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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 a UStG

    von StB Catrin Stockhausen, Korbach

    | Der EuGH und (in der Folge) der BFH haben mit einigen Entscheidungen für eine neue Dynamik bei der Auslegung von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG gesorgt. Die Norm befreit Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über die notwendigen Prüfschritte und noch offene Fragen und schließt mit einem Prüfungsschema. |

    1. Sachlicher und persönlicher Umfang

    § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG setzt Art. 132 Abs. 1 Buchst. g RL 2006/112/EG (Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) in nationales Recht um und ist richtlinienkonform auszulegen. Danach befreien die Mitgliedstaaten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden. Dies setzt Folgendes voraus:

     

    • Der Leistungserbringer erbringt eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin durch ärztliche oder arztähnliche Leistungen.
    • Er hat die dafür erforderliche Qualifikation und kann sie durch einen Befähigungsnachweis dokumentieren.

     

    Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden, können hingegen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG befreit sein. Diese Leistungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung, wie der des Schutzes der menschlichen Gesundheit, erbracht werden (A. 4.14.1 Abs. 3 UStAE).

     

    PRAXISHINWEIS | Aber: Heilbehandlungsleistungen eines selbstständigen Arztes, die in einem Krankenhaus erbracht werden (z.B. Belegarzt), sowie die selbstständigen ärztlichen Leistungen eines im Krankenhaus angestellten Arztes (z.B. in der eigenen Praxis im Krankenhaus), sind demgegenüber nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei (A. 4.14.2 Abs. 2 UStAE). Zu Privatkliniken siehe auch Leonard, PFB 14, 8.

     

    Kriterium für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von § 4 Nr. 14 Buchst. a und Buchst. b UStG ist nach Auffassung der Finanzverwaltung weniger die Art der Leistung als vielmehr der Ort ihrer Erbringung. Während Leistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG aus einer Gesamtheit von ärztlichen Heilbehandlungen in Einrichtungen mit sozialer Zweckbestimmung bestehen, ist § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG auf Leistungen anzuwenden, die außerhalb von Krankenhäusern oder ähnlichen Einrichtungen im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Patienten und Behandelndem, z.B. in Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort erbracht werden (EuGH 6.11.03, C-45/01 ‒ Dornier).

     

    PRAXISHINWEIS | Das FG Hamburg (23.10.13, 2 K 349/12, Rev. BFH XI R 48/13) ist allerdings der Auffassung, dass das Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnis nicht zur systematischen Abgrenzung von § 4 Nr. 14 a UStG zu § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG taugt. Denn das Kriterium des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Behandelndem wird auch in jüngeren Entscheidungen des EuGH zur Abgrenzung der beiden Befreiungstatbestände nicht mehr herangezogen. Vielmehr wird allein auf den Ort der Leistungserbringung abgestellt (vgl. EuGH 8.6.06, C-106/05 ‒ L. u. P., Rz. 22; EuGH 18.11.10, C-156/09 ‒ Verigen; EuGH 21.3.13, C-91/12 ‒ PFC Clinic AB), nämlich außerhalb von Krankenhäusern, „sei es in den Praxisräumen des Behandelnden, in der Wohnung des Patienten oder an einem anderen Ort“.

     

    In diesem Zusammenhang weist der EuGH darauf hin, dass die Steuerbefreiungstatbestände grundsätzlich eng auszulegen sind, aber dies nicht dazu führen darf, dass der Befreiungsregelung dadurch ihre Wirkung genommen wird (EuGH 18.11.10, C-156/09 ‒ Verigen).

     

    2. Andere Leistungen von Heilberuflern

    Humanmedizinische Heilbehandlungen dienen der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen. Entsprechend gelten z.B. folgende Leistungen nicht als medizinische Leistungen (vgl. A. 4.14.1 UStAE):

     

    • die schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit, auch soweit es sich dabei um Berichte in einer ärztlichen Fachzeitschrift handelt,
    • die Vortragstätigkeit, auch wenn der Vortrag vor Ärzten im Rahmen einer Fortbildung gehalten wird,
    • die Lehrtätigkeit,
    • die Lieferungen von Hilfsmitteln, z.B. Kontaktlinsen, Schuheinlagen,
    • die entgeltliche Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten.

     

    PRAXISHINWEIS | Von der Steuerbefreiung werden nur Leistungen erfasst, deren Hauptziel im Schutz, der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit liegt. Hierunter fallen z.B. Gutachten über den Gesundheitszustand, die im Vorfeld einer Heilbehandlung ausgestellt werden. Steuerpflichtig sind dagegen ärztliche Gutachten, die nicht primär der Heilbehandlung, sondern der Entscheidungsfindung Dritter dienen, wie z.B. Blutuntersuchungen nach Alkoholtests, für Vaterschaftsfeststellungen, für Sehtauglichkeitsfeststellungen, für Berufstauglichkeitsuntersuchungen, Untersuchungen als Grundlage für Versicherungsabschlüsse etc.

     

    Einen guten Überblick über ärztliche Gutachten, die derzeit von der Finanzverwaltung als steuerfrei oder steuerpflichtig eingeschätzt werden, gibt ein Erlass der OFD Frankfurt (9.2.12, S 7170 A - 63 - St 112).

     

    3. Qualifikation des Heilberuflers

    Für die in § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG genannten Katalogberufe ist der Qualifikationsnachweis kein Thema, wohl aber bei denjenigen, die einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit nachgehen. Bei ihnen kann sich der Qualifikationsnachweis ergeben:

    • aus berufsrechtlichen Regelungen,
    • aus einer „regelmäßigen“ Kostentragung durch Sozialversicherungsträger, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat,
    • aus dem Abschluss eines integrierten Versorgungsvertrags nach §§ 140a ff. SGB V zwischen dem Berufsverband des Leistungserbringers und den gesetzlichen Krankenkassen, wenn der Leistungserbringer Mitglied des Berufsverbands ist.

     

    3.1 Berufsrechtliche Regelungen

    Der Nachweis der Qualifikation kann sich für die nicht unter die Katalogberufe fallenden Unternehmer insbesondere aus berufsrechtlichen Regelungen über Ausbildung, Prüfung, staatliche Anerkennung sowie staatliche Erlaubnis und Überwachung der Berufsausübung ergeben (BFH 8.3.12, V R 30/09, Heileurythmie). Derartige Regelungen sind z.B. das Diätassistentengesetz, Ergotherapeutengesetz, Altenpflegegesetz, Gesetz über den Beruf des Logopäden, Podologengesetz usw.

     

    PRAXISHINWEIS | Personen mit einer Ausbildung in einem Gesundheitsfachberuf haben in der Regel bereits mit einer nach dem Berufszulassungsgesetz erfolgreich abgelegten Prüfung über die erforderliche Qualifikation (BFH 7.2.13, V R 22/12, BStBl II, 14, 126, Podologen). Von Berufsverbänden oder privaten Ausbildungsinstituten erworbene Qualifikationen stehen dem nicht gleich (BFH 8.3.12, V R 30/09, Heileurythmie).

     

    3.2 Regelmäßige Kostenübernahme durch Sozialversicherungsträger

    Der Nachweis der für die Leistungserbringung erforderlichen Berufsqualifikation kann sich auch aus einer „regelmäßigen“ Kostentragung durch Sozialversicherungsträger ergeben, wobei dies nur dann von Bedeutung ist, wenn sie den Charakter eines Befähigungsnachweises hat (BFH 2.9.10, V R 47/09, BStBl II 11, 195, unter II.3.). Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sind gemäß §§ 12, 21 Abs. 2 SGB I und § 4 Abs. 2 SGB V

     

    • Ortskrankenkassen (§§ 143 ff. SGB V),
    • Betriebskrankenkassen (§§ 147 ff. SGB V),
    • Innungskrankenkassen (§§ 157 ff. SGB V),
    • Landwirtschaftliche Krankenkassen (§ 166 SGB V),
    • Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (§ 167 SGB V) und
    • Ersatzkrankenkassen (§ 168 SGB V).

     

    Die Kostentragung kann sich im Einzelfall aus den Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern nach den §§ 69 ff. SGB V ergeben. So ist z.B. die Aufnahme der betreffenden Leistungen in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen nach § 92 SGB V, der Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 111 SGB V oder die Zulassung des Unternehmers oder seiner Berufsgruppe nach § 124 SGB V als Indiz für die erforderliche Berufsqualifikation anzusehen (z.B. BFH 2.9.10, V R 47/09, BStBl II 11, 195, unter II.3.; BFH, 30.4.09, V R 6/07, BStBl II 09, 679, unter II.1.b).

     

    PRAXISHINWEIS | Aber zum Nachweis der Berufsqualifikation aus einer „regelmäßigen“ Kostentragung durch Sozialversicherungsträger genügt es nicht, dass lediglich einzelne gesetzliche Krankenkassen in ihrer Satzung eine Kostentragung für Leistungen der Heileurythmie vorsehen. Leistungen werden nur dann „in der Regel von den Sozialversicherungsträgern finanziert“, wenn ein Großteil der Träger gesetzlicher Krankenkassen eine Kostentragung in ihrer Satzung regelt (BFH 8.3.12, V R 30/09, Heileurythmie).

     

    3.3 Abschluss eines Versorgungsvertrages

    Ferner ergibt sich der für die Steuerfreiheit erforderliche Befähigungsnachweis nach der Rechtsprechung des BFH auch daraus, dass der Behandelnde die Qualifikation hat, die in einem Versorgungsvertrag gemäß § 11 Abs. 2, § 40, § 111 SGB V für Leistungen von Fachkräften zur medizinischen Vorsorge- und Rehabilitation benannt ist (BFH 25.11.04, V R 44/02, BStBl II 05, 190, Rehabilitationsleistung eines Sporttherapeuten). Steuerfreie Leistungen kommen danach in Betracht, wenn eine Rehabilitationseinrichtung aufgrund eines mit einer Krankenkasse geschlossenen Versorgungsvertrags gemäß § 11 Abs. 2, § 40, § 111 SGB V mithilfe von Fachkräften Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbringt. In diesem Fall sind regelmäßig sowohl die Leistungen der Rehabilitationseinrichtung als auch die Leistungen der Fachkräfte an die Rehabilitationseinrichtung steuerfrei, soweit diese Fachkräfte die in dem Versorgungsvertrag benannte Qualifikation haben.

     

    Darüber hinaus kann sich der berufliche Befähigungsnachweis auch aus einer Kostentragung nach § 43 SGB V in Verbindung mit einer „Gesamtvereinbarung“ ergeben (BFH 30.4.09, V R 6/07, BStBl II 09, 679, Funktionstraining in Rheumagruppen). Charakteristisch für die Kostentragung in diesen Fällen ist, dass vertragliche Vereinbarungen mit gesetzlichen Krankenkassen geschlossen und zur Leistungserbringung jeweils Fachkräfte eingebunden werden, die bestimmte Qualifikationsanforderungen zu erfüllen haben (BFH 8. 3.12, V R 30/09, Heileurythmie).

     

    Schließlich kann sich der Befähigungsnachweis auch aus dem Abschluss eines Integrierten Versorgungsvertrags nach §§ 140a ff. SGB V zwischen dem Berufsverband des Leistungserbringers und den gesetzlichen Krankenkassen ergeben. Dies setzt voraus, dass

    • der Leistungserbringer Mitglied des Berufsverbands ist,
    • der Integrierte Versorgungsvertrag Qualifikationsanforderungen für die Leistungserbringer aufstellt und
    • der Leistungserbringer diese Anforderungen auch erfüllt.

     

    3.4 Offene Frage: Qualifikation des Subunternehmers erforderlich?

    Das FG Rheinland-Pfalz (14.5.09, 6 K 2763/07, Kosmetikerin als Subunternehmerin) hatte entschieden, dass Aknebehandlungen einer Kosmetikerin bei Patienten eines Hautarztes umsatzsteuerfrei sind, wenn die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten dieser Leistungen übernehmen oder bei Privatpatienten übernommen hätten, wären sie gegenüber gesetzlich Versicherten erbracht worden. Diese Entscheidung hatte der BFH aufgehoben (BFH 2.9.10, V R 47/09, BStBl II 11, 195, Subunternehmer ohne eigenständigen Befähigungsnachweis), weil es der Kosmetikerin an der erforderlichen Befähigung fehle, obwohl mit der Verordnung über die Berufsausbildung zum Kosmetiker/zur Kosmetikerin eine ‒ allerdings nicht spezifisch auf die Behandlung von Hautkrankheiten ausgelegte ‒ Ausbildungs- und Prüfungsordnung bestehe. Die Kostentragung spielte ebenfalls keine Rolle, weil aus den einem Arzt für dessen Heilbehandlungsleistungen geschuldeten Zahlungen sich nicht die erforderliche berufliche Befähigung des Subunternehmers ergebe.

     

    Eine wenig später ergangene Entscheidung des EuGH (8.11.10, C-156/09 ‒ Verigen) ließ jedoch Zweifel an der generellen Anwendung der BFH-Entscheidung V R 47/09 auf alle Subunternehmerfälle aufkommen. Der EuGH entschied, dass das Herauslösen und Vermehrung von Knorpelzellen zur Reimplantation beim Patienten ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil der Behandlung sei, dessen einzelne Abschnitte sinnvoll nicht isoliert voneinander durchgeführt werden könnten. In der Literatur (Ketteler-Eising, jurisPR-MedizinR 1/2011 Anm. 4) wurde dazu die Auffassung vertreten, dass diese Rechtsprechung des EuGH den Schluss zulassen könne, dass ein Subunternehmer, der in ein Gesamtverfahren mit therapeutischem Zweck eingebunden sei, nicht in allen Fällen über den erforderlichen beruflichen Befähigungsnachweis verfügen müsse. Die Gesellschaft Veringen sei selbstständiger Unternehmer und wird als „Subunternehmer“ für den Leistungsempfänger (Ärzte oder Kliniken) tätig. Die Leistungen seien offenbar von Laborpersonal erbracht worden, welches nicht über einen entsprechenden arztähnlichen Befähigungsnachweis verfügt habe.

     

    Im Anschlussverfahren zu Verigen entschied der BFH (29.6.11, XI R 52/07) unter Aufhebung der FG-Entscheidung und Zurückverweisung, dass noch keine Feststellungen zum Befähigungsnachweis getroffen worden seien, und drückte das in der Pressemitteilung Nr. 73 (7.9.11) so aus:

     

    „Nicht geklärt ist bislang aber, welche berufliche Qualifikation die Mitarbeiter der Klägerin haben, die die Zellvermehrungen durchgeführt haben. Steuerfrei gemäß § 4 Nr. 14 S. 1 UStG können diese Laborleistungen nur sein, wenn sie von Ärzten oder im Rahmen der Ausübung eines arztähnlichen Berufs erbracht werden. Der BFH wies deshalb die Sache an das Finanzgericht zurück, damit dieses Feststellungen zu der beruflichen Qualifikation der Mitarbeiter der Klägerin trifft und sodann entscheidet, ob die Steuerbefreiung zu gewähren ist.“

     

     

    PRAXISHINWEIS | Ein Hauptunternehmer, der selbst nicht über die erforderliche Qualifikation verfügt, kann sich jedoch bei der Leistungsausführung entsprechend qualifizierten Personals bedienen, um die die Umsatzsteuerbefreiung zu kommen (BFH 26.9.07, V R 54/05; BFH 30.1.08, XI R 53/06).)

     

    4. Leistung mit therapeutischem Zweck

    Heilberufliche Leistungen sind nur steuerfrei, wenn bei der Tätigkeit ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Nicht unter die Befreiung fallen Tätigkeiten, die nicht Teil eines konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes sind (A. 4.14.1 Abs. 4 UStAE).

     

    Eine bloße Maßnahme zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens bzw. ein Wellnessprogramm ist keine Heilbehandlung, selbst wenn sie von Angehörigen eines Heilberufs erbracht wird. Ebenso wenig liegt eine steuerbefreite Heilbehandlung vor, wenn Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i. S. des § 20 SGB V erbracht werden, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen“ sollen (§ 20 Abs. 1 S. 2 SGB V; BFH 4.10.12, XI B 46/12, Yoga-Kurse).

     

    PRAXISHINWEIS | Das Erfordernis der therapeutischen Zweckbestimmtheit ist laut EuGH nicht „in einem besonders engen Sinne zu verstehen, sondern vielmehr unter Berücksichtigung des Zwecks der Steuerbefreiung auszulegen, der darin besteht, die Kosten ärztlicher Heilbehandlungen zu senken“. Anderenfalls kommt es zu einer nicht zu vereinbarenden Einschränkung der Steuerfreiheit. (EuGH 11.1.01, C-76/99, Kommission/Frankreich, und EuGH 20.11.03 C-212/01, Unterpertinger; EuGH 20.11.03, C-307/01 ‒ Peter D‘Ambrumenil; EuGH 8.6.06, C-106/05 ‒ L.u.P.; EuGH 10.6.10, C-262/08, CopyGene;EuGH 18.11.10, C-156/09 ‒ Verigen).

     

    4.1 Die Rolle der ärztlichen Verordnung

    Nach Meinung der Finanzverwaltung umfasst die Umsatzsteuerbefreiung ausschließlich medizinisch indizierte Leistungen gemäß heilberuflicher Verordnung. Deshalb sollen Leistungen, die nicht aufgrund entsprechender Anordnung oder im Rahmen einer medizinischen Behandlung als Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden, nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei sein.

     

    Neben (Zahn-) Ärzten und Psychotherapeuten dürfen lediglich Heilpraktiker als Angehörige der Heilberufe eigenverantwortlich körperliche oder seelische Leiden behandeln. Das gilt auch für die auf das Gebiet der Physiotherapie beschränkten Heilpraktiker (BVerwG 26.8.09, 3 C 19.08). Für Leistungen aus der Tätigkeit von Gesundheitsfachberufen kommt nach dieser Ansicht die Steuerbefreiung grundsätzlich nur in Betracht, wenn sie aufgrund ärztlicher Verordnung bzw. einer Verordnung eines Heilpraktikers oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme durchgeführt werden (vgl. BFH 7.7.05, V R 23/04, BStBl II 05, 904, Ernährungsberatung).

     

    PRAXISHINWEIS | Behandlungen durch Angehörige von Gesundheitsfachberufen im Anschluss/Nachgang einer Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers sieht die Verwaltung grundsätzlich nicht als steuerfreie Heilbehandlung an, sofern für diese Anschlussbehandlungen keine neue Verordnung vorliegt. Als ärztliche Verordnung gilt im Allgemeinen sowohl das Kassenrezept als auch das Privatrezept. Bei Rezepten von Heilpraktikern handelt es sich durchweg um Privatrezepte. Eine Behandlungsempfehlung durch einen Arzt oder Heilpraktiker ist keine ausreichende Verordnung (A. 4.14.1 Abs. 5a UStAE).

     

    Nach Auffassung des FG Schleswig-Holstein (5.2.14, 4 K 75/12, Revision unter Az. XI R 12/14) jedoch wird die Steuerfreiheit einer Behandlung entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung (BMF 19.6.12, IV D 3 - S 7170/10/10012 , BStBl I 12, 682 und in A. 4.14.1 Abs. 4 S. 8 f. UStAE) nicht dadurch ausgeschlossen, dass diese Behandlungen nicht aufgrund einer ärztlichen Verordnung erfolgten (so auch FG Köln 20.9.07, 10 V 1781/07, unter II.3.c, Fußpflegeleistungen). Ein solches Nachweiserfordernis für das Vorliegen einer Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin bei Leistungen arztähnlicher Berufe lässt sich weder aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG noch aus dem Zweck der Vorschrift, die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen, ableiten. Eine ärztliche Verordnung ist daher nur dann notwendige Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung, wenn das Vorliegen einer Heilbehandlung nicht in anderer Weise nachgewiesen werden kann.

     

    PRAXISHINWEIS | Im Fall des FG Schleswig-Holstein war dem Gericht eine Beurteilung des therapeutischen Zwecks der von der Klägerin erbrachten Leistungen der medizinischen Fußpflege aufgrund der zu den behandelten Patienten vorgelegten Unterlagen und des ärztlichen Privatgutachtens möglich, ohne dass es hierfür einer ärztlichen Verordnung zu den einzelnen Behandlungen bedurfte.

     

    Ebenso wenig ist für die Steuerbefreiung nach Auffassung des BFH maßgeblich, wer die Leistung gegenüber dem Empfänger abrechnet (vgl. etwa BFH 7.7.05, V R 23/04, BStBl II 05, 904, Ernährungsberatung) oder inwieweit die gesetzlichen Krankenkassen zur Übernahme der Kosten verpflichtet sind. Denn im Gegensatz zu den sozialrechtlichen Bestimmungen, bei denen es um die Frage geht, ob ein Einzelner auf Kosten der Allgemeinheit einen (Mindest-)Anspruch auf bestimmte Heilmittel hat, verfolgt § 4 Nr. 14 UStG einen anderen Zweck, nämlich die Kosten der Heilbehandlungen zu senken und diese Behandlungen dem Einzelnen zugänglicher zu machen (FG Berlin-Brandenburg 29.10.13, 2 K 2055/11, Raucherentwöhnungskurse durch Dipl.-Psychologen mit Heilpraktikerbefugnis).

     

    PRAXISHINWEIS | Der EuGH hat darüber hinaus ausdrücklich hervorgehoben, dass der bloße Umstand der fehlenden (vollständigen) Kostenübernahme durch die Träger der Sozialversicherung keine unterschiedliche Behandlung der Leistungserbringer in Bezug auf die Mehrwertsteuerpflicht rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund ist die Frage der Kostenerstattung durch die Sozialversicherungsträger kein geeignetes Abgrenzungskriterium für den Begriff der Heilbehandlung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG (vgl. BFH 31.1.08, XI R 53/06, BStBl II 08, 647, Hippotherapie; EuGH 6.11.03, C-45/01, Dornier, Rn. 43).

     

    4.2 Laboruntersuchungen

    Umsätze eines Laborarztes, der Gewebeproben anderer Ärzte und/oder Krankenhäuser analysiert und befundet, sind als Heilbehandlungsleistungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei (FG Hamburg 23.10.13, 2 K 349/12, Rev. BFH XI R 48/13). Denn unter den Begriff der Heilbehandlung fallen auch die der vorbeugenden Beobachtung und Untersuchung der Patienten dienenden medizinischen Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb einer Heilbehandlungseinrichtung auf Anordnung praktischer Ärzte durchgeführt werden. Auch medizinische Analysen können zur Aufrechterhaltung der menschlichen Gesundheit beitragen, da sie ebenso wie jede vorbeugend erbrachte ärztliche Leistung darauf abzielen, die Beobachtung und Untersuchung der Patienten zu ermöglichen, noch bevor es erforderlich wird, eine etwaige Krankheit zu diagnostizieren, zu behandeln oder zu heilen (EuGH 8.6.06, C-106/05 ‒ L. u. P.). Diese Auslegung des Begriffes „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ des EuGH ist zwar zu Art. 13 A Abs. 1 Buchst. c der sechsten Richtlinie (77/388/EWG) zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Umsatzsteuern (6. EG-Richtlinie) ergangen. Die Norm hat jedoch den gleichen Wortlaut wie Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL, sodass die zu der vorherigen Regelung ergangene Rechtsprechung in vollem Umfang zur Auslegung des geltenden Rechts herangezogen werden kann (vgl. EuGH 18.11.10, C-156/09, Verigen).

     

    Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfordert in diesem Fall auch kein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Nach Auffassung des FG Hamburg (23.10.13, 2 K 349/12) kann dem Wortlaut des § 4 Nr. 14 Buchst. a S. 1 UStG das Erfordernis eines persönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient nicht entnommen werden. Ebenso wenig ergibt sich diese Voraussetzung aus dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL, dessen Umsetzung in das nationale Steuerrecht durch § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG erfolgt ist.

     

    PRAXISHINWEIS | Und auch nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG ein Vertrauensverhältnis zum Patienten nicht erforderlich. In dem Urteil des BFH (29.6.11, XI R 52/07), das im Anschluss an das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache Verigen (EuGH 18.11.10, C-156/09) ergangen ist, stellt der BFH fest, dass ein Vertrauensverhältnis zum Patienten nicht ausnahmslos Voraussetzung für die Steuerbefreiung einer Tätigkeit im Rahmen einer Heilbehandlung ist. Diese Rechtsprechung wird vom BFH in einer Entscheidung über infektionshygienische Leistungen eines Arztes fortgeführt (BFH 18.8.11, V R 27/10, s. Tz. 4.3 dieses Beitrages).

     

    4.3 Hygieneberatung

    Auch infektionshygienische Leistungen eines Arztes, die dieser für andere Ärzte und Krankenhäuser erbringt, damit diese ihre Heilbehandlungsleistungen ordnungsgemäß unter Beachtung der für sie nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (IfSG) bestehenden Verpflichtungen erbringen, sind als Heilbehandlungsleistung nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei. Zu den „ärztlichen Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden“ (EuGH 20.11.03, C-212/01, Unterpertinger; EuGH 20.11.03, C-307/01, Peter D‘Ambrumenil; EuGH 10.6.10, C-262/08, CopyGene) gehören nämlich auch ärztliche Leistungen, die sich unmittelbar auf die Art und Weise der ärztlichen Tätigkeit in einer Arztpraxis, einem Krankenhaus oder einer anderen Einrichtung ärztlicher Heilbehandlung beziehen und deren ordnungsgemäße Erbringung in infektionshygienischer Hinsicht sicherstellen sollen (BFH 18.8.11, V R 27/10, Krankenhaushygiene).

     

    PRAXISHINWEIS | Der BFH weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass sich das FG zu Unrecht auf eine BFH-Entscheidung berufen habe, wonach die Tätigkeit im Rahmen eines hinreichend „konkreten, individuellen, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Leistungskonzeptes“ erfolgen müsse (BFH 10.3.05, V R 54/04, BStBl II 05, 669; BFH 7.7.05, V R 23/04, BStBl II 05, 904; beide Ernährungsberatung). Dieses Kriterium dient der Abgrenzung zu Leistungen der Prävention und Selbsthilfe nach § 20 SGB V, also zu Leistungen, die keinen unmittelbaren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich „den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen“ sollen.

     

     

    Der BFH beruft sich mit Blick auf die zu beurteilende Hygieneberatung auf die Verigen-Entscheidung (EuGH 18.11.10, C-156/09), wonach Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin „ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines „Gesamtverfahrens“ sind, „dessen einzelne Abschnitte sinnvollerweise nicht isoliert voneinander durchgeführt werden können“. Danach ‒ so der BFH ‒ kommt es für die Steuerfreiheit nicht zwingend auf das vom FA geforderte Vertrauensverhältnis an, das im Übrigen auch nicht bei Heilbehandlungsleistung zur Bekämpfung von Epidemien bestehe (BFH 18.8.11, V R 27/10).

     

    4.4 Lieferungen einer Krankenhausapotheke

    Im März 2014 hat der EuGH (13.3.14, C-366/12 ‒ Klinikum Dortmund) den Gedanken des „Gesamtverfahrens“ weiter ausgeführt. In diesem Verfahren ging es um die Lieferung von Zytostatika einer Krankenhausapotheke, die von innerhalb eines Krankenhauses selbstständig tätigen Ärzten im Rahmen einer ambulanten Krebsbehandlung verschrieben wurden. Zunächst stellt der EuGH fest, dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c 6. Richtlinie im Gegensatz zu Buchst. b keine Bezugnahme auf eng mit ärztlichen Heilbehandlungen verbundene Umsätze kennt und daher nicht erfasst. Außerdem ist die Abgabe von Arzneimitteln und sonstigen Gegenständen in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Dienstleistung trennbar (wenn man von den Lieferungen kleineren Umfangs absieht), weswegen sie nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit werden kann (vgl. EuGH 23.2.88, Kommission/Vereinigtes Königreich). Folglich kann einer Lieferung von Arzneimitteln und anderen Gegenständen, sofern sie nicht im Zeitpunkt einer humanmedizinischen Heilbehandlung strikt notwendig ist, die in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie vorgesehene Steuerbefreiung nicht zugutekommen.

     

    Eine Steuerbefreiung kommt nur dann in Betracht, wenn sich Heilbehandlung und Medikamentenlieferung in ein therapeutisches Kontinuum einfügen. Allerdings konnte der EuGH nach den vorgelegten Unterlagen nicht erkennen, dass die Abgabe der Arzneimittel als in tatsächlicher und in wirtschaftlicher Hinsicht von der Erbringung der ärztlichen Heilbehandlung nicht trennbar angesehen werden kann. Es ist Aufgabe der Tatsacheninstanz, die insoweit erforderlichen Überprüfungen nachzuholen.

    5. Zusammenfassung und Ausblick

    Geht es darum festzustellen,ob eine Maßnahme nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG steuerfrei ist, ist zunächst danach zu fragen, ob es sich um eine humanmedizinische Leistung handelt. Kann das bejaht werden, muss festgestellt werden, ob der Behandler die erforderliche Qualifikation hat. Die Antwort fällt bei den Katalogberufen des § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG und bei den im UStAE genannten ähnlichen Berufen vergleichsweise leicht. Schließlich ist nach dem medizinisch-therapeutischen Ziel der Maßnahme zu fragen. Hier ist im Moment, ausgelöst durch die jüngere EuGH-Rechtsprechung, einiges im Fluss.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Umsatzsteuer: Auch Fremdhistologien sind umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen (PFB online 24.1.14)
    • Umsatzsteuer: Zur Umsatzsteuerfreiheit von Heilbehandlungsleistungen (Nieskoven, PFB 11, 30)
    • Umsatzsteuerbefreiung: Züchtung von Humangewebe als Heilbehandlung i. S. von § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG (Nieskoven, PFB 11, 302)
    • PFB Sonderausgabe (2011): Umsatzsteuer in der Heilberufeberatung (Downloads)
    • Umsatzsteuerfreiheit: Befähigungsnachweis für heileurythmische Leistungen (Nieskoven, PFB 2012)
    • Umsatzsteuer: Umsatzsteuer bei Gesundheitsfachberufen (Sedlaczek/Paschhoff, PFB 13, 162)
    • Umsatzsteuer: Umsatzsteuerpflicht der Leistungen von Physiotherapeuten und ähnlichen Gesundheitsfachberufen (Ketteler-Eising 12, 233)

     

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 127 | ID 42634294