Die Nachricht war nicht eindeutig auf die F bezogen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung zeigt, dass bei angeordneten Kontaktaufnahmeverboten bei der Nutzung von WhatsApp der jeweilige Einzelfall genau zu beleuchten ist. Insofern ist von folgenden grundsätzlichen Konstellationen auszugehen:

     

    • Regelmäßig unkritisch ist, wenn Botschaften über den eigenen WhatsApp-Status verbreitet werden. Jedem Nutzer ist es selbst überlassen, ob er auf den Account des Inhabers klickt und sich die Statusmeldung anschaut. Das Einstellen ist keine Verbindungsaufnahme (AG Bergheim FamRZ 19, 407).

     

    • Problemlos zu bejahen ist eine Kontaktaufnahme, wenn ein Gruppenmitglied einer WhatsApp-Gruppe ein anderes Mitglied gezielt anspricht, oder eine Bemerkung macht, durch die sich die betreffende Person bei verständiger Würdigung aus objektiver Sicht persönlich angesprochen fühlen muss oder darf.

     

    • Nach Auffassung des OLG Hamm ist im Übrigen zu differenzieren: Handelt es sich um eine kleine WhatsApp-Gruppe mit nur 3 bis 4 weiteren Personen, ist regelmäßig ein Verstoß gegen das Kontaktaufnahmeverbot zu bejahen.

     

    • Bei größeren Gruppen tritt die mit einer Gruppennachricht verbundene persönliche Ansprache des einzelnen Mitglieds, i. d. R. derart in den Hintergrund, dass ein grundsätzliches Verbot zum Schreiben von Nachrichten in die Gruppe nicht erforderlich erscheint, um die verletzte Person vor Nachstellungen und Belästigungen des Adressaten des Kontakt- und Näherungsverbots zu schützen. Eine andere Ansicht würde die allgemeine Handlungsfreiheit erheblich einschränken, gerade bei einem gemein- samen Bekanntenkreis der Beteiligten. Demgegenüber beeinträchtigt es die verletzte Person nicht unzumutbar, wenn der Adressat des Kontakt- und Näherungsverbots eine allgemein an die Gruppe gerichtete Nachricht schreibt, mit der die F nicht persönlich angesprochen wird.

     

    MERKE | Sofern das Gericht, das über den Erlass einer Gewaltschutzanordnung befinden muss, im Einzelfall zu dem Ergebnis kommt, dass dem Adressaten des Kontakt- und Näherungsverbots zum Schutz der verletzten Person auch der Versand von Nachrichten in einer größeren Gruppe, der auch die verletzte Person angehört (sei es über WhatsApp, einen anderen Messenger-Dienst oder einen E-Mail-Verteiler), zu untersagen ist, bedarf es einer entsprechenden ausdrücklichen Klarstellung im Anordnungsbeschluss. Sonst kann der Adressat des Kontakt- und Näherungsverbots nicht davon ausgehen, dass das gegen ihn verhängte Kontaktaufnahmeverbot derart weitreichend ist.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2025 | Seite 45 | ID 50283575