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  • · Fachbeitrag · Internationales Recht

    Selbstloskauf: Scheidung nach ägyptischem Recht

    von RA Dr. Christian F. Majer, Tübingen

    Eine Ehescheidung mit Auslandsbezug unterliegt gemäß Art. 17 Abs. 1 S. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört. Die Rechtsnorm eines anderen Staates ist nicht anzuwenden, wenn die Anwendung zu einem mit dem deutschen ordre public unvereinbaren Ergebnis führt (OLG Koblenz 19.9.12, 13 UF 1086/11, OLG Report Mitte 8/2013, Anm. 1, Abruf-Nr. 131891).

     

    Sachverhalt

    Die Ehefrau F und der Ehemann M sind ägyptische Staatsangehörige. Das AG hat die von F beantragte Ehescheidung unter Anwendung deutschen Rechts ausgesprochen. Das ägyptische Recht, das F eine Scheidung nur unter Verzicht auf jegliche vermögensrechtliche Ansprüche und bei Rückgabe einer vom Mann gezahlten Brautgabe ermögliche („Selbstloskauf“), verstoße gegen den deutschen ordre public. Der Antragsgegner beruft sich auf die Anwendung ägyptischen Rechts, was nur durch ein islamisches Gericht erfolgen könne. Das OLG hat seine Beschwerde zurückgewiesen.

     

    Entscheidungsgründe

    Ägyptisches Recht findet Anwendung. Im konkreten Fall ist die Scheidung durch Selbstloskauf zumutbar und verstößt nicht gegen den deutschen ordre public, Art. 6 EGBGB: F hat auf alle Vermögensansprüche verzichtet, lebt mit einem anderen Mann zusammen, mit dem sie ein Kind hat. Hieraus folgen Unterhaltsansprüche. Ein Unterhaltsanspruch gegen M dürfte verwirkt sein. Eine Brautgabe wurde nicht geleistet. Zwei Versöhnungsversuche sind gescheitert, sodass auch diese Voraussetzung des ägyptischen Rechts erfüllt ist. Die Ehe ist nach ägyptischem Recht zu scheiden.

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung zeigt einmal mehr deutlich, dass es bei der Prüfung eines Verstoßes gegen den ordre public auf das Einzelfall-Ergebnis ankommt. Daran hält das OLG für den Fall der Menschenrechtswidrigkeit des ausländischen Rechts, an der hier aufgrund der Ungleichbehandlung von Mann und Frau kein Zweifel bestehen dürfte, fest. Leider führen derartige Entscheidungen in der Öffentlichkeit zu einer Empörungswelle. Den Gerichten wird ungerechtfertigterweise die Billigung von Scharia-Recht unterstellt. Die Frage stellt sich jedoch im konkreten Fall nicht. In Zukunft werden sich diese Probleme deutlich seltener stellen. Seit dem 21.06.12 gilt die Verordnung 1259/2010/EU („Rom-III-Verordnung“) für Ehescheidungen und Trennungen (Art. 1). Hauptanknüpfungspunkt ist die Rechtswahl (Art. 5) und nicht mehr die Staatsangehörigkeit. Fehlt eine Rechtswahl, was die Regel sein dürfte, gilt das Aufenthaltsrecht der Ehegatten (Art. 8). Für den Großteil der in der EU dauerhaft lebenden Ausländer ändert sich also das anzuwendende Recht. Dies führt bei allen Bedenken zu einer vereinfachten Rechtsanwendung.

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2013 | Seite 117 | ID 39613480