· Fachbeitrag · Vaterschaftsfeststellung
Onlinedating allein hindert Vaterschaftsfeststellung nicht
von RAin Dr. Gudrun Möller, FAin Familienrecht, BGM Anwaltssozietät, Münster
| Das OLG Frankfurt a. M. hat klargestellt, dass allein der Kontakt über ein Datingportal keine schwerwiegenden Zweifel an der Vaterschaft eines Mannes begründet. |
Sachverhalt
Die Antragstellerin T, geboren in 2020, vertreten durch ihren Beistand B, begehrt, die Vaterschaft des V festzustellen. Das FamG stellte mit Beschluss den V als ihren Vater fest. Die Beschwerde des V dagegen blieb erfolglos.
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(Abruf-Nr. 240854) |
Entscheidungsgründe
Das FamG hat zutreffend die Vaterschaft des V für die T festgestellt, § 1600d BGB. Sämtliche untersuchte genetische Merkmale von M, T und V stimmen überein. Zudem hat V der M im fraglichen Zeitraum beigewohnt. Dies führt zu einer so hohen Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft, dass sich daraus ein Grad an Gewissheit ergibt, der keine Zweifel an der Vaterschaft zulässt (Heilmann/Grün, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl.,§ 1600d BGB Rn. 391).
V hat der M während der gesetzlichen Empfängniszeit, die hier vom 8.5.19 bis zum 4.9.19 gedauert hat (§ 1600d Abs. 3 BGB), beigewohnt. Insofern wird dessen Vaterschaft nach § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB vermutet. Die M hat glaubhaft bekundet, mit V am 25.6.19 Sex gehabt zu haben.
Der Vortrag des V führt zu keinen schwerwiegenden Zweifeln i. S. v. § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB an seiner Vaterschaft. Ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr reicht insoweit nicht aus (OLG Frankfurt a. M. 17.10.22, 6 UF 68/22, FamRZ 23, 619 unter Verweis auf BGH 1.10.75, IV ZR 154/74, FamRZ 75, 685). Allein aus der Tatsache, dass sich M und V über ein Internetportal kennengelernt hatten, drängt sich nicht auf, dass die M in der Empfängniszeit noch mit anderen geschlechtlich verkehrt hat. Insofern fehlt es an genaueren Angaben des V dazu, mit welchen Personen wann und wo die M Geschlechtsverkehr gehabt haben soll.
Der Sachverständige SV hat in seinem Gutachten 16 voneinander unabhängige DNA-STR-Systeme untersucht. Er berechnete die Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft des V mit über 99,99 Prozent. Damit ist die Vaterschaft des V „praktisch erwiesen“.
Sofern V sich geweigert hat, sich gem. Gendiagnostikgesetz (GenDG) aufklären zu lassen und die Kenntnisnahme des Aufklärungsbogens sowie der ausgehändigten Informationen zur Datenverarbeitung zu quittieren, kann er sich nicht darauf berufen, es fehle eine Aufklärung nach dem GenDG und hinsichtlich der Datenverarbeitung. Soweit der V einwendet, nicht in die Untersuchung eingewilligt zu haben, wird diese durch die im Beweisbeschluss gem. § 178 FamFG ergangene Duldungspflicht ersetzt.
Weitere Beweismöglichkeiten, insbesondere vorliegend die Einbeziehung eines etwaigen Mannes, der als sog. Mehrverkehrer infrage gekommen wäre, haben sich nicht ergeben. Insofern konnte auch eine Begutachtung unter Einbezug eines solchen Mehrverkehrers nicht vorgenommen werden.
Relevanz für die Praxis
Die Feststellungslast für die Abstammung von einem bestimmten Mann trägt der Antragsteller (Grüneberg/Siede, BGB, 83. Aufl., § 1600d Rn. 11). Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat, § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB. Diese Vermutung soll das Kind nicht vaterlos werden lassen, wenn keine hinreichenden gutachtlichen Erkenntnisse gewonnen werden können (BT-Drucksache 13/4899, 88). Auf diese Vermutung kommt es also erst an, wenn sich die Vaterschaft nicht feststellen lässt, nachdem die zur Verfügung stehenden Beweismittel ausgeschöpft worden sind (Grüneberg/Siede, a. a. O.).
Nach § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB gilt die Vermutung nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen. Diese Zweifel können zwar auch vorliegen, wenn der Beweis des Mehrverkehrs nicht erbracht ist (BGH NJW 73, 2249, Rn. 16; Leipold, FamRZ 73, 65 ff., 73 zu Ziff. 3). Ein allgemeiner Mehrverkehrsverdacht reicht aber nicht aus (BGH FamRZ 75, 685, 686). Der BGH hat entschieden, dass ein nur möglicher Mehrverkehr ausreichen kann, um schwerwiegende Zweifel zu begründen (BGH NJW 73, 2249, Rn. 16). In dem Fall war streitig, ob die Mutter Mehrverkehr in der Empfängniszeit hatte. Sie hatte dies zwar bestritten. Das Berufungsgericht hat ihrer Aussage aber nicht entnommen, dass kein Mehrverkehr stattgefunden hat. Vielmehr hat es offengelassen, ob ein Mehrverkehr stattgefunden hat.
Das OLG Frankfurt a. M. stellt klar: Allein die Kontaktaufnahme über ein Datingportal lässt nicht den Schluss auf einen Mehrverkehr einer Frau zu.