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  • · Nachricht · Kongress-Bericht

    Bericht über den 16. IWW-Kongress „Praxis Steuerstrafrecht“

    von RA Dr. Thomas Himmelreich, Krause & Kollegen, Berlin

    | Am 31.10.14 fand der 16. Kongress des Instituts für Wissen in der Wirtschaft zum Thema „Praxis Steuerstrafrecht“ in Düsseldorf statt. Sowohl Steuerberater als auch Strafverteidiger konnten Erkenntnisse für ihre Beratungs- und Verteidigungspraxis gewinnen. |

    1. Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung

    Prof. Dr. Wolfgang Joecks führte in die Tagung ein, die - wie auch in den letzten Jahren - aufgrund der Aktivität des Gesetzgebers und den aufsehenerregenden Fällen in den Medien von der Selbstanzeige beherrscht werde, sich darüber hinaus aber auch den anderen entscheidenden Entwicklungen im Steuerstrafrecht widmen werde. Dies unterstrich sogleich der erste Beitrag durch RiBGH Prof. Dr. Markus Jäger, der einen Überblick über die aktuelle steuerstrafrechtliche Rechtsprechung des 1. Strafsenats gab. Neben der Klarstellung in 1 StR 13/14 (NStZ-RR 14, 316), wonach die Grundsätze der professionellen Adäquanz auch für Steuerberater beim Fertigen der Steuererklärung gelten, und den Ausführungen in 1 StR 312/13 (PStR 14, 56) zur Maßgeblichkeit der Verhältnisse bei Bezug der Leistung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug fand besonders die von Jäger erläuterte Entscheidung 1 StR 562/13 (NStZ 14, 287) um manipulierte Kassensysteme beim „Italiener“ und die Zulässigkeit der Schätzung Eingang in die weiteren Vorträge und Diskussionen.

     

    Den Schwerpunkt in Jägers Beitrag bildeten die „Strohmanngeschäfte“ die den Entscheidungen 1 StR 422/13 und 1 StR 469/13 (dazu Steinlein/Meyberg, PStR 14, 93 ff.), 1 StR 578/13 (Gehm, PStR 14, 221 f.) und 1 StR 29/14 (Adick, PStR 14, 252 ff.) zugrunde lagen. Jäger zeichnete bei der Behandlung der Geschäfte die einheitliche Linie des BGH nach: Ein „vorgeschobenes“ Strohmanngeschäft sei dann unbeachtlich, wenn beide Vertragsparteien davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann eintreten sollen. Auch ein Strohmann, der nach außen im eigenen Namen auftritt, im Verhältnis zum Hintermann jedoch nicht auf eigene Rechnung handelt, könne Unternehmer i.S. des UStG sein.

     

    Joecks wähnt die aktuelle Rechtsprechung des 1. Strafsenats auf einer Linie mit dem Gesetzgeber, der das Steuerstrafrecht deutlich verschärfen will. Eher beiläufig verwies er dabei auf die ungewöhnliche Praxis der Regierung im Gesetzgebungsprozess zur Neuregelung der Selbstanzeige: Unter den angehörten Verbänden befand sich weder der DAV noch eine Vereinigung der Steuerberater. Den Kongress stellt Joecks vor die Frage, ob das Steuerstrafrecht mit dieser Härte etwas erreicht oder ob wir nicht vielmehr die Akzeptanz für die Besteuerung verbessern müssen. Gestützt auf wirtschafts- und sozialpsychologische Untersuchungen mache es mehr Sinn, der Bevölkerung zu verdeutlichen, dass jeder Gesellschafter der „Deutschland-AG“ sei. Ein solches „Nudging“ im Sinne eines Stupsens der Steuerzahler in Richtung der Steuerehrlichkeit werde das Thema der nächsten Jahre, prophezeite Joecks.

    2. Neue Entwicklungen aus Verteidigersicht

    Nach RA Dr. Markus Gotzens erleben wir eine Blüte des Steuerstrafrechts. Die Zeit des „Kuschelkurses“ mit den Behörden sei vorbei, die Forensik werde stärker. Gotzens wies daher die anwesenden Berater und Verteidiger auf die sich verstärkt ergebenden Probleme hin: Der Mandant, der die schnelle Beendigung des Verfahrens zu einem ihm akzeptablen Preis und damit das „Schnüren eines Gesamtpakets“ anstrebe, werde in Zukunft zunehmend enttäuscht werden müssen. Gerade eine „Vorleistung“ im Steuerverfahren sei risikoreich und berge mögliche „Kollateralschäden“. Auch die Anforderungen an eine Verständigung im Strafverfahren seien hoch. Neben anderen Risiken im Rahmen von grenzüberschreitenden Ermittlungen und bei der EDV-Auswertung ging Gotzens insbesondere auf die „neue“ Öffentlichkeit in der beim Scheitern eines Gesamtpakets notwendigen Hauptverhandlung ein: Mithilfe von „Social Media“ könne teilweise minutengenaue Berichterstattung geliefert werden. Die einhellige Meinung auf dem Podium hierzu formulierte Joecks: Der Gesetzgeber muss eine Echtzeitübertragung durch Klarstellung im GVG verbieten.

    3. Selbstanzeigenberatung

    Die von Joecks geäußerte Annahme, der Gesetzgeber habe mit seinen Änderungen eine strafbefreiende Selbstanzeige faktisch abgeschafft erläuterte RA Dr. Rainer Spatcheck ausgiebig in seinem Vortrag. Detailliert ging er dabei auf bisherige Probleme bei der Auslegung von § 371 AO und § 398a AO ein und inwieweit diese durch die Verschärfungen zum 1.1.15 beseitigt werden. Hierbei griff er die Kritik am Gesetzgebungsverfahren und der unterbliebenen Anhörung weiter Teile der Praxis auf. Die jetzt gefundene Gestalt der Selbstanzeige sei das Ergebnis der politischen und fiskalischen Verdrängung systematischer und praktischer Zweifel. Ihrer verfassungsrechtlichen Rolle könne die Selbstanzeige nach dem 1.1.15 nicht mehr nachkommen.

    4. Podiumsdiskussion

    Das Podium konnte sich dieser vehementen Kritik nicht vollumfänglich anschließen. Staatsanwalt Dr. Claudio Kirch-Heim gab zu bedenken, dass § 398a AO trotz der von Spatcheck beschriebenen Probleme jedenfalls in der Hamburger Praxis häufig genutzt wird. Auch RD Klaus Herrmann ist dagegen im Hinblick auf § 398a AO der Auffassung, dass man in Zukunft eine Flucht in den § 153a StPO beobachten werden könne. RA Prof. Carsten Wegner erinnerte zur Lösung von Auslegungsproblemen auf gleichgelagerte Probleme bei der Selbstanzeige im AWG. Für die Finanzverwaltung stellte LRD Max Rau zunächst klar, dass Ermittlungsbeamte Unterlagen nicht „genüsslich“ auswerten; ihrer Arbeit sei vielmehr eine innere „sachliche Freude“ immanent. Mit Blick auf die neu geschaffenen Regelungen herrsche aber eine gewisse Ratlosigkeit. Man warte hier auf klärende Schreiben aus dem BMF.

     

    Eine Frage aus dem Publikum zu den Grenzen von § 153a StPO ließ das Podium auf den von Gotzens konstatierten „Drang in die Forensik“ zurückkommen. RiOLG Dr. Marc Tully vermochte diese Entwicklung jedenfalls in Hamburg nicht zu erkennen. Die begrenzte Kapazität der Wirtschaftsstrafkammern führe aber zu einer Instrumentalisierung des § 153a StPO. Kirch-Heim erklärte, dass die Bereitschaft, Verfahren nach § 153a StPO zu beenden, mit den - jedenfalls intern immer bestehenden - Straftarifen korreliert. Dem pflichtete Jäger im Kern bei: Eine im Raum stehende Freiheitsstrafe müsse in öffentlicher Hauptverhandlung erörtert werden. Auf die von Joecks aufgeworfene Frage, ob § 257c StPO dazu zwinge, Gespräche nach § 153a StPO zu protokollieren, antwortete Jäger, dass sich der BGH hierzu noch in einem „Findungsprozess“ befinde. Jedenfalls das KG Berlin (161 Ss 132/13 (47/13, PStR 14, 167) - so der Hinweis von Tully - geht aber davon aus, dass § 153a StPO-Gespräche nicht protokolliert werden müssen.

    5. Praktiker-Workshops am Nachmittag

    Nach der Mittagspause konnten die Teilnehmer - wie üblich - zwischen verschiedenen Praktiker-Foren auswählen.

     

    • Herrmann erläuterte Arbeitsweisen, Ermittlungstechniken und aktuelle Prüffelder. Nachgegangen wurde der Entdeckung von Manipulationen bei Buchführungssoftware und dem Umsatzsteuerbetrug bei innergemeinschaftlichen sonstigen Leistungen.

     

    • Kirch-Heim referierte zu den Grundsätzen der Strafzumessung und den Besonderheiten bei der Anwendung der allgemeinen Regelungen im Steuerstrafrecht. Dabei ging er insbesondere auf die in der Rechtsprechung des BGH geltenden Wertgrenzen bei der Steuerhinterziehung und auf die Möglichkeiten der Berücksichtigung einer gescheiterten Selbstanzeige ein.

     

    • Tully führte seine Zuhörer durch die Untiefen des Beweisantragsrechts. Aus Sicht und mit der Erfahrung des Revisionsrichters erläuterte er die Anforderungen an Beweisanträge: Diese dienten einem „Dialog mit dem Gericht“ und setzten dementsprechend eine Mitwirkung des Antragstellers voraus. Selbst bei zurückgewiesenen Anträgen ermögliche der formgerechte Beweisantrag jedenfalls einen „Blick in das Beratungszimmer des Gerichts“.

     

    • Den Berührungspunkten der Konzernbetriebsprüfung mit dem Steuerstrafrecht widmete sich RD Stefan Flamm. Es wurde - auch anhand zahlreicher Praxisfälle - aufgezeigt, wie die BP Tatsachen ermittelt, um den Ort der Geschäftsleitung zu bestimmen oder bisher nicht erkannte Fälle von Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) zu entdecken. Den Schwerpunkt bildete die Darstellung und Erläuterung anhand von praktischen Fällen der Prüfung von Verrechnungspreisen bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen im Konzern.

     

    JETZT ANMELDEN | Der 17. IWW-Kongress Praxis Steuerstrafrecht wird am 23.10.15 in Düsseldorf stattfinden. Sie werden erneut Gelegenheit haben, über aktuelle Entwicklungen im Steuerstrafrecht zu diskutieren. Sie können sich heute schon für den nächsten Kongress anmelden (www.iww.de/seminare).

    Quelle: ID 43084928