Rahmengebühren So bestimmen Sie Ihren Gebührenrahmen richtig von RiLG Dr. Julia Bettina Onderka, Bonn Die richtige Bestimmung des Gebührenrahmens ist wichtig, um kein Honorar zu verschenken. § 14 RVG (Abruf-Nr. 040450) regelt die Bestimmung der konkreten Gebühr bei Rahmengebühren und übernimmt im Grundsatz § 12 BRAGO. Der Beitrag zeigt Ihnen, worauf Sie ab dem 1.7.04 in der Praxis achten müssen (vgl. dazu auch RVG prof. 04, 45): RVG sieht neues Abwägungskriterium vor Bei der Bestimmung der Gebühren kann das Haftungsrisiko des Anwalts berücksichtigt werden, § 14 Abs. 1 S. 2 und 3 RVG. § 14 RVG betrifft Satz- und Betragsrahmengebühren Der persönliche Anwendungsbereich des § 14 RVG erstreckt sich auf alle Anwälte, deren Tätigkeit nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) mit einer Rahmengebühr abgegolten wird, auch wenn sie im gerichtlichen Verfahren im Rahmen von PKH beigeordnet werden (z.B. § 73a SGG). Der Pflichtverteidiger erhält nach § 49 RVG i.V.m. Teil 4 VV RVG regelmäßig Festgebühren, so dass § 14 RVG nicht anwendbar ist. Der sachliche Anwendungsbereich umfasst Satz- und Betragsrahmengebühren sowie die angemessene Gutachtengebühr (Nr. 2103 VV RVG). Wichtig sind die Kriterien für die Gebührenbestimmung Der Anwalt muss die konkrete Gebühr nach billigem Ermessen bestimmen. Dafür nennt § 14 Abs. 1 S. 1 bis 3 RVG einige Kriterien:
Die Einkommensverhältnisse können durch laufende Ausgaben, Schulden, Unterhaltsverpflichtungen sowie sonstige Belastungen gemindert werden. Positiv können Zahlungen eines Unterhaltspflichtigen (z.B. §§ 1360a, 1610 BGB) zu Buche schlagen. Bei ratenfreier PKH sind die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht mehr zu berücksichtigen, da ihnen durch die geringeren Gebührenbeträge des § 49 RVG Rechnung getragen wird. In zeitlicher Hinsicht ist - anders als bei einem Vorschuss nach § 9 RVG - auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der Gebührenforderung abzustellen. Denn erst dann muss der Mandant die Kostenrechnung bezahlen.
Das Merkmal Haftungsrisiko stellt auf die Höhe der potenziellen Schadenersatzforderung ab, um die Mehrfachwertung desselben Umstands zu vermeiden. Bei Satzrahmengebühren, bei denen der Gegenstandswert zu berücksichtigen ist, kann der Anwalt im Rahmen der Abwägung nach § 14 Abs. 1 S. 2 RVG nur ein besonderes Haftungsrisiko einfließen lassen. Seine grundsätzliche Haftung für Pflichtverletzungen ist Folge der vertraglichen Beziehung zwischen den Parteien und kein Umstand des Einzelfalls. Da der Streitwert, der die Höhe der eventuellen Schadenersatzforderung maßgeblich beeinflusst, schon über die Gebührentabelle des § 13 Abs. 1 RVG berücksichtigt wird, müssen weitere Umstände hinzutreten, um ein besonderes Haftungsrisiko zu bejahen. Dies kann z.B. vorliegen, wenn die potenzielle Haftungssumme den von der Berufshaftpflichtversicherung abgedeckten Betrag übersteigt und der Anwalt ein persönliches finanzielles Risiko eingeht. Ein besonderes Haftungsrisiko kommt auch in Betracht, wenn der Anwalt mehrere Auftraggeber in derselben Angelegenheit vertritt und die Höchstgrenze der Erhöhung nach Abs. 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 VV RVG schon durch einen Teil der Auftraggeber erreicht wird.
Unterteilung in Mindest-, Höchst- und Mittelgebühr dient als Hilfe Auch anhand dieser Kriterien ist es für den Anwalt schwierig, die im Einzelfall angemessene Gebühr zu bestimmen. Es haben sich daher in der Rechtsprechung zu § 12 BRAGO bestimmte Grundsätze für die Abwägung herausgebildet, die auch bei § 14 RVG generell weiterhin gelten. Neu eingefügt ist allerdings eine Schwellengebühr/ein Schwellenwert.
Die Mittelgebühr kann auch gerechtfertigt sein, wenn einzelne Merkmale vom Durchschnittsfall nach oben, andere nach unten abweichen (sog. Kompensation). Der Anwalt muss aber den Rahmen des VV einhalten. Die nach früherem Recht (vgl. § 83 Abs. 3, § 88 S. 2 und 3 BRAGO) mögliche Überschreitung des Betragsrahmens ist im RVG nicht mehr vorgesehen. Sie wird im VV durch einen Zuschlag ausgeglichen, der einen höheren Betragsrahmen bietet (z.B. Nrn. 4101, 4103 VV RVG). Die Gebührenbestimmung ist eine Leistungsbestimmung nach § 315 BGB Die Gebührenbestimmung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist für den Anwalt bindend, sobald sie dem Empfänger zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Hat der Anwalt Umstände übersehen, kann er die Bestimmung weder anfechten noch widerrufen, es sei denn, er ist getäuscht worden oder er hat sich die Änderung ausdrücklich vorbehalten.
Gesetzgeber hat Schwellen-/Regelwert normiert Für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 (2401) VV RVG und die Geschäftsgebühr nach Nr. 2500 (2501) VV RVG hat der Gesetzgeber einen sog. Schwellenwert eingeführt: Während die Mittelgebühr in den genannten Fällen bei 1,5 (0,9) bzw. bei 280 EUR (150 EUR) liegt, soll der Anwalt eine Gebühr von mehr als 1,3 (0,7) bzw. 240 EUR (120 EUR) nur erhalten, wenn die Angelegenheit umfangreich oder schwierig war. Nach § 118 Abs. 1 BRAGO kann der Anwalt für die außergerichtliche Vertretung des Auftraggebers eine Geschäfts-, Besprechungs- und Beweisaufnahmegebühr von je 5/10 bis 10/10 der vollen Gebühr verdienen. Das RVG sieht dagegen nur noch eine einheitliche Geschäftsgebühr vor. Vergleichbar damit, dass der Anwalt mehr als eine 10/10 Gebühr nur erhält, wenn er die Tatbestände des § 118 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 BRAGO zusätzlich erfüllt, wird nunmehr verstärkt Gewicht auf den Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeit gelegt. Denn die Besprechungs- und Beweisaufnahmegebühr bringen eine Erweiterung des Umfangs sowie der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mit sich. Da der Gesetzgeber die Vergütung der außergerichtlichen Tätigkeit nicht pauschal erhöhen, sondern neu strukturieren wollte, sollte eine Überbewertung der klassischen Geschäftsbesorgung nach § 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO vermieden werden.
Ohne die Kriterien des Schwellenwertes im VV würde der Anwalt hier wegen der überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mandanten und der Bedeutung der Angelegenheit eine Gebühr oberhalb der Mittelgebühr von 1,5 fordern können. Nach der BRAGO gibt es nur maximal eine 10/10-Geschäftsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO). Überprüfung der Gebühr ist nur eingeschränkt möglich Der Mandant kann gegenüber dem Anwalt einwenden, dass die Bestimmung der Gebühr nach § 315 Abs. 3 S. 1 BGB unverbindlich ist, weil sie unbillig ist. Die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit trägt der Anwalt. Da es sich um eine Ermessensentscheidung handelt, ist der Prüfungsumfang des Gerichts jedoch eingeschränkt. Nach der bisherigen Rechtsprechung werden Abweichungen von 10 bis 20 Prozent von der als billig angesehenen Gebühr hingenommen. Besser ist die Überprüfung auf Ermessensmissbrauch und Ermessensnichtgebrauch. Solange der Anwalt die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der in § 14 Abs. 1 S. 1 bis 3 RVG genannten Kriterien abgewogen und in einer nachvollziehbaren, nicht willkürlichen Art und Weise die Gebühr berechnet hat, ist seine Bestimmung zu akzeptieren. Sonst wird sie nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB vom Gericht durch Urteil getroffen. Auch ein erstattungspflichtiger Dritter (Prozessgegner, Rechtsschutzversicherer, Arbeitgeber) kann nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG geltend machen, dass die Gebührenbestimmung unbillig ist. Anders als im Falle des § 315 BGB trägt aber hier der Dritte die Darlegungs- und Beweislast für eine behauptete Unbilligkeit, da diese eine Einwendung des Dritten im Erstattungsverfahren ist. Gutachten der Rechtsanwaltskammer nur bei Streit über Gebührenhöhe Nach § 14 Abs. 2 RVG ist ein Gutachten des Vorstands der Anwaltskammer nur einzuholen, soweit im Rechtsstreit die Höhe einer nach § 14 Abs. 1 RVG zu bestimmenden Gebühr streitig ist. Ob eine Gebühr entstanden ist, muss das Gericht als Rechtsfrage selbst beantworten. Das Gericht muss ein solches Gutachten nur im Honorarprozess zwischen Anwalt und Mandant einholen, auch im Verfahren nach § 495a ZPO. Umfasst sind neben Honorarklagen des Anwalts auch Fälle, in denen der Anwalt mit seiner Honorarforderung gegenüber einer Forderung des Mandanten aufrechnet und wenn der Mandant überzahltes Honorar nach § 812 BGB zurückfordert. Die jeweilige Parteistellung der Beteiligten sowie der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch sind unerheblich. Die Frage, ob die Einholung des Gutachtens eine Beweisgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO auslöst, ist nach Wegfall der Beweisgebühr obsolet geworden. Das Gutachten nach § 14 Abs. 2 S. 2 RVG ist von der Kammer kostenlos zu erstatten. Nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 2 S. 1 ("soweit") bedarf es des Gutachtens nur, wenn der Streit über die Gebührenhöhe auch entscheidungserheblich ist. Ist z.B. die Honorarklage des Anwalts bereits aus anderen Gründen - etwa wegen Eintritt der Verjährung - abzuweisen, bedarf es keiner Einholung eines Gutachtens. Ein Gutachten ist auch nicht erforderlich, wenn der Mandant nur seine Haftung dem Grunde nach leugnet und gegen die Bestimmung zur Höhe der Vergütung keine Einwände erhebt. | ||||||||||||||||||||||||
Quelle: RVG professionell - Ausgabe 04/2004, Seite 56 |
Quelle: Ausgabe 04 / 2004 | Seite 56 | ID 106615