· Fachbeitrag · Rentenkürzung
Anpassung nach Tod des Berechtigten: Keine Zuständigkeit des FamG
von VRiOLG Hartmut Wick, Celle
(BGH 6.3.13, XII ZB 271/11, FamRZ 13, 852, Abruf-Nr. 131418) |
Sachverhalt
Die Ehe von M und F wurde 1989 geschieden. Zum Ausgleich der gesetzlichen Rentenanwartschaften beider Ehegatten und eines Anrechts des M aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes wurden für F gesetzliche Rentenanwartschaften übertragen und begründet. M bezieht seit September 07 jeweils aufgrund des Versorgungsausgleichs (VA) gekürzte Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. F bezog von Mai 08 bis zu ihrem Tod im September 09 eine aufgrund des VA erhöhte gesetzliche Rente. Auf Antrag des M wurde die Kürzung seiner gesetzlichen Rente von der Deutschen Rentenversicherung ausgesetzt. Der Träger der Zusatzversorgung lehnte eine Anpassung aber ab.
Daraufhin beantragte M beim FamG die Feststellung, dass seine Zusatzrente ab Oktober 10 nicht mehr gekürzt werden dürfe. Dieser Antrag blieb sowohl beim AG als auch beim OLG erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des M ist unbegründet. Gemäß § 37 VersAusglG wird ein Anrecht des ausgleichspflichtigen Ehegatten auf Antrag nicht länger aufgrund des VA gekürzt, wenn der Ausgleichsberechtigte verstorben ist und nicht länger als 36 Monate Versorgungsleistungen aus dem im VA erworbenen Anrecht bezogen hat. Über den Antrag des Pflichtigen hat der Versorgungsträger zu entscheiden, bei dem das aufgrund des VA gekürzte Anrecht besteht, § 38 Abs. 1 S. 1 VersAusglG. Er entscheidet im Verwaltungsweg. Gegen diese Entscheidung ist der Rechtsweg zum Gericht der jeweiligen Fachgerichtsbarkeit gegeben, nicht zum FamG. Für die Entscheidung über den Antrag des M gegen den Bescheid des Zusatzversorgungsträgers wären die allgemeinen Zivilgerichte zuständig gewesen. Die Rechtsbeschwerde kann aber nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (§ 72 Abs. 2 FamFG).
Die Anpassung der Rentenkürzung wegen Tod des berechtigten Ehegatten (§ 37 VersAusglG) ist nur für Regelsicherungssysteme vorgesehen, § 32 VersAusglG. Dazu gehört die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht.
Sie ist auf tarifvertraglicher Grundlage privatrechtlich organisiert, auch wenn die Versorgungsträger (hier: die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder) Anstalten des öffentlichen Rechts sind. Die Differenzierung zwischen Regelsicherungssystemen und Trägern der ergänzenden Altersvorsorge ist mit dem GG vereinbar. Die in §§ 32 ff. VersAusglG normierten „Privilegien“ beruhen auf der Rechtsprechung des BVerfG (FamRZ 80, 326). Sie begründen eine Leistungspflicht des Versorgungsträgers, die über die schlichte Teilung des ehezeitlichen Anrechts hinausgeht. Der pflichtige Ehegatte wird gegenüber anderen Angehörigen der Versichertengemeinschaft bessergestellt, indem er höhere Versorgungsleistungen erhält, als ihm nach Durchführung des VA an sich noch zustünden. Die Kostenneutralität des VA für den Versorgungsträger ist nicht mehr gewährleistet. Dies ist aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG von den Trägern der staatlichen Regelsicherungssysteme hinzunehmen. Privaten Rentenversicherungsträgern und beitragsfinanzierten Zusatzversorgungskassen hat der Gesetzgeber einen Mehraufwand ersparen wollen. Dazu war er auch berechtigt, weil zwischen den Regelsicherungssystemen und den Systemen der ergänzenden Altersvorsorge so erhebliche Unterschiede bestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist.
Anders als bei den Regelsicherungssystemen muss sich die Rentenleistungspflicht der Träger der ergänzenden Altersvorsorge in ein versicherungsmathematisches Äquivalenzverhältnis zur vorherigen Beitragsleistung fügen, für die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes durch ein Umlagesystem. Ihnen können keine Leistungspflichten/Risiken aufgebürdet werden, durch die das Gleichgewicht von Beitragszahlung und Leistungsanspruch zulasten des Versicherers/der Versichertengemeinschaft verschoben würde.
Praxishinweis
Der BGH bestätigt und vertieft seine Rechtsprechung (FK 13, 98), wonach die Beschränkung der Anpassungsvorschriften in den §§ 33 bis 38 VersAusglG auf Regelsicherungssysteme verfassungsgemäß ist und die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nicht zu den Regelsicherungssystemen im Sinne des § 32 VersAusglG gehört (BGH FamRZ 13, 778). Ehegatten, die aufgrund des VA Anrechte aus den Systemen der ergänzenden Altersvorsorge (insbesondere betriebliche Altersversorgung, Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes und private Versorgungen) auszugleichen haben, können so keine Aussetzung der aufgrund des VA eingetretenen Rentenkürzung erreichen, wenn sie zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet sind (§ 33 VersAusglG), vorzeitig Invaliditäts- oder Altersrente in Anspruch nehmen müssen (§ 35 VersAusglG) oder der Berechtigte frühzeitig stirbt (§ 37 VersAusglG).Dieser Nachteil kann durch eine Vereinbarung über den VA nach § 6 VersAusglG vermieden werden (siehe nachfolgendes Beispiel).
An das FamG sind nur Anträge auf Anpassung wegen Unterhalt nach § 33 VersAusglG zu richten (§ 34 Abs. 1 VersAusglG). Anträge auf Anpassung wegen vorzeitiger Verrentung des Pflichtigen und Tod des Berechtigten sind an den zuständigen Versorgungsträger zu richten (§ 36 Abs. 1, § 38 Abs. 1 VersAusglG). Gegen dessen ablehnende Entscheidung ist der Rechtsweg der zuständigen Fachgerichtsbarkeit eröffnet. Bei Bescheiden gesetzlicher Rentenversicherungsträger ist z.B. das SG, bei Verwaltungsakten von Beamtenversorgungsträgern das VG zuständig.
Gegen ablehnende Entscheidungen der Zusatzversorgungsträger ist der Rechtsweg zum allgemeinen Zivilgericht gegeben. Auch hier ist nicht das FamG zuständig, weil es sich nicht um eine Familiensache handelt. Hat fälschlich ein FamG entschieden, kann weder mit einem Rechtsmittel dessen Unzuständigkeit gerügt werden (§ 65 Abs. 4, § 72 Abs. 2 FamFG), noch kann das Rechtsmittelgericht die Sache an ein anderes Gericht abgeben.
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M hat eine
F hat eine
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LöSUNG | Nach den gesetzlichen Vorschriften würden die Ausgleichswerte der gesetzlichen Anwartschaften jeweils auf den anderen Ehegatten übertragen und nach § 10 Abs. 2 S. 1 VersAusglG von den Versicherungsträgern miteinander verrechnet. Im Ergebnis würden 5,6928 Entgeltpunkte zugunsten der F umgebucht. Zudem erhielte F zum Ausgleich des Anrechts aus der Zusatzversorgung Versorgungspunkte in Höhe der Hälfte des um Teilungskosten gekürzten Kapitalwerts.
Für M könnte eine Vereinbarung zu empfehlen sein, wonach sein Anrecht aus der Zusatzversorgung mit dem Anrecht der F in der gesetzlichen Rentenversicherung verrechnet wird. Im Ergebnis würde das Anrecht aus der Zusatzversorgung vom Ausgleich ausgeschlossen und das der F aus gesetzlicher Rentenversicherung nur mit dem nach Verrechnung übrig bleibenden Ausgleichswert ausgeglichen. Eine solche Vereinbarung ist zulässig. Die Verrechnung könnte auf Basis der Rentenbeträge oder der korrespondierenden Kapitalwerte erfolgen. Wegen des hohen „Einkaufspreises“ in die gesetzliche Rentenversicherung ist die Verrechnung auf Rentenbasis sachgerechter. Danach verbliebe ein Ausgleichswert des Anrechts der F aus gesetzlicher Rentenversicherung von monatlich (127,74 EUR - 40 EUR =) 87,74 EUR. Dies entspricht (87,74 EUR : 28,07 [aktueller Rentenwert bei Ehezeitende] =) 3,1258 Entgeltpunkten. M hätte damit erreicht, dass seine Zusatzversorgung nicht aufgrund des VA gekürzt wird. Seine gesetzliche Rente würde zwar stärker gekürzt als bei einem Ausgleich nach den gesetzlichen Vorschriften, könnte aber gegebenenfalls nach §§ 33 ff. VersAusglG angepasst werden. Zu bedenken ist, dass die Renten aus der Zusatzversorgung nur um ein Prozent jährlich angepasst werden. Sollten die gesetzlichen Renten künftig im Durchschnitt stärker steigen, könnte sich aus der Vereinbarung für M in der Leistungsphase ein Nachteil ergeben. Für F wäre die Vereinbarung im Regelfall nicht nachteilig. Sie behielte im Gegenzug zum Verzicht auf den Ausgleich der Zusatzversorgung einen größeren Teil ihrer eigenen gesetzlichen Rentenanwartschaft. |