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  • · Fachbeitrag · Unterhaltsprivileg

    Anpassung der Versorgung wegen Unterhalts

    von VRiOLG Hartmut Wick, Celle

    • 1.Die Regelung des § 32 VersAusglG, wonach die Anpassung der Rentenkürzung wegen einer fiktiven gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nur für Regelsicherungssysteme und nicht für die ergänzende Altersversorgung vorgesehen ist, ist mit dem GG vereinbar (entgegen OLG Schleswig FamRZ 12, 1388).
    • 2. Eine Aussetzung der Rentenkürzung nach § 33 Abs. 1 VersAusglG setzt nicht voraus, dass diese sich auf die Höhe des geschuldeten Unterhalts auswirkt.
    • 3. Haben die geschiedenen Ehegatten eine Unterhaltsvereinbarung getroffen, ist die Anpassung der Rentenkürzung sowohl durch die Höhe des fiktiven gesetzlichen Unterhalts als auch durch die Höhe des vereinbarten Unterhalts begrenzt.

    (BGH 7.11.12, XII ZB 271/12, FamRZ 13, 189, Abruf-Nr. 123856)

     

    Sachverhalt

    Während der Ehezeit hatten beide Ehegatten Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung, der Ehemann M außerdem ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung erworben. Der Versorgungsausgleich (VA) wurde noch nach früherem Recht durchgeführt. Es wurden gesetzliche Rentenanwartschaften sowohl durch Splitting nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. als auch (zum Ausgleich der betrieblichen Anwartschaft) durch erweitertes Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auf das Versicherungskonto der Ehefrau F übertragen. M verpflichtete sich in einem gerichtlichen Vergleich, bis zum Eintritt in den Ruhestand monatlich 300 EUR und danach monatlich 150 EUR, befristet bis zum Rentenbezug der F, als nachehelichen Unterhalt zu zahlen.

     

    Seit dem 1.11.11 bezieht M eine aufgrund des VA um rund 370 EUR gekürzte Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung. Daneben bezieht er eine Betriebsrente, erzielt Einkünfte aus Vermietung und wohnt in einem unbelasteten Eigenheim. F erhält noch keine Rente. Sie hat ein Erwerbseinkommen, das deutlich geringer ist als die unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkünfte des M. M beantragte beim FamG, die Kürzung seiner gesetzlichen Rente gemäß § 33 VersAusglG auszusetzen. AG und OLG haben den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass sich die VA-bedingte Kürzung seiner Rente auf die Höhe des gesetzlich geschuldeten Unterhalts nicht auswirke.

     

    Entscheidungsgründe

    Auf die Rechtsbeschwerde des M wird die Sache an das OLG zurückverwiesen. Die Rentenkürzung des M kann nicht nach § 33 VersAusglG ausgesetzt werden, soweit sie auf dem erweiterten Splitting nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG beruht. Es dient dem Ausgleich der betrieblichen Altersversorgung des M. Nach § 32 VersAusglG gelten die Vorschriften der §§ 33 ff. VersAusglG nur für Anrechte aus den abschließend aufgeführten Regelversicherungssystemen. Auf Anrechte der ergänzenden Altersvorsorge finden sie keine Anwendung.

     

    Zu den Systemen der ergänzenden Altersversorgung zählt neben privaten Vorsorgesystemen auch die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes. Die Differenzierung zwischen Regelsicherungssystemen und Systemen der ergänzenden Altersvorsorge ist entgegen der Auffassung des OLG Schleswig (FamRZ 12, 1388) mit dem GG vereinbar. Durch §§ 33 ff. VersAusglG werden über die schlichte Teilung der ehezeitlich erworbenen Anrechte hinaus zusätzliche Leistungspflichten des Versorgungsträgers begründet, durch die die Geschiedenen zulasten der Versichertengemeinschaft begünstigt werden. Dies bedeutet eine Abkehr vom Versicherungsprinzip.

     

    Der Sache nach handelt es sich bei der Aussetzung der Rentenkürzung nach § 33 VersAusglG um eine versicherungsfremde Sozialleistung. Eine solche ist aufgrund der Verfassungsrechtsprechung zwar Trägern staatlicher Regelsicherungssysteme auferlegt worden, nicht aber privaten Rentenversicherungsträgern und beitragsfinanzierten Zusatzversorgungskassen. Es ist nicht gerechtfertigt, diesen Versorgungsträgern oder der Gemeinschaft der bei ihnen Versicherten zusätzliche Leistungspflichten und Risiken aufzubürden, um geschiedene Ehegatten zu entlasten.

     

    Die Aussetzung der auf das Rentensplitting nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. zurückgehenden Rentenkürzung hat das OLG dem M zu Unrecht versagt. Mit dem Splitting sind die (miteinander verrechneten) beiderseitigen gesetzlichen Rentenanwartschaften der Ehegatten ausgeglichen worden. Die Aussetzung der Rentenkürzung wird auf die Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs beschränkt, § 33 Abs. 1 VersAusglG. Damit wird verhindert, dass die Ehegatten zulasten des Versorgungsträgers einen höheren als den gesetzlichen Unterhalt vereinbaren. Aus der Vorschrift ergibt sich aber nicht, dass sich die Aussetzung der Rentenkürzung im konkreten Fall auf die Höhe des geschuldeten Unterhalts auswirken muss. Die auf dem VA beruhende Rentenkürzung ist auch auszusetzen, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte unabhängig von der Aussetzung zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist, z.B. wenn er vertraglich einen bestimmten Unterhalt anerkannt hat.

     

    Die Aussetzung der Rentenkürzung wird nicht nur durch die gesetzliche Unterhaltsverpflichtung begrenzt, sondern auch durch den vereinbarungsgemäß tatsächlich geschuldeten Unterhaltsbetrag (§ 33 Abs. 3 VersAusglG). Über den tatsächlich gezahlten Betrag hinaus tritt eine Doppelbelastung des Ausgleichspflichtigen, durch die er in der Freiheit seiner Lebensführung mehr als zulässig eingeschränkt würde, nicht ein. Hier ist die Aussetzung der Rentenkürzung auf den ab dem Rentenbezug des M vereinbarten Betrag von monatlich 150 EUR begrenzt, wenn der noch zu ermittelnde gesetzliche Unterhaltsanspruch der F nicht noch niedriger ist.

     

    Praxishinweis

    Mit dieser Entscheidung hat der BGH im Anschluss an seinen Beschluss vom 21.3.12 (XII ZB 234/11, FK 13, 82) weitere Streitfragen zur Anwendung des in den §§ 3334 VersAusglG geregelten sogenannten Unterhaltsprivilegs entschieden. In der folgenden Checkliste fasst der Autor die geltenden Regeln für Sie zusammen:

     

    Checkliste / Anwendungsbereich von §§ 33, 34 VersAusglG

    • Die Aussetzung der auf dem VA beruhenden Kürzung von Renten kommt nach dem BGH nur in Bezug auf Versorgungen aus den Regelsicherungssystemen in Betracht. Es kommt nicht darauf an, welche Versorgung gekürzt, sondern welche Versorgung ausgeglichen worden ist. Ist ein Anrecht bei einem privaten Versorgungsträger nach altem Recht durch erweitertes Splitting (§ 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) ausgeglichen worden, kann diese Kürzung nicht ausgesetzt werden. Ob die Beschränkung der Aussetzungsbestimmungen auf die in § 32 VersAusglG genannten Regelsicherungssysteme verfassungsgemäß ist, so der BGH, wird endgültig erst vom BVerfG entschieden werden. Das BVerfG ist aufgrund des Vorlagebeschlusses des OLG Schleswig (FamRZ 12, 1388) mit der Frage befasst. Will sich ein Ehegatte die Möglichkeit einer rückwirkenden Aussetzung der Versorgungskürzung in Bezug auf ein Anrecht der ergänzenden Altersvorsorge offenhalten, muss er gegen die letztinstanzliche Entscheidung (in der Regel also die des OLG) Verfassungsbeschwerde einlegen oder eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG beantragen.

     

    • Die Aussetzung der Rentenkürzung wird durch die Höhe des Unterhaltsanspruchs des Ausgleichsberechtigten begrenzt (§ 33 Abs. 1, Abs. 3 VersAusglG). Ist der Unterhalt in einer gerichtlichen Entscheidung tituliert, kann der darin festgelegte Unterhaltsbetrag der Entscheidung nach §§ 33, 34 VersAusglG zugrunde gelegt werden, wenn nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unterhaltstitel aufgrund veränderter Umstände nicht mehr dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch entspricht. Der titulierte Betrag ist mit dem gesetzlichen Unterhaltsanspruch zu vergleichen, wenn der Unterhalt in einer Vereinbarung der Ehegatten geregelt ist. Die Aussetzung der Rentenkürzung ist auf den geringeren der beiden Beträge zu begrenzen. Unerheblich ist, ob sich die Aussetzung auf die Höhe des geschuldeten Unterhalts auswirkt.

     

    • Die Aussetzung der Rentenkürzung wird zusätzlich durch die Differenz der Ausgleichswerte der Anrechte begrenzt, die die Ehegatten jeweils in den in § 32 VersAusglG genannten Regelsicherungssystemen erworben haben und aus denen sie bereits Versorgungsleistungen beziehen. Wenn beide Ehegatten Rentner sind, müssen die Ausgleichswerte aus den Regelversorgungen einander gegenübergestellt werden. Ist der VA noch nach altem Recht in Form eines Gesamtausgleichs durchgeführt worden, ergibt sich die Differenz schon aus dem Betrag, der unter Verrechnung der beiderseitigen Anrechte in der gerichtlichen Entscheidung (durch Splitting nach § 1587b Abs. 1 BGB a.F. oder durch Quasi-Splitting nach § 1587b Abs. 2 BGB a.F.) übertragen oder begründet worden ist.

     

    • In der gerichtlichen Entscheidung muss der Umfang der Kürzungsaussetzung betragsmäßig festgelegt werden. Die Aussetzung wirkt ab dem ersten Tag des auf die Antragstellung beim FamG folgenden Monats.
     

     

    Weiterführende Hinweise

    • FK 13, 82, zum vorangegangenen Beschluss des BGH vom 21.3.12
    • FK 09, 188, zum Rentenabschlag bei vorgezogener Zusatzversorgungsrente
    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 98 | ID 38378760