Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Befriedungsgebühr

    Muss die Mitwirkung des Rechtsanwalts für die Einstellung ursächlich gewesen sein?

    von RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

    Für das Entstehen der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG ist nicht erforderlich, dass die Mitwirkung des Verteidigers für die spätere Einstellung kausal war (AG Köln 8.4.13, 523 Gs 445/10, 70 Js 543/10, Abruf-Nr. 131676).

     

    Sachverhalt

    Der Rechtsanwalt hat den Betroffenen im Strafverfahren verteidigt. Er hat sich für seinen Mandanten eingelassen. Das Verfahren ist eingestellt worden. Der Rechtsanwalt hat die Gebühr Nr. 4141 VV RVG geltend gemacht. Deren Festsetzung ist abgelehnt worden, weil die Mitwirkung des Rechtsanwalts nicht kausal für die Einstellung gewesen sei. Die Erinnerung des Rechtsanwalts hatte Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Der Erinnerung des Rechtsanwalts war abzuhelfen. Die Gebühr Nr. 4141 RVG ist vorliegend entstanden. Nach der Rechtsprechung genügt hierfür jedes aktive Mitwirken an dem Verfahren, etwa durch Fertigung einer Einlassung. Ein solches Mitwirken liegt hier vor. Der Rechtsanwalt hat sich für seinen Mandanten eingelassen. Ein für die spätere Einstellung kausales Mitwirken des Verteidigers - wie zunächst gefordert - ist dagegen nicht notwendig.

     

    Praxishinweis

    Um den Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühren Nr. 4141 VV RVG für das Strafverfahren und Nr. 5115 VV RVG für das Bußgeldverfahren gibt es in der Praxis häufig Streit. Das liegt sicherlich mit daran, dass es sich um „zusätzliche“ Gebühren handelt, und wer ist schon gerne bereit, solche zu bezahlen/zu erstatten? Das tun weder die Rechtsschutzversicherungen noch die Staatskasse gern. Vornehmlich muss sich der Verteidiger in diesem Streit mit zwei Einwänden auseinandersetzen, nämlich damit, dass

    • seine Mitwirkung nicht kausal für die spätere Einstellung gewesen sei und
    • es sich bei seinem Tätigwerden überhaupt nicht um „Mitwirkung“ i.S. der Nrn. 4141, 5115 VV RVG gehandelt habe.

     

    Die vorliegende Entscheidung ist Anlass, dazu noch einmal Stellung zu nehmen. Die Mitwirkung muss mit der ganz h.M. nicht ursächlich für die Einstellung sein (u.a. BGH RVG prof. 08, 205; LG Arnsberg JurBüro 07, 82; LG Aurich RVG prof. 11, 188; LG Hamburg AGS 08, 59; LG Köln AGS 07, 351). Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, zur Einstellung des Verfahrens beizutragen (BGH, a.a.O.). Teilweise wird in der Rechtsprechung allerdings gefordert, dass die Mitwirkung des Rechtsanwalt zumindest mitursächlich gewesen sein müsse (so noch KG RVG prof. 11, 210). In der Praxis sind die Unterschiede dieser Auffassung zur h.M. jedoch nicht groß. Die h.M. verzichtet zwar auf eine (Mit-)Ursächlichkeit. Sie verlangt aber eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete und zur Verfahrensbeendigung „objektiv geeignete“ Tätigkeit des RA. Das ist inzidenter im Grunde auch „mitursächlich“, denn, ist die Tätigkeit nicht „objektiv geeignet“, kann sie nicht mitgewirkt haben und war mithin auch nicht ursächlich (KG, a.a.O.; Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl., VV 4141 Rn. 11; Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Nr. 4141 VV Rn. 11).

     

    Unter Mitwirkung des Rechtsanwalts i.S. der Nr. 4141, 5115 VV RVG ist jeder Verfahrensbeitrag zu verstehen, der objektiv geeignet ist, zur Einstellung des Verfahrens beizutragen. Ob er beigetragen hat, ist unerheblich (vgl. dazu oben). In der Rechtsprechung gibt es einen umfangreichen Katalog von potenziellen Mitwirkungshandlungen, die hier nicht alle im Einzelnen vorgestellt werden können (vgl. dazu die Zusammenstellung bei Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 7 und Nr. 5115 VV Rn. 10). Hinzuweisen ist hier (nur) auf folgende Punkte:

     

    Übersicht / Mitwirkung ja und nein

    Keine ausreichende Mitwirkung 

    • Die Einstellung des Verfahrens allein von Amts wegen reicht für den Anfall der Gebühr nicht aus (AG Viechtach AGS 06, 289 m. Anm. N. Schneider).
    • Auch nicht ausreichend ist es, wenn sich der Rechtsanwalt bloß als Verteidiger bestellt (insoweit zutreffend AG Hannover JurBüro 06, 79) bzw. nur Akteneinsicht beantragt (AG Hannover, a.a.O.; AG Hamburg-Barmbek RVG prof. 11, 86).

     

    Ausreichende Mitwirkung

    • Ausreichend ist im Bußgeldverfahren die Einlegung des Einspruchs mit Begründung und ein damit verbundener Einstellungsantrag (LG Kiel zfs 07, 106).
    • Auch ein Hinweis auf die zwischenzeitlich eingetretene Verfolgungsverjährung genügt, wenn das Verfahren danach eingestellt wird (LG Baden-Baden AGS 01, 38; unzutreffend a.A. AG Köln AGS 10, 75). Entsprechendes gilt für den Hinweis auf Beweisverwertungsverbote (LG Düsseldorf RVG prof. 10, 212).
    • Legt der Rechtsanwalt gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch ein, beantragt wegen der Versäumung der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legt dar, dass auch ein anderer als sein Mandant der Fahrzeugführer gewesen sein könnte und wird daraufhin das Verfahren eingestellt, liegt eine Mitwirkung des Rechtsanwalts i.S. der Nr. 5115 VV RVG vor (LG Potsdam 26.11.12, 24 Qs 118/11, Abruf-Nr. 131677).
    • Eine große Rolle spielt in der Praxis die Frage, ob das sogenannte gezielte Schweigen ausreichend ist. Die Frage ist zu bejahen (BGH RVG prof. 11, 85, AG Hamburg-Barmbek RVG prof. 11, 86; wegen weiterer Nachweise Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 7), zumindest, wenn das den Ermittlungsbehörden mitgeteilt wird. Denn gerade das kann zur Einstellung des Verfahrens führen.
     

    Diese kleine Zusammenstellung zeigt: Der Verteidiger muss, wenn er die Gebühr Nr. 4141 VV RVG bzw. Nr. 5115 VV RVG verdient haben will, mehr im Verfahren getan haben, als sich nur melden und Akteneinsicht beantragen. Er sollte daher zumindest immer auch einen Einstellungsantrag stellen. Denn der ist immer auch objektiv geeignet, zur Einstellung des Verfahrens beizutragen.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 105 | ID 39317590