· Fachbeitrag · Bagatellklausel
Anrechte von Zeitsoldaten und aus gesetzlicher Rentenversicherung sind nicht gleichartig
von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle
Bei der Feststellung der Artgleichheit der Versorgungsanrechte im Rahmen von § 18 Abs. 1 VersAusglG ist auch bei Landes- und Kommunalbeamten, Zeitsoldaten und Widerrufsbeamten auf das zu belastende Anrecht und nicht auf das Anrecht abzustellen, das durch externe Teilung nach § 16 Abs. 1 und 2 VersAusglG in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet werden würde (BGH 8.1.14, XII ZB 366/13, FamRZ 14, 549, Abruf-Nr. 140528). |
Sachverhalt
Während der Ehezeit vom 1.10.08 bis 31.10.11 hat die Ehefrau (F) ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) mit einem Ausgleichswert von 1,5056 Entgeltpunkten (korrespondierender Kapitalwert [KKW]: 9.068,73 EUR) erworben. Der Ehemann (M) hat als Soldat auf Zeit, dessen Dienstzeit bei Ehezeitende noch nicht abgelaufen war, ein Anrecht auf Nachversicherung in der gesetzlichen RV mit einem Ausgleichswert von monatlich 75,77 EUR (KKW: 8.306,78 EUR) erlangt. Das AG hat entschieden, dass ein Wertausgleich beider Anrechte wegen geringer Differenz der beiden KKW (761,95 EUR) nach § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht stattfinde. Das OLG Schleswig hat die Beschwerde der Bundesrepublik Deutschland (BRD) als Versorgungsträger des M zurückgewiesen (FamRZ 13, 1904). Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der BRD.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Denn die BRD macht mit ihrem Rechtsmittel eine unrichtige Beurteilung des Rechtsbegriffs der Gleichartigkeit nach § 18 Abs. 1 VersAusglG geltend. Sie vertritt die Ansicht, § 18 Abs. 1 VersAusglG komme nicht zur Anwendung, weil die Anrechte beider Ehegatten nicht von gleicher Art seien und deshalb nicht wegen geringer Differenz ihrer Ausgleichswerte vom Wertausgleich ausgeschlossen werden könnten.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Ein Ehegatte, der am Ende der Ehezeit in einem Dienstverhältnis als Soldat auf Zeit steht, erwirbt eine alternativ ausgestaltete Versorgungsaussicht entweder auf Nachversicherung in der gesetzlichen RV oder auf Dienstzeitanrechnung in einem Beamtenverhältnis oder vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (BGH FamRZ 03, 29). Dieses Anrecht, das bei dem Dienstherrn des Zeitsoldaten besteht, ist nach § 44 Abs. 4 VersAusglG mit dem Wert des Anspruchs auf Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung zu bewerten und nach § 16 Abs. 2 VersAusglG im Wege der externen Teilung auszugleichen, indem für die ausgleichsberechtigte Person ein Anrecht in der gesetzlichen RV begründet wird.
Für die Bagatellprüfung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG sind gleichartige Anrechte beider Ehegatten einander gegenüberzustellen. Entgegen der Meinung des OLG ist für die Feststellung der Artgleichheit der Anrechte auf das beim Ausgleichspflichtigen zu belastende Anrecht, nicht auf das für den Ausgleichsberechtigten zu begründende, abzustellen. Schon der Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, dass die von beiden erworbenen Anrechte miteinander zu vergleichen sind. Zudem betrifft § 16 Abs. 2 VersAusglG die konkrete Durchführung des Ausgleichs. Den Teilungsmodalitäten ist die Prüfung, ob der Ausgleich aus Billigkeitsgründen wegen Geringfügigkeit auszuschließen ist, systematisch vorgelagert.
Das von F erworbene Anrecht in der gesetzlichen RV und das von M erworbene, alternativ ausgestaltete Versorgungsanrecht als Soldat auf Zeit sind nicht gleichartig. Die Versorgungsaussicht des M wird möglicherweise in einer Dienstzeitanrechnung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis münden. Ein Versorgungsanrecht nach beamtenrechtlichen Grundsätzen ist aber nach der Rechtsprechung des BGH (FK 14, 84, Abruf-Nr. 132879) nicht von gleicher Art wie ein Anrecht der gesetzlichen RV.
Praxishinweis
Die Entscheidung kann nicht überzeugen. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des BGH, dass die nach § 18 Abs. 1 VersAusglG vorzunehmende Prüfung, ob Anrechte beider Ehegatten gleichartig sind, eine Gegenüberstellung der von ihnen erworbenen Anrechte erfordert. Nicht überzeugend ist aber seine Schlussfolgerung, dass das alternativ ausgestaltete Anrecht eines Zeitsoldaten (oder Widerrufsbeamten) einem Anrecht der gesetzlichen RV nicht gleichartig sei, weil es nach Ablauf des Zeitsoldaten- (oder Widerrufsbeamten-)Verhältnisses in ein beamtenrechtliches Anrecht einmünden kann. Bei der Bewertung des Anrechts im Versorgungsausgleich (VA) bleibt die Möglichkeit, dass das Zeitsoldatenverhältnis in ein Berufssoldatenverhältnis (oder das Widerrufsbeamtenverhältnis in ein anderes Beamtenverhältnis) übergeht, gerade außer Betracht. § 44 Abs. 4 VersAusglG regelt ausdrücklich, dass das alternativ ausgestaltete Anrecht mit dem Wert berücksichtigt wird, der sich bei einer Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ergäbe. Damit ist festgelegt, dass für die Bewertung im VA die Alternative einer Nachversicherung des Zeitsoldaten (oder Widerrufsbeamten) in der gesetzlichen Rentenversicherung fingiert wird. Warum diese Bewertung dann nicht auch für den nach § 18 Abs. 1 VersAusglG anzustellenden Vergleich der Anrechte beider Ehegatten gelten soll, darauf bleibt der BGH eine schlüssige Antwort schuldig.
Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit bleiben bei der Bewertung von Anrechten der Zeitsoldaten und Widerrufsbeamten unberücksichtigt. Das stellt § 44 Abs. 4 VersAusglG - in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum früheren Recht (BGH FamRZ 81, 856) - ausdrücklich fest. Die Bewertung mit dem Anspruch auf Nachversicherung hat daher auch zu erfolgen, wenn der betreffende Ehegatte nach Ehezeitende Beamter auf Probe oder Berufssoldat geworden ist. Der Laufbahnwechsel hat keinen Bezug zur Ehezeit mehr (BGH FamRZ 87, 921; 03, 29). Auch in einem späteren Abänderungsverfahren bleibt es bei der Bewertung auf der Grundlage einer fiktiven Nachversicherung, selbst wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte inzwischen in ein Beamten- oder Soldatenverhältnis auf Lebenszeit übernommen worden ist. Die Bewertung des Anrechts auf der Grundlage fiktiver Nachversicherung fällt niedriger aus als die Bewertung auf Grundlage einer Beamten- oder Soldatenversorgung. Ist daher abzusehen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte nach Ende des Zeitsoldaten- oder Widerrufsbeamtenverhältnisses in ein neues Soldaten- oder Beamtenverhältnis eintritt, empfiehlt es sich für die ausgleichsberechtigte Person, bis zum Abschluss dieser Entwicklung mit der Stellung des Scheidungsantrags abzuwarten. Umgekehrt sollte der ausgleichspflichtige Ehegatte in diesem Fall die Scheidung vorher rechtshängig machen, um eine Bewertung des auszugleichenden Anrechts auf Basis der fiktiven Nachversicherung zu erreichen.
Für die Form des Ausgleichs kommt es dagegen nach der (bisherigen) BGH-Rechtsprechung nicht auf die Verhältnisse bei Ehezeitende, sondern auf diejenigen im Zeitpunkt der (letzten tatrichterlichen) Entscheidung an. Nur solange noch keine Nachversicherung durchgeführt oder kein Berufssoldatenverhältnis oder Beamtenverhältnis auf Lebenszeit begründet worden ist, findet gem. § 16 Abs. 2 VersAusglG eine externe Teilung zulasten des Versorgungsträgers des Ausgleichspflichtigen statt. Steht dagegen bereits fest, welcher Art die künftige Versorgung sein wird, ist der Ausgleich dieser Entwicklung anzupassen. Ist der Ausgleichspflichtige nachversichert worden, ist sein nun in der gesetzlichen RV bestehendes Anrecht nach § 10 VersAusglG intern zu teilen (in diesem Fall stünde auch endgültig fest, dass das auszugleichende Anrecht mit dem gegenüberzustellenden Anrecht des anderen Ehegatten gleichartig ist). Ist der Ausgleichspflichtige in ein Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Lebenszeit oder in ein Soldatenverhältnis auf Lebenszeit übernommen worden, findet der Ausgleich im Wege interner Teilung statt, wenn der Versorgungsträger eine solche zulässt (wie bisher nur der Bund für Bundesbeamte und Soldaten im Bundesversorgungsteilungsgesetz). Ist keine interne Teilung vorgesehen (wie bisher in allen Bundesländern für Anrechte von Landes- und Kommunalbeamten), ist der Ausgleich im Wege externer Teilung vorzunehmen, § 16 Abs. 1 VersAusglG.
Die Rechtsprechung des BGH hat zur Folge, dass die Anrechte beider Ehegatten ausgeglichen werden müssen, obwohl die Differenz der Ausgleichswerte mit 761,95 EUR deutlich unter der hier maßgeblichen Bagatellgrenze (3.066 EUR) liegt. Da der BGH die Gleichartigkeit der Anrechte verneint, kommt nur § 18 Abs. 2 VersAusglG zur Anwendung. Beide Ausgleichswerte liegen aber über der maßgeblichen Bagatellgrenze.
MERKE | Die Ehegatten können in einem solchen Fall dennoch einen Ausschluss des VA erreichen, indem sie eine Vereinbarung nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VersAusglG schließen und unter Verrechnung der beiderseitigen Anrechte auf die Durchführung des VA verzichten. Eine solche Vereinbarung ist hier zu empfehlen, da beide Anrechte nach dem SGB VI bewertet werden und ein Hin- und Her-Ausgleich angesichts der nur geringfügig differierenden Ausgleichswerte nicht sinnvoll erscheint. Gegen Verrechnungsvereinbarungen bestehen grundsätzlich auch keine Bedenken, wenn die verrechneten Anrechte nicht von gleicher Art sind (vgl. Borth, FamRZ 14, 1245). |
Weiterführender Hinweis
- Zum Verfahren mit Anrechten von Zeitsoldaten und Widerrufsbeamten vgl. Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rn. 286.