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  • · Fachbeitrag · Anpassung wegen Unterhalt

    Dynamischer Tenor bei Kürzung gesetzlicher Rente

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    | Wird die durch den VA ausgelöste Kürzung einer gesetzlichen Rente des Ausgleichspflichtigen vollständig ausgesetzt (§ 33 VersAusglG), kann die Beschlussformel u. U. „dynamisch“gefasst werden. Dadurch können gem. BGH die jährlichen Rentenanpassungen beachtet werden, ohne dass ein Abänderungsverfahren (§ 34 Abs. 1 VersAusglG) erforderlich ist. |

    Sachverhalt

    Bei der Scheidung wurden nach früherem Recht gesetzliche Rentenanwartschaften, bezogen auf den 31.5.03, von M auf F übertragen. M zahlt der F gem. gerichtlichem Vergleich Unterhalt. Seit 1.10.17 bezieht M gesetzliche Altersrente, die aufgrund des VA gekürzt wird. Auf Antrag des M hat das AG diese Kürzung ab dem genannten Zeitpunkt nach § 33 VersAusglG i. H. e. bestimmten Betrags ausgesetzt. Auf Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung (DRV) hat das OLG Frankfurt (FamRZ 20, 684) die Aussetzung der Kürzung reduziert und in dynamischer Form ausgesprochen, nämlich in Höhe des monatlichen Rentenbetrags, der sich aus dem Produkt der ausgeglichenen Entgeltpunkte, der maßgeblichen Zugangs- und Rentenartfaktoren sowie des jeweiligen aktuellen Rentenwerts ergibt, begrenzt auf den Betrag des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs der F. Die Rechtsbeschwerde der DRV ist erfolglos.

     

    • 1. Das Verfahren über die Aussetzung der Kürzung einer laufenden Versorgung richtet sich gegen den Versorgungsträger als Antragsgegner. Die ausgleichspflichtige und die ausgleichsberechtigte Person sind entweder Antragsteller oder weitere Beteiligte des Verfahrens (im Anschluss an BGH FK 18, 167).
    • 2. Im Fall einer vollständig auszusetzenden Kürzung der Versorgung wegen Unterhalt (§§ 33, 34 VersAusglG) bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen eine „dynamische“ Beschlussformel, bei der der Kürzungsbetrag als Produkt der ausgeglichenen Entgeltpunkte, der maßgebenden Zugangs- und Rentenartfaktoren sowie dem jeweils aktuellen Rentenwert angegeben ist, wenn der sich daraus ergebende Kürzungsbetrag auf einen konkret bezifferten Höchstbetrag begrenzt ist, der der Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten entspricht (Fortführung von BGH FK 13, 82).
    • 3. Der Verfahrenswert in Verfahren nach §§ 33, 34 VersAusglG richtet sich nach § 50 Abs. 1 S. 1 1. Alt. FamGKG.

    (Abruf-Nr. 215275)

     

    Entscheidungsgründe

    Das Rubrum ist von Amts wegen zu berichtigen. Weder ist die F Antragsgegnerin (so das AG) noch sind die F und die DRV weitere Beteiligte. Das Anpassungsverfahren (§§ 33, 34 VersAusglG) richtet sich gegen den Versorgungsträger (VT) als Antragsgegner. Beide geschiedenen Ehegatten können Antragsteller sein, § 34 Abs. 2 S. 1 VersAusglG, sonst sind sie weitere Beteiligte (BGH FK 18, 167).

     

    Gegen den „dynamischen“ Beschlusstenor des OLG bestehen keine Bedenken. In Fällen, in denen gegenwärtig die gesamte durch den VA bedingte Kürzung der gesetzlichen Rente ausgesetzt wird, muss der Aussetzungsbetrag nicht beziffert werden. Der Umfang der Aussetzung muss sich aber ohne Weiteres aus dem Titel errechnen lassen. Dafür muss der Tenor aus sich heraus genügend bestimmt sein oder sämtliche Kriterien für seine Bestimmbarkeit eindeutig festlegen. Es genügt, wenn die Berechnung mithilfe offenkundiger, insbesondere aus dem BGBl ersichtlicher, Umstände möglich ist (BGH FK 13, 82). Diese Voraussetzungen erfüllt der Tenor des angefochtenen Beschlusses. Der jeweilsaktuelle Rentenkürzungsbetrag kann ermittelt werden, indem die genannten Entgeltpunkte mit den angegebenen Zugangs- und Rentenartfaktoren sowie mit dem für einen bestimmten Zeitraum geltenden aktuellen Rentenwert der gesetzlichen Rentenversicherung, der im BGBl veröffentlicht ist, multipliziert werden.

     

    Zwar besteht die Möglichkeit, dass der dynamisierte Aussetzungsbetrag im Lauf der Zeit die Höhe des (fiktiven) gesetzlichen Unterhaltsanspruchs übersteigt. Dem hat das OLG aber dadurch Rechnung getragen, dass es einen absoluten Höchstbetrag der Aussetzung in Höhe des ermittelten gesetzlichen Unterhaltsbetrags bestimmt hat. Damit ist die notwendige Begrenzung der Aussetzung mit der erforderlichen Bestimmtheit im Tenor bezeichnet.

     

    MERKE |

    Zwar wäre eine Entscheidung nach § 33 VersAusglG nur unter den Voraussetzungen des § 48 FamFG abänderbar. Danach könnte eine Abänderung des Aussetzungsbetrags stets erst verlangt werden, wenn sich die zugrunde liegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten. Dies hindert jedoch eine dynamische Tenorierung nicht. Vielmehr spricht es sogar dafür, Änderungen, die schon im Zeitpunkt der Entscheidung über die Aussetzung der Versorgungskürzung absehbar und hinreichend bestimmbar sind, auch schon bei der Erstentscheidung zu beachten. Wesentlichkeitsgrenzen bezwecken nicht, dass geringe Veränderungen generell unbeachtet bleiben. Sie sollen vielmehr Abänderungsverfahren nur im Interesse des Rechtsfriedens einschränken.

     

    Der Verfahrenswert von Anpassungsverfahren nach § 33, 34 VersAusglG richtet sich nach § 50 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. FamGKG und ist i. d. R. mit 10 Prozent des Dreimonatseinkommens beider Ehegatten für jedes betroffene Anrecht zu bemessen. In § 50 FamGKG sind alle Wertvorschriften für VA-Sachen zusammengefasst. Es besteht deshalb kein rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür, die Auffangvorschrift des § 42 Abs. 1 FamGKG heranzuziehen. § 50 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. VersAusglG greift nicht ein. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung für Verfahren über den schuldrechtlichen VA nach §§ 20 bis 26 VersAusglG, die typischerweise mit höherem Aufwand verbunden sind. Z. T. wird vertreten, der Verfahrenswert sei gem. § 50 Abs. 3 FamGKG wegen der Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten und des mit dem Verfahren verbundenen Aufwands zu verdoppeln oder an der Bewertung einer vergleichbaren Unterhaltssache auszurichten. Dafür besteht aber i. d. R. kein Anlass. Die Vorschrift soll verhindern, dass es im Einzelfall zu unvertretbar hohen oder zu unangemessen niedrigen Kosten kommt (BT-Drucksache 16/6308, 30). Das Aussetzungsverfahren bildet aber keine Fallgruppe, bei der eine generelle Anwendung der Billigkeitsnorm angezeigt wäre. Auch eine an der Höhe des Unterhalts orientierte Wertfestsetzung ist unangemessen, da der Unterhaltsanspruch im Aussetzungsverfahren von Amts wegen ermittelt wird.

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung ist unter drei Aspekten für die Praxis bedeutsam:

     

    Verfahrensstellung der Beteiligten

    Erneut stellt der BGH klar, dass sich die geschiedenen Ehegatten im Anpassungsverfahren nach den §§ 33, 34 VersAusglG nicht als „Gegner“ gegenüberstehen. Sie ziehen hier vielmehr materiell „an einem Strang“: Die Aussetzungsentscheidung bewirkt, dass die durch den VA ausgelöste Kürzung der Versorgung des Ausgleichspflichtigen (teilweise) aufgehoben, ihm also ein höherer Rentenbetrag ausgezahlt wird, und dass der Ausgleichsberechtigte infolge der dadurch steigenden Leistungsfähigkeit des Ausgleichspflichtigen einen höheren Unterhaltsanspruch realisieren kann. Deshalb sind beide Ehegatten antragsberechtigt, § 34 Abs. 2 S. 1 VersAusglG. Ein Ehegatte, der von seinem Antragsrecht keinen Gebrauch macht, ist nicht etwa Antragsgegner, sondern vielmehr „weiterer Beteiligter“ des Aussetzungsverfahrens. Antragsgegner in dem von einem oder beiden Ehegatten eingeleiteten Verfahren ist in jedem Fall der Träger der Versorgung, die aufgrund des VA gekürzt worden ist.

     

    Praktische Konsequenzen hat diese Verfahrensstellung für die örtliche Zuständigkeit des (nach § 34 Abs. 1 VersAusglG sachlich zuständigen) Familiengerichts. Sie richtet sich nach § 218 FamFG. Eine Zuständigkeit des Gerichts der Ehesache nach § 218 Nr. 1 FamFG kommt nicht in Betracht, weil ein Anpassungsverfahren nach den §§ 33, 34 VersAusglG voraussetzt, dass eine Entscheidung über den Wertausgleich bei der Scheidung rechtskräftig geworden und die Kürzung der Versorgung des Verpflichteten bereits eingetreten ist. Das Anpassungsverfahren kann daher nach h.M. auch nicht im Scheidungsverbund betrieben werden (OLG Hamm FamRZ 17, 367). Kann nicht gem. § 218 Nr. 2 FamFG an den (letzten) gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten angeknüpft werden, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat, § 218 Nr. 3 FamFG. In diesem Fall bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit daher nach dem Sitz des VT.

     

    Dynamische Titulierung

    Entgegen einer teilweise vertretenen Auffassung (z. B. OLG Hamm FamRZ 18, 754; OLG Bremen FamRZ 20, 685) hält der BGH eine dynamische Titulierung jedenfalls bei Aussetzung der Kürzung einer gesetzlichen Rente unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig. Wenn der gesetzliche Unterhaltsanspruch aktuell höher ist als der Betrag, um den die ausgeglichene Rente aufgrund des VA gekürzt wird, ist die Kürzung der Rente in voller Höhe auszusetzen. In einem solchen Fall würde sich der Aussetzungsbetrag mit jeder Rentenanpassung erhöhen, die aufgrund der Änderung des aktuellen Rentenwerts (zum 1.7. eines jeden Jahres) erfolgt. Um diese Rentensteigerungen auch auf die ausgesetzte Rentenkürzung zu übertragen, wären die Ehegatten gezwungen, jede dieser Anpassungen mit einem Abänderungsantrag nach § 34 Abs. 1 VersAusglG i. V. m. § 48 Abs. 1 FamFG geltend zu machen. Erfolg versprechend wäre ein solcher Antrag aber immer nur, wenn sich die Höhe des Aussetzungsbetrags wesentlich geändert hätte (OLG Düsseldorf FamRZ 17, 105). Die dynamische Tenorierung ermöglicht es dagegen, dass sich der Aussetzungsbetrag „automatisch“ mit jeder Rentenanpassung erhöht, ohne dass ein Abänderungsantrag gestellt werden und die Wesentlichkeitsgrenze erreicht sein muss. Durch die zusätzliche Begrenzung auf einen Höchstbetrag wird sichergestellt, dass der Aussetzungsbetrag nicht den gesetzlichen Unterhalt übersteigt.

     

    Da die dynamische Tenorierung im Interesse der Ehegatten liegt, sollten deren Anwälte im Verfahren, das auf Aussetzung der Kürzung einer gesetzlichen Rente gerichtet ist, darauf achten, dass das Gericht den Aussetzungsbeschluss dynamisch fasst. Der Aussetzungsantrag kann z. B. wie folgt formuliert werden:

     

    Musterformulierung / 

    Aussetzungsantrag

    Es wird beantragt, die von der … (zuständiger Träger der gesetzlichen Rentenversicherung) aufgrund der Entscheidung über den Versorgungsausgleich im Urteil/Beschluss des Amtsgerichts … vom … (Aktenzeichen) vorgenommene Kürzung der Rente von … (ausgleichspflichtige Person) gem. § 33 VersAusglG mit Wirkung ab dem ersten Tag des auf die Antragstellung folgenden Monats auszusetzen, und zwar in Höhe eines sich aus dem Produkt von … Entgeltpunkten der allgemeinen Rentenversicherung (die im VA übertragenen Entgeltpunkte; bei Entscheidungen nach früherem Recht muss die im VA übertragene Rentenanwartschaft in Entgeltpunkte umgerechnet werden), einem Zugangsfaktor von …, einem Rentenartfaktor von … und dem jeweils aktuellen Rentenwert ergebenden monatlichen Rentenbetrags, begrenzt auf die Höhe des vom Gericht festzusetzenden gesetzlichen Unterhaltsanspruchs von … (ausgleichsberechtigte Person).

     

    Der maßgebliche Zugangsfaktor bezieht sich auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns und ist dem Rentenbescheid zu entnehmen. Der Rentenartfaktor unterscheidet sich für Entgeltpunkte der allgemeinen (1,0) und der knappschaftlichen Rentenversicherung (1,3333). Er wird in der Auskunft zum VA angegeben.

     

    Bestimmung des Verfahrenswerts

    Die Wertbemessung von Verfahren nach den §§ 33, 34 VersAusglG war streitig. Der BGH schließt sich der überwiegenden Ansicht an. Danach gehören auch die Anpassungsverfahren zu den VA-Sachen im Allgemeinen, die in § 50 Abs. 1 S. 1 1. Alt. FamGKG genannt sind und (nur) mit 10 Prozent des Dreimonatseinkommens der Ehegatten für jedes (verfahrensgegenständliche)Anrecht bewertet werden. Auch eine generelle Höherbewertung aus Billigkeitsgründen (§ 50 Abs. 3 FamGKG) lehnt der BGH ab. Diese Wertbemessung wird aber der Schwierigkeit der Aussetzungsverfahren i. d. R. nicht gerecht. Das gilt erst recht, wenn man beachtet, dass in Aussetzungsverfahren meist nur ein Anrecht betroffen ist. Solange der Gesetzgeber die Vorschrift nicht ändert, obliegt es den Anwälten, den Ansatz eines höheren Werts mit den besonderen Umständen des Einzelfalls (z. B. außergewöhnlicher Aufwand oder außergewöhnlich günstige Vermögenslage der Mandanten) konkret zu begründen, § 50 Abs. 3 FamGKG.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2021 | Seite 64 | ID 46809769