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  • · Nachricht · Prozesskostenhilfe

    PKH-Bewilligung für Berufungsbeklagten trotz möglicher Berufungszurückweisung nach § 522 Abs. 2 ZPO

    | Das Gericht wies die Klage ab. Der Kläger legte Berufung ein und begründet das Rechtsmittel. Das Berufungsgericht erteilte daraufhin den Parteien den Hinweis, dass es beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Es teilte der Berufungsbeklagten gleichzeitig mit, dass sie derzeit keine Berufungserwiderung einreichen brauche. Entgegen dieses Hinweises bestellte sich Rechtsanwalt R für die Berufungsbeklagte und beantragte, die Berufung zurückzuweisen. Zugleich beantragte R PKH unter seiner Beiordnung. Das Berufungsgericht wies die Berufung und den PKH-Antrag zurück. Zu Recht? |

     

    Nein. Der BGH hat durch Beschluss vom 11.5.17 (IX ZB 49/16, Abruf-Nr. 194785) entschieden: Ist eine Berufungsbegründung eingegangen, kann dem Berufungsbeklagten auch nach der Einführung eines Rechtsmittels gegen den die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweisenden Beschluss PKH zur Verteidigung gegen die Berufung nicht mit der Begründung versagt werden, eine Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss stehe noch aus. Damit stellt der BGH klar: Hat das Berufungsgericht dem Berufungsbeklagten noch keine Berufungserwiderungsfrist gesetzt, weil es noch die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 ZPO prüfen muss, ist dem Berufungsbeklagten PKH zu bewilligen.

     

    Der BGH betont: Im PKH-Bewilligungsverfahren in einem höheren Rechtszug ist zwar nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 119 Abs. 1 S. 2 ZPO). Hieraus folgt aber nicht, dass PKH ausnahmslos zu bewilligen ist. Denn die nach dem Rechtsstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebotene weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Mittellosen bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes gebietet zwar, dem Mittellosen die Rechtsverfolgung und -verteidigung nicht unverhältnismäßig zu erschweren. Die mittellose Partei ist aber nur einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Aussichten vernünftig abwägt und sein Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfGE 9, 124). Ob dem Berufungsbeklagten PKH unter Beiordnung seines Anwalts zu bewilligen ist, setzt folgende ‒ kumulative ‒ Prüfung voraus:

     

    • 1. Hätte eine bemittelte Partei bei Abwägung zwischen dem erzielbaren Vorteil und dem dafür einzugehenden Kostenrisiko ihre Rechte ebenfalls in einer bestimmten Art und Weise wahrgenommen?
    • 2. Hat der Berufungsbeklagte vor Erlass des Beschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO den Antrag auf PKH und Anwaltsbeiordnung gestellt?
    • 3. Hat der Berufungsbeklagte seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gegenüber dem Berufungsgericht mittels amtlichem PKH-Vordruck nebst dazugehörigen Belegen dargelegt?

     

    PRAXISHINWEIS | Insofern muss der Anwalt des Berufungsbeklagten seinen Mandaten hierüber aufklären und ihm ‒ insbesondere im Hinblick auf die Fragen zwei und drei ‒ die Eilbedürftigkeit erläutern. Sonst droht Regress.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2017 | Seite 188 | ID 44894670